Da« „»nmiurfler ">0 ", inonatl. 45.— *, 0 u«<«i)l6ar irrt u Oau». Mr abDoler 10.— X Reda ttt on: Fehlandstrabe 11, 1. Stock, veranlworillcher Redakteur: Paul «ugdahn. Altona, «rvedttton: Fehlandsirabeii.Lrdgelchob. Buchhandlung: Erdgelchob. Buchdruckeret-Itontor: Fehlandftrab« 11, 1. Stock. Sin;elnumme morgens 1,— X, abends sowie §onn- und Festtags 1,50 X LamvurgerEchs Snzeigen die »lsgesvakten« e<'.tivte II,- A unter 9lu«l*lun der »Sie. lchSstlichen Rundschau" Arbeit-markt 5,—. h'. Familienauzeigen i ... .< MeineAnzeiaen i»»., die Zeile 6 — ■. Reklamezeile 50,— * Anzeige »-Annahme Fedlandstrabe ii tm Srtx ae'chob (bi# 7 Uhr adend- für den folgenden Tag), tn den Ftllalen (btl 3 Uhr) und tn allen Annoncen- Bureau«. Blatz- und Daiennorlchrtsten ohn« verdindllchkett. Ur. 260. Miliw och, den 7. Juni 1922 — Abend Ausgabe. 36. Jahrgang. Die Schuldigen. Heine hat einst über die Gutmütigkeit des deutschen Volkes gespottet: „Die fromme deutsche Kinderstube ist keine römische Mördergrube." Die Zeiten smd längst vorbei. Solange auf dem deutschen Volk der stärkste politische Druck von oben lag und die deutschen Fürsten mit ihren Untertanen nach Belieben schalteten und walteten, waren politische Attentate in Deutsch - land so gut wie unbekannt. Die Parteien der politisch Unter - drückten in Deutschland haben stets den individuellen Terror verurteilt und ihn, wo sich Spuren von ihm zeigten, bekämpft. So war auch die Sozialdemokratie die entschiedenste Gegnerin der beiden vereinzelt dastehenden Attentate von 1878; trotzdem mußte sie als Folge von ihnen 12 Jahre Ausnahmegesetz erdul - den, und keiner von den Tausenden von Familienvätern, die damals lediglich um ihrer Gesinnung willen aus ihrer Hei - mat hinausgestoßen, in die Ferne getrieben wurden, hat jemals den Versuch unternommen, sich an seinen Verfolgern mit der Waffe in der Hand zu rächen. So stark wirkte diese Er - ziehung von unten, daß selbst der Spartakismus trotz aller un - geheuerlichen Verwilderung niemals den politischen Mord gepredigt, ihn vielmehr stets abgelehnt hat. Den politischen Mord in Deutschland einzubürgern, blieb jenen Gesinnungskreisen Vorbehalten, denen die politische Frei - heit und Gleichberechtigung ein Greuel ist. Seit Deutschland eine Republik ist, wird auf die Vertreter der Republik oder der republikanischen Gesinnung ein förmliches Jagen veran - staltet, ein heimtückischer Buschkrieg geführt, der neuerdings tm Kasseler Fall auch zur Verwendung der modernsten Kriegs - mittel, der Giftgase, übergegangen ist. Man sollte glauben, daß alle Kreise, die sich selber als national bezeichnen, eine solche Verwilderung der Sitten als „nationale Schmach" empfinden müßten. Ein Blick in die Rechtspresse vom Dienstag belehrt uns eines anderen. Alle Kommentare der rechtsgerichteten Blätter sind genau nach der - selben Schablone angefertigt: Erstens wird versichert, daß Ler Anschlag auf Scheidemann eigentlich ganz harmlos gewesen sei, zweitens wird erklärt, es sei ja noch gar nicht bewiesen, daß es sich wirklich um ein politisches Attentat ge - handelt habe, und drittens — dies scheint die Hauptsache zu sein — wirdderUeberfalleneinallenTonarten beschimpft. Wenn auch selbstverständlich eine Billigung der Tat nicht ausgesprochen wird, es an formalen Verurtei - lungen gelegentlich nicht fehlt, so muß man doch sagen, daß diese Methode, die politische Mordseuche in Deutschland zu behandeln, eher geeignet ist, sie zu fördern, als sie zu be - kämpfen. Den Vogel schießt das Blatt des Landbundes, die „Deutsche Tageszeitung", ab, indem sie sich aus der ganzen Sache einen Spaß macht und den Bericht mit der Überschrift versieht: „Der Mord mit der Ältftier = spritze". Sie findet, daß an der ganzen Sache „die Komik überwiegt". Dem Genossen Scheidemann macht das Blatt, ebenso wie die „Hamburger Nachrichten", hef - tige Vorwürfe, daß er zweimal hinter dem Täter ber geschossen habe. Es sei sein Glück, daß er nicht getroffen habe; sonst hätte er einen Totschlag auf dem Ge - wissen. Würde die deutsche Justiz im Geist dieses Artikels geleitet — und dazu fehlt doch immer noch eniges — so hätte Genosse Scheidemann noch eine Anklage wegen versuchten Tot - schlags zu gewärtigen. Dabei war zur Stunde, da die „Deutsche Tageszeitung' ihre Ausführungen veröffentlichte, schon bekannt, daß Blausäure, das stärkste Gift, das es überhaupt gibt, zur Anwendung gekommen war, und daß Genosse Scheidemann es nur seiner ungewöhnlich kräftigen Konstitution zu danken hat, wenn er überhaupt mit dem Leben davonkam. Die „Deutsche Tageszeitung" leidet an Ahnungen, wenn sie Voraussicht, daß dieser, wie sie sich ausdrückt, „immer noch relativ harmlose Vorfall" zu einer skrupellosen Hetze gegen die Gesamtheit der rechtsstehenden Kreise in Deutschland be - nutzt werden wird". Wenn schon das führende Berliner Organ der Agrarier das Kasseler Attentat in so infamer Weise behandelt, so kann man sich erst recht vorstellen, wie es in der kleinen Hetzpresse von Pommern, Bayern und anderen gesegneten Himmelsgegenden besprochen werden wird. Die gebührende Antwort darauf ist dann das, was die „Deutsche Tageszeitung" „eine Hetze gegen die rechtsstehenden Kreise" nennt. Natürlich behauptet niemand, daß die deutschnatio - nalen Abgeordneten eswünschen und sich darüber freuen, daß ihre politischen Gegner mit Revolver und Gift aus dem Wege geräumt werden. Aber den Vorwurf kann man der Deutschnationalen Parteiund ihrer Presse nicht ersparen. daß sie immer wieder durch die skrupelloseste persön - liche Hetze die mörderischen Instinkte ihrer extremsten An - hänger aufstachelt und daß sie Taten, an denen sie zum min - desten nicht ganz unschuldig ist, nachher, wenn sie geschehen sind, z u beschönigen und z u bemänteln versucht. In welcher Weise wurde, um nur an ein Beispiel zu erinnern, da erste Attentat auf Erzberger bewitzelt, wie wurde da über den „kugelrunden, aber nicht kugelfesten Erzberger" gehöhnt, und das Treiben wurde so lange fortgesetzt, bis das Opfer am Boden lag. Das ist eine Blutschuld, die kein Regen mehr der Deutschnationalen Partei und ihrer Presse abwäscht. Man sollte eigentlich meinen, daß eS in jeder Partei rechtschaffene Männer geben müßte und daß so etwas rote eine „Einheitsfront" gegen das offenkundige schändliche Verbrechen möglich sein sollte. Wir müssen aber seststellen, daß sich von einer solchen Einheitsfront nicht das geling ft e bisher bemerken läßt und daß man bisher noch keine rechtschaffenen Männer aus der Deutsch- nationalen Partei gesunden hat, die öffentlich ihre Stimme gegen die deutschvölkische Mordhetze erhoben hätten. Wir er - warten nichts von Ausnahmegesetzen. Aber das deutsche Volk bis weit in die Kreise hinein, die uns politisch sonst fernstehen, muß begreifen, daß einer Partei gegenüber, deren fanatischste Anhänger mit Revolver und Gis-jpritze arbeiten, und die nicht die Kraft findet oder nicht den Willen hat, solcher Scheußlich- feiten Herr zu werden, eine Ausnahmebehandlung durchaus am Platze ist. Eine solche Partei zieht selbst eine Grenze zwischen sich und der menschlichen Zivilisation, und jede Unterstützung, die ihr aus der Mitte des deutschen Volkes wird, ist wahrhaft eine nationale Schmach! Sia'ah das gelbe, schneibige Gesicht mit bem aufgezwirbelten Schnurrbart. Aber eS war doch nahe gewesen, so nahe. Und ich halte es >'o gefürchtet; aber so, wie man Gott fürchtet. Werde ick je loskommen? Ist das Wahnsinn? Ich beschloß, am Abend zu Hause zu bleiben. ES ist ja gleich- gültig, wo ich wohne. Ich gedachte meiner Mutter. Sie hatte mir manchmal die Haare gewaschen. (Fortsetzung folgt.-