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Ur.  126. 
Mittwoch,  den  9.  Mai  1923. 
37.  Jahrgang. 
Die  Meile  bet  Iran: 
Werden  und  Mainz. 
Im  Werdener  Krupp-Prozeß  wurde  gestern  nachmittag 
6  Uhr  folgendes  Urteil  gefällt: 
Krupp  von  Bohlen  itub  Halbach  15  Jahre  Gefängnis 
und  100  Millionen  Mark  Geldstrafe, 
Direktor  Brnhn  10  Jahre  Gefängnis  und  100  Millionen 
Mark  Geldstrafe, 
Direktor  Hartwig  15  Jahre  Gefängnis  und  100  Millionen 
Mark  Geldstrafe, 
Direktor  O  e  st  e  r  l  e  n  15  Jahre  Gefängnis  und  100  Millionen 
Mark  Geldstrafe, 
Direktor  Schäfer  20  Jahre  Gefängnis  und  100  Millionen 
Mark  Geldstrafe, 
Direktor  Baur  20  Jahre  Gefängnis  und  100  Millionen 
Mark  Geldstrafe, 
Direktor  S  ch  r  S  p  l  e  r  20  Jahre  Gefängnis  und  100  Millionen 
Mark  Geldstrafe, 
Direktor  C  u  n  tz  20  Jahre  Gefängnis  und  100  Millionen 
Mark  Geldstrafe, 
Betriebsführer  Groß  10  Jahre  Gefängnis  und  50  Millionen 
Mark  Geldstrafe. 
Betriebsratsmitglied  Müller  6  Monate  Gefängnis. 
Von  den  23  Schuldfragen  sind  21  mit  Ja  beantwortet  wor -
den.  Die  Angeklagten  sind  eines  K  o  m  p  l  o  t-t  s,  wie  auch 
der  Störung  der  öffentlichm  Ordnung  für  schuldig  befunden 
worden.  Die  Verurteilung  erfolgte  bei  allen  Angeklagten  ein -
stimmig,  mit  Ausnahme  des  Herrn  von  Krupp  und  des 
Direktors  Bruhn,  welche  mit  3  gegen  2  Stimmen  verurteilt 
wurden.  —  Müller  wurde  von  der  Anklage  des  Komvlotts  mit 
3  gegen  2  Stimmen  freigesprochen  und  nur  wegen  Störung  der 
öffenllichen  Ordnung  zu  der  sechsmonatigen  Gefängnisstrafe 
verurteilt. 
Während  dies  in  Werden  an  der  Ruhr  geschah,  verhandelte 
das  französische  Kriegsgericht  in  Mainz  unter  Ausschluß  der 
Oeffentlichkeit  gegen  eine  Reihe  von  Gewerkschaftsführern 
und  Angestellten  des  Deutschen  Eisenbahnerver -
bandes  sowie  über  Beamte  des  Direktonsbezirks  Mainz, 
die  vor  ungefähr  einem  Vierteljahr  verhaftet  wurden,  weil  sie 
die  Eisenbahner  allgemein  aufgefordert  haben  sollen,  nur  die 
Gesetze  und  Anordnungen  der  deutschen  Regierung  zu  befolgen, 
Es  wurden  folgende  furchtbaren  Urteile  gefällt:. 
Roth,  Bezirksleiter  deS  EisenbahnerverbandeS,  10  Jahre 
Gefängnis, 
Becker,  Kassierer  des  EisenbahnerverbandeS,  6  Monate 
Gefängnis, 
Böswetter»  OrtSbeamter  deS  EisenbahnerverbandeS, 
7  Jahre  Gefängnis, 
Leppert,  Sekretär  deS  EisenbahnerverbandeS,  5  Jahre 
Gefängnis, 
Weiß,  Schreibergehilfe  deS  EisenbahnerverbandeS,  4  Monate 
Gefängnis,  ' 
Leinweber,  Vorsitzender  des  Betriebsrates  in  Wiesbaden, 
3  Jahre  Gefängnis, 
Nuß,  OrtSbeamter  deS  EisenbahnerverbandeS,  8  Jahre 
Gefängnis, 
Harzdorf,  Eisenbahnbediensteter,  3  Monate  Gefängnis, 
Engel,  Eisenbahnbediensteter,  1  Jahr  Gefängnis, 
Klingler,  Vorsitzender  des  Betriebsrats,  6  Jahre  Ge -
fängnis, 
Salomon-Schwind,  Angestellter  des  Eisenbahner- 
'  Verbandes,  4  Jahre  Gefängnis, 
Hummel,  Oberbaurat  der  Eisenbahndirektion  Mainz, 
1  Jahr  Gefängnis, 
Hack,  Regicrungsbaurat  der  Eisenbahndirektiou  Mainz, 
8  Jahre  Gefängnis, 
ErSling,  Vertreter  der  ReichSgewerkschast,  6  Jahre  Ge- 
fänguis, 
K  r  i  m  m  e  l,  Vertreter  der  Gewerkschaft,  6  Jahre  Gefängnis, 
Liebke,  Vertreter  der  Gewerkschaft,  7  Jahre  Gefängnis. 
Fünf  der  vorgenannten  Angeklagten  erhielten  außerdem 
noch  je  100  000  M  Geldstrafe  auferlegt 
Die  Urteile  sind  so  ungeheuerlich,  daß  es  nur  zu  begreiflich 
ist,  wenn  der  Bericht  aus  Werden  sagt,  es  habe  nach  der  Ver -
kündung  eisiges  Schweigen  im  Saale  geherrscht 
145  Jahre  6  Monate  wurden  insgesamt  allein  dort  in  Werden 
verhängt,  dazu  kommen  die  78  Jahre  9  Monate  in  Mainz, 
macht  zusammen  224  Jahre  3  Monate  Gefängnis,  um  die  mit 
zwei  dicht  aufeinander  folgenden  Schlägen  des  Schuldbuch  der 
französischen  Kriegsjustiz  im  deutschen  Westen  belastet  worden 
ist.  Es  hat  natürlich  gar  keinen  Sinn,  nach  den  Rechts -
gründen  dieser  Urteile  zu  forschen.  Sie  wurden  —  eins  wie 
das  andere  —  nach  vorgefaßter  Meinung  gefällt,  und  man  ist 
versucht,  sogar  die  in  dem  Werdener  Urteil  scheinbar  gefliffent- 
lich  hervorgehobene  Abweichung  einzelner  Stimmen  bei  der 
Arme  Menschen. 
Von  Zsigmond  Möricz.  Deutsch  von  Aikahay. 
18]  
Er  faßte  den  Arm  der  Frau  und  beugte  sich  zu  chr. 
»Zwischen  uns  ist  das  Wasier!  .  .  .  sagte  er. 
Das  Weib  verstand  ihn  nicht. 
»Wir  verstehen  uns  niemals,  weil  zwischen  uns  das  Wasser 
i$  ,  . 
„Ach  war!  .  .  .  DaS  Weib  zuckte  die  Achsel 
Jetzt  war  sie  der  Verrücktheit  ihres  Mannes  schon  überdrüssig. 
Sie  machte  sich  nichts  mehr  aus  ihm.  Auch  der  raubt  nur  für  sich 
selbst,  er  denkt  nicht  einmal  an  seine  Kinder. 
„So  kann  ein?  's  andere  auch  nit  verstehen,  wenn  a  Wasser  da- 
zwischen  iS,"  sagte  der  Mann.  „Wenn  die  Russen  herübcrkommen 
und  bei  uns  bleiben  .  .  .,  sehn  mer  von  der  Näh'  ihr  G'sicht,  -bren 
Bart,  ihre  rasierten  Wangen  .  .  .,  ihre  Augen  .  .  .,  nur  d,rß  wir 
ihre  Sprache  nit  verstehen.  Da  schlachten  mir  sie  schon  mf  .  .  „ 
wir  geb'»  ihnen  was  zu  essen  .  .  .,  was  wir  selbst  essen  .  .  .  Der 
Feind  is  nur  a  Feind,  solang  a  Wasser  zwischen  uns  ist  .  . 
Plötzlich  griff  er  in  seine  Tasche  und  nahm  ein  klein«»  Bündel 
heraus.  Er  hielt  es  einen  Augenblick  in  der  Hand  und  betrachtete 
es,  es  war  ein  in  einen  Knäuel  gebundener  Tuch,  wie  die  Frau  er -
kannte.  .  .. 
Er  streckte  seinen  Arm  aus  und  warf  ei  west  in»  Wasser  hm- 
ein  .  .  .  Dai  Weib  starrte  ihn  mit  scharfen  Micken  an. 
Sie  erriet,  daß  es  das  geraubte  Geld  war. 
„O  je,  o  je,"  seufzte  sie  und  dachte,  hat's  deshalb  dafür  ge -
standen  1  .  .  .  Hat»  dafür  gestanden  deshalb? 
Da  gingen  sie  weiter,  langsamer,  al»  vorhin,  wie  Leute,  die  ihr 
Ziel  verloren  haben.  Aber  gleichmäßiger,  so  wie  di«  Armen  sich 
durch»  Leben  rackern  ... 
Sie  wechselten  kein  Wort  mehr  miteinander;  wie  wenn  sie  sich 
fremd  geworden  wären,  wie  wenn  si«  angefangen  hätten,  einander 
zu  hassen.  ,  ,  .  „  .  „ 
Ll»  sie  ins  Dorf  tarnen,  bemerkten  sie  gleich  beim  äußersten 
Häuschen  Leute  im  Gespräch.  Meich  gab  es  allen  beiden  einen 
Stich  —  die  Leute  sprechen  davon. 
Wo  MMle. 
Urteilsfällung  für  ein  Manöver  zu  halten,  das  nur  verhüllen 
soll,  wie  fertig  diese  Urteile  schon  lange  vor  ihrer  Verkündung 
waren.  Es  siurd  Schreckensurteile  im  wahrsten  Sinne  des 
Wortes  und  als  solche  nur  zu  vergleichen  mit  den  furchtbaren 
Femgerichtsurteilen,  die  einst  im  Mittelalter  auf  der  roten 
Erde  Westfalens  gefällt  wurden.  Freilich,  damals  gab  sich  das 
„heimliche  Gericht"  nicht  den  Anschein,  als  ob  es  ohne  Ansehen 
bet  Person  urteile.  Es  scheute  auch  das  Tageslicht  und  ließ  nur 
den  Ankläger  sprechen.  Die  Femrichter  des  französischen 
Militarismus  dagegen  haben  in  tagelanger  Verhandlung  die 
Angeklagten  und  ihre  Verteidiger  sprechen  lassen,  um  sich  am 
Ende  doch  über  alle  Ergebnisse  der  Beweisaufnahme  hinweg -
zusetzen  und  nun  die  Strafen  zu  verhängen,  die  nach  ihrer 
Meinung  hinreichen  sollen,  um  den  passiven  Widerstand  der 
Arbeiterbevölkerung  des  Ruhrgebiets  zu  brechen. 
Es  ist  klar,  daß  nun  erst  recht  dieser  Widerstand  den  Cha -
rakter  einer  Kraftprobe  annehmen  wird.  Wäre  ihm  überhaupt 
durch  Einschüchterung  das  Genick  zu  brechen  —  die  terro -
ristischen  Urteile  von  Werden  und  Mainz,  von  denen  eines  die 
Werksdirektoren,  das  andere  die  Gewerkschaftsvertreter  auf 
Jahre  hinaus  hinter  Kerkerwände  wirst,  müßten  es  fertig -
bringen,  daß  nun  die  ganze  deutsche  Gegenwehr  jählings  zu -
sammenbricht.  Schlimmer  als  es  mit  solchen  Urteilen  ge -
schieht,  kann  ja  nicht  die  Uebermacht  der  Besatzungsbehörden, 
nicht  die  Nutzlosigkeit  jeder  Auflehnung  gegen  sie  demonstriert 
werden.  Schärfer  auch  nicht  der  deutschen  Bevölkerung  ein -
gehämmert  werden,  daß  ihre  Klasienscheidung  in  Besitzende  und 
Proletarier,  in  Direktoren  und  Arbeiter  vor  den  französisch -
belgischen  Kriegsgerichten  keine  Beachtung  findet,  sondern  daß 
hier  blindlings  zugeschlagen  wird.  Es  mag  vielleicht  die  Ab -
sicht  des  Kriegsgerichts  in  Werden  gewesen  sein,  die  Krupp- 
Direktoren  besonders  hart  zu  bestrafen  und  die  Betriebsrats -
mitglieder  gelinder  davonkommen  zu  lasten,  um  die  Arbeiter -
schaft  kirre  zu  machen,  aber  das  Mainzer  Urteil  wirkt  dafür 
um  so  mehr  in  umgekehrter  Richtung.  In  letzter  Instanz  wird 
die  Geschichte,  wird  der  weitere  Verlauf  der  Ruhraktion  dar -
über  entscheiden,  ob  die  Urteile  von  Mainz  und  Werden  auch 
nur  im  Hinblick  auf  ihre  politische  Wirkung  zu  rechtfertigen 
sind.  Wir  sind  überzeugt,  daß  sie  vor  dieser  Instanz  noch 
viel  eher  verworfen  werden,  als  vor  irgendeinem  Kastations- 
gerichtshof,  der  sich  mit  ihnen  zu  beschäftigen  hätte.  Sic  wer -
den  nicht  dazu  beitragen,  die  Verhältnisse  im  Rheinland  zu 
entspannen,  sondern  sie  im  Gegenteil  noch  ungeheuer  ver -
schärfen.  Sie  werden  die  Unsicherheit  der  Besatzungsarmee 
und  der  Besatzungsbehörden  erhöhen,  die  schiedlich-friedliche 
Beilegung  des  Ruhrkonflikts  abermals  vereiteln.  Sie  werden 
nicht  "so  sehr  Angst  und  Schrecken,  als  vielmehr  Haß  und  Rach -
sucht  erzeugen  und  so  sorizeugend  böse  Stimmungen  schaffen, 
aus  denen  bei  geringstem  Anstoß  wieder  neue  Explosionen  der 
Leidenschaft  entstchen. 
Weil  dem  so  ist,  braucht  von  deutscher  Seite  nichts  unter -
nommen  zu  werden,  die  aufreizende  Wirkung  der  entsetzlichen 
Urteile  noch  zu  verstärken.  Das  Bewußtsein,  daß  mit  Terror 
und  Schreckensurteilen  noch  nie  ein  Herrschaftssystem  befestigt, 
sondern  immer  nur  seine  innere  Ohnmacht  verraten  worden  ist, 
muß  uns  kaltblütig  machen.  Insbesondere  sollte  jene  Presse 
und  sollten  jene  Parteien,  die  stets  nach  möglichst  kriegerischen 
Methoden  den  Abwehrkampf  am  Rhein  und  an  der  Ruhr  ge -
führt  misten  wollten,  sich  sagen,  daß  mit  diesen  Urteilen  ge -
erntet  wurde,  was  sie  gesät  haben.  Und  darum  ziemt  gerade 
ihnen  nicht,  in  lautes  Wehklagen  oder  n  Wutgeschrei  über  die 
Opfer,  die  nun  gefallen  sind,  auszubrechen.  Opfer  fordert  jeder 
Kampf,  und  wer  gewollt  hat,  daß  der  landfremden  Soldateska 
die  Zähne  gezeigt  werden,  der  muß  als  unvermeidliche  Folge 
seines  Wollens  "auch  hinnehmen,  daß  nicht  nur  Arbeiterblut 
vergasten  wird,  sondern  auch  einmal  Werkdirektoren  ins  Ge- 
sängnis  wandern.  An  der  Bereitschaft,  weiter  solche  Opfer  zu 
bringen  und  auch  sonst  jede  Gefahr  und  jedes  Leiden  mit  der 
Arbeiterbevölkerung  zu  teilen,  wird  sich  die  Standhaftigkeit  der 
deutschen  Wirtschaftsführer  im  Ruhrabwehrkampf  auch  in  Zu -
kunft  noch  erweisen  müssen. 
Pflicht  der  deutschen  Regierung  aber  wäre  es,  ohne  Rücksicht 
auf  verhängnisvolle  Stimmungen,  wie  sie  nur  allzu  leicht  aus 
den  rheinischen  Kriegsgerichtsurteilen  entstehen  werden,  sich 
mit  verstärkter  Energie  für  die  Beendigung  des  Ruhrkonflikts 
einzusetzen,  um  zu  verhüten,  daß  auch  dieser  Kamps  bis  zu 
einem  Ende  geführt  wird,  das  die  Größe  der  dafür  gebrachten 
Opfer  nicht  mehr  lohnt. 
Urteile  über  das  Urteil. 
Der  »Vorwärts"  schreibt,  daß  dem  Urteil  des  Werdener 
Kriegsgerichts  jede  Rechtsgrundlage  fehle.  Da»  Walten  ftemder 
Kriegsgerichte  sei  nach  den  Grundsätzen  deS  Völlerrechts  nur  zu- 
lässig  in  einem  Lande,  das  während  eures  Krieges  bon  einer  feind -
lichen  Macht  besetzt  ist.  Bisher  aber  hat  selbst  die  französische 
Polttik  die  Fixion  aufrechterhaüen,  als  ob  die  Anwesenheit  der 
französisch-belgischen  Truppen  im  Ruhrgebiet  lediglich  eine  „ftied- 
Frau  Stefan  Schuta  Kisch  erzählle  den  Leuten,  die  vom  Markt 
heim  kamen,  etwas;  wie  das  Ehepaar  in  ihrer  Rähe  Halt  macble. 
hielt  sie  ein  wenig  an  und  glotzte  sie  an. 
„Sie  hören,  daß  a  Kind  weint,"  setzt-  sie  fort,  »sie  Horen  »,  und 
die  Tochter  des  Andreas  Szabö  ist  doch  bei  ihnen,  die  i»  jeton 
a  halb  erwachsenes  Mädel,  14  Jabr;  was  iS  nur  m:t  die  Kinder, 
daß  sie  fortwährend  plärrn.  Sic  schicken  die  kleine  Erzsusck  bmuber, 
sie  soll  schau'n,  wa»  Io®  i®.  Da»  Kind  konnt  mt  erm,  wert  ®  Tor 
zug'spcrrt  war;  es  is  halt  über'»  Zaun  krochen.  Da»  arme  Kind 
geht  eini,  also  da  licgn  die  zwei  unschuldigen  Würmer  erschlagen 
im  Blut,  das  zu  den  Knöcheln  reicht;  da»  größere  Madel  der  Bargas 
in  der  Tür,  das  andre.  d:c  Eizter,  in  der  kleinen  «stuoe  .  .  . 
Die  Weiber  rangen  die  Hände:  Entsetzlich,  entietzlich. 
»Entsetzlich."  sagte  das  Weib  des  Soldaten;  denn  es  war  igr, 
al»  ob  alle  Leute  sie  ansehen  würden,  „entsetzlich  ,  und  sie  zog 
ihren  Mann,  daß  sie  nur  von  dort  fortgehen. 
Der  Soldat  sagte  kein  Wort,  er  betrachtete  nur  die  zeternden 
Weiber  mit  Ekel  und  Abscheu.  Sa  ein  Geheul  anheben  .  .  .  dw 
wissen  wirklich  nicht,  wa»  der  Krieg  ist.  .  . 
Er  ging  still,  fast  unmerklich  hinter  seinem  Weibe  her,  die  fast 
laufend  voranging.  . 
Al»  fr  sie  erreichte,  atemlos  vom  Lausen,  schne  er  sie  an: 
„Wohin  rennst  denn,  na?"  „ 
Da»  Weib  blickte  nicht  einmal  zurück  und  suchte  noch  rascher 
fortzukommen.  „  .  ,  ..  ...... 
„Auch  t  hab  die  drei  Kleinen  a  so  g  lassen,  sagte  sie  dann 
nach  rückwärts,  mtt  ersttckter  Stimme.  _ 
Der  Mann  blieb  plötzlich  stehen,  wie  betäubt  von  Entsetzen. 
Die  drei  Kleinen  .  .  .  seine  drei  Kinder. 
Kalter  Schweiß  stand  auf  seiner  Stirn.  Ah,  wenn  er  die 
jetzt  so  anireffen  würde  ...  mit  zerschnittener  Gurgel  .  .  . 
Aber  da»  kann  nicht  fein.  .  .  .  wer  soll  sie  anruhren.  .  ,  . 
Lauf  nicht,  wollte  er  schreien,  ich  bin  ja  hier! 
Da»  ganze  Torf  war  auf  den  Beinen.  Ueberall  liefen  Werber 
und  Kinder  der  Kirrbe  zu.  . 
Der  Soldat  begann  verwirrt  zu  werden.  Dieser  allgemeine 
Auftukir,  die  völlige  Einschätzung  des  Fünbterlichen  legten  sich  auch 
auf  seine  Nerven.  Wo  er  ein  hingeworfene»  Wort  horte,  da» 
züchtigte  ferne  Seele  wie  mit  Peitschenschlägen. 
Als  er  in  da»  Tor  einbog,  wurde  er  viel  ruhiger. 
liche  Mission"  darstellt.  Don  einer  Kriegserklärung  an  das 
Deutsche  Reich  hat  selbst  PoincarL  Abstand  genommen,  weil  diese 
Erklärung  ihn  vor  aller  Welt  in®  Unrecht  gesetzt  hätte.  DaS  aber 
sei  jetzt  durch  die  Kriegsgerichtsurteile  geschehen. 
Die  „Vossische  Zeitung"  äußert  sich  folgendermaßen:  DaS  Ur -
teil  von  Werden  ist  da®  nackte  Bekenntnis  zum  Terror. 
ES  hat  mit  Recht  noch  weniger  zu  tun,  wie  das  Gerichtsverfahren, 
da»  zu  ihm  führte.  Es  soll  Furcht  einjagen  und  Schrecken  tiet- 
breiten  ..." 
Aebnlich  äußern  sich  auch  die  übrigen  Blätter.  Einen  Unter- 
schied  in  der  Beurteilung  des  Werdener  Fehlspruchs  gibt  es  in  der 
Berliner  Presse  kaum. 
Der  Reichspräsident  richtete  an  daS  Direktorium  und 
den  Betriebsrat  der  Kruppwerke  in  Essen  folgendes  Telegramm: 
Aufs  tiefste  empört,  erhalte  ich  die  Nachricht  von  dem  Macht- 
spruch  de®  ftanzösischen  Militarismus,  der  den  Vorsitzenden  de® 
Aufsichtsrats  und  Mitglieder  des  Direktorium®  wie  de»  Betriebs -
rates  der  Kruppwerke  zu  unerhört  schweren  FreiheitSsttafen  ver- 
urteilt  Dieser,  jeder  Menschlichkeit  hohnsprechende  Gewaltakt 
wird  überall,  wo  noch  ein  Gefühl  für  Reckt  und  Gerechtigkekt 
besteht,  mit  Entrüstung  und  Verachtung  ausgenommen  werden 
und  in  der  Geschichte  der  Völker  al®  eines  der  häßlichsten  Beispiele 
rohester  Unterdrückung  des  Rechts  durch  brutale  Gewalt  weiter -
leben." 
Um  de«  Nationalfeiertag. 
Während  der  Rechtsausschutz  de»  Reichstages  den  §  1  der  Vor- 
lofje  über  die  Feier-  und  Gedenktage  angenommen  hat,  der  den 
11.  August  als  Versass  ungStag  zum  Nationalfeiertag  be -
stimmt  (die  Annahme  erfolgte  gegen  die  Stimmen  der  SBetireter  der 
Deutschnationalen  und  der  Deutschen  Volkspartei!),  machen  sich  in 
gewissen  Kreisen  Widerstände  gegen  den  Derfaffungstag  bemerkbar. 
Wit  erhalten  darüber  folgende  Meldung: 
een.  Berlin,  8.  Mat  In  parlamentarischen  Kreisen,  ins- 
besondere  von  Vertretern  der  Landwirtschasr,  werden  Ein- 
Wendungen  gegen  die  Festlegung  deS  11.  August,  dem  Tage  der 
Veröffentlichung  der  ReichSverfaffung,  als  gesetzlichen  Nationalfeier- 
tag,  tote  sie  ein  dem  Reichstag  zugegangener  Gesetzentwurf  vorsieht, 
gemacht  Dir  Vertreter  der  Landwirtschaft  im  Reichstag  erbeben 
den  Einwand,  daß  der  11.  August  mitten  in  die  Erntezeit 
fallt  und  daher  die  schwersten  Bedenken  gegen  seine  Fest- 
s-tzung  al®  Nationalfeiertag  bestehen.  ES  ist  daber  mit  der  Mög -
lichkeit  zu  rechnen,  dah  man  sich  innerhalb  der  Parteien  für  einen 
andern  Tag  als  Nationalfeiertag  entschließen  wird.  ES  wird  der 
1.  Mai,  aber  auch  der  18.  Januar,  der  Tag  der  Reichs -
gründung  als  Nationalfeiertag  vorgeschlagen. 
Dieft  Bemühungen  der  Landwirtschaftsvertreter  find  sehr 
durchsichtig.  Die  Herren  Agrarier  machen  sich  zum  Vor -
spann  der  reaktionären  Parteien,  die  keine  zugkräftt- 
gen  Gründe  gegen  den  11.  August  mehr  finden.  Der  1.  Moi  ist  in 
erster  Linie  ein  Festtag  de»  Proletariats  und  wird  das  noch  lange 
Zett  bleiben.  Der  18.  Januar  aber  ist  derjenige  jener  Monarchisten, 
die  sonst  an  dieftm  Tage  von  ihrem  allergnadigsten  Kaiser  etwas 
ins  Knopfloch  zu  bekommen  gewohnt  waren.  Ter  Tag  der  Re -
publik  ist,  bleibt  und  mutz  auch  gesetzlich  werden:  der  11.  August. 
Und  der  Einwand  der  Agrarier  ist  nichts  als  eine  faule  Aus -
rede. 
München  gegen  Nürnberg. 
Die  Hetze  der  Münchener  Parttkularisten  gegen  den  Nürn -
berger  Oberbürgermeister,  an  der  sich  die  bavrische  Regierung 
stark  beteiligt,  führt  bald  zu  einem  Skandal.  Suppe  hat  deshalb 
cm  Dienstag  in  der  Nürnberger  Stadtverordnetenversammlung 
Gelegenheit  genommen,  nochmals  eine  Darstellung  über  die  Vor- 
Sänge  am  1.  Mai  in  Nürnberg  zu  gefcen.  Daraus  ergibt  sich, 
daß  die  erfolgte  Beschlagnahme  von  Waffen  im  nationalistischen 
Lager  im  Beckengarten  eine  zwingende  Notwendigkeit 
war,  um  die  Gefahr  blutiger  Ereignisse  im  Laufe  de®  1.  Mai  aus -
zuschalten.  Die  Waffen  gehörten  der  Reichswehr 
und  sind  auf  irgendeinen  Befehl  bon  Angehöri -
gen  der  Landespolizei  und  d  er  R  ei  ch  S  w  e  h  r  n  ach 
dem  Beckengarten  gebracht  worden.  Ferner  zeigt  die 
Darstellung,  datz  Luppe  au?  Berlin  keine  Reichswehr  angefor -
dert  hat,  ftndern  lediglich  den  StaaLsekretär  und  früheren  bay -
rischen  Handelsminister  H  a  ui  m  davon  verständigte,  datz  sich  die 
Sage  in  Bayern  so  kritisch  zuzuspitzen  scheine,  datz  die  schon  einmal 
mtt  Hamm  besprochene  Eventualität,  Schrttte  ju  tun,  um  einen 
Münchener  Putsch  aus  seinen  Herd  zu  beschranken,  und  seinen 
Uebergriff  auf  Nürnberg  und  Franken  zu  verhindern,  Tatsache" 
werden  könnte.  ,  .  . 
Mit  diesen  Darlegungen  Luppe®  beschäftigte  sich  ausschließlich 
die  Nürnberger  Stadtverordnetenversammlung,  in  der  d  i  e 
Waffenbeschlagnahme  einmütige  Zustimmung 
fand  und  bei  der  darüber  hinaus  mit  Ausnahme  der  vier  bay -
rischen  Volkspartetter  sämtliche  Fraktionen  fein  Verhalten 
billigten.  
Der  königliche  Landral. 
Den  Deuffchvölkischen  ist  erneut  Unheil  widerfahren.  Einer 
ihrer  stolzesten  Bannerttäger,  der  berühmte  »Königliche  Landrat" 
Hertzberg,  ist  mtt  1500Ȁ  Geldstrafe,  im  Ersatzfalle  mtt 
15  Tagen  Haft,  bestraft  worden,  wett  er  in  Artikeln  der  „Deut- 
schon  Zettung"  und  auch  sonst  öffentlich  sich  als  „Königlicher  Land- 
rat"  bezeichnete,  ohne  gleichzeitig  durch  den  selbswerständlichen 
Zusatz  a.  D.  bekanntzugeben,  datz  der  neue  Staat,  gottlob,  nicht 
die  Ehre  und  da®  Vergnüge«  hat.  Herrn  Hertzberg  unter  fernen 
aktiven  Landräten  zu  zäblen.  ES  war  höchste  Zeit,  daß  hier  der 
Staatsanwalt  eingriff.  Denn  da»  bisherige  Verfahren  des  Herrn 
Hertzberg  war  eine  Amtsanmaßung  im  übelsten  Sinne. 
Da®  Gericht  machte  Herrn  Hertzberg  klar,  daß  er  sich  wohl  als 
Landrat  von  König®  Gnaden  a.  D.  bezeichnen  darf,  datz  aber  jede® 
andere  Vorgehen  eine  bewutzte  Tän'ckung  der  Leser  und  die  An- 
mahung  eine»  Amte®  ist,  datz  er  nicht  mehr  bekleidet.  Vielleicht 
siehi  sich  der  StaatSamoall  in  der  gleichen  „Deutschen  Zeitung" 
auch  einmal  den  nicht  minder  berühmten  Oberfinanzrat  Dr.  Bang 
an,  der,  soviel  wir  wissen,  sächsischer  Oberfinanzrat  a.  D.  ist,  sich 
aber  auch  noch  immer  dreist  und  gottesfürchtig  al®  im  Amte  be -
findlicher  KönigSvasall  bezeichnet. 
Seine  Kinder  standen  vor  dem  Hause  und  die  Mutter  kauerte 
sich  zu  chnen  nieder,  und  küßte  sie. 
Ernst,  mit  bleichem  Gesicht  betrachtete  er  die  lieben  Kinder,  bann 
drehte  er  sich  um,  bevor  er  sie  noch  geküßt  hatte,  wonach  sein  Mund 
verlangte.  Er  fühlte,  daß  man  ihn  suchte. 
Zwei  Gendarmen  standen  im  Tor. 
Der  eine  nahm  die  Waffe  von  der  Schulter  und  hielt  sie  ftpig- 
oereit 
Er  zuckte  mit  keiner  Wimper. 
Die  Gendarmen  kamen  in  den  Hof,  den  Blick  auf  ihn  geheftet. 
„Seid  Ihr  heute  im  Varga-Hau»  g  west?"  fragte  der  Schwarze, 
der  Wachtmeister. 
„Im  Varga-HauS?"  sagte  der  Soldat  ruhig. 
„Jawohl,  und  zwar  heut!" 
„Grab'  heut'?" 
.G'rad'  heut'!" 
„Denn  gestern  bin  ich  dort  g’toeft."  , 
DaS  Aug«  be»  Gendarmen  bohrte  sich  in  da»  lerne. 
„Da®  weiß  i,  daß  Ihr  gestern  dort  g’toeft  seid,  um'n  Taglohn. 
„Um'n  Taglohn,  jawohl." 
»Aber  ob'r  heut  dort  war?" 
„Hertt?  .  .  .  Wozu  hätt  i  dort  sein.sollen? 
„Wa®  hast  in  der  Taschen?"  schrie  ihn  der  andere  Gendarm  an. 
Der  Soldat  blickte  essig  hin,  al»  er  ihn  duzte,  aber  unwillkürlich 
sah  er  nach  seiner  Tasche.  Der  Zipfel  eines  weißen  Tuche®  lugte 
hervor  und  war  blutig.  , 
Er  zog  e®  ruhig  hervor  und  dachte  darüber  nach,  wa»  da®  für 
Blut  sein  kann.  t  _  ,,  „ 
,.W:e  erklärt  Ihr  da®?"  sagte  der  Wachttnerster. 
„Wie?"  sagte  der  Soldat.  .. 
„Heraus  damit!"  und  die  beiden  Gendarmen  hoben  die  Masse, 
mit  dem  Bajonett,  um  sie  augenblicklich  gebrauchen  zri  können. 
Der  Soldat  lächelte  sanft,  al»  ob  er  sich  um  sie  nicht  kümmerte. 
„Mein  kleiner  Bub  hat  sich  g'schnitten.  I  hab  ihm  d,e  Hand 
damit  abg'wischt.  I  hab'»  ihm  verbunden." 
Die  Gendarmen  horchten  auf,  stutzend.  _ 
Sie  sahen  nach  dem  Knaben,  der  mit  großen,  Eugen  Augen  ite 
anitarrte,  sich  an  feine  Mutter  schmiegend.  Ta®  Weck  hielt  güternb 
feine  Tränen  zurück,  sah  nicht  hin  zu  ihnen,  preßte  daS  Üemste  Kmd 
an  ihr  Herz  und  sie  hielt  das  andere  an  der  Hand. 
England  hat  das  Mort. 
Tie  RegieruufiserklSrttug  über  die  »kutsche  Rote. 
Reuter  meldet:  Im  Unterhause  Perla®  Schatzkanzler  Salb  fein 
eine  Erklärung  über  die  deutsche  Note.  Er  sagte:  Die  brittsche 
Regierung  war  der  Ansicht,  daß  der  beste  unb  natürlichste  Weg 
gewesen  wäre,  eine  mit  den  Regierungen  Frankreichs,  Italiens  uns 
Belgien®  vereinbare  Antwort  auf  btc  deutsche  Rote  abzu  senden, 
um  so  mehr,  als  di«  Note  eine  Antwort  auf  die  von  Curzon  öffent -
lich  und  amllich  gemachte  Anregung  war,  und  da»  hauptsächluh  in 
Frage  kommende  Problem,  da»  der  Separationen,  ein  Problem  ist, 
an  dem  alle  Alliierten  unb  nicht  nur  Frankreich  und  Belgien  allern 
in  hohem  Grade  interessiert  sind.  Auch  brauchte  sich  nach  Ansicht 
der  britischen  Regierung  keine  unüberwindliche  Schwierigkeit  er- 
geben  bei  der  Aussetzung  einer  Kollektivantwort  unter  dem  ®on 
behalt,  datz  die  französische  und  belgische  Regierung  die  au®  der  Be -
setzung  deutschen  Gebietes  durch  ihre  militärischen  Streitkräfte  sich 
ergebenden  Fragen  gesondert  behandelten,  fall?  sie  e®  wünschten. 
Die  britische  Regierung  hatte  Gruick  zu  der  Annahme,  datz  dieft 
Auffassungen  von  einigen  ihrer  Alliierten  geteilt  würden,  unb  fre 
war  vollkommen  bereit,  dahingehende  Vorschlag-  zu  machen,  nach -
dem  sie  schon  ihre  allgemeinen  Ansichten  den  alliierten  Regierungen 
mit  geteilt,  hatte,  al®  sie  offiziell  davon  in  Kenntnis  gesetzt  tourbe, 
datz  die  französische  und  belgische  Regierung  schon  für  sich  allein 
eine  gemeinsame  Antwort  aufgesetzt  hatten,  deren  Text  der  britischen. 
Regierung  Sonnabend  nachmittag  mit  der  Bemerkung  nritgeteilt 
wurde,  datz  sie  binnen  24  Stunden  dem  deutschen  Botschafter  in 
Pari»  unb  Brüssel  überreicht  werden  würde.  Die  britische 
Regierung  bedauert  b  a  8,  re  a  8  ihr  an  diesem 
Schritt  als  unnötige  Ueber  st  Ürzung  erscheint,  als 
den  Verlust  einer  Gelegenheit,  die  sich  nach  ihrer  Ansicht 
bot,  durch  eine  gemeinsame  Kundgebung  erneut  d  i  e 
Solidarität  der  Entente  der  Alliierten  zu  be -
zeugen.  Die  englische  Regierung  fühlt  sich  jedoch  ihrer  Ver -
pflichtung  nicht  enthöben,  ihre  eigene  Anschauung  barjutun,  und  sie 
wird  die®  so  bald  wie  möglich  tun.  Es  besteht  Grund  anzunehmen, 
datz  die  italienffche  Regierung,  deren  Haltung  mit  der  der  englischen, 
Regierung  übereinstimmt,  eine  ähnliche  Entscheidung  in®  Auge  ge -
faßt  hat.  Sobald  die  englische  Antwortnote  der  deufichen  Regierung 
übermittelt  sein  wird,  wird  sie  veröffentlicki  werden. 
Im  Oberbaufe  gab  Curzon  eine  identische  Erklärung  ab.  Eina 
Aussprache  schloß  sich  an  die  Erklärung  nicht  an. 
Curzons  Kompromisformrl. 
SPD.  Vielleicht  schon  am  Mittwoch,  höchstwahrscheinlich  aber; 
erst  am  Donnerstag  wird  die  englische  Regierung  chre  Antwort  auf 
das  deutsche  Angebot  ülwrreichen.  Man  wird  gut  tun,  von 
dieser  Antwort  nicht  allzu  viel  zu  erhoffen.  Eng -
land  fühlt  sich  auf  das  französische  Bündnis  au®  politischen  Gründen 
angewiesen,  nickt®  wird  deshalb  von  seiner  Sette  geschehen,  wa® 
in  Paris  Mißfallen  erregen  ober  gar  einer  Desavouierung  der  fran -
zösisch-belgischen  Note  gleichkommen  könnte.  Der  Unterschied  zwischen 
der  englischen  Antwort  und  der  Note  Frankreichs  unb  Belgiens  dürfte 
der  sein,  daß  Lord  Curson  sich  bemüht,  statt  unnützer  polenttscher  Ein. 
wände,  die  sachlichen  Momente  mehr  in  den  Vordergrund  zu  rücken 
und  insbesondere  die  Möglichkeiten  zur  Verständigung  in  einer  3rt 
aufzuzeichnen,  die  der  deutschen  Regierung  vielleicht  zur  Grundlage 
zu  einer  neuen  Antwort  an  die  Gesamtentente  dienen  können.  Ueber 
die  Kompromitzformeln,  die  in  der  englischen  Antwort  enthalten  sein 
sollen,  werden  bereits  jetzt  verschiedene  Andeutungen  gemacht.  Don 
all  diesen  Andeutungen  hat  die  über  die  Räumung  be®  Ruhrgebiet® 
die  meiste  Wabischeinlichkert  für  sich.  Es  heißt,  baß  Curzon  ein 
Kompromiß  zustande  bringen  will,  da®  Deuffchland 
veranlaßt,  die  mttitärische  Besetzung  der  Ruhr  bi®  zur  Abttagung 
der  Schuld  hinzunehmen,  während  Frankreich  sich  verpflichten  soll, 
während  dieser  Zeit  keinen  Eingriff  in  die  deutsche  Produktion  zu 
unternehmen  Durch  diese  Kompromiss  formet  glaubt  der  englische 
Außenminister  bar  allem  Frankreichs  Pvesttge  zu  berüch'ichtigen. 
Wir  können  un®  schlecht  denken,  daß  diese®  Kompromiß  in 
Deutschland  Zustimmung  findet.  Da®  Ruhrgebiet  ist  widerrechtlich.' 
besetzt,  und  es  würde  heißen,  diesen  Zustand  als  rechtlich  anerkennen,^ 
wenn  sich  die  Regierung  ober  der  Reichstag  mit  der  Formel 
Curzons  einverstanden  erklären  würde.  Eher  ist  die  englffcho 
Kompromißformel  als  Basis  für  einen  Waffenstillstand  bis  zum 
Abschluß  irgendwelcher  Verhandlungen  geeignet.  Aber  auch  nur 
bann  wäre  sie  denkbar,  wenn  Frankreich  nach  Ablauf  dieser  Waffen -
ruhe  da®  Ruhrgebiet  enbgültig  räumt.  Man  könnte  zum  Beispiel 
die  passive  Resistenz  auf  geben,  wenn  sich  die  iranzöfffche  Regierung 
bereit  erklärt,  ihren  Truppen  jeden  Eingriff  in  die  deutsche  Pro -
duktion  unb  jede  andere  Sabotage  zu  untersagen,  sowie  sich  ferner 
bereit  zeigt,  das  Ruhrgebiet  zu  räumen,  sobald  die  Verhandlungen, 
zum  Abschluß  gekommen  sind.  • 
Vertrauensvotum  für  Poincare. 
Die  ftanzösische  Kammer  hat  am  Dienstag  Pomcare  mit 
498  gegen  76  Stimmen  da®  Vertrauen  ausgesprochen  unb  die 
Interpellation  über  b  i  e  äußere  Politik,  bem  An -
ttag  der  Regierung  entsprechenb,  vertagt.  Die  Vertagung  er« 
folgte,-  nachdem  Poincare  barauf  hingewiesen  hatte,  baß  die  Kam -
mer  noch  breimal  vor  Ende  des  Monat®  Gelegenheit  erhalten 
werde,  Erklärungen  der  Regierung  über  die  äußere  Politik  anzu -
hören,  und  zwar  bei  Erörterung  der  Kredite  für  die  Ruhraktion, 
bei  Erledigung  de®  Budgets  der  au®  dem  Friedensvertrag  zu 
deckenden  Ausgaben. 
Guglisch-russtfche  Verstimmung. 
WTD.  S  o  n  b  o  n  ,  8.  Mai.  »Evening  Standard"  zufolge  wird 
die  brttische  Note  an  Rußland  in  politischen  Kreisen  lebhaft  er- 
örtert.  Ein  Teil  der  Arbetterorganisatwnen,  namentlich  der  Korn- 
muniften,  veranstaltete  Protestkundgebungen.  E®  verlautet  je. 
doch,  da®  Ziel  der  Regierung  sei  keineswegs,  einen  Bruch  der  eng -
lisch-russischen  Beziehungeli  herbeizuführew  Die  Note  fordere 
Wiedergutmachung  für  Verbrechen  an  britischen  Untertone»  und 
Eingriffe  in  britisches  Eigentum.  Sie  unterbreite  eine  längere 
Liste  von  Beweismaterial  für  agressive  Handlungen  dieser  Art. 
Keine  Aktion  werde  unternommen  werden,  bevor  nicht  die  gqamt» 
Frage  dem  Parlament  unterbreitet  worden  fei. 
„Warum  ist  Deine  Hand  verbunden.  Kleiner?"  fragte  freundlich 
der  Dacktmeister. 
Der  sperrte  die  Augen  noch  mehr  auf. 
„Ich  weiß  nit,"  sagte  er  und  blickte  auf  Jemen  Baier,  -zrt 
Dater  hat's  verbunden,  wie  er  hamkommen  iS,  unb  feine  Han» 
wo  ja  blutig."  ,  .  _  , 
Sus  allen  Gesichtern  war  Uebcrrasckung,  der  Lwldat  aber  be -
trachtete  lange  das  Suge,  glänzende  Gesicht  seine®  Seinen  Jungen; 
re  be trachtete  es  lächelnd,  liebevoll.  „  < 
„Na,  mein  Sobn,"  sagte  er,  „jetzt  hast  mt  bem  Gendarm  ent« 
13  Dann  wendete  er  sich  einfach,  vertraulich  zu  den  beiden  Gen -
darmen,  zu  dem  scktoarzen  Wachtmeister. 
„Also,  i  bin'»  -ffweseu,  Herr  Gendarm.  .  .' 
DaS  Tor  und  der  Zaun  waren  vollgestopft  mtt  erschrocken 
aussehenden  Dorsleuten.  Ihre  Bugen  traten  hervor,  quollen  her« 
au?,  so  starrten  sie  den  furchtbaren  Mörder  an.  .  .  Nur  er  Hatto 
keine  Angst. 
Ruhig,  kaltblütig  ließ  er  sich  btc  Hande  fesseln. 
„Also,  wissen'®,  Herr  Gendarm,"  ’agte  er  trotzdem,  sich  tote 
ein  Kind  zu  entschuldigen  versuchend,  als  ob  er  sich  etn  wenig 
besser  machen  wollte.  „Früher  hätt  i  a  kan  Mord  an]eben  ton- 
nm.  .  .,  wenn  mei  Mutter  a  Händel  abg'ftochn  hat.  .  .  oder  m« 
Deck:  sie  kann'®  erzählen!  Wa®  mi  angeht,  hab  mi  bet  so  toa® 
verzogen  ...  aber  nn  Krieg  gewohnt  ma  si  an  ft  vtelerlet,  maA 
ma  ft  nachher  daheim  schwer  abg'wöynen  kann.  .  . 
AIS  eS  hieß,  mit  den  Gendarmen  aufzubrechen,  kam  et  noch 
einmal  recht  zum  Bewußtsein.  Endlich.  Al®  man  ihn  von  feiner 
Familie  reißen  wollte.  _  .  .  . 
Nun  zuckte  es  ihn  durch  alle  Glieder,  day  alle®  zu  Ende  ,et. 
er  stöhnte  tief  auf,  er  wimmerte,  und  sah  mit  verzweiwltem  Aus -
druck  aus  seinen  Buben,  der  mit  verzerrtem  Gesicht  und  gelrumm. 
ten  lieben  Sippen  zu  weinen  begann. 
Bua,"  sagte  er,  „mein  lieber  Bua!  I  hab  Dir  a  Lebzelt  n 
mitbracht  .  .  .  verlang®  von  Deiner  Mutter.  .  ." 
Der  Junge  blickte  auf  zur  Mutter,  und  er  ichrttt  unterdessen 
rasch  Zum  Tore  hinaus. 
Enda,