®nj „Hamburger ffidjB" er - scheint täglich einmal, außer den 2. Jteiertanen. - «e»ug«< vrrtS iNr SlbNoler MOffloIb« mark, in Paviermnrk dis ein- schließlich Mantag »««Milli, arbcn Mark, zahlbar am 17. November. Auch durch b.woft zu bezieven. Preise frdbielbenb. Redaktion ssek>landstras,e 11. erster Stoff, »eranlwortlicher Redakteur: Pani Bugdulm. Mlfona. irlvedttton: ssehlandstratze 11, Erdgeschoß Buchhandlung: Erdgeschoß. siiuchdruckerel-Sontor: ksehlandstratzeil, erster StoL KamburgerEcho «»«tgenvresse verstehen sich tn «oibmart: bte lzgeivali JOeytttetle 40 unter Au-, schluß der.Sesch Rundschau-, Prw. ZsamitleiuAnL. 11# ,. Stelleunngebote l»Vsenu. ,. Stellengesuche 10'ßfp kleine ^fZ 6 *”. 6 * 5 8 L'il. bte 8eue 10$fg., lOMsßtIL ISUfg. Reklame,eile 1,40 Ml. Anzeigen mässen im voraus oder sofort bezahlt werden. Anzeige»,Annadmc Fehlandstraße Nr 11 im Erd. uetchoß «bis 7 Uhr abends fnr den folgenden Tag) in den Filialen (bis 3 uhrs und tn allen Snnoncen-Bureau- das« und Datenvorichristen ohne LerblndUchkett. Ur. 331. Dienstag, den 20. November 1923. 37. Jahrgang. Rkarheit gegen Stresemann. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion trat am Montag - nachmittag zur Erörterung der allgemeinen politischen Lage zusammen. Im Berlauf der Debatte wurde allgemein über die tn den letzten Wochen verfolgte Politik der Regierung scharfe Kritik zum Ausdruck gebracht. Die Fraktion faßte noch keinen endgültigen Beschluß. Es ist anzunehmcn, daß sie bei der Ab - stimmung über die aus Anlaß der politischen Aussprache ein - gebrachten Anträge der Reichsregierung durch einen eigenen Antrag ihr Mißfallen über die Politik der letzten Wochen auS- sprcechn wird. Eine endgültige Stellungnahme wird in der am Dienstag nach Beendigung der RcichStagSsitzung angesetzten KraktionSsitzung erfolgen. Der Sozialdemokratische Parlamentsdienst schreibt dazu: Am Sonntag hat der Zentralvorstand der Deutschen Volks - partei seinem Führer und gegenwärtigen Reichskanzler Dr. Stresemann mit großer Mehrheit ein Vertrauensvotum ausgestellt, das gleichzeitig als Mißtrauensvotum gegen die oppositionellen und auf eine bedingungslose Zusammenarbeit mit der Deutschnationalen Volkspartei eingeschworene Minder - heitsgruppe in der volksparteilichen Fraktion zu werten ist. Eine Klärung hat sich aber bisher aus diesem Beschluß nicht ergeben; denn die politischen Hohlköpfe Maretzkv, Ouaatz und Heinze scheinen auch weiterhin zu beabsichtigen, als deutsch - nationale Agenten in der Volkspartei und ihrer Reichstags - fraktion zu verbleiben. Selbst wenn das nicht der Fall wäre und die deutschnationalen Volksparteiler aus dem Ergebnis der Zentralvorstandssitzung die für einen charakterfesten Politiker selbstverständlichen Folgerungen gezogen hätten, würde das an der bisherigen Haltung der Sozialdemokratie gegenüber der Reichsregierung nichts ändern. Denn auch die Rede des Reichskanzlers vor seinen Parteifreunden ist für uns alles andere als befriedigend. Kein Wort hat er dem Ausnahme - zustand gewidmet, obwohl ihm genau bekannt sein dürfte, daß die in Thüringen eingesetzte Reichswehr gerade gegenwärtig auf dem besten Wege ist, ähnliche Zustände zu schaffen wie in Sachsen, nachdem dort der sozialdemokratischen Regierung ebenfalls die Vollzugsgewalt aus den Händen genommen wurde. Auch gegenüber Bayern ist von einer Aenderung in der bis- herigen Haltung des Reiches nichts zu verspüren. Statt dessen glaubte der Rcicbskanzler, seine Vergangenheit rechtfertigen und einen Vergleich zwischen seinem Vorgehen gegen Sachsen und Thüringen und dem gegen Bayern ablehnen zu müssen. Er hat sich bei dieser Gelegenheit offensichtlich der Unwahrheit bedient, als von ibm die Behauptung ausgestellt wurde, daß in Bayern das Eigentum niemals bedroht worden sei und deshalb kein Anlaß zur ReichScxekutivc vorlag. Vielleicht gibt der bayrische Innenminister Dr. Schweyer dem Reichs - kanzler eine nähere Erklärung darüber, warum mit seiner Zu - stimmung Mitglieder der Sozialdemokratischen Arbeiterwehr in Bayern bewaffnet und bei unruhigen Tagen in das Gebäude der „Münchener Post ' gelegt wurden. Er dürfte kaum bestreiten können, daß diese Maßnahme nicht zum Ver - gnügen, sondern zum Schuhe der „Münchener Post" vor Uebergriffen der nationalsozialistischen Banden, also zur Siche - rung des Eigentums, gestattet wurde. Es, ist übrigens schade, daß der Verlag der „Mmchener Post" den Zustand seiner Ver- lagSröume nach dem Besuch der Nationalsozialisten nicht bildlich festgebalten hat. Vielleicht ist das noch nachzuholen als Illustration dafür, wie in Bayern das Eigentum der „Marristcn" geschützt wird. Nicht allein durch diese Illustration könnte Herr Strese- mann überführt werden. Es gibt endlose andere Fälle, die gegen den Reichskanzler sprechen. Hunderte von sozialdemo - kratischen Familienvätern dürften gern bereit sein, Auskunft darüber zu geben, in welchem Maße die verfassungsmäßige bayrische Regierung ihren Familienangehörigen und ihren Wohnungseinrichtungen bisher hat Schuh angedeihen lassen. Aber es scheint, daß die Ueberfälle auf sozialdemokratische Parteiangchörige den Reichskanzler ebenso wenig interessieren wie das gesetzwidrige Gesamtverbot der sozialdemokratischen bayrischen Presse. Selbst in der nächsten Umgebung des Herrn v. Kahr wird dieses Verbot als unbegründet und gesetzwidrig betrachtet. Der bayrische Pressevcband hat sich aus diesem Grunde bereits veranlaßt gesehen, bei dem bayrischen General- staatskommissar vorzusprechen und eine Aufhebung des Ver - bots zu verlangen, nur Herr Stresemann, „der angeblich so viel auf die Sicherung der „Staatsautorität" — wie ich sie auf- sasse — gibt, verzichtet darauuf, gegen eine verfassungswidrige Handlung einer Person, bereit Existenz ebenfalls ungesetzlich ist, zu protestieren. In Bayern duldet er also, entgegen seinen sonstigen Redensarten über die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, daß durch verfassungswidrige Handlungen Un- ruhe in breite Kreise der Bevölkerung getragen wird und mehrere hundert Angestellte gezwungen werden, infolge des Verbots der Zeitungen die Erwerbslosenfürsorge in An - spruch zu nehmen. Stellt man den geduldeten Zwang zur ArbeitS- Io ft gleit in Bayern in Vergleich zu dem Verhalten gegen - über den Erwerbslosen und Sozialrentnern im Ruhrgebiet, dann ergibt sich erst die Jämmerlichkeit der gegenwärtigen Re - gierungspolitik. Für die Aermsten der Armen im Ruhrgebiet ist kein Geld mehr vorhanden, sie sollen den Separatisten und Franzosen in die Arme getrieben werden, während die Mittel des Reiches für die Mißwirtschaft des Herrn Kahr immer noch ausreichen und auch für die nutzlose Verschiebung der Reichs - wehr nach und in den Ländern mit sozialistischen Regierungen die Gelder noch erübrigt werden können. Solange dieser Zu - stand anhält und die Regierung die Gehälter der Beamten in den besetzten Gebieten zahlen kann und will, solange erachtet die Sozialdemokratie die Absicht der Reichsregierung, die Zu - schüsse für die minderbemittelten Bevölkerungskreise im Ruhr- gebiet zu sparen, für unberechtigt. Ueberhaupt hat es den Anschein, daß die Regierung mit den geplanten Maß - nahmen lediglich den Zweck verfolgt, sich der ihr zukommenden Verantwortung für die zukünftige Entwicklung im Ruhrgebiet frühzeitig zu entledigen und sie einem kleinen Ausschuß zu übertragen, obwohl sie hierzu ohne Zustimmung des Reichs - rats und des Reichstags ein Recht nicht hat. Die Sozial - demokratie lehnt eS ab, für Maßnahmen, die als Mangel an Mut zur Verantwortung betrachtet werden müssen, ihre Zu - stimmung zu geben. Eine Partei von der Größe der Sozialdemokratie muß aus der Jnkonseauenz der gegenwärtigen Reichsregierung, aus ihrer Einstellung zu der Innen-, Außen- und kapitalistischen Wirtschaftspolitik die notwendigen Schlußfolgerungen ziehen, sobald das möglich ist. Mit dem Zusammentritt des Reichs - tags, der heute erfolgt, ist die Möglichkeit gegeben, Klarheit zu schaffen. Diese Klarheit ist notwendig im Interesse Deutsch - lands, und sie muß geschaffen werden trotz der Hinweise des Reichskanzlers auf die schwebenden Kreditverhandlungen und deren Gefährdung durch eine Kabinettskrise. Roch bei allen Krisen, die Herr Stresemann als Reichskanzler bisher erlebte, bediente er sich der auch jetzt wieder angewandten Taktik. Wir geben zu, daß im Augenblick tatsächlich Kreditverhand- lungen schweben, aber wir können nicht einsehen, daß ein Er - gebnis dieser Verhandlungen mit der Reichskanzlerschaft Stresemanns steht und fällt. Die ausländischen Unterhändler geben chren Kredit nicht der gegenwärtigen Regierung, und nicht aus Liebe zu unserm Volke, sondern aus eigenen wirt - schaftlichen Notwendigkeiten. Sie werden auch Waren - kredite geben, wenn ein anderer Mann an die Stelle des gegen - wärtigen Reichskanzlers tritt. Die Hauptsache ist, daß hierzu die notwendigen Bürgschaften aufgebracht werden. Ob Herr Stresemann das besser und leichter vermag als ein anderer Politiker, möchten wir sehr dahingestellt sein lassen. Jeden - falls kann die Sozialdemokratie seine jetzige Taktik nicht als Grund zur Verschiebung der doch einmal zwischen uns und der gegenwärtigen Regierung notwendigen Klänmg anerkennen. Sie dürfte "deshalb die in den letzten Wochen von dem dritten Kabinett Stresemann verfolgte Politik mit einem Antrag im Reichstag, der Regierung das Mißtrauen auszusprechen, beantworten. Am Montag wurden die Vcrhandtimgen der R-sieruna mit dem Miufzehner-Aussck-iÜ kür das besetzte Gebier wrtgeführt. ES handelt sich um di- Abwehr der französischen 'lutonomievläne, denen der Weg bereitet ist durch die Regierungserklärung, daß nach dem 25. November die Unterstützungen für die Erwerbslosen und Sozialrenlner in den besetzien Gebieten nicht mehr gezahlt werden können und deshalb die Bevölkerung aus eigener Straft dir Maß - nahmen treffen soll, die zur Erhaltung ihres Lebens notwendig sind. Zu diesem Zweck ist die Bildung eines kleinen Ausschusses geplant, der sich ans Vertretern der Wirtschaft und der polnischen Parteien, wie der Fünszehnerausschuß, zusammensetzen soll. Cb es ihm gelingt, die bestehenden staatsrechtlichen Formen, also den Ver - bleib des Rheinlandes beim deutschen Reiche zu sichern, bleibt ab- zuwarten. Ueber den Verlauf der Erörterungen im Fünfzehnerausschuß erstattete die Regierung im Auswärtigen Ausschuß bed Reichs - tages Bericht. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Tie Frakti- anen nahmen hierauf Stellung. Der Beschluß der Soziaidemo- kratischcn Fraktion ist oben verzeichnet. Sie hat zu Rednern in bet politischen Aussprache die Genossen Wels und Rosenfeld bestimmt. In der Zentrumsfraktion will der weitaus größte Teil sich an einet« Mißtrauensvotum gegen da? Kabinett Strese - mann nicht beteiligen. Nach ihrem Willen soll das Zentrum an dem Kabinett Slreiemann festhallen. Auch der demokratische Fraktionsvorstand faßte den Beschluß, sich an dem Mißtrauensvotum nicht zu beteiligen. Als Redner für die Demokraten wird in der poli- tischen Aussprache der Abgeordnete Erkelenz sprechen, für die Teutschnationalen deren Führer Hergt. Erklärung Zeigners. Der ehemalige sächüsche Ministerpräsident bittet imS um Veröffentlichung folgender Erklärung: „Die bürgerliche Presse veröffentlicht Mitteilungen über ein gegen mich schwebende? Ermittlungsverfahren. In diesem Verfahren werde ich Rede und Antwort stehen und er wird sich ergeben, daß alle Mitteilungen bök-artige Entstellungen oder politische Tendenz- behauptungen sind. Ich habe nicht für amtliche Handlungen geld - liche oder Geldwerte-Entschädigungen erbalten. Dr. E. Zeigner." 8 Die pariser Seratungen. vor einem französisch-englischen Kompromiß. SPD. Berlin, 20. November. (Drahtbericht.) Die B-tschafterkonferenz in Paris hat am Montagvormittag von 11% bis 1% Uhr beraten und sich dann auf abends 6 Uhr vertagt. Die Sitzung am Abend war aber nur von halbstündiger Dauer, weil der englische Botschafter seine Instruktionen nicht erhalten hatte. Die Weiterberatung soll am Dienstagvormittag stattfinden. Ter französische Ministerrat hatte in der Zwischenzeit unter Millerands Vorsitz von 2% bis 4% Uhr eine Sitzung, über die offiziell folgendes mitgeteilt wird: „Der Ministerpräsident hat den Ministerrat über die Ver- Handlungen der Botschafterkonferenz unterrichtet. Die Regierung hat die vom Ministerpräsidenten in den Verhandlungen ein - genommene Haltung einmütig gebilligt." In Paris herrscht, nach Meldung der „Vossischen Zeitung", der Eindruck vor, daß eine Einigung zwischen England und Frank- reich zustande komme. Die offiziellen Bemühungen zur Herbei- führung einer Verständigung sind am Montag früh wieder aus - genommen worden. Neben Cambon und, dem englischen Bot- schafter find auch die Jraliener eifrig an diesen Bemühungen beteiligt. An der Sitzung der Datschasterlonferenz hatte auch der amerikanische Botschafter teilgenommen. Im Verlaufe der beiden Sitzungen be5 Tage? find zwei Entwürfe für Noten an die deutsche Regierung au8- gcarSeitet worden, eine über die Kronprinzenfrage, eine andere über die Frage der interalliierten Militärkontrolle. Jeder dieser Notenentwürfe ist in englischer und in fran - zösischer Sprache abgesagt, beide Texte haben im großen und ganzen einen übereinstimmenden Inhalt, aber in gewissen Punkten bestehen noch Unterschiede, die die heutige Aussprache beseitigen soll. Tie Verbündeten drohen keine Sanktionen an und behalten eS sich vor, nach Beantwortung ihrer Note durch Deutschland darüber zu beraten, welche Sanktionen eventuell erforderlich wären. Tie Anhörung der deutschen Vertreter durch die ReparationS- kommission ist endgültig auf Freitagvormittag festgesetzt. Die Reichsregierung wird Beamte der in Frage kommenden Ministerien nach Paris entsenden. Oer akgesibwächte poincare. Havas veröffentlicht offiziell eine Nore, die sich auf die Rede Voincares in Neuilly beziehungsweise auf die Mißverständnisse, denen ihr Wortlaut ausgesetzt war, bezieht. Es heißt da in der Noie: Gewisie Blätter scheinen den Sinn der Worte, die der fran - zösische Ministerpräsident ausgesprochen bat, nicht verstanden zu haben. Er erklärte: Wir sind im übrigen entschlossen, die auf Grund des Friedens-Vertrages besetzten Gebiete nicht zu räumen, bevor nicht alle in dem Versailler Vertrag unterzeichneten Klauseln vollkommen erfüllt sind. Diese Worte bezogen sich auf die be - setzten Gebiete am linken Rheinufer und auf die Br ü ck e n k ö p f e. ES versteht sich von selbst, daß ne sich nicht auf das Ruhrgebiet beziehen können, über da? keinerlei Ent - scheidung getroffen werden kann ohne ein vorheriges Ueberein - kommen zwischen Frankreich und Belgien. Der Schrei nach öer Diktatur. Folgenden Artikel der «Teusschnationalen Korrespondenz", Amt - liches Organ der Teutschnanonalen Volkspartei, geben wir ohne Kommentar wieder: „Wenn bet Reichstag am Dienstag zusammentritt und Herrn Stresemann ein Mißtrauensvotum ausspricht, so ist es der Reichstag, der die Krise zu Ende bringt, und bet aus seiner Mitte bie neue Re - gierung bestellt. Tas bars nicht sein. Ter Reichstag hat abge- wirtschaftet unb ist erlebigt! Alle Möglichkeiten, bie er in sich barg, finb erschöpft. Mir dem Zwange innerer Folgerichtigkeit ist unsere staatsrechtliche Entwicklung immer mehr bee Diktatur entgegen- gegangen. TaS bars jetzt nicht wieber rückgängig gemacht werben. Hat bet Reichstag in bett letzten Wochen sich selbst bei lebendigem Leibe begraben lassen, so soll man nun bte Toten ihre Toten begraben lassen. Ibn zur Beenbigung bet Krisis noch einmal zu bemühen, hieße bie ganze Entwicklung rückgängig machen, bie in Schauder unb Nor sich bad) in ben letzten btei Monaten zum Heile vollzogen hat. Darum bleibt nur ein?. Jetzt muß mit bet Diktatur voller Ernst gemacht werben. Der Inhaber ber voll, ziebenben Gewalt im Reich unb in ben Länbern, bem bet Mei*?« ptSsibeat bereits bte ganze Vcfehlsgewalt über bie Reichswehr über - tragen bat, muß nun auch baS Reichskanzletamt er - halten. Unb zwar, ohne baß ber Reichstag darüber beschließt. Er muß damit verfassungsmäßig die Möglichkeit bekommen, bie von ihm auSgewählten Mitarbeiter als F a ch m i n i st e r an bie Spitze bet einzelnen ReichSministetien zu stellen, in feiner Person aber bie Ein - heitlichkeit unb Entschlußkraft ber ganzen Regierung verkörpern. Nur io laßt sich bie Unstimmigkeit überwinben, bie heute noch in Beto staatsrechtlichen Zuständen beS Reiche? steckt. Der Inhaber bet militärischen unb zivilen VesehlSgewalt bars auf bie Tauer nicht ein ReichSkabinetL neben sich haben, bas, wenn e? auch nur Eine seltsame llndjt. Roman in vier Stunden von LauridS Bruun. Deuijch von Julia Koppel. [25] 11. Indem Hjarmer die Tur öffnete, um in* Kontor zurückzu- kchren, kam Doktor Sylt hastig aus dem Eßzimmer, von Frau- lein Sindal gefolgt Ter Amtsvorsteher drehte sich auf das Gerämch htn um. Im selben Augenblick, als er des Doktors Gesicht sah — er war ganz weiß um' die Rafe herum, und die Lippen waren fest auf- cinandergepretzt — wußte er, daß es schlimm mit Ellen stand. „Doktor!" sagte er atemlos und streckte die Hand nach ihm aus. Der Doktor warf ihm einen hastigen Blick zu und sah bann gleich wieder fort. Dann sagte er kurz und hart: „Das Fieber ist gestiegen, und die Atemnot nimmt zu. Ich habe eine Einspritzung gemacht!" Hjarmer wurde bleicb. Er musterte die kleinen, scharfen Augen und fragte angstvoll: „Morphium?" . „Nein!" sagte ber Arzt und hob die Schultern. -Sagen Sie es!" drängte der Amtsvorsteher. Doktor Sylt sah ihn fest an und antwortete; „Serum, Hjarmer!" „DiphtheritiS?" fragte er leise und atemlos. »Ich fürchte es!" Frau Helwig, die am Flügel stand, hatte sich zu Doktor Svlt umgewandt unb folgte dem Gespräch mit einem seltsamen, halb unbewußten Ausdruck in ihren großen, exaltierten Augen. Als da? sckücksalschwangere Wort fiel, wechselte sie die Farbe. Sie bliev einen Augenblick stehen, wie um sich zu sammeln, dann stürzte sie auf Doktor Sylt zu vnd packte ihn am Arm: Diphtheritis?" ES klang wie ein Schrei. * Er sah sie überrascht an; und als er nicht antwortete, fügte sie mit einer Stimme hinzu, die vor Angst bebte: „Es ist also Gefahr vorhanden." Er zögerte einen Augenblick, als überlegte er, wieviel er ihr sagen dürfte. „ES ist stets Gefahr vorhanden, Frau Hjarmer," sagte er ab - weichend, mit seiner ernsten, melancholischen Stimme — „eS ist stets Gefahr vorhanden für uns arme Menschenkinder!" Sie stand einen Augenblick und sah ihn an, wehrend :bre Augen größer und größer wurden. Dann verzog die Oberlippe sich wie im Krampf. Sie faßte sich mit beiden Händen an die Schläfen und rief: „Ich bin es! — ES ist meine Schuld! Werner machte eine plötzliche und heftige Bewegung auf sie zu, al? wolle er sie greifen uns stützen. Darm hielt er inne und ballte die Hände wegen seiner Ohnmacht, während Hiarmer sich ihr verblüfft und ängstlich mit auSgebrctteten Armen näherte: „Aber Liebste !" „Ich will mein Kind sehen?" rief sie. stieß den Arzt beiseite und lief an Fräulein Selma vorbei, die mit großen, klaren Tränen in ihren treuherzigen Augen die Hand auSftrcckie, um sie zurück- zuhalten, und eilte zur Eßzimmertür. „Ellen!" rief sie in größter Angst. Da sprang Soltor Svlt hinzu, und es gelang ihm, ihre Arme von hinten zu fassen, bevor sie draußen war. „Jetzt nicht!" sagte er gebietend und hielt sie mit Gewalt zurück. „Lassen Sie mich los!" Sie wandte den Kops mii einem zornigen Blick zu ihm um unb versuchte sich mit aller Kraft loszu - reißen. „Ich will mein Kind sehen!" Doktor Sylt war aber stärker. Seine behaarten Bärentatzen hielten sie fest. „Sie bleiben hier!" sagte er kurz und streng. „Das Kind soll Ruhe haben." Fräulein Selma konnte nicht länger an sich halten. Sie stürzte auf ihn los und sagte mit großen, erzürnten Augen: »Sie, der Sie von Jnstinkren sprechen, wollen eine Mutter Ver - bindern, zu ihrem Kinde zu gehen?" »Das verstehen Sie nicht!" grau Helwig wnrs ben Kops zurück, wahrend ihr Gesicht sich verzerrte. „Sie stirbt!" rief sie hysterisch. „Unb es ist eine Schuld! — Ich will mein Kind sehen!" Ihre Brust arbeitete heftig, unb die reinen Nasenflügel zitter - ten krampfartig, wahrend ein leidensaftlicheS Weinen sich Bahn brechen wollte. Hjarmer war herangetreten. Er streckte ihr bittend die Hand entgegen: „Liebste — hör doch, was Doktor Sylt sagt!" Doktor Sylt aber sagte in ruhig gebietendem Ton, indem er sie fest ansah: „Denn Sie in diesem mondsüchtigen Zustand, in dem Sie sich befinden, zu ihr kommen, ist sowohl für Sie wie für das Kind Gefahr vorhanden. Haben Sie mich verstanden?" Jetzt faß ihr da? Weinen in ber Kehle; cs wurde zu einem Schluchzen, da? sich in Tränen Luft machte und ihren Widerstand brach. Sie beugt- den Kopf; ihre Arme erschlafften, unb sie liefe sich willenlos von Doktor Svlt zum Lehnstuhl führen, den er für sie zurechtstellte. Liebevoll und tröstend sagte er zu ihr wie man zu einem betrübten Kinde spricht: „So. meine liebe Frau Hjarmer, setzen Sie sich jetzt! - Eine augenblickliche Gefahr ist nickt vorhanden. Aber es gilt, beizenen auf dem Posten zu fein. Darum habe ick die Einspritzung gemacht." AIS er sah, Safe der Anfall ganz vorüber war und b ; : Tränen an ihrem gesenkten Antlitz hinabranr.cn, während die Brust sich wieder berlihigie, richtete er sich auf und sagte: „Jetzt muß ich zu Bäcker Jörgensen?. Ei- wurde nach mir geschickt, als ich vorhin zu Hause war. Wenn ich dort fertig bin, komme ,ck zurück; dann toird eS sich zeigen, ob —" „Ob waS?" fragte Hjarmer flüsternd, als der Arzt unwillkürlich innehielt. „Ob ich ohne Grund gefürchtet habe. Im Augenblick kann ich nichts weiter ran. Auf Wiedersehen!" 12. AIS Doktor Sylt gegangen war, wurde von keinem der An - wesenden ein Dort gesprochen. grau Helwig saß leise weinend im Lehnsii'bl, während Fräulein | Selma über den Sessel gelehnt staub und ihr sanft mit ihrer rund- ' lichen Hand über baS feine Bronzehaar strich. ein Schattenbasein führt, ihm boch immer wieber Knüppel zwischen bie Füße zu werfen vermag. Erst wenn bie volle Regierungsgewalt in einer Hanb vereinigt ist, ist bie Möglichkeit rettenber Maß - nahmen gegeben. Ter Reichstag braucht bann nicht erst berufen zu werben. Will er aus eigenem Rechte zusammentreten, so wirb er ausgelöst. Ta Neuwahlen bei bem chaotischen Zustanb bes Augenblicks nicht möglich finb, muß ber Diktator bann zunächst werter regieren, inbem er, unter ber Voraussetzung zukünftiger Jnbemnität, auchbiegesetz- gebenbe Gewalt seinerseits übernimmt." Holönotenbank und Mslanöskreöire. Ueber bie in Aussicht slehenben AuSlanbskrebite sür Deutschland meldet bie „Bossische Zeitung", baß es sich um Krebite aus Amerika, Englanb unb Hollanb hanbele. Hervorragenbe Bankfirmen ouS biefen Länbern werben sich an ber Errichtung ber Golbnoteubank, welche bie enbgültige Lösung beS beutschen Währungsproblems Silben soll, mit einem Kredit in ber Gcsamthöhe von 1400 Millionen Goldmark beteiligen. Der 8ertrag soll schon in ben allernächsten Tagen sertiggestellt werben. Gefahren für die Rentenmark. Trotzdem die Re-, .iinarl ein reines JnlandSzahlungsmiitcl sein soll, ist ihr Werl von der Beurteilung durch das Ausland abhängig, da die Bewertung der ausländischen Börse darüber entscheiden wird, ob sie als Zahlungsmittel uns über die nächsten Monate hinweghelfen kann. Diese Bewertung in London und New Uork ist natürlich von der öffentlichen Meinung der Länder des Auslandes in erster Linie abhängig. Ist diese günstig, so wird die Rentenmark bis auf weiteres nahe an die Goldparität notieren; ist sie ungünstig, so werden wir mit einer starken Entwertung rechnen müssen. Deshalb ist eS be - sonders wichtig, tote ein bedeutender französischer Finanzwirt - schaftler darüber urteilt. Professor Ieze schreibt in einem Auf - satz, den er im „Populaire", dem Blatt unserer französischen Ge - nossen — also gewiß an unverdächtiger Stelle — veröffentlicht, wie die „Frankfurter Zeitung" mitteilt, folgendes: „Jeze ist außerordentlich steptisch. Er erinnert daran, baß die französyche Republik während der großen Revolution nicht weniger als drei Staatsbankerotte aufzuweisen gehabt habe, wahrend Deutschland jetzt mit der Liquidation deS ersten Be - ginne. Nach seiner Meinung ist eine finanzielle Sanierung in Deutschland im gegenwärtigen Augenblick ganz unmöglich. Die Ausgabe eines neuen papiernen Zahlungsmittels sei kein Heil - mittel von Dauer. Nur die politische Gesundung könne zur Reorganisierung der Finanzen und der Währung führen, genau wie Frankreich erst mit Napoleon wieder zu geordneten Verhält - nissen gelangt sei. Dazu komme die völlig unzulängliche Garantierung deS neuen deutschen Zahlungsmittels. Eine Generalhypotbek sei keine wirklicke Garantie, nur eine .spezielle Sicherung habe reellen Wert. Diese fehle tn der deutschen Wäh - rung, ebenso wie die für die Stabilität einer Geldschöpfung absolut unerläßliche Gewißheit, daß die Ausgabe des neuen Zahlungsmittels auf einen bestimmten Betrag beschränkt bleibe." Die? gibt un8 Gelegenheit, neuerdings mit äußerstem Nach - druck daraus hinzuweifen, daß eS höchste, aber auch allerhöchste Zeit ist, daß aus der Generalhypothek, die, wirtschaftlich gesehen, keinerlei Garantie darstellt, eine Spezialhypothek wird, d. h., daß die Rentcnbriefe auf die einzelnen Grundstücke usw. gelegt werden, so wie das bei der Ausstellung privater Hypotheken gang und gäbe ist. ES mufe also eine direkte Belastung der einzelnen Objekte erfolgen. Geschieht daß nicht baldigst, so wird keinerlei Macht der Welt imstande sein, die Rentenmark vor einer Entwertung zu schützen. TaS muh aber um der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Stabilität willen, die wir so überaus notwendig brauchen, vermieden werden. Die Rritik am englischen Rohlenkredit. Tie Londoner Verhandlungen zwischen den Vertretern englischer Firmen und den Vertretern deS Ver- kehrSminifteriums deS Eisenbahnzentralamts, des Kohlensyndikats, der Kobleneinfuhrgesellschaft, Casar Woll - heim (HedwigSbütte) und der Finanzgruppe Verkehrs-Kreditbank Bleichröder über einen Kohlenkredit an Deutschland sind, wie wir bereits gemeldet haben, endlich zum Abschluß gekommen. Sie englischen Kontrahenten stellen ein Darlehen von 3 Millionen Pfund zur Verfügung, daS aber nur nach Maßgabe der tatsäch - lichen Jndustriegarantien durch Deutschland in Anspruch ge - nommen werden darf. Teutkchlanb hat Sicherheitsleistungen geben müssen, so II. e. eine erste Hlwochek auf unerschlossene Braunkohlen- selbcr bei Bitterfeld unb Lübbenau. Weiter soll bie Kalnndustne Erportdevisen zur Rückzahlung des Kredits zur Verfügung stellen. Hierzu bemerkt der SPD.: / Der Vertrag wird augenblicklich in der OefsentUchkett start kritisiert. Ohne Zweifel ist der Import englischer Kohle, be - sonders die eventuelle Abgabe von Kaliexportdevisen, eine schwere Belastung für die deutsche Volkswirtschaft und den deutschen Wechselkurs. Jedoch handelt die Reichscisenbahn aus einer gewissen Zwangslage heraus, öa aus der deutschen ,Förderung nur 350 Tonnen, die man allerdings jetzt auf 550 z onnen steigern zu können glaubt, zur Verfügung stehen, während sie monatlich gut 1000 000 Tonnen braucht. Selbstverständlich muß sich die deutsche Wirtschaft unter Aufbietung aller Kraft von dem Bezug Hjarmer stand am Flügel und sah sie an, wußte aber nicht, was er sagen sollte. Werner Hilsöe war der erste, der das ediroetgen brach. (5r saß mit den Händen zwischen den Knien und starrte vor sich hin wie ein Mann, bem plötzlich etwas zertrümmert worden ist. Dann erhob er sich langsam, kiwpste seinen Rock zu und fragte: „Herr AmtSvorsteher, sagen Sie mir, bitte, wann der erste Zug geht." . Hiarmer richtete sich auf und fragte nervo?: „Wollen Sie abreifen?" „Ja, ich will abrcisen!" antworiete er leise und klanglos. Hjarmer sammelte sich. Er fühlte, Safe er seiner ganzen geistigen Kraft bedurfte, fühlte, daß er in diesem Augenblick nicht länger an grau und Kind denken durfte. „Fürchten Sie sich vor Ansteckung?" fragte er und näherte sich ihm. „Nein!" so.n e? abweis«nd „Sie haben sich schnell umgesummt, Herr Jngeitieitr!" Er legte mit Absicht einen Klang von Ironie in feine Stimme. „Ich sagte Ihnen vorhin, daß ick nicht wüßte, ob ick bleiben könne. Jetzt weiß ick, daß ich eS nicht sann." Hjarmer ließ sich nicht so leicht abseitigen. „Ist es indiskret, nach dem Grund Ihres plötzlichen Entschlusses zu fragen?" „Der Grund?" Werner Hilsöe sah abweisend auf ihn herab. „Ist die Krankheit Ihres Kindes nicht Grund genug? — Heute nacht ist ein Fremder hier doch nur eine Last!" fügte er hinzu, ohne den Versuch zu machen, die Bitterkeit in feinem Gemüt zu Lehnstuhl saß. „ (Fortsetzung folgt.) verbergen. Fräulein Selma sah auf und sagte mit Entschiedenheit: „Sarin hat Herr Hilsöe recht!" „Wann der erste Morgciizug geht, kann ich Ihnen nicht sagen," sagte Hjarmer, „aber ich versichere Ihnen, daß Ihre An Wesenheit — tm grembeujimmer — in keiner Weise —" „Ser erste Zug geht fünf Uhr zehn, Herr Hilsöe!" unterbrach Fräulein Selma. „Tanke!" Hilsöe knöpfte seinen Rott zu und sah verstohlen zu ttrau Helwig hinüber, die mit abgewandtem Kopf unbeweglich im