f>c«„Oitntbitr ter C anlwrrtbcfirr 'Hfbaflnrrt Tlo-inniie-Reltze, tmmburg . i p e D 11 i >. n B«biunbftrabeii.<8rbae(d)oB. Owcbbanbiunfl: Itrbaelchoh. U!ud)bruderet»Äontor: "'rbiaunmab-' n 1 Stoa. Nazelvvmmer «orgmS 20 4 «veudS sowie kormr nab Festtags 80 4 LamburgerEcho bte «OftHeanen« »rtttirtlf S.eo A, Hrbeltemarft u. -nmilten» amtiern z,40 A Rlrlut tintelflrn bl» »Zelle» bic Zeile 2,85 A eixleigrn. Lnnabme fieblanbfirafce ii Im lin» xelchab (bi« 7 Nhr abend« für den iolgenoe» Xa«), In den Filialen .bi» « llhr> unb tn allen .innoncen- vueeaur. Via»- unb »aienporldirtftm ohne »erdmbltchleit. Ur. 519. Sonnabend, den 5. Uouember 1931 - Abend-Ausgabe. 35. Jahrgang. Die Katastrophenzahlen der deutschen Finanzpolitik. Der Sozialdemokratische Parlamentsdienst gibt über den Ein - druck der gestrigen Rede des Reichsfinanzministers folgenden Bericht: In einer Stimmung von tiefem Pessimismus nahm am Frei - tag nachmitiag der Reichstag die Rede des Aushilfsministers Dr. Hermes über den Stand der Rcichsfinanzen entgegen. Der Mini - ster errechnete einen Fehlbetrag von 110 Milliarden Mark. Aber noch während er sprach, blieb auch diese ungeheure Zahl weit hinter der Wirklichkeit zurück. Hermes hatte bei der Vorbereitung seiner Rede mit einem Entwertungsfaktor für unsere Mark von 40 ge - rechnet. Schon aber war der Dollar auf über 240 hinausgeschnellt, mithin das Sechzigfache des Friedenspreises erreicht. Nicht mehr um oas Vicrzigfacye, sondern um das Sechzigfache ist die Mark entwertet. Damit gleiten die Katastrophenzahlen des deutschen Finanzministers noch mehr ins Bodenlose. Auch seine engsten Freunde werden dem Reichsfinanzminister nicht nachsagen wollen, daß seine Rede dieser furchtbaren Lage der Finanzen gerecht geworden wäre oder auch nur als die Durch - schnittsleistung einer parlamentarischen Finanzrede bezeichnet wer - den könnte. Es war die Zusammenstellung von Zahlen irgendeines Geheimrats, geschmückt mit einigen bedeutungslosen Redensarten. Den Mchrertrag der vorgeschlagenen Steuern schätzte der Minister aus 40 bis 42 Milliarden Mark. Selbst diese BÜastung reicht aber nicht aus, um unsere Verpflichtungen zu erfüllen. Die Gesamt - ausgaben des ordentlichen Etats allein werden nach den bisherigen Bewilligungen über 114 Milliarden betragen, dem stehen Einnahmen für 1921 von rund 61 Milliarden gegenüber, so daß ein Fehl - betrag von 53 Milliarden in dem sogenannten ordentlichen Reichshaushali ent sicht, zu dem im außerordentlichen Etat noch weitere 57 Milliarden ungedeckter Beträge hinzuzurechnen sind. Der Anleihebedarf des Reiches für 1921 steigt demnach auf 110 Milliarden Mark! Die Linke und die Mitte hörten die niederschmetternden Zahlen ruhig uno in tiefem Ernste an. Von den Rechtsparteien kamen Zurufe: „Die volle Pleite! Ganz und gar bankerott!" Herr Helfferich, der wohl für die Deutschnationalen sprechen wird, machte aufgeregte Zwischenrufe. Für ihn scheint der volle finan - zielle Zusammenbruch Deutschlands sicher und ein Faktor in seiner Katastrophenpolitik zu sein. Wozu sich noch zur Erfüllung der Ver - pflichtungen an unsere Gegner an strengen? Warum ^überhaupt noch Steuern beschließen? Es hilft ja doch alles nichts. Wir können nicht erfüllen! Das ist Helfferichs finanzielles Programm. Mehr weiß er nicht und mehr kann er nicht. Wir wollen nicht prophezeien, aber seine Rede zu Beginn der kommenden Woche wird auf dieselbe Negation wie seine gestrigen Zwischenrufe gestimmt sein. Von einem parlamentarischen Mitarbeiter geht uns nach - folgende Betrachtung der finanziellen Lage des Reiches z..: Der Reichsminister Dr. Hermes, der zurzeit die Geschäfte des Neichsfinanzministeriums wahrnimmt, weil sich für dieses mehr als schwere Amt im Augenblick der Reichskrise kein anderer Manu finden ließ, hat am Freitag Im Reichstag in einer Rede des kor - rekten Amtsstils, die weder ein Gefühl verraten, noch einen Ge - bauten erkennen läßt, die neuen ungeheuren Steuervorlagen be - gründet und die katastrophale Lage der deutschen Finanzen dar- gelcgt. Während der Minister sprach, notierte der Dollar an der Berliner Börse 235 bis 240 JL Man muß unter diesen Umständen sich gestehen, daß die phan - tastischen Summen von Papiermilliardcn, die der Minister tanzen ließ, trotz ihrer unvorstellbaren Größe gar keine Vorstellung von ben wirklichen Verhältnissen geben. Man kann vielmehr besonders die Zcchlen, die er für den Etat des Jahres 1922 angegeben hat, mit einer beliebigen Zahl multiplizieren — heute vermag niemand zu sagert, welcher Multiplikator der richtige ist, man kann nur sagen, die Zahlen des Ministers sind vielleicht richtig multipliziert mit X. Dieses X stellt die Verrechnungszahl zwischen unserer deutschen Währung und den maßgebenden Währungen des Aus - landes, vornehmlich also dem Dollar, dar. Das Rechnungsjahr 1922 beginnt am 1. April nächsten Jahres und endet mit dem d1. März 1923. Was die Mark am 1. April nächsten Jahres, also nach ungefähr fünf Monaten, noch wert sein wird, das weiß lein Mensch.. Noch viel weniger läßt sich voraussehen, wie sich der Wert unseres dürftigen Zahlungsmittels von da ab ein ganzes Jahr lang gestalten wird. Man kann nur sagen, daß die Auf- fteHung von Jahresetats heute einen Gebrauch darstellt, der aus alter Zeit übernommen ist, für den aber jetzt die Voraussetzungen fehlen. Früher wußte man. daß die Mark, von kleinen Schwan - kungen abgesehen, in fünf Monaten noch ebenso viel wert sein wurde wie zuvor, und nach dem Ablauf eines weiteren Jahres un - gefähr ebenso viel. Das war ein Wertmaßstab aus Metall, die heutige Mark ist ein Wertmaßstab körperlich aus Papier, bildlich gesprochen, aus Gummi, das sich aber nicht ausdehnt, sondern noch immer mehr zusammenschrumpft. Die deutsche Mark hat ihre Bedeutung als Wertmaßstab verloren. 1 Ein Trost bleibt dabei, nämlich der, daß zugleich mit den Ziffern der Auegabeseite, auch die der Einnahmeseite wachsen können. Darum sind die Erträge, die der Minister aus den kom - menden neuen Steuern errechnet, voraussichtlich viel zu klein. Wenn zum Beispiel eine Ware 100 JI. kostet, so beträgt die 2y 2 = prozentige Umsatzsteuer 2,50 JI. Verdoppelt sich aber der Waren - preis, so verdoppelt sich auch diese Umsatzsteuer. Ein ähnliches Verhältnis liegt auch bei den meisten anderen Steuern vor. Trotzdem bleibt das Reich, solange die Mark weiter sinkt, in schwerem Nachteil, nämlich in jenem Nachteil, in dem sich heute jeder Markgläubiger gegenüber dem Markschuldner befindet. Jeder- man schuldet dem Staat Steuern; zwischen dem Zeitpunkt aber, in welchem der Staal das Recht auf die Steuern erwirbt und jenem, zu dem die Steuer auch wirklich bezahlt wird, besteht ein ziemlich langer zeitlicher Zwischenraum. Eine Milliarde, auf die der Staat heute schon Anspruch hat, die aber erst in einigen Monaten einkommt, ist dann vielleicht nur noch soviel wert, wie heute 500 Millionen oder 250 Millionen. Aus allevem geht hervor, daß sich der Staat unmöglich darauf beschränken kann, sich an die Ufer des ungeheuren Papierstromes zu setzen. Der unsere Volkswirtschaft durchflutet unb aus ihm herauszuschöpfen, was immer sich mit den Eimern der Steuer - gesetzgebung erfassen läßt. Ihm muß der Zugriff eröffnet fein auf die wirklichen Werte, die sich im Besitz seiner Bürger besinoen, und das sind einmal die gewaltigen Guthaben in fremden Zahlungsmitteln, die in ausländischen Banken auf deutschen Konten liegen, imd das sind zum anderen die im Inland befindlichen Sach - güter an Grund und Boden, Häusern, Fabrikgebäuden usw. Der Wert dieser Sachvermögen steigt, in Papiermark ausoedrückt, genau in demselben Maße, in dem das staatliche Zahlungsmittel, die Mark, sinkt. Hat der Staat ausländische Devisen, hat er in - ländische Sachwerte, so macht ihn das Fallen der Mark nicht nur auf der einen Seite ärmer, sondern es macht ihn aus der anderen Seite auch wieder reicher, weil der Wert Der ihm zur Verfügung stehenden Mittel, in Papiermark ausgedrückt, steigt. Bis jetzt ist es im großen ganzen so, daß das Fallen der Mark eine Bereicherung eines kleinen Kreises von Personen zum Schaden des Reiches und des ganzen Volkes bedeutet. Daß gewisse Kreise in Deutschlano an der Entwertung der Mark und damit an der Verelendung des deutschen Volkes geschäftlich interessiert sind, beweist schon der Umstand, daß der spekulative Druck auf die Mark nicht vom Ausland, sondern von den deutschen Börsen ausgeht. Wenn die Mark beispielsweise in New Dark nur noch ein Vierzig - stel des Friedenswertes hat, handelt man sie in Berlin schon mit einem Fünfzigstel, unb wenn bann New Park wieder nachkommt, eilt Berlin schon wieder voraus. Die deutsche Valutaspekulation kann es offenbar gar nicht erwarten, bis die Mark auf dem Niveau des Sowjetrubels angelangt sein wird. Das alles beweist nun durchaus nicht, daß neue Steuern über - flüssig sind, weil durch sie ja doch nicht geholfen werden könnte. Im Gegenteil, die Milliarden, die der Staat aus den Steuer- erträgeu erzielen könnte, die er aber herauszuzichen unterläßt, müssen in der Reichsdruckerei frisch gedruckt werden und bewirken ein abermaliges katastrophales Sinken der Mark. Die ständige Valutaentwertung ist ober die sinnloseste und grausamste Form der indirekten Besteuerung, die sich überhaupt denken läßt. Daraus folgt, daß Steuern, Kredithilfe und Er - fassung der Sachwerte ein untrennbares Ganzes bilden für jeden ernsten Plan, der Katastrophe der deutschen Finanzen Einhalt zu gebieten. Ob sie alle zusammen dazu ausreickien, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Man muß es vielmehr be - zweifeln. Trotzdem muß das deutsche Volk ganz offensichtlich an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit, ja selbst über sie hinaus- streben, um den Vorwurf zu entkräften, es stelle sich bloß zah - lungsunfähig, ohne es in Wirklichkeit zu sein. Eine alle Möglich - keiten erschöpfende Finanzpolitik ist heute für Deutschland das einzig erfolgversprechende Mittel einer großen Politik, die auf eine Re - vision des Londoner Ultimatums hinzielt. Dieser Politik muß auch der Besitz Opfer bringen, gleichviel, ob er ihre Notwendigkeit selber begreift und freiwillig danach handelt, ober ob er durch die Macht der Gesetzgebung erst dazu gezwungen werden muß. Frankreichs Sorgen nm den deutschen bankerott. Der neue Marksturz wird in Frankreich sorgenvoll aus - genommen. Der französische Hausbalt für 1922 weist einen Fehlbetrag von 1625 Millionen Franken auf, unb die Franzosen sehen ihr Schlagwort zerrinnen, daß die Deutschen alles bezahlen werden. Blätter, wie der „Teinps" und die .Liberte", behaupten, daß Deutschland seinen Bankerott mit Absicht beschleunige oder doch nicht verhindere, um seinen Zahlungsverpflichtungen zu entgehen. So erklärt die „Liberte" am Freitag, Reichskanzler Wirth könne mit Wilhelm II. sagen: „Tas habe ich nicht ge - wollt." Es bleibt aber, ob er es gewollt hat oder nicht, eine Tatsache, daß Deutschland s i ch dem Bankerott nähert. Bisher fand man bei der französischen bürgerlichen Presse keinen Schimmer von der Erkenntnis, daß die französische Politik an dem Finanzelend Deuischlands einen großen ..uteii habe. Allein schon die gewaltige BesakungSlast, die das Werk Frankreichs ist, mutz ja die deutschen Finanzen ruinieren. iRimiii ■iiiii—iiiiiwi i mite» ■r.—it:- .rr Erdsegei». verti-inliche Sonntagsürieke clttrö BimkrnsnkHtkS. Ein Kulturroman von Peter Rosegger. [16] Ter Augapfel dieser Leute, ihr Herzblatt unb ihre zitternde Freude ist —. Sagen tut's keines, anmerlen tut man's jedem. Kijenn die B a r b e l nicht da ist — wo ist sie denn? Wenn sie im Stalle Streu hebt oder vor dem Hause Holz schichtet — ist es wohl nicht zu hart für sie? Wenn sie bei Tisch den Löffel weg - legt — was ist Dir denn, Kind, daß Du nit magst essen? Und hast wohl genug warm bei der Nacht, Bärbel? Und tut Dir wohl nichts weh, Bärbel? Am Josefilag, während das Mädel in der Kirche war, habe ich ein Gespräch gehört zwischen dem Adam und seinem Weibe, da? mir zu denken gibt. Sagt sie zu ihm: „Ich weiß nit, Adam, mir ist immereinmal so hart." „Warum denn, Mutter?" „Das weiß ich halt selber nit." Machte er sein schalkhaftes Gesicht: „Wenn Dich was druckt, Dlte, da weiß ich Dir einen guten Rat. Vor Zeiten wärest Du selber draufgekommen." „Du meinst, daß ich für die armen Seelen im Reafeuer ein ßaterunfer beten sollt'?" Er schüttelte den Köpf — das meine er nicht. .Oder fleißig zum arbeiten schauen?" sagte sie. „Weißt, Mutier, zu wenig greinen tust Du. Besser au?- brummen muht Dich, nachher wird Dir schon g’ring." „DaS kannst sein lassen, Acker. Fürs Foppen bin ich jetzt nit aufge’egt. Traurig genug, wenn Du Dich nit kümmerst. Fällt Dir denn gar nichts auf, Adam? Daß sie alleweil so traurig istl" „Wer? " „Unb schon gar nimmer lachen will. Die Barbell" „Die Bardel? Nit lachen? Nimmer lustig fein? — Du, Weib, setzt fällt mir das auch auf. Haden wir nit alleweil gesagt: das Hausglocke!?" „Gelt! Unb jetzt nimmer. Schon laug' nimmer. Oder weißt eine Zeit, wo sie gelacht hat?" „Schon lang' nimmer," sagte er nachdenklich. „Seit dazumal, wo sie in» Wasser gefallen ist, kommt ft* mir halt ganz ander» fütst" „Seit sie zu Hoisendorf in den Bach gefallen ist?" »Seitdem ist sie nimmer so." »DaS lunnt ich mir nit denken, wegen was." „Du, wenn'S mit dem Kind was hätt'! Himmlische Mmier Maria, wenn dem Kind waS tät feinI" „Es müßte nur sein," meinte er, ,chaß Ihr die Hand web tät." »Die Hand? Sie wird doch an der Hand nichts haben!" „Dem Rocherl seine." „Mein Gott, es kann ja eh sein, daß es daS ist." „Sie sollt'» doch sehen, daß der Bub' selber lustig ist* „Ist nit sein Ernst, meinst Du! Dem steckt'» tiefer, als er's scheinen lassen will. Geh', sag' da» einer Mutter nit’. die Kinder müssen leiden, wenn man'k selber tunnt tragenl Tausend - mal gern! Daß uns so was hat müssen treffen mit dem Rochcrl!" „Mein Gott, Trändel," sagte er, „wir find halt auf der Welt. Da ist doch das Unglück nichts Neues. Wollen denn wir den Himmel schon im Almgai haben? Narr'l, da tät' ja nachher das Absterben zu hart sein!" So haben sie am Vormittage miteinander geplaudert beim Herdfeuer. Unb zu Mittag, wie die andern von Hoisendorf heim- koinmen, bringen sie den wrief mit. Vom Soldaten. Die Haus - mutter hat uns für denselben Mittag Leinölkrapfen bereitet ge - habt, die sonst so gut sein sollen. Haben uns nicht geschmeckt. Der Valentin liegt krank im Spital zu Laibach im Krainerland. Was ihm fehlt, da» schreibt et nicht. Fininer an „heim" muh er denken. Immer an beim! — Der zuerst anhebt zu brüllen, das ist der Franzet. Den Rocherl stoßt's bloß in der Brust. Die Mutter hock: im Ofenwinkel, reglos, wortlos. Der Vater hat größere Augensterne bekommen, Haß man das Weiße nickt me^r sieht. Die Bärbel steht ganz ruhig am Winkelkasten unb schaut mit ihren runden, betrübten Augen zum Fenster hinaus, unb di« Hände bat sie über der Sckürze gefaltet. Jetzt, Knecht, zugereister, mach' Dich einmal nützlich! Also fange ich au zu trösten: „Spital! WaS weiter? Bin ich zwei - mal im Garnisonsspiia! gewesen, einmal hier, einmal sechs Wochen lang. Da fehlt einem gar nichts, als das bissel Gesund- heil. Man hat sein warmes Bett, sein Stückel Fleisch unb seinen Doktor. Unb wird bedient wie ein Graf. Dachzustehen braucht man nicht, zu exerzieren braucht man nicht, hört keine Flucherei, weih von keiner Strafe unb die Zeit vergeht doch. Manchmal geht'« gar luftig zu im Spital:, schwatzen, Harteln, rauchen, fein. Das Peichsmietegeleh. Das Reichrmietegesetz beschäftigte am Freitag den ReichsiagS- auSschuß für Wohnungspolitik. Beraten wurde bet § 2 bei Gesetz - entwurfes, oer die Berechnung der gesetzlichen Miete feststellt. Bei der Preisbestimmung soll von dem Mietzins am 1. Juli 1914, der sogenannten Friedensiniete, ausgegangen werden. Nötigenfalls soll sie von dem Mieteeinigungsamt festzusetzen sein. Unter Führung des Abgeordneten Bohthien suchten Redner aller bürgerlichen Parteien die Regierungsvorlage mit dem Ziele abzuschwachen, eine Erhöhung der Friedensmiete zu erreichen. Nur der Zentrumsabgeordnete Tremmel, ein christlicher Är- beiterbertreter, schloß sich von diesem Vorgehen der bürgerlichen Parteien aus. Abgeordneter S o l l in a n n (ST.) bezeichnete die Regierungsvorlage als das Mindestmaß des z u For - dernden. Eine Erhöhung der Friedensmiete fei unerträglich. Die Sozialdemokratie wolle alles bewilligen, was zur Sanierung des Wohnungswesens notwendig sei, aber nichts, was zur Bereicherung Privater führen könne. Tas Vor - gehen der Hausbesitzervertreter habe die Sabotage des Gesetzes zum Ziel. Wenn diese Taktik sich in den Kommissionsverhanb- lungeii fortsetze, werde man zu keiner Einigung kommen. Die Unabhängigen und Kommunisten nahmen denselben Standpunkt ein. Abgeordneter B e p t h i e n (TVP.) bestritt die Absicht der Sabotage. — Der Wohnungsausschuß beschloß, auch bet einer etwaigen Vertagung des Reichstags die Beratungen über das Gesetz fortzuführen. NotSandsmatznaljmen für Invalidenreniuer. Ter ReichStagsauSschuß für soziale Angelegenheiten beschäftigte sich am Freitag mit dem Entwurf eines Gesetzes über „Notstands - maßnahmen zur Unterstützung von Empfängern von Renten der Invalidenversicherung". Nach dem Entwurf sind die Gemeinden verpflichtet, notleidenden deutschen Empfängern von Renten aus der Invalidenversicherung auf Antrag eine Unterstützung zu ge - währen. Tie Unterstützung ist in einer solchen Höhe zu bemessen, daß das Gesamteinkommen des Empfängers einer Invaliden- oder Altersrente den Betrag von 2100 JI, einer Witwen- ober Witwer- rente den Betrag von 1500 JI, einer Waisenrente ben Betrag von 800 J( erreicht. In der Aussprache über diese Bestimmungen herrschte Uebereinstimmung darüber, daß diese Beträge viel z u gering sind. Dagegen gingen die Meinungen darüber auseinander, ob es zweckmäßig sei, die neuen Zulagen zu den Renten nur unter Hinzurechnung des übrigen Einkommens ur8 Rentenempfängers zu gewähren. Der Reichsarbeitsminister Dr. Brauns wies darauf hin, daß es bei ber gegenwärtigen all - gemeinen Not unmöglich ist, auch solchen {Rentenempfängern eine weitere Zulage zu gewähren, die in guten, wirtschaftlichen Verhält - nissen leben und einer weiteren Hilfe nicht bedürftig find. Tie stz.aldemokratlschen Redner wiesen darauf hin, daß in den Siädtxn rast alle Rentenempfänger wirtschaftlich sehr schlecht sieben; die Ausnahmen find so gering daß sie gar nicht in Betracht kommen, und bur* sie bei weitem nicht so viel erspart wird, wie die Kesten der langwiec.gen Untersuchungen ber Einkommensverhältnisse oller Rentenempfänger behagen. Hier werbe nur eine Verschiebung von ber Armenpflege auf die Reichskaffe ftattfinben. Tab"i werden schwere Ungerechtigkeiten nicht zu vermeiden sein, und zwar besonders auf dem Lande. Unter diesen Umständen hielten es die Sozialdemokraten für das kleinere Uebel, von solchen Untersuchun - gen abzusehen und sich wieder mit weiteren allgemeinen Zulagen zu begnügen. Dagegen treten die bürgerlichen Parteien mehr oder weniger entschieden für die Beschränkungen ber Hilfe auf die wirklich Noueidenden ein. — Ein anderer Gegensatz der An - schauung trat zwischen der RcichSregierung und den Vertretern der Landesregierungen im Reichsrat zutage. Tie RcichSregierung will die Kosten zu je einem Tritte! auf das Reich, die Länder unb die Gemeinden verteilen. Die Landesregierungen wollen fast die ganze Last dem Reiche auferlegtn unb nur 10 % den Gemeinden. — Welches Ergebnis die Beratungen haben werden, ist noch nicht abzusehen. Am Mon'ag wird ber Ausschuß sich mit den Einzelheiten ber Vorlage be - schäftigen. Etwas von der Krrppennnrtschaft. Durch einen Antrag an den sozialdemokratischen Parteitag zu Görlitz ist bekannt geworden, daß der ehemalige Reich-kanzler Fehrenbach ein Ruhegehalt von 45000 JI jährlich bezieht, obwohl seine Amtszeit nur von kurzer Tauer war unb fein Einkommen als Rechtsanwalt durch seine ReickS-kanzlerschast a. D. sicher nicht beeinträchtigt ist. Eine kommunistische Reichsta^anfrage verlangte von der Regierung Auskunft, ob nach denselben Grund - sätzen Ruhegehälter auch andern ehemaligen M i n i st e r n bewilligt würden sind. Tie RcichSregierung antwortete, daß die Pension an Fehrenbach unter Anrechnung seiner Tätigkeit als „Sachwalter" erfolgt sei. Aehnliche Voraussenungen.hätten für die parlamentarischen Minister v. Paver, v. Krause, Koch unb Dr. Scholz Vorgelegen. Ten beiden Letztgenannten wurde ihre kommunale Tätigkeit angerechnet. Unter ben ferner von ber Rcicks- regierung genannten Pensionsgewinnern befand sich ber kurzlebige Staatssekretär des Kanzlers Michaelis, der frühere Kölner Oberbürgermeister Wallraf. Tie Antwort der Regierung Hai deutlich gezeigt, wohin etwaige Vorwürfe wegen Futterkrippen - wirtschaft zu richten sind. Nicht ein einziger sozial - demokratischer Minister a. D. bezieht Pension. An bet gestrigen Berliner Börse erreichte derTollar vorüber - gehend einen Kurs von 248. Im weiteren Verlauf _trat in - folge erheblicher Tevisenverkäuse der Rcichsbank eine Senkung ein. Es notierten amtlich New 0otl 230, London 915, Holland 8000. Infolge des Mangels an Material mußten wieder Re- Portierungen Dorgenommen werden. So wurden bei ben meisten Devisen nur 50 bis 75 % ber Nachfrage befriebigt DaS englische Unterhaus bat am Freitag bie Entschließung ber Britischen Arbeiterpartei, bic die Teilnahme Englands an der Abrüstungskonferenz in Washington ausdrück, lich billigt, einstimmig angenommen. Leinert oder Ziegerwald? Roch feint Gtwitzhttl in Prentztn. SPD. Berlin, 5. November. (Drahtbericht.) Neuerdings verlautet, daß das Zentrum auf ber Kandidatur Stegerwalds als Ministerpräsident besteht, trotzdem awch das Zentrum einer Kandidatur Leinert schon seine Zu - stimmung gegeben hatte. Ob Leinert die ihm angetragene Präsidentschaft annehmen wird, sollte sich im Laufe bei heutigen Vormittags entscheiden. Die Gewerkschaften Hannovers sowie auch die Stabtoerorbnetenfraftion haben Delegationen nach Berlin entfanbt, um Leinert von der Uebernahme der Ministerpräsident- schaft abzuraten. Der „Vorwärts" schreibt heute früh: „Das Stimmenver - hältnis in bet sozialdemokratischen Fraktion ist ein deutliches Zeichen dafür, wie stark die Bedenken dagegen sind, Pr e ußen zum Versuchskaninchen der großen Koalition zu machen. Kommt die große Koalition zustande, so wird sich niemand in der sozialdemokratischen Partei ber Erkenntnis ver - schließen, baß es sich um ein gewagte- Experiment handelt, vielleicht für absehbare Zeit um da« letzte, das überhaupt gemacht wird. Die Koalition wirb in Preußen weniger benn je eine Liebeskammer sein unb mehr denn je ein Boden, auf dem Klasseninteressen aufeil. anderstohe n." Die „Freiheit" überschreibt ihre Stellungnahme „Kapitulation" und glaubt, daß die Sozialdemokratie, die vorgestern noch ein- stimmig gegen bie Volkspartei war, sich gestern ater mit knapper Mehrheit für die verbreiterte Regierungsbasis aussprach, mit den vergangenen Nationalliberalen, ber Fraktion Drehscheibe, verglichen werden könne. „Auch wir sehen lieber," so schreibt das unabhängige Blatt, „einen Seve - ring im Ministerium be8 Innern, als einen Dominikus. Aber so wünschenswert bie Erreichung bicfel Zieles erscheinen mag, so ist sie doch nicht wichtig genug, um jeden Preis für sie zu zahlen." ♦ Nach den heutigen Nachrichten sieht es mit der preußischen Regierungsbildung wieder weniger sicher aus als am gestrigen Abend. Die ausgetretene Frage: Leinert oder Steger - wald ? verstärkt die Ungewißheit, denn man wird der sozialdemo - kratischen Landtagsfraktion cs nicht verübeln können, wenn sie in der Nominierung Stegerwalds seitens der bürgerlichen Koalitions - parteien einen Mißbrauch ihres Entgegenkommens sieht. Ueber dieses selbst wird Abschließendes erst nach endgültiger Verwirk - lichung der großen Koalition zu sagen sein. In dem heute morgen mitgetciltei? Programm der Parteien vermissen wir die Behand - lung der speziellen Fragen, insbesondere Vereinbarungen über Achtstundentag und KoalitionSrccht. ♦ gttnrrt lehnt ab. SPD. $ e r 11 n, 5. November. (Drahtbericht.) Um 10 Ufet ist der üitcrfr ttioneUe Ausschuß des preußische» Landtages zusammengetreten, um sich mit der Kandidatur deS Ministerpräsidenten zu beschäftigen. Der Genosse Leinert hat endgültig abgelehnt. Genosse Braun, der von der Sozialdemokratie vorgeschlagen wurde, ist von ben bürger- lidien Parteien abgelehnt worden. Augenblicklich deb ttiert man über die Ministerpräsidentschast deS Genossen Severing. Trotz alledem aber versuchen die Deutsche Bolks. Partei und daö Zentrum immer noch, Stegerwald als Mini - sterpräsidenten beizubehalten. Die Demokraten sind der Auf- sassnng, daß man die große Koalition on der Personen- fr ge nicht scheitern lassen kann. Gin Neiufall. Der Schriftsteller Dr. Surf Tu