Sxj5 „(mntbnrger n, e fteDlanbhraße 9tr. ii im Urb» iieschoil (In« 7 Uhr clieiib« :ir ben folgenden Tag) ,n ien Filialen (Di« 3 llhrs und in allen 'Annoneen-Pnreau«. Viag« und DatenuorsMrtiien Mittwoch, de» 26. Zeptemver 1923. ohne Derbinbllchkett. 37. Jalsryong. Einmütig für Avüruch des ihihrhticifcs. SBdjrfjeit ist ein Geschoß, das die dickste Panzerplatte durchschlägt. Wahrheit ist, daß Deutschland die Lasten des passiven Widerstandes nicht länger tragen konnte: mit 8000 Billionen Mark bezifferte der Reichskanzler die Kosten der nächsten Woche. Unter dieser Last mußten wir zusammen - brechen. Diese Wahrheit haben die Ministerpräsidenten der Länder und die Vertreter der Rhein- und Ruhrfront erkannt. Die Mnisterpräsidentcn haben einmütig der Einstellung des passiven Widerstandes zugestimmt. Hatten am Tage vor - her bürgerliche Blätter verschiedenster Richtung Befürchtungen ausgedrückt, daß ein Kollegium, in dem Knilling und Zeign er sich gegcnüberstehen, aus den schwersten Differen - zen zu keinem einheitlichen Beschluß kommen könne, so erwiesen sich diese Befürchtungen als grundlos. Also hat der Macht der Tatsachen auch ein Knilling sich beugen müssen? Die deutsch- nationale Presse hatte hämisch bezweifelt, daß die Ruhr- vertreter der Reichsrcgicrung beigestimmt haben. Wie steht es damit? Herr Stresemann hatte von Ruhr und Rhein genau denselben Personenkreis gerufen, der, seinerzeit unter Cuno dem passiven Widerstand zu- gcstimmt hatte. Und alle diese Vertreter, mit einer einzigen Ausnahme, sanktionieren jetzt den Abbruch. Der einzige kann aber gewiß nicht als echter Vertreter der Stim - mung im besetzten Gebiet gelten; es ist Herr vanKerkhoff, der seit Monaten dem Ruhrgebiet fernstcht und der mehr noch belastet ist als alle deutschnationalcn Steucrfrondeurc; denn er steht höchst persönlich unter der Anklage der S t e u e r h i n t e r- ziehung. Wenn dieser Mann die Dreistigkeit besitzt, für den ferneren Widerstand einzutreten, so handelt er nach den Regeln des Pokcrspicls: man muß die Leute bluffen! Folge - richtig ist er noch wcitcrgegangcn und hat die Er weiterung des passiven zum aktiven Widerstand verlangt. Ist es auch Irrsinn, so hat es doch Rtethode. Die Reichsrcgierung wird nun zur Rückkehr an die Arbeit aufrufen. Die „Hamburger Nachrichten" haben die Frage aufgeworfen, ob die Ruhrbcvölkerung einem solchen Aufruf folgen werde. Das dcutschnationale Blatt sagt, nie - mand könne Arbeitsleistung erzwingen, wenn die Unternehmer und die Arbeiter nicht wollen, so"würde kein Werk laufen. Die Sozialdemokratie jedenfalls könne nicht wollen, daß ein Zwang ausgeübt werde. Das ist eine abstrakte Darlegung, der die materiellen Dinge Sinn und Inhalt geben müssen. Freilich brauchen die Arbeiter sich nicht mit der Peitsche an die Arbeit treiben lassen; aber wer will ihnen Brot geben? Soll etwa die Aeußerung der „Hamburger Nachrich - ten" die Bedeutung haben: das K o h l e n s y n d i k a t bleibt in Hamburg, die Kohlen- und Hüttenindustriellen werden keine Lohngelder anweisen! Mit andern Worten: das Kapi - tal wird streiken! Soll dieses der Sinn der Aufforde - rung sein und sollten die Industriellen in diesem Sinne han - deln, so wird daraus sofort nicht eine Auflehnung gegen die Franzosen, sondern es würde ein Komplott zur Aus - hungerung der Arbeiterschaft entstehen. Das aber dürfte sich die deutsche Volksgemeinschaft nicht gefallen lassen; und es gibt Mittel dagegen. Die Ueberführung der Schwerindu st rie in den Reichsbesitz könnte auf 1)iese Art mit einem Schlage verwirklicht werden. Vielleicht hoffen die Deutschnationalen, das Ruhrrevier als Sturmbock gegen die Republik benutzen zu können? So sie diese Absicht verwirklichen, dürfen sie gewiß sein, dann nicht wieder so leich - ten Kaufes wie 1918 davonzukommen. Aber wir verkennen nicht, daß Produktionssabotage der Unternehmere für den Augenblick die Lage weiter komplizieren würde. Und die Dinge stehen ohnehin außerordentlich ernst. Zweifellos ist mit manchen Widerständen im Ruhrgebiet zu rechnen, nicht nur die I d e e n g e m e i n s ch a f t d e r Rechts- und Linksbolschewisten, sondern auch das Treiben der Sonderbündler stellt eine ernste Ge - fahr dar. Die Sonderbündler in Gemeinschaft mit den Fran - zosen bereiten einen großen Schlag vor. Zum 30. September soll in Düsseldorf eine große Kundgebung der Sonder - bündler stattfinden, zu der die Franzosen 70 Regiezüge stellen, angeblich liegen bereits 200 000 Anmeldungen vor, darunter 40 000 Bergleute aus dem Ruhrgebiet. Der Lump Matthes, der seinerzeit in Bayern nationalistischer Redakteur war, dann beiden Kommunisten landete und schließlich im besetzten Ge - biet Söldling der Franzosen wurde, hat neulich schon in einer Versammlung Erklärungen über die A u f st e l l u n g einer bewaffneten Macht vor'gctragen; diese bewaffnete Macht soll am 30. September auf der Bildfläche erscheinen, sie soll die Reste der deutschen grünen Polizei vertreiben und die Ausrufung der rheinischen Republik sichern. Kölnische Blätter nehmen die Vorgänge sehr ernst, besonders unser kölnisches Parteiorgan wendet sich an die Arbeiterschaft, ; damit ste auf dem Posten sei. Wie schon gesagt, wird die Lage auch durch die Kommunisten gefährdet, mehr noch durch die links von ihnen stehenden Syndikalisten; die Linksradikalen glauben, die Lage zur Ausrufung einer rheinischen Sowjetrepublik nutzbar machen zu können. Narren und RrichSverräter sind die einen wie die andern; aber vielleicht tenarnt es dort wie in Bayern, wo zunächst beide Gruppen des nationalen Umsturzheeres, die weiß-blauen und^die schwarz-wciß-rotcn, sich gegenseitig in Schach halten. Passiert das äußerste, so werden die Franzosen dennoch nicht ihr Ziel erreicht haben, denn dann ergibt sich eine neue Lage, die mit einem Schlag den Wider st and neu auf - flammen läßt. Schließlich muß Frankreich daran gelegen sein, daß die Produktion in Gang kommt. Denn Frankreich hat durch den passiven Widerstand aufs schwerste gelitten, statt einer Steigerung der Reparationsleistungen sind diese viel- nichr auf ein Minimum zusammengeschrumpft, währcnis des Ruhrkricges haben die Franzosen nur einen winzigen Bruch - teil der Kohle erhalten, die ihnen vorher zuging. Also hat Frankreich ein dringende- Interesse daran, den U e b e r g a n g zur geregelten Arbeit sich möglichst reibungslos vollziehen zu lassen. Der passive Widerstand hat sein Ziel nicht erreicht, völlig ergebnislos ist er dennoch nicht gewesen. Die Londoner „Pall Mall Gazette" beurteilt die Lage richtig, wenn sie mit dem Ausdruck der Achtung für die Ausdauer der Deutschen während des Ruhrkampfes die Mahnung an Poincarü verknüpft, er solle nicht glauben, durch Sklaven - oder Halbsklavenarbeit ein substanzielles Ergebnis aus der Ruhrindustrie ziehen zu können, nachdem die den passiven Widerstand anordnendcn Verfügungen verschwunden sind. Jedenfalls ist noch nicht aller Tage Abend. Wohl feiert Frankreichs Gewaltpolitik einen Triumph, so sehr, daß die itallcnische Zeitung „Epoka" die Befürchtung ausdrückt, Europa sei eine einzige Aktiengesell - schaft mit Frankreich als Aufsichtsrat ge - worden. Aber auch das Weltgericht kennt ein Revisionsver - fahren; wie dem- kaiserlichen Deutschland, das am 18. Januar 1871 in Versailles geboren wurde und 1918 in Schutt zerfiel, so wird auch dem militaristischen Frankreich ein Menetekel wer - den. Poincarä sitzt jetzt fester im Sattel als je, der Glaube an die Gewaltpolitik wird zunächst stärker als je die Politik Frankreichs beherrschen. Aber schließlich erhält auf die Dauer die Politik ihre Antriebe aus den wirtschaftlichen Tatsachen; wenn eine neue Wirtschaftsstruktur soziale Verschiebungen be - wirkt, muß die Politik sich ändern. Das Frankreich der Rentner und Kleinbauern von heute, wird morgen den Wirtschafts- Verhältnissen Deutschlands starck angenähert fein; dafür wird die kommende Verbindung der Schwerindustrie beider Länder sorgen. Die Folgen sind leicht auszudenken. Frankreich wird ein zahlreiches industrielles Proletariat erhalten, das sich der gewaltpolitischen Denkart entzieht und für den sozialen Kampf tüchtig wird. Die Glocken, mit denen die Militaristen Frank - reichs Triumph läuten, werden auch ihre Totenglocken; einst und in nicht ferner Zeit, rufen sie Frankreichs Proletariat zur Sammlung und zum Kamps! Stark wird auch England von den Umwälzungen beeinflußt werden. Zum erstenmal hat die regierende Klasse Englands weltpolitisch das große Spiel verspielt, ihre Unentschiedenheit hat England als eine Hauptmacht auf dem Kontinent ausgeschaltet; den Rückschlag wird Englands Wirtschaft empfindlich verspüren. Die Zeit ist nicht fern, in der die englische Arbeiterpartei die greisenhaft gewordene liberal konservative Negierungsschicht beiseite drängt und sich ins Regiment setzt. Der Weg zum Aufstieg des Proletariats und zur Auf - richtung einer politischen und wirtschaftlichen Völkergemein - schaft ist nicht eben, er führt durch Schluchten, die zeitweise den Ausblick verdecken. Aber trotz aller Schwierigkeiten und sogar trotz der Rückschläge: Aufwärts geht cS doch! Auch das Drama des Ruhrkrieges wird schließlich in der Kulturgeschichte als ein Vorgang beschrieben werden, der notwendig war, damit die Völker lernen, ihre eigenen Angelegen - heiten selb st zu regeln. * Völlige UederemMmnmng fcer Minister - präsidenten. WTB. Berlin, 25. September. Heute Vormittag fand eine gemeinsame Besprechung der Ministerpräsidenten der deutschen Län - der mit dcni Reichskabinett über die Frage der Stillegung des passiven Widerstandes statt. Rech den Darlegungen des Reichskanz - lers brachten die Vertreter der Länder ihre Auffaffung zum Aus - druck. Es ergab sich eine vollkommene llebereinstim- m u n g, daß der passive Widerstand aus inncnpolittschen, vor allem finanziellen Gründen, abgebrochen werden müsse. Ebenso war man übereinstimmend der Ansicht, daß cS Absicht und Aufgabe der Rkichsregierung sei, den Abbruch de» passiven Widerstände» in einer der Würde und Ehre de» deutschen Volke» entsprechenden Weise vor- zunehmen. Gegenüber etwaigen Versuchen, die Einheit de» Reiche» anzu- tasten, erklärten alle verantwortlichen Leiter der deutschen Länder den festen Willen, die Einheit deS Reiche» als unantastbare» Gut der Ration zu bewahren und zu verteidigen. * Dir Eindruck im Ruhrgebiet. SPD. Berlin, 26. September. (Drahtbericht.) Die Bekanntgabe de» Beschlusses der Regierung, betreffend den Abbau des passiven Widerstandes, hat im Ruhrgebiet im allgemeinen einen guten Eindruck gemacht. Fast aus allen Kreisen hört man zustimmende Erllärungen, und auch die Presse lobt int all- gemeinen das Verantwortungsbewußtsein und den Mut der Regie- rung. Es ist natürlich nicht zu verkennen, daß verschiedentlich vcr- sucht wird, gegen die Pläne der Regierung Stimmung zu machen. Hier handelt es sich dann in erster Linie um Leute, die glauben, aus einer derartigen Haltung parteimäßig Rutzen ziehen zu können und die an der Fortführung des passiven Widerstandes ein persön- licheS finanzielles Interesse haben. Auch die Kommunisten pro - pagieren eine Fortführung der Abwehr. Kaum war bekannt, mit welchen Absichten die Regierung sich trägt, als auch schon über daS ganze- Gebiet kommunistische Flugblätter verbreitet wurden, die für die Fortsetzung eintreten. Praktisch hat sich die Bekanntgabe deS Abbaues deS passiven Widerstandes in einem scharfen Devisenrückgang an der Kölner Börse gezeigt. Auch in Essen kam zahlreiches Material gehamsterter Devisen auf den Markt. * Ordre für die Reichsbeamten. Die hochverräterischen Absichten deS „Bayrischen V e r - kehrs-Beamten-VereinS", der übrigens dem „Deut - schen Beamtenbund" angeschlossen ist, in dessen Satzungen es heißt, daß er auf dem Boden der „geltenden republikanffchen Verfassung" steht, dürsten vorläufig vereitelt sein. Der Reichs- minister deS Innern hat inzwischen in einem Rundtele - gramm alle Reichsbehörden Migewiesen, im Falle innerer Unruhen ausschließlich den Anordnungen der Reichsregierung Folge zu leisten. Außerdem hat der Rcichsjustizminister, wie der „Sozialdemo - kratische Parlamentsdienst" erfährt, den Oberreichsanwalt beauftragt, sich mit den „streng vertraulichen" Informationen deS „Bayrischen VerkehrS-Beamten-Vereins" schnellstens zu be - fassen und im Eventualfall daS Verfahren wegen Hoch - verrats geffen den Verbandsvorstand einzuleiten. Jetzt bleibt noch die Frage, was der auf dem Boden der „geltenden republikanischen Verfassung" stehende „Deutsche Be- amtenbund" zu dem Hochverrat.einer ihm angeschlossenen Organi - sation zu sagen hat. * ReichstagSfitzung am Donnerstag. WB. Berlin, 25. September. Die Plenarsitzung de» Reichstages, die für morgen angesagt war, wurde auf Toiiuers- tag nachmittag 3 Uhr verschoben. Ter Aeltestenrat wird sich am Mittwoch um 1 Uhr mit dem Geschäftsplan befassen. Der aus - wärtige Ausschuß ist für Mittwoch nachmittag 4 Uhr einberufen. Einladung xum Generalstreik. Die KPD. hat einen Brief, der gleichzeitig in der „Roien Fahne" veröffentlicht wurde, an die Zentralvorstände der Gewerk - schaften und den sozialdemokratischen Parteivor - stand gerichtet. In diesem Schreiben wird zu einer gemeinsamen Aktion gegen die Kampfgenossen der KPD. von gestern, nämlich die Rechtsbolschewisten, aufgefordert und als Kampfmittel der poli - tische Generalstreik vorgeschlagen. Der SPD. sagt dazu: Es ist ganz selbstverständlich, daß der sozialdemokratische Parteivor - stand auf den Brief der Kommunisten keine Antwort gibt. Die kom - munistische Partei mag beruhigt weiterhin um die Freundschaft der Deutschvölkischen nachsuchen, mit denen sie in geistiger Hinsicht manches gemein hat. Die Sozialdemokratische Partei hat wirklich andere Sorgen, als den Bock zum Gärtner zu machen; denn der Vorschlag, einen politischen Generalstreik über ganz Deutschland durchzufühcen, läuft auf nichts anderes hinaus, als die Arbeiter- massen tn die Maschinengewehre der Kreise zu treiben, mit denen Radek gestern noch Arm in Arm lag. DeuffchnattonaleS Dennnziantenunweseu. Gegen den links- demokraiiichen früheren Landrat von Trebnitz, Regierungsrat Dr. Menzel, war von rechtsstehender Seile eine Anzahl von Be - schuldigungen erhoben worden, die zum größten Teil im Disziplinar - verfahren geklärt morden sind und sich als völlig halllos erwiesen hatten. Als letzte Beschuldigung war die Milbeleiligung an einer Waffenschiedung übrig geblieben, die während seiner illmlezeit in seinem Kreise vorgekommen war. Auch diese letzte Ülntlage ist in der Prozeßoerhandlung gegen den Waffcnschiebcr Boals vor der Slraskommer Breslau jetzt zusammengebrochen, Alenzel ist ntn völlig zu rehabilitieren. Tie Prozeßverhandlung ergab interessante Einblicke in die Organisation des Tenunziantenwesens der Teutsch- nationalen und Landbundkreise gegen republikanische Beamte, an deren Spitze im Kreise Trebnitz ent deuischnationaler Graf Rödern steht, der als Unterlage seiner verschiedenen Denunziationen selbst unter Eid nur Gerüchte angeben konnte. Die Agrarier gege« das WührangsproieKt. Die Ritter von Ar und Halm ziehen nun offen gegen das Wäh- rungsprojekt der Regierung zu Felde. Der Reichslanübund läßt in her deutschnatioiialen Presse erklären, daß der Reichsfinanzminister mit seinem Prcgekt nichts anderer als eine gigantischeSteuer- einzugsmaschine schaffen will. Deshalb sei die Zustimmung der Landwirtschaft ausgeschlossen. Wenn man sich schon eine Reu- belastung von Grund und Boden gefallen lasse, dann nur unter der Bedingung, daß mit der Einführung de» neuen Gelde» auch be - stimmte Reformen in unserm StaatS- und Wirtschaftsleben durch- geführt werdem Die geharnischte Erklärung schließt mit dem Satz: „Ehrliches Geld nicht ohne ehrliche Arbeit." Die Landwirtschaft meldet damit ihre Forderungen cm. Sie ist keineswegs bescheiden. Schon die Vertreter der Agrarier, die an den Beratungen teilnahmen, haben mehrfach durchblicken lassen, daß die Zustimmung der Landwirtschaft zu dem WSHrungsprojekt des» Kal'lnettS nur gegen Streichung der Betriebssteuer und der Land- abgabe zu haben ist. Nun geht man ganz au» der Reserve cheraus und verlangt Reformen des StaateS und der Wirtschaft. Darunter versteht man „ehrliche Arbeit". Niemand wird bariibet hn Zweifel fein, wohin diese Forderung zielt. Ehrllche Arbeit heißt Durch, brechuug deS Achtstundentages, völlige Willkür in der Ausbeutung de» Arbeiters und Verzicht auf die RevolutionSerrungcnschaften. Diese Forderungen dcS Reichslandbunde» sind brutal, aber offen. Man kann wohl sagen, daß die Noüage des StaateS und der breiten Massen noch nie schamloser von einem Teil der Bevölkerung, der eben auS der Not des Vaterlandes seine gegenwärtige ökonomische Stärke gezogen hat, auSgenutzt wurde, mn besondere Interessen durch. j zusetzen. Wie sieht in Wirklichkeit das Opfer au», da» die Land, wirtschaft nach dem Regierungsentwurf bringen soll, und welcher Art sind die Vorteste, die der RegierungSentwnrf gerade der Land» wirffchast zuschanzt? Ohne Zweifel werden gerade die Landwirte an dem wertbeständigen Geld profitieren. Der Regierun gSeutwurß gibt ihnen die Hälfte des NotenprivilegiumS. Was gibt die Land - wirtschaft dafür? Nach dem Regierungsentwurf soll nicht eine fünf, prvzentige Belastung nach dem Wehrbeitrag, wie ursprünglich gt- plant, erfolgen, sondern nur eine dreiprozentige. Dabei ist diese Be - lastung nur eine Garantieleistung, denn der Landwirt hat für die ihm auferlegte Hypothek Zinsen abzuführen, die wahrscheinlich nicht einmal 6 % betragen werden. Er zinst aber nicht umsonst ab. Aii» dem bilanzmäßige» Reingewiim bekommt et nämlich 3 % auf feina Anlagen zurückvergütet und der Rest deS Reingewinnes bietet den Antcileignern, unter denen die Hälfte der Landwirte vertreten, immer noch die Möglichkeit, den Einlegern weitere Vergütungen zukommen zu lassen. In Wirllichkest wird also der landwirtschaftsiche Besitz nvr mit einem Zinssatz belastet, der weit unter 3 % bei Wehrbeitragcs liegt. Während die breiten Massen der Bevölkerung bis «eit in die Händlerkreise hinein die JnflationSstcuet bezahlen und beträchtliche Teile ihrer Substanzen eingebüßt haben, hat die Landwirtschaft aus der Not bei Volke» Nutzen gezogen und ihren Besitz schuldenfrei ge - macht. ES steht fest, daß gerade sie aus den vorhandenen Barmitteln die Belastung in kürzester Zeit abtragen kann. So sieht in Wftk- lichkeit die .Neubelastung von Grund und Boden" au». -Der bekanntgewordene WLhruuasentwurf ist tediglich als Rr- feren enenttourf aufzufassen. Er hat die Zustimmung weder deS ReichsfinanzmiuisterS noch bc» Kabinett» gesunden. Nnerträgl ch ist an ihm vor allen Dingen die starke Anlehnung an den Heisse- richschen Plan. Wie wir von maßgebender Stelle erfahren, wird der ReichSfinaiizminister in Kürze die Gewerkschaftsvertreter emp. fangen, die über ihre Meinung bi» jetzt noch nicht gefragt worden sind. Sie werden den nötigen Kommentar zu den Forderungen des RcichSlandbnndeS geben. Das geheime hammanilkische Mastenlagce Wie die Berliner Blätter zu der Aufdeckung von zwei kam- nmmftischcn Waffenlagern in Berlin erfahren, wird vorerst do« ganze Vorgefundene Material von der politischen Polizei uns dem ReichSkommissar für die öffentliche Ordiruug gesichttt und geprüft werden, bevor von deutscher Regierungsstelle auS irgend welkte Schritte bei der russischen Botschaft unternommen werden. Sol^ e es sich tatsächlich heorusstelleu, daß Mitglieder der russischen Bott schäft an der Errichtung der geheimen fcaffcnlcgcr aktiv beteiligt waren, so wird von deutscher Seite au8 gegen diesen Bruch deS Rapallovertrages aufs uachdrücklickfte protestiert nn't'cn. Die russische Botschaft bestreitet in einer Mitteilunn jede Beib.ndung mit dem Waffenftuide und erklärt, daß sie mit der deutschen Re - gierung Fühlung nehme, um di« Angelog«chelt restlos aufcn Hären. * Zum Verbot der „Roten Fahne". DaS Verbot ihres Berliner ZentralorganS mit allen seinen Kopfbiättern sucht die dad >!> zu parieren, daß sie jetzt ein neue3 Organ, „Der ro e Kämpfer", herauSgibt. ES wird angeblich in Chemnitz gedruckt, wo bisher schm ein kommunistisches Matt unter dem Namen „Der Kämpfer" erschien. Vertrauensvoten für Poincore. Die Generalräte folgender De - partements billigten die Politik Poincares gegenüber Deutschland: Pas de Calais, Jsere, Oise/ Niederrhein und Lomine. Die Geschworenengerichte sind in ganz Spanien aufgehobrn worden. Der Schwärmer von SnZancsurt Von Otto Thielemann. [21] Des Alton Pulse hörten auf zu schienen. Das alles kam für Hn so üibervaschend; das brach herein, so plötzlich wie ein Ungewitter bar dem Regen, daß es ihm jedes Denken nahm. Er starrte wütend vor sich hin. Ta schlug die Tür ins Schloß. Die Schwiegertochter war hmaaiSgegangeii. Er holte pfeifend Atem. Die Flamme, die sein^Fnueres 6rannte, die er besorgt mit Zweifel, Trauer, Argwohn, Haß, rmt eigener Unzufriedenheit und Selbstqual nährte, konnte verlöschen, ohne daß der Riesenbrand von ihr entzünde: wurde, den er vor seinem Tode lodern sehen wollte. Die Tat, um die er überhaupt noch lebte, die, ein Fama., den Weg erhellen und ihm sein Sterben ftöhlich matfen sollte, konnte zunichte werden. Die Glut der heißen Träume drohte sich still in kalte Asche zu verwandeln. Das durfte niemals sein! Er mußte seinem Vatevlande helfen! Er hatte Christophe eine Tat geschworen und auf den Knien den Schwur erneuert. Er würde auch noch etwas tun, wovon sie nachher alle sprechen würden. Sein Christophe sollte sicher nicht schmi jahrelang ganz ungestraft im Grabe liegen. Er war nun einmal nicht der Mann, dersich durch oingebilüete Gefahren erschrecken ließ . . . Und doch, es schien ihm so, wenn er rechn überlegte, als wandle er mit einer schweren Last auf seinen Schultern an einem tiefen Abgrund hin. ES brauchte nur ein Stein, ein Wort zu fallen, und jäh stürzt er hmaib mit seiner ganzen Hoffnung. Vor Angst stockte daS Herz. Er ichlug sich mit den Fäusten an den Kopf und bleckte mit den Zähnen. . , Er Narr! Er hatte feinen Plan und daS Gehe:mm» lener Nacht betraten! Er glaubte leise mit sich selbst zu reden in stillem Zwre- gespräch mit feinem Sohn zu sein, und hatte alles leichthin preis- gegeben. Verdammt! Daß diese Weiber borchten! Sie wußten fetzt, daß er geschossen Batte und nicht Cbristophe. Und was die Weiber wissen! ... Es war schon möglich, daß das Weib den Preußen alles sagen mürbe! ... Er mußte jetzt ganz mhig sein und durste nichts mehr vor den andern unternehmen. Er stand allein. Nicht einer war im Torf, der ihn verstand. Er hatte schon vier Jahve lang allein den Gwll mit sich herum - getragen; jetzt mußte er noch mehr die andern fliehen. Ein süßes Schmerzgefühl durchströmte ihn: Die Ehre blieb nickt auS, und . . . Große waren immer einsam. Er sonnte sich in Eitelkeit und schlug mit seinem Ruhm, der noch geooven werden sollte, ein buntes Rad, wie jener stolze Vogel mit feinem Feserschweif. Er jagte schnell und launenhaft durch alle Stimmungen. Tie Angst verflog, der Dünkel kam, er plätscherte vergnügt in Hellen Träumen und in Freude vorwärts, bis seine Sehnsucht überwog und Angst und Haß aus ihr geboren wurde. Wenn nur die Freunde kommen wollten! Die Zeit schlich allzu langsam weiter. Je schneller seine Brüder kommen, je weniger Gefahr für ibn, daß seine Schwiegertochter . . . Wie er sie fassen wird, wenn Frankreichs Boden rein ist! Dann war er wieider Herr im Haus. Dann mochte sie erzählen, so viel sie wollte. Hahaha! Er lachte hämisch. Tann mochte sic erzählen, das konnte ihm nur reckt fein. Dann hatte er noch eine Zougin. Tann mußte sie erzählen. Da horcht er auf. Geräusch von Tritten und von Stimmen dringt zu inm in die Stäbe. Er schleicht sich hinter die Gardine und blickt hinaus. Der Kerl, den er bei seiner Enkelin faßte, und auch die andern, die fein Haus bewohnen, kamen an$ der Kirche. Er sah es an den Eifenhelmsn. Der eine schien Uvonne zu suchen. Er sah sich um ... „Wir rechnen auch noch ab!" stößt er hervor. Er ballt die Faust uns drvbt versteckt und fährt erschreckt zusammen, als Suzanne mit weißen Tellern in den Händen in das Zimmer tritt. * Vogelfang stieg mit seinen Kameraden die steile Treppe hinauf. Sie hängten ihre Helme fort, schnallten die blanken Kovpel aS und ließen sich auf ihre Betten fallen. ES waren keine Bünte in der Kirche, man hatte stechen müssen und war deshalb rschlscha^ffeu müde. „Claßen, was meinst Du zu 'nem Skat?" fragte nach einer Weile Deethge. „Nee, mauscheln ist mir lieber." „Jut, mauscheln wir," tief Schmidt erlöst. Sie waren froh, etwas zu haben, womit man Zeit und Langeweile, vor allem auch die Katerstimmung, das „Svuntazssehnen", das an ihenn nagte, prächtig vertreiben konnte. Sie rückten einen alten Tisch zurecht und stürzten sich begierig auf die Karten. Vgelsang zvg einen Stuhl an« Fenster und träumte sich hinau». Die Sonne eilte draußen flüchtig den grauen Wolkenschatteu nach. und alle Dächer waren bald voll Licht und bald verhängt von dunklen Schleiern. Et segelte auf diesen Wolken, die eilig übet ihm das tiefe Blau durchzogen, durch ferne sturmgepeitschte Meere. Sie trugen ihn durch wüste Kriegs- und milde Friedensjahre, durch Blütezeit und Dunkecheit bis in ein erstes Dämmern. Et rauschte übet grüne Wälder, in denen wildes „Halali" erscholl, er streifte über Aehrenselder, in bauen blaue Blumen blühten, Sensen blitzten und flinke Wachteln sich versteckten. Er zog mit rüstungsschweren Heeren durch unbekannte Länder und landete nach langer Fahrt an hohen Palmeuküsten. Er schritt durch heißen Wüstensand, in dem ihn Durst und Fieber quälte, und grüßte freudig Tempelstädte. Er sah das alte Rom, das ganze Altermm und Zion. Er stand erstaunt auf einer kahlen Höhe, als sich die Erde teilte, die Mittags - sonne dunkel wurde, aus allen Himmeln Götter stürzten, und eine Stimme bittend rief: Vater, vergib! Er stand fetäubt vor solcher Größe. Wo war die Gottheit noch, von bereit Lippen solche Güte floß? Vor solchem Menschen soll die Welt sich beugen; denn er bezwang bcn Haß und ließ allein die Liebe leuchten. . . . Der Ruf „Vergib!" sollte :n allen Seelen brennen und alle», alles sollte lieben, was Menschenantlitz trägt. . . . Was war au5 diesem Gott gemacht? Er schämte sich, wenn er an diese Priester dachte, die Christus schweigen hießen und chre Weisung vom Großen Hauptquartier empfingen. Cs gab auch andere Pfarrer, die nicht um Ehre, Ruhm und Sold die Lüge sanktionieren wollten, allein sie waren schwach und verzagt, sie durs - ten nicht die Wahrheit sagen, so wie sie wollten. Sic waren von der gleichen Art wie Vogelsang. Das Amt, an da» sie sich gebunden, verlangte Lüge oder Schweigen. Sie schwiegen und ließen andere lügen. Wie nüchtern war es in der Kirche! Ter Pfarrer ohne Anteil - nahme. Die Leute kommandiert zum Kirchgang, so wie sie sonst zum Wasserbolen oder Baltentragen befohlen wurden. Sie achteten auch nicht auf jene hingesprochenen Worte. Sie blickten lieber nach der Fliege, die auf Dem Rücken ihres Vordermannes saß. Selbst Vogelsang war abgefifereift. Er hatte sich genau die Ordensbänder angesehen, die dieser Priester trug. Ob Christus auch, wenn er sich unter uns bewegte, zwei Orde,, tragen würde? Für Tapferkeit im Kriege? Und ob ei~ uns wohl sagen würde, das „Siebet Eure Feinde" fei nur ein scherz gewesen? Er, der die Friebevollen selig pries, und der sein sicrnenhohes Wort der Liebe am Kreuz zur Wahrheit werden ließ? Ober ob er bcn Satz von .einem Hirt und einer Herbe" verleugnen würbe, ober erklären: „Es war nicht überlegt?" Ter Priester sprach von Pflichten gegen Vaterland itnb Volk; die Pflicht "dem eigener, Gewissen gegenüber, die er in Fri deiis- geilen stets im Munde führte, vergaß er auf.Befehl. Limit sprach bet Priester tönend: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt", und jetzt ermahnt derselbe Mann zum Ausharreu in der Sünde, damit ein Fleckchen Erde von gewissen Leuten auSgcbeutet werde; Iros- dem er wußte, daß nach dem Meistermort schon der ein Mörder war, der nur den Bruder haßte. . . . Die Sonne legte sich jetzt wärmen auf die Dächer, und leise lief der Wind durch alle Linden. Am Tisch warf man sich schnelle Worte zu. Man mar im Spiel vertieft. Die Nickclstückc wurden hin- und hergeschoben, und ärgerliche Flüche kamen mit Freudenlmitcn stets zu gleicher Zeit aus zwei verschiedenen Kehlen. WaS mochten wohl die Priester bei den Feinden sagen? Ob sie der Meinung waren, daß Christus nur für sie an» Kreuz sich schlagen ließ, und daß die Worte dieses Menschheit.- lehrcrö vom Lieben und Vergeben, von Reue und Entsagen nur für die Gegner sind? Cb sich auch drüben niemand findet, der in unö Armen Brüder sieht? Er glaubte nicht daran. Er wußte, daß daS Christentum nie so vergewaltigt wurde wie während eines Krieges. Einst war ein Scheiterhaufen, auf dem ein Ketzer stand, ein gottgefällig’ Werk; einst wurden unzählbare Frauen als Hexen fürchterlich gemartert. Wir schaudern ob der Finsternis und denken nickt daran, daß auch auf unS die Kinder ein uia.J schaudernd blicken werben. Einst werden die Geschlechter fragen: Wie war eS möglich, baß es Völker gab, bic mit Gerden auf den Lippen, mit Gottesbicneru in dem Heer zum Schlackten ziehen konnten? Wie war es möglich, baß nach einem Sieg, wenn tausend warme Menschciikörper durch sinnreich hergestellte chlord- maschinen zerfetzt am Boden lagen, dem Gott der Siebe Dank und Lob dafür gelungen werden konnte, bah von den '3r::b.n ■, deren Zunge anders schlug, zweitausend umgekominen toaren Wir war cS möglich, daß die Priester diese; Gotte, die irr.- geführte Menge zur Pflicht ermahnte und mit schmcrzvei chckten Augen und hohlem Wortgepränge befahlen, gewisfeiihaft zu morden? (Fortsetzung folgt.)