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Btraniroottlldiet  RedaNeur: 
Paul  Pugdah»,  illtona. 
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ffludfbanblung;  «rdarlchoß. 
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g.blanbsuatze  ii,  i.  Stock. 
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«eldjob  (bi#  7  Uhr  abend» 
für  de»  folgenden  Ton), 
In  den  Filialen  (bis  3  uyn 
und  In  allen  «nnoncen- 
Bureaut. 
ria».  und  Daienvorlchrlften 
ebne  Berblnbli-bkeit. 
LanwurgerEcho 
Ur.  222. 
Sonnabend,  den  13.  Mai  19Ä2  —  Abend  Ansgabe. 
36.  Jahrgang. 
Sonntag:  Elternratswahl! 
Jeder  Vater  und.jede  Mutter  mutz  wählen! 
Wer  nicht  wählt,  gefährdet  und  schädigt  die  freie  und  natürliche 
Entwicklung  unserer  Schule,  unserer  Jugend! 
Wer  die  hoffnungsvollen,  zukunftsreichen  Keime  und  Anfänge  im 
Hamburger  Schulwesen  bewußt  fördern  und  an  ihrer  Entfaltung  tätig 
teilhaben  will, 
wählt  die  Liste  Schulfortschritt! 
Die  bürgerliche  Presse  sucht  mit  der  oberflächlichen  und  unehrlichen  RevenSart  von  den  „unpolitischen" 
Listen  des  „Elternbundes"  und  des  „evangelischen  Elternbundes"  unklare  und  gleichgültige  Eltern  ein -
zufangen.  Hlärt  solche  Eltern  noch  in  letzter  Stunde  aus! 
Erstens  ist  es  völlig  unwahr  und  unsinnig,  daß  die  Sozialdemokratie  die  Politik  in  den  Schul -
unterricht  hineintragen  wolle.  Im  Gegenteil:  die  Schule  ist  von  den  früheren  Machthabern  mißbraucht 
worden  zur  politischen  Seelenvergiftung  der  Kinder.  Das  soll  aufhören  und  nicht  wieder  sich  einschleichen! 
Gerade  darum  dürfen  die  sogenannten  „Unpolitischen"  nicht  wieder  die  Oberhand  gewinnen,  denn  sie  sind 
lediglich  verkappte,  auf  den  Stimmenfang  ausgehende  reaktionäre  Parteipolitiker! 
Zweitens:  Die  Fragen  der  Schulverwaltung  und  Schulorganisation  sind  dagegen  unmittelbar  mit 
der  Kultur-  und  Bildungspolitik  verbunden.  Es  ist  ganz  selbstverständlich,  daß  der  Staat  und  die  im 
Staatsvolke  lebendigen  Parteien  sich  dieser  Fragen  annehmen.  Die  Sozialdemokratie  hat  ihrem  innersten 
und  eigentlichsten  Wesen  nach  das  allererste  Recht,  ja  die  direkte  Pflicht,  sich  für  die  Umwandlung  der 
Schulen  in  Lebens-  und  Arbeitsgemeinschaften  der  Jugend  einzusctzen.  Die  sozialen  Tugenden,  deren 
unser  sich  erneuerndes  Volk  dringend  bedarf,  können  nur  erwachsen  aus  der  geistigen  und  körperlichen  Eigen -
tätigkeit  und  der  wahrhast  kameradschaftlichen  Erziehung  der  Schüler.  Das  alles  ist  aber  mir  möglich  bei 
verantwortlicher  Mitwirkung  der  Eltern  an  der  Schulentwicklung.  Das  ist  der  offene  und  klare  pro -
grammatische  Standpunkt  unserer  Partei,  indem  sie  als  die  Partei  der  Zukunft  und  der  Menschlichkeit 
allen  alten  bürgerlichen  Parteien  unerreichbar  überlegen  ist.  Darin  sind  sich  SPD.  und  USP.  restlos  einig. 
Dieses  Streben  nach  Veredelung  uud  Vertiefung  des  öffentlichen  Erziehungswesens  wagen  die  „Ham -
burger  Nachrichten"  (Morgenausgabe  vom  26.  April)  eine  „Verschandelung  der  Schule"  zu  nennen;  von 
den  sozialdemokratischen  Eltern  haben  sie  die  Frechheit,  zu  sagen:  „Ihnen  zerfließt  die  Frage  nach  dem 
Glück  ihrer  Kinder  in  nichts!"  Und  das  „Fremdenblatt"  nörgelt  an  unserer  Schulpolitik  herum  mit  salz- 
und  sinnlosem  Gewäsch. 
Gebt  ihnen  allen  die  richtige  Antwort:  Sorgt  morgen  für  einen  neuen,  überwältigenden 
Tieg  des  Schulfortschrittes! 
Genua  vor  dem  Ende. 
Das  russische  Problem. 
Die  Entwicklung  in  Genua  ist  so  weit  gediehen,  daß  man 
sie  ein  Stück  weiter  übersehen  und  sagen  kann:  Es  wird  dort 
in  der  russischen  Frage  weder  zu  einer  einverständlichen  Lö -
sung,  noch  zu  einem  allgemeinen  Bruch  kommen.  Zwischen 
Lösung  und  Bruch  gibt  es  aber  nur  einen  Mittelweg,  der 
heißt  Vertagung.  Dieser  wird  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  beschritten  werden. 
In  der  Haltung  der  mit  Rußland  verhandelnden  Mächte 
haben  sich  zwei  Gegenpole  hcrauSgebildet.  Der  eine  ist  der 
deutsche,  der  andere  ist  der  belgisch-französische.  Deutschland 
hat  seinen  Vertrag  bereits  in  der  Tasche,  Belgien-Frankreich 
knüpfen  den  Abschluß  an  unmögliche  Bedingungen.  Man  kann 
—  ohne  über  Zeit  und  Art  des  Abschlusses  von  Rapallo  ein 
Urteil  abzugeben  —  sagen,  daß  Der  deutsche  Standpunkt  mehr 
Weitsicht  verrät  als  der  ihm  entgegengesetzte.  Er  stellt  die 
kapitalistische  Entwicklung  über  das  kapitalistische  EigentumS- 
interefse.  Der  belgisch-französische  Standpunkt  verrät  dagegen 
einen  gewissen  kleinbürgerlichen  Eigentumsfanatismus.  Nichts 
soll  über  die  Zukunft  geredet  werden,  solange  nicht  sozusagen 
jeder  zerrißene  Strumpf  ersetzt  und  jede  Kaffeetaffe  an  die 
alte  Stelle  zurückgebracht  ist.  In  der  Mitte  zwischen  diesen 
beiden  Standpunkten  steht  England.  Es  wird  schließlich  ohne 
Prinzipienreiterei,  die  dem  englischen  Wesen  fremd  ist,  nach 
seinen  praktisch-weltpolitischen  Interessen  seine  Entscheidung 
treffen. 
Es  kommt  also  aller  Voraussicht  nach  wirklich  so,  daß  der 
deutsch-russische  Vertrag,  der  halb  zufällig  in 
Genua  geboren  wurde,  das  einzige  große  Konfercnzergcbnis 
sein  wird.  Denn  daß  der  zehnjährige  Burgfriedenspakt  Lloyd 
Georges,  wenn  er  noch  in  irgendeiner  Form  zum  Abschluß 
kommen  sollte,  mehr  sein  könnte  als  eine  Schale  ohne  Kern, 
läßt  sich  kaum  vorstellen.  Durch  den  raschen  Abschluß  des 
Sondervertrages  hat  sich  Deutschland  in  Rußland  zweifellos 
einen  gewissen  Vorsprung  gesichert.  Was  damit  wirtschaftlich 
gewonnen  sein  wird,  ist  allerdings  eine  Frage,  über  die  die 
Ansichten  weit  auseinandergehen. 
In  manchen  Kreisen  der  deutschen  Industrie  und  des  deut -
schen  Handels  findet  man  seht  eine  Stimmung,  die  an  jene  zu 
der  Zeit  erinnert,  in  der  der  sogenanvie  „Biolfrieden  mit 
der  Ukraine"  geschlossen  wurde.  Zu  gleicher  Zeil  lauien  aber 
die  wirtschaftlichen  Nachrichten  aus  Rußland  geravezu  trost -
los.  Man  befürchtet  für  dieses  Jahr  eine  schlimmere  Hunger -
katastrophe  als  die  des  vergangenen.  Obwohl  die  russische 
Industrie  heute  noch  nicht  den  zwanzigsten  Teil  ihrer  Lei -
stungsfähigkeit  vor  dem  Kriege  erreicht  hat,  also  so  gut  wie 
nichts  produziert  wird,  vermag  sie  ihre  Produkte  dennoch  nicht 
an  den  Mann  zu  bringen.  Die  Arbeiter,  die  im  vorigen  Jahr 
noch  gern  einen  Teil  der  von  ihnen  erzeugten  Waren  in  Zah -
lung  nahmen,  weil  sie  Lebensmittel  dafür  eintauschen  konnten, 
können  bei  der  gegenwärtigen  Verbrauchskrise  ihre  Produkte 
nicht  mehr  absetzen  und  verlangen  infolgedessen  statt  der  unab -
setzbaren  Waren  direkte  Bezahlung  in  Lebensmitteln.  Es  be -
steht  ein  ungeheurer  Hunger  nach  Jndustricprodukten,  weil 
alles  verrissen  und  verschlissen  ist.  Auf  der  andern  Seite  aber 
fehlt  die  Kaufkraft,  um  ihn  zu  befriedigen. 
Unter  diesen  Umständen  muß  man  damit  rechnen,  daß  die 
Bäume  des  erfreulich  regen  deutschen  Unternehmungsgeistes 
in  Rußland  nicht  gleich  in  den  Himmel  wachsen  werden.  Die 
andern,  die  sich  mit  dem  Abschluß  von  Verträgen  mehr  Zeit 
gelassen  haben,  werden  womöglich  auch  noch  zurecht  kommen, 
und  mit  ihnen  zusammen  soll  ja  auch  erst  die  Hauptsache  kom -
men,  nämlich  der  große  Kredit  an  Ruhland,  ohne  den  sich  die 
Wiedererholung  der  Wirtschaft  doch  nur  höchst  langsam  und 
stockend  vollziehen  kann.  Mit  den  Krediten  beginnt  das  Ge -
schäft  erst  richtig,  und  dazu  werden  auch  die  andern  mit  von 
der  Partie  sein. 
Es  steht  auch  keineswegs  fest,  ob  die  Russenfrage  Eng -
land  und  Frankreich  dauernd  auseinanderbringen  wird.  Das 
Bemühen  Frankreichs,  einen  offenen  Bruch  zu  vermeiden,  ist 
offensichtlich.  Und  wenn  erst  einmal  Vertagung  das  Losungs -
wort  ist,  dann  gilt  auch  das  andere:  Kommt  Zeit,  kommt  Rai! 
Allerdings  wird  die  Russenfrage  durch  die  gegensätzlichen  Auf -
fassungen  in  der  deutschen  Frage,  die  auch  nur  von  Fall  zu 
Fall  mühsam  überbrückt  werden  können,  und  durch  den  sehr 
scharfen  Gegensatz  der  Vvlksstimmungen  auf  beiden  Seiten 
des  Kanals  stark  kompliziert. 
Deutschlands  Aufgabe  wird  es  sein,  ohne  überspannte 
Hoffnungen  die  wirtschaftlichen  Möglichkeiten  des  Rapallo -
vertrages  auszuschöpfen.  Einige  deutsche  Firmen  werden 
durch  den  Erwerb  von  Konzessionen  gute  Geschäfte  machen. 
Sonst  hängt  alles  Russische  noch  in  den  Wolken. 
* 
Die  letzte  Etappe. 
(Eigener  Drahtbericht  de?  „Hamburger  Echo".) 
Genua,  18.  Mm,  morgens. 
Der  gestrige  Tag  war  wieder  einmal  Der  Beilegung  von 
Meinungsverschiedenheiten  gewidmet,  um  den  Fortgang 
der  Konferenz  zu  ermöglichen.  E-  wurde  ununterbrochen  unterhandelt, 
von  neutraler  Seite  vermittelnd  einbegriffen.  Schanzer  nahm 
Gelegenheit,  vor  Pressevertretern  nochmals  den  Friedenswillen 
Italiens  zu  betonen  und  die  russische  Antwort  trotz  aller  Vorbehalte 
auf  der  Basis  weiterer  Verhandlungen  zu  kennzeichnen. 
Lloyd  George  will  nach  feinen  Eindrücken,  die  er  im  Lause 
der  Beratungen  hatte,  der  heute  zusammentrelenden  Unterkommission 
des  politischen  Ausschusses  den  Vorschlag  machen,  die  russische  Ant -
wort  zum  Anlaß  weiterer  Verhandlungen  über  Kredite  an  Rußland, 
über  d'e  Schuldenfrage  und  die  Frage  des  Privateigentums  zu 
nehmen  und  zu  diesem  Zweck  die  Bildung  einer  gemischtenKo  tu -
rnt  f  f  i  o  n  Vorschlägen,  die  wieder  in  3  Unterkommissionen  gegliedert 
werden  soll.  Als  Garantie  wird  von  Rußland  die  Einstellung 
jeher  politischen  Propaganda  in  andern  Landern  und  die 
Anerkennung  der  Grenzen  verlangt  werden.  Die  übrigen  Landet 
müssen  sich  zu  dem  gleichen  verpflichten,  solange  die  Grenzen  Ost -
europas  nicht  fixiert  sind,  ohne  die  der  Pakt  nicht  geschlossen  wird. 
Dagegen  beabsichtigt  der  englische  Ministerpräsident  als  Basis  TTe 
de  facto  bestehende  Grenze  vorzuschlapeit,  ehe  die  Kommissions. 
arbeiten  beendet  und  ein  definitives  Abkommen  abgeschlossen  ist. 
Vorläufig  stehen  diesen  Vorschlägen  Lloyd  Georges  noch  große 
Schwierigkeiten  entgegen.  Frankreich  verlangt  trotz  des  Ausschlusses 
der  Russen  aus  der  zu  bildenden  Kommission  sonderbarerweise  auch 
die  Verpflichtung,  vorläufig  kein  Sonderabkommen  abzu» 
schließen.  Rußland  kann  und  wird  sich  mit  diesem  Verlangen  keines- 
falls  einverstanden  erklären. 
Falls  man  zu  einer  Einigung  kommt,  werden  die  K  o  m  - 
Missionsberatungen  wahrscheinlich  nicht  in  Genua  ab -
getanen.  sondern  sollen  nach  Abschluß  der  übrigen  Konferenzarbeiten 
an  einem  neutra'en  Crt  ausgenommen  werden.  Es  ist  anzunchmen, 
daß  der  Vorschlag  Lloyd  Georges,  vorläufig  einen  Provisor!  s  ch  e  n 
Burgfrieden  abzuschließen,  auf  keine  Schwierigkeiten  stoßen 
wird  und  für  die  kommende  Woche  mit  dein  vorläufigen  Ab -
schluß  der  europäischen  Wirtschaftskonserenz  zu  rechnen  ist 
Ruhland  vor  einer  neuen  Hungerkatastrophe. 
Nach  Moskauer  Blättermeldungen  steht  ein  Teil  der  Ural- 
gebieteS,  des  südlichen  Wolgagebietes  und  der  Nord- 
kaukasus  bot  einer  neuen  Hungerkatastrophe.  Das  ganze  Land 
ist  von  Heuschrecken  Überfallen  worden,  die  sich  mit  großer  Ge -
schwindigkeit  vorwärts  bewegen  und  ganze  Saatflächen  vernichten. 
Es  ist  daher  mit  dem  Verlust  von  Über  200  Millionen  Pud  Erntet 
zu  rechnen,  wa§  eine  ungeheure  Verschärfung  der  Hungerkatastrophe 
bedeutet 
Angesichts  dieser  Hiobsbotschaften  hätte  die  russische  Delegation 
in  Genua  wirklich  klüger  und  menschlicher  gehandelt,  wenn  sie  statt 
in  diplomatischer  Meisterschaft  gegen  die  Westmächte  zu  polemisieren, 
sich  deren  schleunige  Hilfe  für  den  wirtschaftlichen  Wiederaufbau 
gesichert  hätte,  Der  mit  der  bolschewistischen  Methode  eingestandener -
maßen  doch  nicht  zu  vollbringen  ist 
Der  Prozeß  gegen  dir  Sojialrevolutionare 
in  Moskau  beginnt  am  23.  Mai.  Von  der  auswärtigen  Delegation 
der  Partei  der  S.-R.  wird  ein  Aufruf  an  alle  sozialistischen  Parteien 
verbreitet,  der  zu  Kundgebungen  an  diesem  Tage  und  dazu  auf -
fordert,  den  Prozeß  mit  gespannter  Aufmerksamkeit  zu  verfolgen, 
um  so,  wenn  möglich,  zu  verhindern,  daß  die  inhaftierten  Sozial -
revolutionäre  vom  Revolutionstribunal  der  Sowjetgewal:  verge -
waltig!  werden.  Alle  sozialistischen  Parteien  und  Gewerkschaften 
sollen  Vertreter  nach  Moskau  entsenden,  um  den  Angeklagten  beizu- 
stehen.  Vandervelde  (Brüssel),  der  ebenso  wie  Theodor  Lieb -
knecht  (Berlin)  als  Verteidiger  an  dem  Prozeß  teilnehmen  wird, 
ist  heilte  nach  Moskau  abgereist. 
Wirtschaftsspionage. 
Der  Fall  Anspach,  durch  den  die  deutsche  Oeffentlichkeit 
außerordentlich  interessante  Einblicke  in  das  Treiben  gewisser  aus -
ländischer  Agenten  bekommen  hat,  ist  vor  allem  deshalb  von  großer 
allgemeiner  Bedeutung,  weil  er  zeigt,  welch  großen  Wert  das 
Ausland  auf  die  Wirtschaftspionage  in  Deutschland 
legt  Es  ist  kein  Zufall,  daß  ber  sogenannte  „Dr.  Anspach"  sich 
seinen  ausländischen  Kunden  gegenüber  als  I  o  u  r  n  a  I  i  st  aus -
gab;  denn  gerade  auf  die  Gewinnung  der  Mitarbeit  deutscher 
Journalisten  haben  er  gewisse  fremde  offizielle  Vertretungen  ab -
gesehen.  Allein  im  Dienste  einer  westeuropäischen  Großmacht 
sollen  in  Berlin  5  bis  6  derartige  Agenten  tätig  fein,  die  sich  wohl 
ihren  ausländischen  Auftraggebern  gegenüber  als  Journalisten 
ausgeben,  in  Wirklichkeit  aber  mit  der  anständigen  deutschen 
Preise  nie  etwas  zu  tun  hatten.  Es  handelt  sich  anscheinend  um 
Existenzen,  die  durch  den  Krieg  entwurzelt  iznd  trotzdem  in  die 
Sage  versetzt  wurden,  hier  und  da  mit  einflußreichen  Persönlich -
keiten  des  politischen  und  wirtschaftlichen  Lebens  fluchtig  besannt 
zu  werden.  Der  Hinweis  auf  derartige  Beziel  migen  und  die 
Beibringung  von  einigem  sensationell  aufgemachten  Material 
genügt  bei  der  betreffenden  ausländischen  Vertretung  vollauf^  für 
die  erste  Einführung  als  Agent.  Ta  mit  Geld  von  jener  Seite 
nicht  gespart  wird,  ist  tzer  Anreiz  zur  Lieferung  von  Informa -
tionen  und  die  Versuchung,  Informationen  aus  dem  Aerrnel  zu 
schütteln,  wo  sie  anders  nicht  zu  haben  sind,  natürlich  sehr  stark. 
Die  Leiter  der  ausländischen  Wirtschaftsspionage  gehen  jedoch  mit 
größtem  Raffinement  vor  und  bemühen  sich  vor  allem,  auch 
technische  und  kaufmännische  Angestellte  der 
deutschen  Industrie  für  ihre  Zwecke  zu  gewinnen.  ES  ist  kein 
Geheimnis,  daß  man  über  die  intimsten  Vorgänge  in  den 
deutschen  Aktiengesellschaften  in  den  Kreisen,  die 
der  diplomatischen  Vertretung  einer  gewissen  westeuropäischen 
Großmacht  nahestehen,  sehr  oft  besser  informiert  ist  als  in  den 
DirektionSbureanS  der  Berliner  Großbanken.  Die  spekulative 
Tätigkeit  der  Beamten  dieser  Botschaft  ist  ein  Kapitel  für  sich. 
So  war  eS  besonders  auffallend,  daß  in  einem  Zeitpunkte,  wo  die 
Entscheidung  in  der  oberschlesischen  Frage  vor  der  Tür  stand, 
diese  Herren  große  Hausseengagements  in  polnischen 
Mark  und  Baisseengagements  in  deutschen 
Papier  mark  tätigten.  Die  Vertrautheit  dieser  Leute  mit 
den  intimsten  politischen  und  finanzpolitischen  Vorgängen  wird 
von  ihnen  vor  allem  auch  dazu  auögenutzt,  an  führende  Manner 
des  deutschen  öffentlichen  Lebens  heranzukommen.  Im  scheinbar 
harmlosen,  geselligen  Verkehr  läßt  sich  bekanntermaßen  am  un -
auffälligsten  auShvrchen  und  beeinflussen.  Der  Fall  Anspach  bat 
hoffentlich  weiten  Kreisen  in  Deutschland  die  Augen  geöffnet  für 
die  Gefahren,  von  denen  wir  im  eigenen  Lande  umlauert  sind. 
Auch  der  Arbeiter  und  Angestellte  ist  verpflichtet,  auf  diese  Win- 
schastsspionage  ein  wachsames  Auge  zu  haben;  denn  letzten  Endes 
laufen  derartige  Machenschaften  darauf  hinaus,  wertvolle  Her -
stellungsverfahren  und  sonstige  Betriebsgeheimnisse  zu  erforschen 
und  zum  Schaden  der  deutschen  Industrie  und  deS  deutschen  Ar -
beitsmarktes  im  Auslande  zu  verwerten.  W.  B. 
Die  neue  Visner-Hetze. 
Die  nationalistische  Presse  sann  sich  mit  dem  Ergebnis  des 
Münchener  Prozesses,  in  dem  erwiesen  wurde,  daß  die  auf  Be -
treiben  Eisners  von  dessen  Privatsekretär  Fechenbach  zusammen -
gestellte  „aktenmäßige"  Beweisführung  für  die  angebliche 
Alleinschuld  Deutschlands  ant  Kriegsausbruch  falsch 
war,  noch  nicht  zufrieden  geben.  Wie  uns  ein  eigener  Draht- 
bericht  aus  München  meldet,  nützen  die  »Münchener  Neuesten 
Nachrichten"  den  Prozeß  zu  einer  nichtswürdigen  Hetze  aus.  Sie 
fordern  die  Streichung  der  Pension  ber  Witwe  Eisners  und  die 
Verhaftung  Fechenbachs,  da  dieser  allein  von  Eisners  Fälschung 
gewußt  habe  in  einem  Augenblick,  in  dem  die  ganze  Welt  auf 
Deutschland  wegen  Eisners  Publikation  losgeschlagen  habe. 
Die  bayerische  Mittelpartei  (beutfdjnational)  hak  im 
Sanbtag  eine  Interpellation  eingebracht,  in  ber  sie  bie 
Regierung  aufforbert,  auf  Grunb  bes  Fechenbach-ProzeffeS  bei 
ber  Reichsregierung  dahin  zu  wirken,  daß  sie  eine  Revision  beS 
Friedensvertrages  anstrebt. 
Etwas  abkühlend  auf  diese  nicht  den  edelsten  Motiven  ent« 
springenden  nationalistischen  Gemütsaufwallungen  könnte  wirken, 
was  das  »Tagebuch"  Stefan  Grohmanns  (Heft  19  vom 
13.  Mai)  zu  diesem  Prozeß  schreibt. 
»Sachverständige  und  Presse  sind  sich  einig  darüber  gewesen,  daß 
Einers  leichtfertige  Publikationen  uns  den  Ver -
sailler  Frieben  verdorben  haben.  Tie  Alliierten,  sagten 
sie,  halten  nun  Beweisstücke  für  Deutschlands  Kriegsschuld  in 
Händen  i  und  darauf  konnten  sie  den  Frieden  nicht  der  Gerechtigkeit 
wndern  ber  Rache  aufbauen.  I  st  d  a  s  wahr  ?  Nein,  sicher  nicht! 
Eisners  Methode  mag  so  leichtgläubig  und  so  leichtfertig  wie  immer 
gewesen  sein:  —  Tie  Dinge  wären  auf  der  andern  Sette  auch  ohne 
ihn  nicht  anders  verlaufen.  Ter  Glaube  an  Deutschlands  alleinige 
Kriegsschuld  sah  bei  den  Völkern  und  bei  den  sogenannten  Idealisten 
unter  den  Staatsmännern  unbedingt  fest;  und  bei  den  »Rea.. 
Politikern"  waren  moralische  Begründungen  ohnehin  überflüssig.  Wie 
kommt  ei,  daß  dieselben  Leute,  die  jahrelang  mit  dem  geschlossenen 
Vernichtungswillen  der  Gegner  als  mit  einer  feststehenden  Tatsache 
rechneten,  nun  auf  einmal  sagen,  ohne  Eisners  Dokumente  hätte  cs 
teilten  Vernichtungkftieden  gegeben?  Machen  sie  aus  den  53er- 
nichtungspolitikern  damit  nicht  plötzlich  Moralpolitiker?  ES  ist  schwer, 
dem  Weg  dieser  Logik  zu  folgen.  Wie  es  überhaupt  schwer  fällt,  den 
ganzen  Prozeß  zu  verstehen,  in  dem  eS  sich  ja  nur  darum  handelte, 
ob  Herr  Fechenbach  an  den  Bohemestreichen  EisnerS  betcilial  war, 
nicht  aber  um  die  weltpolitische  Wirkung  dieser  Streiche.  Man  hat 
aus  dem  Prozeß  Fechenbach  emen  Prozeß  EtSner  aemacht, 
und  war  glücklich,  daß  man  den  ehemaligen  bayerischen  Mmistei- 
Präsidenten  mindestens  auf  dem  Felde  der  Außenpolitik  als  KindS« 
foDt  bloßstellen  konnte.  Aber  diese  Unfreundlichkeit  aegen  Güner 
scheint  uns  gerade  von  bayerischer  Seite,  von  bayerischer  Rechtssette 
undankbar.  Denn  schließlich  war  eS  ja  gerade  Eisner,  der  die 
bayerischen  Reservate  und  die  Pflege  der  ©fammcSetgcnarl 
und  die  sonstigen  Requisiten  des  Föderalismus  vor  dem  preußisch- 
sozialiftisch-demokratiichen  Uititarismus  gerettet  hat.  .  .  .  Wenn 
Ballern  dankbar  wäre,  müßte  eS  feinem  Retter  ein  Denkmal  er- 
richten,  und  Herr  von  Lerchenfeld  und  Kronprinz  Rupprecht  mußten 
die  Gedenkrede  halten." 
Die  finnische  Regierung  fiat  demissioniert.  Der  Aus -
wärtige  Ausschuß  beschloß)  ein  "Mißtrauensvotum  gegen  den  Außen- 
minister  einzubringen,  ta  er  keine  Vollmacht  gehabt  habe,  das 
Warschauer  Abkommen  zu  unterzeichnen.  Daraufhin 
trat  das  Kabinett  zurück. 
Vom  chinesischen  Bürgerkrieg.  Einer  Reutermeldung  au? 
Peking  zufolge,  besagen  die  Telegramme  aus  Mukden,  Sag 
Tsctang-Tsu-Lin  am  Sonntag  in  Mulden  eingetroffen,  bann  jedoch 
mit  Verstärkungen  und  Munition  nach  der  ,iront  abgefahren  sei. 
Anscheinend  beabsichtpigt  Tschang-Tsu-Lin,  in  der  Nähe  der  grogen 
Maner  neuen  Widerstand  zu  leisten. 
Stand  des  Dollars  (vordörSUch)  2‘JO. 
Der  Sturz  Lloyd  Georges  bevorstehend? 
Was  immer  als  Folge  eines  ergebnislosen  Ausgangs  ber 
Konferenz  in  Genua  prophezeit  wurde,  scheint  nun  eintreten  zu 
sollen.  Während  Lloyd  George  von  London  abwesend  war,  sind 
feine  Gegner  dort  nicht  untätig  gewesen.  ES  ist  alles  für  den 
Sturz  des  Premierministers  vorbereitet,  auch  der  Nachfolger  wird 
schon  genannt.  Unter  diesen  Umständen  ist  es  natürlich,  daß  Lloyd 
George  größte  Eile  fiat,  von  Genua  fort»  und  wieder  fieim- 
zukomrnen.  Der  politische  Berichterstatter  deS  „Daily  Gfironicle" 
meldet,  in  ministeriellen  Kreisen  werde  erwartet,  daß  Lloyd 
George  Ende  nächster  Woche  nach  London  zurückkefire. 
Lord  «rey  Nachfolger  s 
23DB.  London,  13.  Mai.  Lord  Robert  Geeit  sprach 
gestern  über  die  politische  Lage;  ei  steigerte  seine  Angriffe  gegen 
boä  Kabinett  Lloyd  George  bis  zu  der  Behauptung,  niemand 
traue  der  augenblicklichen  Regierung.  Sie  fei  ver -
hängnisvoll.  Wenn  das  Land  gerettet  werden  solle,  müsse  ein 
Ministerwechsek  ftattfinben.  Wenn  morgen  mitgeteilt  würde,  daß 
Lloyd  George  zurückgetreten  sei  und  ber  König  zu  Lord  Grey 
sende,  so  würde  die  ganze  zivilisierte  Welt  aufatmen. 
Lord  Grey  war  bekanntlich  Ministerpräsident  bei  Kriegsaus -
bruch,  galt  später  als  des  Pazifismus  verdächtig  und  mußte,  als  die 
Kriegslage  für  England  bedrohlich  wurde,  dem  robusten  Lloyd 
George  weichen. 
* 
Heute  Entscheidung  in  Genua! 
WTB.  Paris,  13.  Mai.  Wie  »Journal"  mitteilt,  glaubt  man 
tn  französischen  offiziellen  Hreisen,  daß  heute  über  das  Schicksal  der 
Genueser  Konferenz  'entschieden  werde.  Ueber  die  Notwendigkeit, 
zum  Ende  zu  gelangen,  scheine  keine  Erörterung  nötig.  Es  bleibe 
nur  die  Frage,  wie  man  die  Liquidierung  vollziehen  solle.  Barthou 
erhielt  feste  Weisungen.  Zunächst  sei  festgestellt,  daß  die  französische 
Delegation  sich  an  keiner  Debatte  beteiligen  könne,  die  sich  mit  der 
Antwort  aus  das  Memorandum  der  Sowjets  beschäftige.  Die 
französische  Beteiligung  müsse  sich  also  auf  die  allgemeine  Ent -
wicklung  der  Konferenz,  so  wie  sie  sich  aus  den  letzten  Zwischen- 
fällen  ergebe,  beschränken.  Barthou  fei  aufgefordert  worden,  eine 
Aenderung  des  Verfahrens  vorzufchlagen.  Statt  Berufung  eine; 
Unterausschusses  für  die  russischen  Angelegenheiten,  verlange  Frank -
reich  die  Berufung  eines  politischen  Ausschusses.  Dadurch  komme 
man  au?  dem  begrenzten  Rahmen  ber  Mächte,  die  Bedingungen  an 
die  Moskauer  Regierung  stellten,  heraus;  auch  hier  sei  ber  Zweck, 
die  Mächte  bet  kleinen  Entente  und  die  Neutralen  an  dem  end -
gültigen  Beschluß  zu  beteiligen. 
Die  Zukunft  des  „Daily  Herold". 
Mit  dem  von  der  englischen  Bourgeoisie  so  sehnlichst  erwarteten 
Zusammenbruch  der  einzigen  sozialistischen  Tageszeitung  in  Groß -
britannien,  »Daily  Herold",  ist  es  trotz  aller  Toderverkündigungen 
diesmal  wieder  nichts  geworden.  Ter  Generalrat  des  Gewerkschafts -
kongresses  und  der  Vollzugsausschuß  der  Britischen  Arbeiterpartei 
bestimmten,  daß  da?  Blatt  weiterleben  muß.  Sie  verpflichteten 
sich,  dafür  Sorge  zu  tragen,  die  nötigen  Gelder  für  die  Existenz 
herbeizuschaffen,  bis  ber  im  Juni  in  Edinbutg  tagende  Kongreß  der 
Britischen  Arbeiterpartei  und  der  im  September  in  Southport  statt» 
findende  Gewerkschaftskongreß  weitere  Vorkehrungen  getroffen  haben. 
Aus  diesen  Kongressen  soll  die  Einrichtung  eines  Propagandabureaus 
beschlossen  werden,  dessen  Aufgabe  es  ist,  eine  lebhaftere  Agitation 
durch  Herausgabe  von  täglichen.  wöchentlichen  und  monatlichen  Zeit -
schriften  zu  entfalten.  Unterdessen  wird  der  Preis  des  Blattes  von 
1  Penny  auf  2  Pence  erhöht  werden,  damit  die  übernommenen 
Verpflichtungen  —  60  000  Pfund  Sterling  für  6  Monate  —  der 
beiden  Ausschüsse  verringert  werden.  Gewaltig  waren  die  bisher 
gebrachten  Opfer  an  Geld  und  Arbeit  von  denen,  die  es  ernst  mit 
biet  Verbreitung  des  Sozialismus  meinten.  Das  Personal  des 
»Daily  Herold"  hat  sich  verpflichtet,  während  ber  nächsten  0  Monate 
8000  Pfund  Sterling  aufzubringen.  Somit  ist  die  Existenz  des 
Blattes  bis  zum  nächsten  Gewerkschaftskongreß  wenigsten?  gesichert. 
Just»;  und  Dolizei  tm  alten  Trott. 
Unser  Parteiblatt  in  Münster,  ber  »Volkswille",  war  aus 
Veranlassung  des  Polizeihauptmanns  Sasowskt  an«  dein 
Lesesaal  ber  Schupokaserne  in  Münster  entfernt  worden,  da  es 
einige  Tage  vorher  bie  Teilnahme  von  Schupooffizieren  an  einer 
Kaisergeburtstagfeier  und  bie  Entfernung  einer  Reichsfahne  von 
ber  Schupokaserne  gerügt  hatte.  Ter  »Volkswille"  brachte  nun 
eine  neue  Notiz,  in  der  bet  Polizeifiauptrnann  wegen  bes  Ver -
bots  angegriffen  würbe.  Die  Folge  toar  ein  Strafantrag  gegen 
ben  verantwortlichen  Rebakteur,  der  sich  dieser  Tage  vor  dem 
Schöffengericht  zu  verantworten  hatte.  Das  Urteil  lautet  wegen 
Beleidigung  des  Polizeihauptmanns  auf  10  000  Geldstrafe 
oder  200  Tage  Gefängnis.  Die  Wahrnehmung  berechtigter  Inter 
essen  wurde  bestritten.  Der  Amtsgerichtsrat  erklärte  sogar  noch, 
daß  die  »Vorstrafen",  die  ber  Angeklagte  wegen  Pressevergefiens 
als  verantwortlicher  Redakteur  erhielt  und  bereu  letzte  fast  ein 
Jahrzehnt  zurückliegt,  strafverschärfenb  wirkten.  Von  besonderem 
Interesse  ist,  daß  der  als  Zeuge  vernommene  Polizeihauptmann 
unter  feinem  Eide  bekundete,  er  habe  die  Entfernung  des  „Volks -
willens"  angeordnet,  weil  es  sich  um  ein  Blatt  politischer  Rich -
tung  handle,  bas  laut  Verfügung  bes  Ministers  des  Innern  für 
bie  Beamtenlesesäle  in  den  «chupokasernen  verboten  sei.  Wenn 
der  Polizeifiauptrnann  unter  seinem  Eid  diese  Aussage  gemacht 
hat,  bann  ist  sie  vollständig  frei  erfunden,  und  es  wird  die  Früge 
zu  prüfen  sein,  ob  hier  nicht  ein  Meineid  vorliegt.  Es  sei  daran 
erinnert,  baß  Minister  Severing  vor  einiger  Zeit  einen 
Polizeihauptmann  vom  Dienst  suSpendiete,  weil  er  den  „Vor- 
wäris"  tn  seiner  Kaserne  verbot.  Daraus  gebt  schon  allein 
hervor,  daß  eS  in  der  preußischen  Schutzpolizei  keine  Verfügung 
gibt,  die  besagt,  politische  Zeitungen  dürften  nicht  in  den  Ko- 
fernen  ber  Schupo  verbreitet  werden. 
Minister  Severing  hat  sofort,  wa»  in  seiner  Machi  steht, 
veranlaßt,  um  diese  unerhörte  Geschichte  zu  sühnen.  Der  Polizei- 
Hauptmann  Sasowski  wurde  durch  eine  am  Freitag  erlassene  Ver -
fügung  von  Münster  versetzt,  und  die  sozialdemokratischen  Schupo- 
beamten,  die  dieser  saubere  Hüter  der  Monarckne  wegen  ihrer 
Gesinnung  aus  Münster  versetzt  fiat,  wurden  auf  Anordnung  des 
Genossen  Severing  wieder  an  ihren  Dienstori  zurückgebracht. 
Die  Finanzlage  Preußens. 
Im  Hauptaussckuß  des  Preußischen  Landtages  nahm 
Finanzmmsster  am  Freitag  Veranlassung,  Smspruch  zu  erfieuen 
gegen  die  falsche  Berichterstattung  der  bürgerlichen  Presse,  wonach 
er  am  Donnerstag  die  Finanzlage  Preußens  a  1S  rosig 
hingestellt  habe.  Genosse  2  übe  mann  wünschte  Stellungnahme 
der  Finanzministers  zu  der  Denkschrift  ber  Wissenschaftler,  die  tn 
der  Frage  der  Auseinandersetzung  zwischen  Staat  und  Krone  ver -
langen.  daß  der  Staat  alle  Kulturschätze  für  sich  in  Anspruch  nehme, 
ohne  allein  die  RechtSfrag/  ausschlaggebend  Jem  zu  lassen.  Er 
silierte,  was  der  ffitiar.jminr.et  früher  über  sic  Notwendigkeit  ber 
Grundsteuern  gesagt  hatte  mid  fragte,  wie  bei  einem  Defizit  von 
3  bis  4  Milliarden  Mark  ber  Finanzminister  sich  ohne  ffirun.'iteucr 
die  Balancierung  bei  Etats  denke.  Der  Finanzminister  lehnte  eine 
Erklärung  über  die  Auseinandersetzung  mit  der  Krone  ab,  lolangc 
das  Staats  Ministerium  sich  in  dieser  Frage  nicht  schlüssig  geworden 
ist.  Er  persönlich  stehe  auf  dem  Rechtsstandpunkt.  Fn  vezug  aus 
die  Grundsteuer  sagte  er.  baß  Preußen  bie  Erträge  bicter  «teuer 
gebrauche  und  baß  er  daher  nicht  wünschen  könne,  daß  Ite  ifetterc. 
—  Der  Zentrumsmann  Schmedding  suchte  nochzuweiien,  .  tfi 
bie  Grundsteuer  nicht  nötig  ist.  —  Genosse  Waentig  rührte  aus, 
daß  Hermes  eine  Politik  deS  Optimismus  treibe,  d:e  unS  schon  ein- 
mal,  unter  dem  Regime  Helfferichs  betrieben,  icfir  schlimm  be -
kommen  sei.  Die  Grundsteuer  sei  nicht  zu  entbehren  um  von  Der 
Landwirtschaft  zu  tragen,  da  nach  dem  massenhaft  borliegetuen 
Material  aus  ben  Prozessen  der  letzten  Zest  iwchgeimeien  >tt.  daß  die 
Landwirtschaft  ihre  Einkünfte  vielfach  um  9000  %  gegenüber;  ter 
Vorkriegszeit  gesteigert  bat.  -  Dr.  Leidig  ball.als  Vorbereitung 
für  die  kommende  schlechte  Zeit  die  Grundsteuer  rur  notwendig.  - 
£>öpfer  (DTP.!  sagt,  daß  auch  die  Grunditeuei  das  Ä.tftarden» 
defizst  nicht  beseitigen  könne  und  befürwortet  eine  Freinden- 
st  euer  in  fremder  Valuta,  bie  nach  i  einer  Meinung  Dem 
FriedenSvertrag  nickt  zuwiderlaufc.  —  v.  Tynern  (s.  VP.)  tag., 
daß,  wenn  wir  bie  Grundsteuer  überhaupt  notig  haben,  wir  ne  letzt 
nötig  haben.  -  KIoit  lZ.)  ist  sehr  pessimistisch  tn  bezug  nur  bte 
Steuererträge  für  1922,  sprach  ück  aber  trotzdem  gegen  di»  Grund- 
steuer  au?.  —  M  euer  .USP.)  beklagt  die  Sabotage  ber  Ohuta -
jteuer  durch  das  Zentrum  und  wendet  sich  gegen  btc  verderbliche 
Politik  des  ReichSfinanzministerS  Dr.  Hermes.