«r'ebrtni iLattch u» et mal, Bon. tag« n nach Retertagee nur etrmn ytyrgeyrtift n’ddtentl 10.50 *, monatL 45 — « o ii«tablbar tret tu. oau« ftui ilbboiet 40,— A ■Hebattion: ReblanoflraSe 11, L Stott Beranironrtltdter Redakteur: Paul Bugdabn, Hltona. »rpeottion: Sehland tt rußen. Srdgelchoß, Buchhandlung Erdgeschoß. Buchdru-keret-Kontor: SehtandNraße u, L Stott tt«|rtwa*mcr mergrwl 1,— X, rteitM imrtt 6whk uhö ^tteg« UM> X Sia ni h n rgcrEcho unter flu»f®tun der .*e< schhstltchen etunbfttiou*. Hrbetremarti 6,—, private Xamilietiametgea 5,50 A «teilte Anzeigen bU u .jeilen die Zeile 7 - A SteHamejetle SO,— A Anzeigen.Annahme FehlundNraße ii tm Erd - geschoß und tu allen Annoncen. Bureau». Blatz- und Datenoorschrtsteu ohne verdindtichkeit Ur. 386. Donnerstag, den 33. Juni 1933 — Abend Ausgabe. 36. Jahrgang. Der Völkerbund. WTB. London, 21. Juni. Die „Westminster Gazette" meldet, Lord Robert Cecil werde bett Premierminister am Moutnq fragen, ob er eine Mitteilung fi6er die Haltung der Regierung in der Frageder Aufnahme Deutschlands in den Bölkerbnnd machen könne. Die „Daily News" schreibt in einem Deutschland im Völkerbund überschriebenen Artikel, zu Beginn des September werde die dritte Versammlung des VölterbundeS eröffnet. Vor d.eser Zeit müsse ein Beschluß darüber gefaßt werden, ob Deutschland Mitglied des Bundes werden soll. Allen europäischen Außenministern sei eS klar, daß Deutschland seine Aufnahme nicht beantragen werde, wenn es nicht vor» her die Sicherheit erhält, daß diese Aufnahme all- gemein gebilligt wird. Das sei selbstverständlich und Deutschland habe Anspruch auf eine solche Versiche- x u n g. Es könne kaum erwartet werden, daß es sich damit begnüge, dem Völkerbund nur in der Art wie Albanien oder Estland es taten, beizutreten. Der Völkerbundsvertrag sei absichtlich so verfaßt wor- den, daß er die Aufnahme Deutschlands und Rußlands zu ge» gebener Zeit als ständige Mitglieder des Völkerbundsrates frei, lasse. Deutschland verlange nichts Unangemessenes, wenn es bei seinem Eintritt eine solche Stellung beanspruche. Wenn Frankreich bereit sei, die Zulassung zu unterstützen, so könne die Frage als so gut wie gelöst angesehen werden. Selbst wenn Frankreich aber das n i ch t tue, würde die Zusage, daß Großbritannien Deutschland als gewähltes Mitglied Vorschlägen werde, ihm die größten Aussichten darauf eröffnen, daß es diese Stellung erhalte. Noch vergegenwärtige Deutschland sich nicht, wieviel e8 durch den Eintritt in den Völkerbund gewinnen könne. Seine Stimme würde nicht nur weit wirksamer sein als heute in bezug auf die Fragen, tn denen Deutschland Grund zur Klage zu haben glaube, sondern es würde auch Frankreich dadurch die beste aller Garantien geben, daß es in voller Aufrichtigkeit im Zusammenwirken mit den übrigen Teilen leben wolle. Die Entscheidung liege jedoch letzten Endes bei der britischen Regierung. Das Blatt fragt: Haben wir je unsere Ansicht über Deutschland und den Völkerbund den Franzosen offen unterbreitet? Haben wir je der deutschen Regierung gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß wir diese Aufnahme wünschen und einem Antrag Deutschlands jede möglich« Unterstützung gewähren würden? ES sei an der Zeü, daß diese notwendigen Schritte getan würde«. Die Frage, die die »Daily News' anschneiden und die Lloyd Georges' heftigster politischer Widersacher von der Linken her, Robert Cecil, zum Gegenstand einer Interpellation im englischen Unterhaus machen will, ist in der Tat mit die brennendste Frage der deutschen auswärtigen Politik. Gewiß, der Völkerbund, wie er in Versailles erdacht und in Genf Wirklichkest geworden ist, hat sehr wenig Aehnlichkeü mst jener Versammlung der Staaten der Welt, die Sozialisten und Pazifisten als Ausdruck des Welt» stiedens und der Völkerverständigung vorschwebt. Das hat sicherlich niemand so oft und so eindringlich betont wie die internationale Sozialdemokratie. Aber ist das ein Grund, abseits zu verharren und Völkerbund Völkerbund sein zu lasten? Ein solcher Aufenthalt im weltpolitischen Schmollwinkel konnte und kann Deutschland nur schaden. In der Tal spricht das englische Blatt keine Neuigkeit aus, wenn es behauptet, man sei sich in Deustchland noch lange nicht Lar darüber, wieviel durch die Mitgliedschaft im Völkerbund zu gewinnen sei. Die Jahre fest dem Abschluß des Versailler »Friedens'Vertrages haben es deutlich genug bewiesen, daß der stetige Versuch der Fühlungnahme mit den Weltmächten, dir Ausnützung jeder VerstSndigungsmöglichkeit der einzige Weg ist, auf dem Deutsch - land dem völligen Zusanrmenbmch entrinnen kann. Um so weniger durfte verabsäumt werden, den Völkerbund, wie er nun einmal war, selbst zum Forum der Verteidigung deutscher Lebensrechte und der Versicherung des Verständigungs- und Reparalious- willens des deutschen Volkes zu machen. Die „Daily News" mögen recht haben, wenn sie zugeben, daß Deutschland die Zulassung zum Völkerbund erst fordern kann, wenn es sich vergewissert hat, daß man dniben geneigt ist, Ja zu sagen. Sie geben damit selbst den einzigen Entschuldigungsgrund an, der sich sür das Schweigen verdeutschen Regierung an- führen ließe. Dian soll sich gewiß nicht ohne Not der Gefahr aussetzen, mit einem Korb des Genfer hohen Rates auch noch das schadenfrohe Oppositionsgeschrei der deutschen Verständigungs- gegner auf den Hals zu bekommen, sondern im Rahmen der aorsichtigen und Nugdiplomatischen Politik bleiben, der die Regierung Wirth- Rathenau ihre bisherigen Erfolge dankt, die ohne viel Trompetengeschmetter sich eintach aus dem Verlauf der eingeleiteten Aktionen ergaben. Wir wollen sogar noch weiter gehen und annehmen, Stimmen wie die oben von jcnietiS | des Kanals vernommenen seien die Konsequenzen einer derartigen { Wirksamkeit. Dann ist das aber nur ein Grund für uns, die Stimme zu erheben und auch laut zu sagen, daß wir den Beitritt Deutschlands wünschen. In diesem Sinne ist leider eine gewisse Gleichgültigkeit unserer führenden Männer zu konstatieren, die, ob sie nun beabsichtigt ist oder nicht, eine bedauerliche Wirkung haben muß. Wir haben durch den Eintritt in den Völkerbund nur zu gewinnen, und es gibt kaum einen Grund, der dagegen spräche. Deutschland hätte vor dem Angesicht der Welt in Genf Gelegenheit, nicht nur zu zeigen, daß es nicht mehr das arrogante, in seiner waffenstarrenden „Herrlichkett" unnahbare ist, sondern die zu friedfertigem Wiederaufbau bereite demokratische Republik. Es könnte dort wirksamer als anderwo und stolzer als vor den Türen internationaler Konferenzsäle dar- legen, wie es den ehrlichen Wunsch hat, die Schäden des Wett- krieges zu beseitigen und nach Kräften die Verträge zu erfüllen, wie es aber auch ein Recht habe, vor dem Zusammenbruch ge - schützt zu werden, der ein Zusammenbruch Europas wäre. Und schneller als auf ein Dutzend Konferenzen würde durch das Ohr von Genf zu den Völkern der Wett die Kenntnis davon dringen, wo heute die wirklichen Feinde des Friedens sich befinden. Daß die Teilnahme am Völkerbund auch Verpflichtungen mit sich bringen würde, ist klar. Gegen diese aber sich zu wenden, hat die sozialistische Arbeiterschaft keine Veranlassung. Ihr ist an einer ehrlichen Friedenspolitik alles gelegen, und sie ist es altgewohnt, ihre Grundsätze offen vor dem Gegner zu tiertreten. So Hal sie es auch nur für im Rahmen der sowjettusfischen neuerlichen Realpolitik liegend angesehen, daß die Tschitscheriniiche Delegation in Genua bereits mit dem Gedatcken der Annäherung an den Völkerbund umging. Der Reichsminister des Auswärtigen Rathenau, ein Mann, dessen Wirksamkeit in der Regierung wir vieles danken, hat am Mittwoch im Reichstag scharfe Töne gefunden, um den Völkerbund wegen der ftanzösischen Herrschaft über das Saar- gebiet anzurufen. Es ist zu hoffen, daß er sich auch für Deutsch- lands Eintritt in den VöUerbund mit ganzer Person einsetzt. Das Wohl des Landes verlangt das gebieterisch. Offene Nerschwörung? SPD. Berlin, 22. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Die Berliner „Freiheit" veröffenllicht heute auszugsweise einen VerschwörungSplan, der von reaktionärer Seite ge - macht wird, die den Sturz der Republik offensichllich zum Zweck hat. Die Zweige der Verschwörerzentrale sollen von München ausgehen und sich über Sachsen und die Ostsee- Provinzen erstrecken. Von Bayern aus soll in allernächster Zeit loSgeschlagen werden. In Sachsen soll zunächst die sozialistische Regierung gestürzt werden. Man plant, daß mit einem General - streik zu rechnen sei und dann Sachsen sofort die Lebens- mittelzufuhr abzuschneiden ist. Die „Freiheit" behauptet unter unterm, daß neben Bayern auch im Niesengeöirge Geipetzre, Munition usw. versteckt sind. Die Hmiptleitung für das Losschlagen in Sachsen ist nach der genannten Quelle nach Graz in Böhmen verlegt worden, wo sich ebenfalls Waffenlager befinden. Es sollen besondere Alarm- und Erkennungszeichen auch für die Nacht verabredet worden sein. In Sachsen befindet sich der Hauptfitz der reaktionären Organi - sation in Leipzig, Dresden und Chemnitz. Zum Schluß teilt die „Freiheit" noch folgendes mit: „Es handelt sich bei diesem von uns in kurzen Umrissen wiedergegebenen Putschplan um ein sehr ernst zu nehmendes Unter - nehmen, über das Ludendorff nähere Angaben zu machen in der Sage ist Wir weisen die verantwortlichen Stellen mit allem Nachdruck darauf hin und rufen das gesamte Proletariat auf, wach zu sein und sich zur Wwehr bereit zu halten." Rettungsversuche in Oesterreich. SPD. Wien, 22. Junt (Drahtbericht) Der österreichische Finanzminister behandelte gestern vor dem österreichischen Nationalrat die Grundlagen der Sanierungsmöglich - keiten, die allein als eine letzte Lösung, aus dem Finanz - elend herauszukommen, vorhanden sind. Die bestehenden Steuern sollen erhöh! werden, insbesondere ist eine Erhöhung der Grund st euer um das ZSOfache vorgesehen. Die Tarife der Bahnen sollen erhöht werden. Weiter soll unter and er m eine durchgreifende Umgestaltung der Ver - waltung und eine Verminderung der Beamten erstrebt werden. Das Defizit des Staatshaushalts beträgt zurzeit 7 8 9 Milli - arden Kronen. Die Regierung glaubt, daß sie durch die neue Steuervorlage einen Betrag von 290 Milliarden Kronen heraus - holen kann, so daß 500 Milliarden Kronen ungedeckt bleiben, die durch eine spätere innere Anleihe beglichen werden sollen. Die Vorlage über die innere Anleihe soll in der nächsten Woche ein - gebracht werden. ÜÄI ott MM. ott tatotit in tonioig. Eine Novelle von Franz Werfel. He 3«nn«is=» W», |le »-»-»-><. »X- I>- “ ri Ä'.mS"3fl >>- --°» «.lunto. «S ,ch fc v-»l-E» im sieben gesehen? War ich jemals mit Russen, Spielern Opium - rauchern beisammen gewesen? Wer weiß? Ich habe schon ganz ""^Rusfi'n? Scheler, Opiumraucher — das hatte ich«doch schon einmal geträumt! Aber ganz gewiß. Und der Schlitzawl'ge! Auch voii ihm hatte ich geträumt Sicherlich! Wann. Gleichvwl. Sinaida lebt, oder — hat überhaupt niemals gelebt. -Cie toenia aber bedeutet das für mich, hatte ich doch eine Jufgabe, eine wichtige, endgültige Aufgabe ganz anderer Art, denn meine tra? m'ein 'Reimurantz 'um mich zu stärken. Kaum aber batte id/em paar Löffel Suppe zu mir genommen, mußte ich also chng'sE."'Gott war streng und forderte das Gelübde der Enthaltsamkeit von mit, bis ich s vollbracht haben toUE ^Ä trieb mich wieder in den Straßen umher. Noch war die Zeit mcht getoniinen. Wenn ein höherer Offizier m,r begegnete fuhr ich mit meiner Hand empor, um zu salulieren und nestelte dann herlcacn an der Krempe meines steifen Hutes. Endlich, endlich! Von irgend einem ^urm schlug es fünf «ÄS- ÄrÄ £ KS X »<‘ tarn i'™« 1 ”" i ’Ä.Mm l? Ü S ^erigoti! Ich bin der Scil)bibliotbel! nod)i fflclb fffigß ^nb mit dem Sattesten ist es auch nickt h ■ T J i( Z als Kadettenschuler. Sonntage vom häuslichen Tisch i - bunaria auf. Wie gerne hatte ich ein Stückchen Fleifck noaj auf den Geller gelegt, oder gar einen Kolatz men, eine Buchtel Vul- le?cht auch wurde es mir die Mutter nicht verwehrt haben. Über ich war so bescheiden, so feige bescheiden! Ach!'was'hatte das alles zu bedeuten? War doch der Tag gclomuieiL — Einst wird kommen der Tag — Ist. das nicht der schönste Vers aus dem ganzen Horner? Dreizehn Jahre bin ich alt gewesen, als ich über diesen einzigen Bers Tränen unverständlicher Wonne vergoß. Ich mußte stehen bleiben: „Seb wohl, alle Schönheit dieser Welt!" Eine halbe Stunde ging ich vor dem Hau?, das ein? der schönsten des ganzen Gesandtschaftsviertels war, auf und ab. Dann trat ich in die Portierloge. „Ist die Generalin zu Hause?" Der Mann in Sibrce hochherrschaftlich, backenbärtig, legte lang - sam die Brille auf die Zeitung, wurde vornehm: „Ihre Exzellenz sind heute morgen abgereifi!" „Und mein Vater ist auch nicht zu Hanse?" Der alte Sakai machte zuerst eit dummes Gesicht, dann erhob Der alte Sakaimachte zuerst ein dummes Gesicht, bann erhob er sich schnell, stückig, lächelte untertänigst, stammelte: Euer Gnaden bitte gnädigst zu verzeihen! Kompliment! Ge - horsamster Diener! Habe nicht gleich ertannt. Seine Exzellenz sind auSgefahren, kommen immer erst gegen Abend zurück. Bitte schön, bitte sehr . . .!" Ich stieg die breite Treppe hinauf. Der Bursche des Generals öffnete mir. „Ich werde hier auf meinen Vater warten. Führen Sie mich weiter!" Der Bursche, starr erstaunten Gesichts, ließ mich in einem großen Zimmer allein. In der Niitte des sehr weiten Raumes stand ein Billardtisch mit einem Schugüberwurf von grüner Seinwand, am Fenster aber ein Mignonflügcl. Neben dem Klavier in einem Schrägen häuften sich Klavier- auszüge von Operetten und Noieuheftchen mit den Schlagern dieses Jahres. Meine Stiefmutter! Ich fühlte eine Grimasse auf meinem Gesicht. Das Nebenzimmer, deffcn Tür offen stand, war ein kleiner Rauchsaloit. Von hier führte ein offener, von Portieren flankierter Eingang in das «cktafzimmer meines Vaters, das schon für die Nackt in Ordnung gebracht war. Ich sah das aufgeschlagene Bett. So deutlich war dieser Raum vom Billardzimmer sichtbar. Ich wartete lange, dann rief ich den Ofsiziersburschen: „Hören Sie, ich kann nicht mehr länger bleiben. Richten Sic ihm aus, daß ich hier gewesen bin und morgen wiederkomme!" Ick ging in den Vorsaal. Der Diener folgte mir. „Wie bringe ich den nur fort?" Nationalismus in Oberfchtesten. Aus dem llebergabegebiet wird dem »Hamburger Echo" geschrieben: Nachdem am Sonntag nachmittag um 6 Uhr die Schupo tn Kreuzb urg ihren Einzug gehalten hatte, sollte am 19. Juni, 10 Uhr vormittags, die Uebergabc an die deutsche Behörde erfolgen. Aus irgendeinem Grunde wurde dieser Akt um iy 2 Stunden verzögert. Es war bekanntgegeben worden, daß beim Fahnenwechsel eine Kompagnie Italiener vor den interalliierten sowie auch vor der deutschen Fahne Ehren - bezeugungen erweisen sollte. Da von deutscher Seite nicht die deutsche Fahne, sondern die Preußenfahne gehißt wurde, verweigerten die italienischen Truppen die Ehrenbezeugung, und jeder rechtlich Fühlende wird sagen, mit Recht, denn nicht an Preußen, sondern an Deutschland wird Oberschlesien zurückgegeben. Aber die deutschen Behörden schienen auch damit gerechnet zu haben; denn kaum war der letzte Schritt der italienischen Truppen verhallt, als wie aus Kommando eine Abteilung be - rittener Schupo aus dem Gehöft des Landrats - amt s zum Vorschein kam, was von der nach Tausen - den zählenden Volksmenge stürmisch begrüßt wurde. Auf den Ruf des Landrats: „Fahne heraus!" erschien an derselben Stelle, wo bisher die interalliierten Fahnen wehten, die Preußenfahne, stürmisch von der Menge begrüßtz Die Schupo salutierte, und die Stadtkapelle spielte „Deutschlandüber alles". Es folgte der erste Vers des Preußenliedes. Die Stadt prangt im Fahnenschmuck. Genau so, wie sich d i e B e - Hörden zu schämen scheinen, die Fahne der Republik zu hissen, folgt die Bevölkerung dem reaktio - nären Beispiel, schwarz-rot-gold ist nur ganz wenig zu sehen, obwohl die sich zur Republik bekennenden Parteien von 30 Stadtverordneten 22 ihr eigen nennen. Zu Ehren der Reichswehr soll ein Festkommers stattfinden. Der Sozialdemokratische Verein hat im Einvernehmen mit der Bezirksleitung nicht an der Begrüßung offiziell t e i l g e n o m me n. Am Montag ist die erste Zone OberfchlefienS geräumt und von deutschen Truppen besetzt worden. Kreuzburg und Oberglogau wurden in deutsche Verwaltung genommen. Der Einzug der deutschen Truppen und Polizeimannschaften vollzog sich unter dem Jubel der Bevölkerung. Eigentümlich berührte es, daß die Flaggendekorationen sowohl in Kreuzburg wie in Oberglogau fast durchweg die schwarz-weiß-roten Farben aufwiesen. ES ist anzunehmen, daß man nach dem Muster der Polen in Kattowitz den Bürgern diese Farben be - sonders empfahl. Die Geschäftsleute von Kattowitz handelten dabei freilich unter einem mehr als sanften Druck der neuen polnischen Behörden. Dafür wurden ihnen aber die Dekorationsmittel gratis ins Haus geliefert. So konnte es ihnen gleichgültig sein, wie sie die Straßenfront schmückten, da sie nun einmal geschmückt seine mußte. Die Bürger von Kreuzburg und Oberglogau waren diesem Zwange nicht unterworfen. Dafür standen sie scheinbar sehr stark unter dem suggestiven Einfluß der Ueberpatrioten alten Schlages. Eine bedauerliche Folge der jahrelangen Unterdrückung und Entrechtung während der Regierungszeit der Interalliierten Kommission. Aber auch die republikanische Reichswehr zog mit den schwarz-weiß-roten und mit den Preußenfarben in die Städte ein. Ob Herr Geßler eine solche Dekoration seiner Truppen gutheißt? Dem denkenden Oberschlesier werden bei diesem Aufzuge sicher die Augen größer geworden sein, und die im deutschen Teil verbliebenen Polen werden in den nächsten Tagen einen sehr guten Agitationsstoff für ihre Sache haben. Der Reichswehrminister der"deutfchen Republik, der es nicht versteht, sich in zwei Jahren bei seinen Truppen so durchzu- sctzen, daß sie wenigstens die Republik respektieren, ist mehr zu bedauern, als diese Republik selbst. Kreuzburg und Ober - glogau sind, wie gesagt, die ersten Etappen der Besetzung Ober- schlesiens durch die deutschen Truppen. BiSzuml3. Juli solldieRäumungdurchdieEntenteunddieJn- .besitznah me durch die deutsche Regierung voll - zogen sein. Sollte sich die weitere Besetzung nach dem - selben Muster wie in Oberglogau und Kreuzburg unter den Klängen der „Wacht am Rhein" vollziehen, dann werden sich freilich barmtS sehr bedenklich« Aussichten für die nächste Zukunft ergeben. Die verantwortlichen Beamten des Reiches hätten also alle Ursache, diesem Unfug bei - zeiten vorzubeugen. Stand des Dollars (vorbörslich) 331. Es fiel mir ein, meine Schuhbänder fester zu schnüren. Wäh - rend dessen rief ich über die Schulter: „Sie können an Ihre Beschäftigung gehen." Er verschwand. Sogleich schlick ich mich auf den Zehen in das Billardzimmer zurück, wo ich mich nach einem Versteck umsah. Ich tastete die Wand entlang, um eine Tapetentür, einen Wandschrank zu ent - decken, dabei stieß ich, ich weiß nicht wie, mit der hoch ausgestreckten Hand gegen eine Etagere — der Nagel löste sich — und mit un - geheurem Gepolter fiel das Gestelle und alles, was daraus stand, zu Boden. Hochauf horchte ick. Eine Sekunde, zwei Sekunden, eine Mi - nute, zwei Minuten, fünf Minuten ... es rührte sich nichts. Nie- mand batte den Särm gehört. Ich begriff sofort, daß Dienerzimmer und Küche sehr weit entfernt, vielleicht in einem andern Stockwerk sich befinden mußten. Ich ging daran, die Etagere zur Seite zu schaffen und die Gegenstände aufzuklauben. Billardkugeln! Zwei hatten fick unter die Möbel verrollt, die dritte, rote, hielt ich mit einem merkwürdigen Grauen in der Hand. Warum? Heute weiß ich es. Sonst lagen noch gerahmte und ungerahmte Photographien auf der Erde, lauter unbekannte Menschen in Parade, Frack, Ball- toilette, herausfordernde Gesichter, veräckttich auf mich gerichtet. Da aber war noch eine Photographie. Ein Kadett, nicht älter als dreizehn Jahre, die rechte Hand auf ein Geländer stützend, wie auf Befehl, das verängstigte Gesicht schief hinaufgedrehtz Mystischer Schreck! Scbte der noch immer, wollte er denn nie und nimmer tot, be - graben, vorbei sein? Dieser Kinderleichnam, waruni schied er nicht aus meinem Blut? Mein Golt! Ich zerriß das Bild. Mein Herz brach fast dabei. «. Er, der Vater, hatte es nicht unterlassen, diese Siegestrophae in seinem Zimmer aufzustellen. Noch etwas! Jesus! Das war ja eine der Hanteln, mit denen ich damals in den Ferien Turnübungen machen mußte. Wie schwer sie ist! Ich erinnerte mich an hundert Stunden und drückte das kalte Metall an meine Brust, diesen Zeugen von Angst und Unglück, das mich niemals verlosten hatte. Nach so vielen Jahren mußte ich sie hier finden! Das war kein Zufall. „So lange war sie verborgen geblieben. Jetzt aber, ir dieser Stunde, kommt diese alte Hantel mir entgegen, sucht mich gleichsam. Der Kamps nm den Krotpreis. Die Aussichten der Getreide-Umlage. Bsm Sozialdemokratischen ParlamenlSdi ernst wird nn« ge - schrieben: Je eindringlicher man im Reichstag an die Beratung der Ge - treideumlage herangehtz desto schärfer treten ixe Schwierigkeiten her- vor, die noch zu überwinden find, um eine Regelung herbeizuführen, die auch für ixe Sozialdemokraten annehmbar ist Sowohl über die Größe der fteizugebenden Fläche wie über den Preis find sich die Parteien bisher noch nicht im geringsten näher gekommen. Das Zentrum lehnt es ab, die Getteideumlage allein mit Hilfe der andern Koalittonsparteien und den Unabhängigen im Plenum zu erledigen und ist bestrebt, den schwachen Konsumentenflügel der Deutschen Volkspartei für dar Prinzip der Getreideumlage zu gero nnen. Das wird um so schwerer halten, al« hervorragend« Männer der Deutschen Vollkpartei führend im Reichslandbund bertreten sind. Sämtliche bürgerlichen Perteien find sich aber auch klar darüber, daß bei Neu - wahlen mit der Brotpreisparole lediglich die Sozialdemokratie nichts zu verlieren hätte. Am schwersten wird sich zweifellos die Preisfrage regeln lassen. Man muß sich vergegenwärtigen, daß, selbst wenn für das Umlagegetreide nur ein Preis gezahlt wird, der die Hälfte des Weltmarktpreises, wie es die Gesetzesvorlage Vorsicht, auSmacht, schon eine Verdoppelung des jetzigen Brotpreises in Frage kommt. Würde sogar der Kompromißvorschlag des Zenttum?, den Preis für das gelieferte Getreide im Verhältnis zu den bisher gezahlten Preisen um 75 % zu erhöhen, angenommen, so würde sich für die Zukunft ein Brotpreis von 35 bis 45 X, ergeben. Die Sozialdemokratie ist sich darüber Oar, daß sie eine Steigerung des Brotpreises auf die Dauer nicht verhindern kann. Denn roern die Preise für alle Lebensrnittel und zur Lebenshaltung notwendigen Gegenstände steigen, ist auch eine Verteuerung bei Brotes mcht zu verhindern. Um was wir aber mit aller Energie kämpfen werden, ist, die Verteuerung in solchen Grenzen zu halten, daß sie durch Lohn- unb Gehaltserhöhungen einigermaßen ausgeglichen werben kann. Die sozialdemokratische R ei ch S ta g S f r a k t i ou be - schäftigte sich am Mittwoch abend mehrere Sunden mit ber Getreide- umlage wie mit ber augenblicklichen mnerpolitischen Sage. SS herrschte die einstimmige Auffassung vor, baß unsere Mitglieder im Volkswirtschaftlichen Ausschuß, der sich zurzeit mit der Getreide- umlage befaßt, und im Steuerausschuß fest bleiben muffen, um alle Versuche abzuwehren, die über das notwendige Maß von Ent - gegenkommen hinausgehen. Man ist sich bewußt, daß dieses ein Kampf ist mit besten Endergebnis die Lebenshaltung bet werktätige» Bevölkerung steigt ober fällt Die Beratung im Ansichrch. Der Volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstages begann be - reits am Mittwoch mit der Beratung ber Getreide», umlage. Wie im Reichstag zu dem Gesetzentwurf von den Rechts - parteien nur Landwirte vorgeschickt wurden, so fanden sich auch im Ausschuß als Vertreter der bürgerlichen Parteien lediglich agrarische Jnteressenvertreter zusammen. — Zunächst würbe dejchionen, in Andri rach! der dringenden Wichligkest des Ge - genstandes und feiner raschen Erledigung von einer Generaldebatte abzusehen. Dennoch aber wurde von den Deutschnationalen die Generaldebatte erzwungen, indem sie einen Born Abgeordneten Rösicke eingebrachten Antrag begründeten, den grundlegen - den Artikel 1 der Vorlage abzulehnen und damit den freien Verkehr mit Getreide inländischer Ernte herzu st eilen. Ein weiterer Antrag der beiden RechtS- paneien will für die Umlage einen Scheinersatz in Form weitläufiger Maßnahmen herstellen, deren Wirksamkeit stark bezweifelt werden muß und deren Durchführung jedenfalls im Laufe ber zur Ver - fügung stehenden Zett unmöglich wäre. Es handelt sich ganz offen - sichtlich um einen Verschleppungs- und Obstruktionsantrag, um zu - nächst einmal die Getreideumlage zu Fall zu bringen. Was danach wird, scheint den Herren von der Rechten ziemlich gleichgültig zu sein. Genoste Käppler trat dem deutschnatioualen Manöver ent - schieden entgegen. Er bezeichnete die Sickerstellung ber Brotversor - gung burch die freie Wirtschaft als eine Unmöglichkeit, ja all eine Katastrophe. Es handle sich jetzt darum, ob es außer der Umlage noch einen anderen Weg gebe. Ein solcher sei _aber vor - läufig nicht zu sehen. Falls die Vorlage fallen sollte, müsse die Auflösung des Reichstages kommen. Die Frauen würden sich bann gegenüber ihrer Haltung vom 20. Juni 1920 eines Besseren besinnen. — Der Demokrat Böhme spricht den Wunsch nach Verständigung aus. Seine Partei behalte sich volle Freihett gegenüber der "Regierungsvorlage vor und werde sich erst entscheiden, wenn die Gestaltung des Ganzen zu übersehen sein werde. —> Dr. Hertz wendet sich namens der Unabhängigen gleichfalls scharf gegen die Obstruktionsversuche der Rechten, deren Abgeordnete sich nur als Landwirte gebärdeten, obwohl sie als Vertreter des ganzen Volkes gewählt seien. Die kleinen Landwirte müßten gefdfont, die großen stärker belastet werden. Ueber die Preisfrage, muß Klarhcht geschaffen werden. Ter Redner warnt das Zentrum davor, ein Kompromiß mit der Deutschen Volkspartei zu suchen. ReichsernährunaSminister Fehr : Nicht Freude an der Zwangs - wirtschaft, sondern Not veranlaßt uns, an der öffentlichen Bewirt - schaftung in beschränktem Umfange sestzuhalten. Grundsätzlich ist die freie Wirtschaft zur Förderung der Produktion am besten ge - eignet. Die Produktton braucht zu ihrer Förderung aber nicht nur lockt mich heran, mir jenen Gedanken einzugeben — einzugeben — nein zu sagen, zuzurufen, den ich sogleich verstehe." Ich stutzte einen Augenblick. Sollte ich sie mißverstehen? Dieses Stück Eisen, bittet et etwa für meinen Vater, der es jahrzehntelang mit sich schleppt, der es nicht zum Gerümpel, nicht nur den Kehrichthaufen wirft, nicht dorthin, von wo es zum Schmelzofen wandern und um seine Form kommen muß. - Ist diese Hantel meinet Kindheit dem Vater für den Schutz dankbar? Warum denn hat et sie aufbewahrt und ihr nach so vielen Ueberfict(ungen hier in diesem StaatSzimmer einen Raum gegönnt? Warum? War es ganz gewöhnliche Unachffamkett? Ah, nein! Seinem Blick entgeht keine Bllndhest auf einem Messingknopf. War es Empfindsamkeit, verborgenes Erinnerungsgefühl, das dem kleinen Knaben galt, der einmal sein Sohn gewesen wat? Ich hielt den Eisenkopf der Hantel ans Ohr. Keine Antwort! Sie blieb stumm. Für mich Antwort genug. Ich verstand sie. Es mußte geschehen. Ich prüfte die Festigkeit ber beiden Köpfe, ob sie gut auf dem Stiel säßen. Das Ting war wie aus einem Guß — da steckte ich es in meine Tasche. Indessen war es schon recht dunkel geworden. Draußen sprang da? Licht der Laternen auf. Die Fenster malten gelbe Lichtquadrate auf Möbel und Fußboden. Ich enffchloß mich, unter das Billard zu kriechen; so war ich cm besten verborgen. In die Leinwand des UeberzugS schnitt ich mit dem Taschen- messer ein Loch, ähnlich der Klappe im Theatervorhang — so, nun konnte ich genau beobachten, was hier und in den anstoßenden Zimmern vorging. Ich weiß nicht warum, plötzlich erfaßte mich eine wütende Lust, mich zu verraten, unerhört Klavier zu spielen, göttlich zu phanta - sieren, durch die ungeheuren Akkorde alles Häßliche zu vernichten. Nur mit Mühe hielt ich mich fest. Auf meiner Stirn stand der Schweiß in großen, kalten Tropfen, so viel Kraft brauchte ich» dieses Gelüste zu überwinden. Jetzt erst merkte ich, daß gleichmäßigen Schrittes eine groß« Uhr im Zimmer tickte. Ich klammerte meine Finger um die Hantel. ES schlug acht Uhr . . .