„Smitiburflet Crrtjo" er - scheint läat ch einmal, außer Den 2. ,tflcrtagen. Beuin«V>-ct<> für Abdoler 0,65 Mark. Such Durchb.«w. o«ne 5 en n« Zahlbar am ».Jnli. J—t v SWÄT’IÄ LamvnrgerEcho A 8lae< unb Zatcnr>or(t6rtften • »JeäÄ ohne SerbinblliSfett. Ur. 183. ««■UMHHBUM Sonntag, den 6. Juli 1924. 38. Jahrgang. YMLÜMN und limtfliinOeDlflO. Mit dem Beistände der Reichsregierung ist in allen wich - tigen Wirtschaftszweigen Deutschlands die achtstündige Arbeits - zeit durchbrachen und der Neunstundentag, zum Teil eine noch längere Arbeitszeit, zur Norm geworden. Unter der Ungunst der Wirtschaftslage und bei der durch die kommunistischen Quertreibereien verschlimmerten Schwächung der gewerkschaft - lichen Organisationen hat die deutsche Arbeiterschaft sich mit dem Uebel vorläufig abfinden müssen; aber selbstverständlich mit dem Vorbehalt, durch Kämpfe zur gelegenen Zeit den Acht - stundentag zurückzuerobern. Selbstverständlich setzten im Aus - lande, besonders in den Organisationen der Schwerindzistriellen, sofort Bestrebungen ein, damit auch dort die Arbeitszeitver - längerung durchgeführt werde. Und so würde oenn der ein - zige wertvolle und gute Inhalt des Friedensvertrages zunichte gemacht, schließlich auch die Washingtoner Vereinbarungen in Dunst aufgelöst werden. Auf der Genfer Konferenz des Internationalen Arbeitsamtes wurde dazu Stellung genommen, und es war insbesondere der Präsident des Internationalen Arbeitsamtes, der französische Sozialist Thomas, der sich entschieden gegen das Vorgehen in Deutschland aussprach. Der Vertreter der deutschen Reichsregierung jedoch behauptete, Deutschland sei durch den Zwang zu Reparationsleistungen ge - nötigt, die Arbeitskraft stärker als in andern Ländern auszu - nutzen. Jedenfalls stehe in dem Gutachten der Sachverständigen nichts davon, daß Deutschland an den Achtstundentag gebunden sei. Wegen dieser Sache hat jetzt die kommunistische Fraktion im Reichstag eine Zwischenfrage gestellt: Ist die Reichs - regierung bereit, die Haltung ihrer Vertreter auf der Konferenz in Genf vor dem Reichstage zu recht - fertigen ? Selbstverständlich gehört die Sache vor den Reichstag, die Sozialdemokraten werden dort das Nötige besorgen. Die Kommunisten aber sind dazu denkbar ungeeignet, sie setzen sich mit ihrer Anfrage mit sich selbst in den schärfsten Widerspruch. Denn nicht nur hat die kommunistische Presse das Arbeitsamt immer herabsetzend behandelt, überdies hat sie gerade von der Erörterung dieser Sache vor der Konferenz nicht nur höhnisch, sondern in den schlimmsten Beschimpfungen ge - sprochen. Was in Genf dazu gesagt werde, darauf komme e s n i ch t a n ; solche Schimpferei entkleidet das kommunistische Urteil. Und Thomas, der sich in sachlicher Schärfe gegen den deutschen Regierungsvertreter gewendet hat, wurde als der Knecht des Kapitals hingestellt, der ein Scheinmanöver auf - führe, damit die Arbeiterschaft um so sicherer gedrillt werde. Eine ähnliche Behandlung widerfuhr Macdonald. Wenn die Vorgänge in Genf bedeutungslos, wenn die dort abgegebenen Erklärungen nicht mehr wirken als der Wind, der durch den Schornstein fährt: wozu dann die Interpellation ber Kommunisten? Sachlich kann damit jedenfalls nicht gedient werden. Die Wiedereroberung des Achtstundentages muß das Pro - gramm der nächsten Zukunft für die deutsche Arbeiterklaffe sein, sie hat dafür ihre organisatorischen Kräfte zu stärken und jede Hilfe, die sich bietet, in Anspruch zu nehmen. Blödes Herabreißcn fremdländischer Staatsmänner und Verhetzung der Arbeiter untereinander sind jedenfalls ganz untaugliche Mittel zum Zweck. Jntereffant ist eine Gegenüberstellung der Art, wie in kapitalistischen deutschen Blättern das Eintreten von Thomas und Macdonald für den Achtstundentag bewertet wird. Dieser Tage enthielt das Hamburger Fremdenblatt einen Artikel seines Londoner Korrespondenten, in dem rund heraus gesagt wird, Macdonalds Vorstoß für Einhaltung des Acht - stundentages in Deutschland diene dem britischen Impe - rialismus ; vermöge Großbritannien Deutschland die Ein - haltung der Washingtoner Abmachungen aufzunötigen, so werde Deutschland auf dem Weltmarkt unter - liegen und England erreiche den eigentlichen Zweck des Krieges. Man sieht also, daß in der kapitalistischen Auffaffung die Haliung Macdonalds genau entgegengesetzt wie von den Kommunisten bewertet wird, jedenfalls als sehr ernst zu nehmen. Das ist sie auch in der Tat und nur die vor Agita - tionseifer blöden deutschen Kommunisten können Macdonalds Ernst verkennen. Hinterhältige Zwecke allerdings verfolgt Macdonald nicht. Er weiß, daß der Achtstundentag keineswegs die Konkurrenzfähigkeit tötet, sondern daß er ein Ansporn ist zu rationeller Arbeit, und daß von jeher die Nationen mit kürzerer Arbeitszeit jene mit ungemeffenen Arbeitsstunden aus dem Felde geschlagen haben. England und Deutschland waren führend auf dem Weltmarkt, Polens und Italiens Industrie mit übcrnormalem Arbeitstag konnte dagegen nicht aufkommen. Die Sicherung des achtstündigen Arbeitstages für die große deutsche Industrie wird die menschliche Würde des Arbeiters und Angestellten sichern, sie wird ein Mittel sein, zur Entwick - lung der körperlichen und geistigen Kräfte — und die Industrie- blüte wird dabei wohl möglich fein. ^Allerdings nicht die liederliche Wirtschaft, an der allzuviele deutsche Industrielle sich in der Inflationszeit gewöhnt hatten Tie Kräfte geordnet für Rückgewinnung des Achtstunden - tages einsetzen und für diesen Zweck jede £i[fe, die im Aus- lande sich bietet, klug ausnutzeii: das ist die Aufgabe der deut - schen Arbeiter! Geh flkis;ig um mit Ifiuett Kindcru! Ach fleißig um mit deinen Kindern! Habe Sie Tag und Nacht um dich und liebe sie Und laß dich lieben einzig schöne Jahre; Denn nur den engen Traum der Kindheit sind Sie dein, nicht länger! Mit der Jugend schon Durchschleicht sie vieles bald — was du nicht bist. Und lockt sic mancherlei — was du nicht hast. Erfahren sie von einer andern Welt, Die ihren Geist erfüllt; die Zukunft schwebt Nun ihnen vor. So geht die Gegenwart Verloren. Mit den Wandertäschchen dann Voll Nötigkeiten zieht der Knabe fort. Du siehst ihm weinend nach, bis er verschwindet. Und nimmer wird er wieder dein! Er kehrt Zurück, er liebt, er wählt der Jungfraun eine, Er lebt! Sie leben, andere leben auf AuS ihm — du hast nun einen Mann an ihm, Hast einen Menschen — aber mehr kein Kind! Die Tochter bringt vermählt dir ihre Kinder Aus Freude gern noch einmal in dein Haus! Du hast die Mutter — aber mehr kein Kind. — Geh fleißig um mit deinen Kindern! Habe Sic Tag und Nacht um dich und lieb sic Und laß dich lieben einzig schone Jahre! Leopold Schefer. Das englisch-französische Zwischenspiel. Anzeichen des Abflauen-. WTB. London, 5. Juli. Die Times meldet, daß die Er - regung in der französischen Presse Anzeichen eines Abflauens zeige. Es werde jetzt allgemein erkannt, daß die in dem Memo - randum Macdonalds enthaltenen Vorschläge für kein Land, nicht einmal für Großbritannien, bindend seien. Nach der Time? ver - lautet, es habe ein Gedankenaustausch zwischen dem Foreign Office und dem Quai d'Orsay stattgefunden, und es herrsche jetzt eine beyere Atmosphäre vor. Der französische Bot- schaster sprach gestern im Foreign Office vor. Herriot stellte klar, wie angenommen werde, daß sich die französische Regierung in keiner Weise durch die britische Regierung gebunden erachte und sich das Recht Vorbehalte, Gegenvorschläge zu machen zu den An - sichten Macdonalds über die Bedingungen, unter denen die Lon - doner Konferenz stattfinden soll. Tas Memorandum fei auch nach Berlin gesandt worden, jedoch nur zur Information des britischen Botschafters und nicht zu einer Mitteilung an die deutsche Regierung, die zu der Teilnahme in bet Konferenz nicht eingeladen wurde. Deshalb könne nach Ansicht der britischen Regierung die Reparationskommission keine Entscheidung in der Frage eines deutschen Verzuges unter dem Dawes-Plan fällen, dessen Haup?bestimmuligen außerhalb des Friedensvertrages liegen. Es wurde daher von England allen Alliierten, ausgenom - men Frankreich, zu verstehen gegeben, daß ein anderes Tribunal für diesen Zweck angenommen ober errichtet werden müsse. In den auf die Begegnung in Checguers folgenden Be - sprechungen zwischen Herriot unb dem britifchen Botschafter in Paris habe die britische Regierung gestern die erwähnten Körper- schäften vorgeschlagen. Gemeint sind bet Haager Schieds - gerichtshof oder der Finanzausschuß des Völker - bundes oder ein aus dem Dawes-Ausschuß hervorgegangenes Komitee, so daß in Wirklichkeit die französische Regierung nicht nur im Dunkeln gelassen, sondern sogar über den britischen Standpunkt noch eingehender unterrichtet war, als die übrigen Alliierten. Der Berichterstatter teilt mit, daß der britische Unter- staatssekretär, der den französischen Botschafter gestern in Ab - wesenheit Macdonalds im Foreign Office empfing, Graf de St. Aulaire, sein höchstes Erstaunen über die in Paris wegen des seht geringfügigen Vorfalles entstandene Erregung ausdrückte. * Macdonald- fester Wille. WTB. London, 5. Juli. Macdonald erklärte gestern in Wales, wenn es ihm nicht gelingen sollte, Frieden zu schaffen, so würde dies bedeuten, daß er mit seiner Ausgabe scheiterte. Unter Bezugnahme auf die kürzlich erlittene siebente Nieder - lage der Regierung im Unterhause sagte der Premierminister, bis die Regierung in einer wirklich wichtigen Frage eine Nieder - lage erleide, werde sie im Amte bleiben. Er gehöre nicht zu denen, die sagten, daß Neuwahlen bald kommen würden. Das Land wünsche keine Neuwahlen. Soweit et selbst in Betracht komme, werde et nicht künstlich eine Lage schaffen, die ihn in den Stand fetzen würde, unter irgendeinem Vorwande Neuwahlen vorzu- nehinen. Sein Ziel fei, während der nächsten Iahte Frieden in Europa zu schaffen. Ter strittige Punkt. WTB. Paris, 8. Juli. Petit Patisien macht über den Inhalt der Erklärungen Herriots, die er gestern in den Kammet- wilheim II. und Sechmann-Hoilweg. Boripiel der Weltkriegs Katastrophe. In dem von uns schon besprochenen Jaeckhschen Kiderlen- Wächter-Buche ist auch in Dokumentenform eine Episode ent - halten, die gerade das Vorspiel zum Weltkrieg darstellt und jedeiifalls ein starker Beweis ist, daß Deutschland durch Wil - hems II. Torheiten und Unberechenbarkeiten unausgesetzt ge - fährdet war. Zu Anfang 1912 waren Verhandlungen im Gange, die eine dauernde Sicherung eines friedlichen Verhält - nisses zwischen Deutschland und England bezweckten. Milten in diese Verhandlungen platzte ein Telegramm, das der Kaiser ohne Wiffen des Reichskanzlers am 6. März 1912 aus Wil - helmshaven an den deutschen Botschafter Grafen Metternich in London richtete. Darin heißt es wörtlich: „Sollte Englanb seine Schisse aus bem Mittelmeer zurück - ziehen nach Englanb-Norbsee. wirb bas hier als Kriegs - drohung aufgefaßt unb mit einer verstärkten Novelle — 3et-Tempo — unb eventueller Mobilmachung beant - wortet werben." Als Bethmann Hollweg von diesem Telegramm er - fuhr, reichte er sofort sein Abschiedsgesuch ein. In der Begründung heißt es, es müsse unter allen Umständen die Möglichkeit zur Fortsetzung der Verhandlungen mit England aufrecht erhalten werden. „Vor allem müssen wir die Schulb an bem Mißlingen England ziischieben. Tun wir das nicht, jo wird nicht nur unser Verhältnis zu England in verhängnisvoller Weise verschärft, sondern cs wird auch der in Frankrc: h schon jetzt stark angefachte Chauvinismus zu den kühnsten Hoffnungen ermutigt. Frankreich wird so hetau:- fordernd und übermütig werden, baß wir gezwungen sind, cs an= zugteifen. I n einem solchen Kriege wird Frankreick automatisch die Hilfe Rußlands und zweifellos auch die Englands habem, während für unsere Bundes - genossen der Bünbnissall nicht eintritt, wir vielmehr genötigt sind, urtB ihre Hilse oder Neutralität zu erbitten. Ick kann cs nicht ver - antworten, unserseits auf eine solche Situation hinzuarbeiten. Wird uns ein Krieg aufgcnötigt, so werden w:r ihn schlagen unb mit GotteS Hilse nicht dabei untergeben. Unserseits aber einen Krieg herauf« beschwören, ohne daß unsere Ehre ober unsere LcbenSintercsscn tangiert sind, würde •ch für eine Versündigung an bem Geschicke Deutschlands halten, selbst wenn wir nach menicklicker Voraussicht den völligen Sieg erhoffen könnten. Aber auch das ist, jedenfalls zur See, nickt bet Fall. Eurer Majestät Marine wird sich auf das helden - mütigste schlagen, aber nach- den Mitteilungen, die mir der Staate» wenn Sie Mutter keine Zeit hat... Wir oft hört man das Wort: „Ick habe keine Zeit — morgen!“ Und morgen ist doch wieder keine Zeit. W:e traurig das für die Kinder ist, das Wort: ,^Jctzt habe ich keine Zeit!" Cb die Müuer das wissen? Ein sechsjähriges Mädchen fragte einmal einen gleich - alterigen Knaben, der ihm von einem Spiel mit der Mutter erzählte: .Hat Deine Mutter so viel Zeit?" Und al? der Knabe das eifrig be - jahte, meinte sie: „Dann mocktc ich lieber Deine Mutter haben, meine hat keine Zeit!“ Wenn sick doch alle Mütter sagen mochten, daß sie Zeit haben und haben müssen, wenn sie zu ihren fitnbern geben; wenn diese zu ihnen kommen und ihnen erzählen wollen, was sie getan, was sie erlebt, was sie gedacht haben. Tas Wort: „Ick habe jetzt keine Zeit!“ schreckt alle diese Erzählungen, alle Vertraulichkeit, alle Behaglichkeit zurück: und in späteren Jahren, da wird es in der Mutter Herzen klingen, wenn ihre Kinder groß sind und fern von ihnen, oder wenn sie verlernt haben, noch bei der Mutter Zeit und Interesse für ihre Leiden und Freuden zu suchen. Dann werden die Mütter an den Liebesreichtum denken, der ihnen damals in ckren Kindern entgegen» tarn und den sie nicht zu schätzen wußten; sie hatten keine Zeit, ihn anzunehmcn. Wofür soll eine Mutter dann Zeit haben, wenn nicht für ihre Kinder? Sind sie nicht die ersten, die solche Zeit zu her. langen haben. Auch der Vater hat meist keine Zeit. . . . „Ick muß arbeiten, mein Kind! " sagst du. wenn e? zu dir heran will. Die Arbeit ist vollbracht. Es naht sick wieder. „Du mußt jetzt lernen, Kind!" ist dein Anweis. — Die Schulausgabe ist vollendet. „Jetzt gehe und mache Dir Bewegung, junge Glieder müssen sich trollen!" Am Abend kommt es endlich noch einmal. „Aber jetzt laß mich in Ruhe, ich bin müde genug, und Du mach, daß Du in» Bett kommst." So gehts heute, so geht! morgen. Am Sonntag, denkst du. Äm Sonntag entführt dich dein Freund zu einer Landpartie, und du ausschüssen abgab, ergänzende Mitteilungen. Danach sagte Herriot: Der Sachverständigenplan wurde angenommen. Zu feiner Durchführung sind finanzielle Garantien und eine Kontrollorganisation notwendig. Hierzu erklärte der englische Premierminister unzweideutig in ChecquerS, daß Eng- land Frankreich zur Seite stehen werde wie 19 14, wenn Deutschland den Sachverständigen- plan nicht durchführe. Eine heikle Frage sei die der Ver - fehlungen. Von wem sollten sie feststgestellt werden? Es wäre natürlich und müßte nochmal? betont werden, daß sie von der Reparationskommission sestgestell twerden müßten. Die englische Regierung sei jedoch dieser Ansicht nicht und wolle ihre militärische Verpfticktung nicht von einem derartigen Beschluß abhängig machen. Sie scheine zu wünschen, daß über derartige Fragen ein schiedsgerichtliche? Organ entscheide. Darm liege die Abweichung von der Auffassung der französischen Re - gierung. Die Sicherheitsftage beschäftige mit Recht Macdonald und Herriot, um so mehr, als abgesehen von der Kontrolle der Eisenbahnregie, im Januar 1925 auf Grund de? Artikels 429 des Versailler Vertrages die Frage der Räumung der Kölner Zone durch die Engländer auftrete. Ueber diesen Punkt sei die öffentliche englische Meinung der Ansicht, daß die Räumung erfolgen solle. Die militärischen Kreise seien jedoch entgegengesetzter Auffassung. * Die Hetze gegen Herriot. SPD. Paris, 5. Juli. 1Eigener Drahtbericht.) Die nationalistischen Elemente fahren in ihren Versuchen fort, sich des englisch-französischen Zwischenfalles als Waffe gegen Herriot und feine Politik zu bedienen. Die oppositionelle Presse geht dabei s oroeit, die Leitung der Konferenz der Alternative auszufetzen, sich entweder dem Drucke der andern Möchte zu beugen, ober aber erneut in eine isolierte Position gedrängt zu werben. In Kreisen ber parlamentarischen Fronde, als deren eigentlicher Drahtzieher P o i n c a r e mehr unb mehr in ben Vorbergrunb tritt, scheint man die Hoffnung noch nicht aufgegeben zu haben, Herriot darüber zu Falle zu bringen. Das tollste in dieser Beziehung leistet sich die Liberte, die rund heraus erklärt, Herriot habe nicht mehr die moralische Autorität Frankreich, dessen Interessen er durch seinen Leichtsinn und seine Geschwätzigkeit auf? Lpiel gesetzt habe, auf der Londoner Konferenz zu vertreten. Ja, das Blatt wagt sogar zu behaupten, im Parlament sehe man dem Rücktritt Herriots als einer Frage von Tagen ober vielleicht sogar von Stunben entgegen. Aller - dings scheinen biefc Treibereien allmählich selbst den gemäßigten Elementen auf bie Nerven zu gehen unb bie Information, ein Statt, bas gewiß nicht im Verdacht befonberer Svmpathie für das neue Regime steht, gibt dieser Stimmung Ausdruck, indem c? bem nationalen Block vorhält, baß er, solange er selbst am Ruber war, nicht eines ber Probleme gelöst und es seinen Nach - folgern überlassen habe, den verwickelten Knoten zu lösen. Wenn bie Vertreter ber alliierten Regierungen in London sich barauf beschränken, mit Vorsicht Maßnahmen zu umgehen, so werbe wahrscheinlich nicht viel herauskommen. Man müsse endlich aus der Affäre des Mißverständnisses und des Mißtrauens und der Schikane des Verfahrens heran?; denn schließlich sei die Londoner Konferenz bie letzte Rettungsplanke über dem Abgrund, feketär des Reichsinarineamte. wiederholt gemacht hat, kann auf ihren Sieg über die englische unb französische Flotte nicht ge - rechnet werden." ‘ Er, der Kanzler, Labe dem Botschafter in Londcm Instruk - tionen erteilt, die einem jähen Bruch vorbeugen, .der Kaiser aber gebe ohne Rücksprache mit dem verantwortlichen Kanzler Weisungen, die als Kriegsdrohungen wirken. „Das macht die Fortführung der Politik durch mich unmöglich." Deswegen erbittet Bethmann .Hollweg die Entlassung. Wilhelm hat dann gekuscht und Bethmann Hollweg blieb. Aber es blieb auch das ganze Hofgefchmeiß, es blieben die Lumpcnkerle, die als hohe Würdenträger Wilhelm zu Gefallen lebten und in ihm immer mehr das Gefühl der Gottähnlichkeit steigerten. Zwei Jahre später nahm das Unheil seinen Lauf... öloßflellung und Terror des Faschismus. SPD. Rom, 5. Juli. cDrahtbcricht.) Tie Erregung über ben Matteottimorb besteht unberminbert fort. Eine Reihe von Zeugen hat ausgesagt, daß Tumini auch in mehreren andern Gewalttätigkeiten der Tater, gewesen wäre. Die Ergebnisse ber bisherigen Untersuchung und ber politischen Ver - nehmungen haben die Mordtat an Matteotü noch nicht genügend aufgchcllt. Tie Blätter der Opposition setzen ihre Angriffe gegen die Faschisten unentwegt fort und behaupten, daß im schoße des leeren Kabinetts Mussolini eine ganze Reihe von Finanzs'airdalen schlummern und nur die übermächtige Gewalt ber faschistischen Partei bezw. bie sorge um bie schwere Kompromittierung erster politischer Führer bet italienischen Faschismus, bie Aufklärung barüber verhindern. Die faschistischen Blatter fithren gegen diese Behauptung bet Opposition eine sehr heftige Sprache. Tas neu- gegründete offizielle faschistische Blatt II Jmpero droht mit nicht zu mißverstehender Deutlichkeit Rache an. Es schreibt, wenn cs notwendig fei, werde auch für den sozialistischen Abgeordneten Turati ein Begräbnis erster Klasse besorgt werden. eca. Rom, 5. Juki. (Siornale d'Jtalia erörtert in einem Leitartikel bie Aufgabe einer Reinigung der faschistischen Partei, erwartet aber von einem solchen Verstech bas Gegenteil bc? er - hofften Ergebnisses. AuS ber Leitung ber faschistischen Organi - sation seien gcrabc bie idealistischen Elemente allmählich aus- geschieden ober unter verschiedenen Vorwänden ausgeschlossen worden. Der Faschismus fei großenteils in den Handen schlech - tester Elemente, die aus ber zusammengebrochenen Demokratie in letzter Stunde zum Faschismus gekommen seien. Der Frontgeist, den diese nährten, sei die Ouelle alles liebel?. Sie könnten^ also die Partei nicht „säubern". Der einzige Ausweg sei die völlige Trennung ber Partei unb der staatlichen Funktionen. mußt dick ja doch auch erholen. So lernst du e? mental? kennen, und es entfremdet sich dir rasch. Du betrügst das Kind um den Vater und den Vater um? Kind. (Au? Peter Rosegger: „Buch der Kleinen“.) Zrouenkongresse. Alljährlich, nachdem bte ersten Frühlingkstürme durch baS Land brausten, pflegt in unserer Zeit des pulsierenden öffent - lichen Lebens und der bequemen Verkehrsmittel eine wahre „Kongrcß-Saison“ auSzubrechen. Dieses Jahr brachte uns bereits eine ganze Reihe von Kongressen, die von Frauenorganisalionen veranstaltet waren. Ueber bie beiben wichtigsten, bie Konferenz ber sozialdemokratischen Frauen, bie im Anschluß an ben Partei- tag in Berlin stattgefunden unb über die Internationale Kon- ferenz ber gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen, bie am 80. Mai in Wien tagte, haben mir bereits berichtet. Ek wäre verfehlt, wollten wir nicht barüber hinaus unser Interesse den Tagungen anderer Frauenorganisalionen zuwenden. In Lonbon-Wemvlev fand im Mai ein Kongreß dek Inter - nationalen Frauenbundes zur Verhinderung von KriegSur;achen statt. Delegierte ans allen Ländern, darunter auch eine Jnbierin in ihrer malerischen Trachi waren da. Sozialistinnen von inter - nationalem Namen, wie Margaret Bondfield und Dr. Marion Philips beteiligten sich an ber Debatte. Der Gebaute, burch ben Völkcrbunb Kriege in Zukunft unmöglich zu machen, zog sich burch die ganzen Verhandlungen. Tie Pflicht ber Mütter aller Länder, ihre Kinder für den Frieden zu erziehen, Bekämpfung der Alkohol- unb Lpiumgesahr, der Prostitution, der Geschlechts - krankheiten und Ausbau der sozialen Versicherung und dck Mutterschutzes, das waren bie Themen, über die verhandelt wurde. — Eine Konferenz ber Internationalen Fraucnliga für Frieben und Freiheit beriet in diesem Frühjahr in Washington über gleiche Probleme. Der ben Frauen innewohncnbe Wille zum Frieben sucht offenbar nach starkem internationalen Aus- Herriots Mut. Ueber den innerpolitischen Auseinandersetzungen, die mit der An - nahme des Tawesplans zusammenhängen, vergißt die öffentliche Mei - nung im Lande völlig, daß zu dem neuen Reparation-pakt, wie überall, zwei Partner gehören: Der Schuldner Deutschland und der (Bläu biger, da? ist in erster Linie Frankreich. Deutschland stöhnt in Vor aussicht seiner schweren Belastung und sucht dadurch die Welt von dem ungeheuren Opfer zu überzeugen, das es auf sich nimmt (im Interesse des Heben Friedens — so ist doch die Geste); aber es ge - hört in Wahrheit i m gegenwärtigen Augenblick mehi Mut dazu, al6 Vertreter Frankreich? zu diesem Reparationsplan Ja und Amen zu sagen. Mut — nicht weil es im Deutschen Reichstag einen Abgeordnete, Ludendorff gibt ober eine deutsche Bourgeoisie, deren ErsüllungS- wille bisher immer nur im Verhältnis — da? muß leider sestgestell: werden — zu dem wirtschaftlichen Druck gestiegen ist, der auf sie ge - legt wurde. Mut deshalb, weil das (Erbe, da? Poincart ber Linken hinterließ, nicht nur in einer heiklen außenpolitischen, sondern in einer heillosen finanzpolitischen Situation besteh,. Man erinnert sich der Rettungsaktionen, die das Kabinett Poincare im Frühjahr dieses Jahres beim großen Frankensturz vernahm? Nun, die Steuernotgesetze balancieren zwar den französischen Eta, auf dem Papier; aber soviel man hört, besteht immer noch ein burch reelle Einnahmen ungedecktes Defizit von rund t>tej Milliarden Goldfranks. Auch wenn ein günstigerer Steuer- eingang das Defizit im Laufe des Jahres um die Hälfte verkleinern sollte — Finanzpolitiker find bekanntlich notorische Pessimisten — e? genügt, um die Situation Herriot? sehr ungemütlich werden zu kaffen. Mit einem Fehlbetrag von 2 Goldmilliarden im Rücken im kreuz unb quer verbauten außenpolitischen Gelände zu manövrieren, ohn« Vor - behalt auf ben Dawekplan einzugehen — dazu gehört Glaube, Mut, Entschlußkraft, und sehr viel Idealismus. Was hat denn Frankreich au? der Durchführung des neuen Rc- parationsplanes zu erwarten? Vorderhand einmal in barer Münze gar nichts. Ob er Herriot gelingt, entgegen den Interessen der französischen Industriellen dem Lande zu gesteigerter Benutzung der deutschen Sachleistungen Mut zu machen? Man kann in dieser Rich - tung skeptisch bleiben. Aber selbst wenn, dann erhält Frankreich im ersten Jahre in bar rund 200 Goldmillionen, und im zweiten Jahre etwas mehr, wenn — dak „Transfer" es erlaubt! E? wird im aller günstigsten Fall eine Milliarde nicht erreichen. (Und dann ritt von heute auf morgen.) Ob Herriot das nicht weiß? Sicherlich weiß et e?, und genauer als alle die deutschen Leser des Gutachtens, die nur für die Annahme sind in der hämischen Freude, daß Frankreich dann „nichts kriegt." Aber es bleibt der ftanzösischen Politik überhaupt — könnte man bei - nahe sagen — nur dieser kühne Sprung Herriots übrig, um au? der Sackgasse der Ruhrpolitik herauszukommen. Das enthebt un? nicht der Bewunderung vor ber Bravour bc? Herriotschen Entschlusses, diesen Sprung zv machen. Im Gegenteil. Wie viele Biedermänner warten nickt schon hinter den Kulisse» auf den Augenblick, wo das Kabinett der verdammten Linken über das Loch im Defizit stolpert und sich das Genick bricht! Tie ftanzosische Großbourgeoisie wird behufs dessen in steuerbrückebergerischen Künsten ihren deutschen Geschwistern in nichts nachstehen. Und die deutschen Reaktionäre werden, was in ihren Kräften steht, dazutun. Tenn wie ist ungefähr da? Projekt Herriots, um diese gefähr- lichen Finanz-Untiefen rasch zu überwinden? Ersparnisse am HeereS- etat machen — nicht umsonst ist Nolle! als Verfechter bet zwölf - monatigen Dienstzeit sein Kriegsminister geworben —, da? erleichtert nicht nur bie Ausgabeseite des Budgets, da? baut auch da» inter - nationale Mißtrauen gegen Frankreichs waffenklirrende Hegemonial- politik gründlich ab. Es schafft die Bereiffchaft zur Lus- rechnung der interalliierten Schulden, und bereitet den Boden für Anleihen. Herriot rechnet mit einer raschen Realisierung ber beutschen Eisenbahn- unb Jnbuftrieobligationen, wenigstens in solcher Höbe, daß er für? Erste über den Berg kommt. Die An- spannung des internationalen Kapitalmarktes zu diesem Zwecke wird außerordentlich sein. Damit lein Fehlschlag entsteht, muß daher die Sympathie, das Vertrauen, der gute Wille, restlos mobilisiert wer- ben. Die Konstruktion ist kühn, aber sie enthält kein Loch. Tie deutschen Reaktionäre möchten eine? hineinschlagen, indem sic die Annahme der Tawesgesetze und damit die Placierung der Anleihe hinauszuzögern suchen. Sie wollen um jeden Preis den Frieben?» gebauten noch im letzten Augenblick zu Fall bringen. Sie rechnen zu gleicher Zeit damit, daß man, um eben keine Zeit zu verlieren, auf bie qualifizierte Mehrheit verzichten werbe,, mit andern Worten, ihnen erlaubt, sich von der. Verantwortung der Annahme oder Ab - lehnung der Tawesgesetze zu drücken. Sie rechnen weiterhin damit, daß man vor dem „Gespenst de? Wirtschaftszusammenbruches", da? sie schon wieder tanzen lassen, um einer raschen Abwicklung willen zu Kreuze kriecht. Die deutschen Reaktionäre und ihre überklugen deutschnationalen Anwälte sollen sich eines gesagt sein lassen: Falls die deutsche Wirtschaft über einer Hinauszögerung der Tawesgesetze zusammenbrechen sollte (wa? wir bezweifeln), fiele die Verantwortung dafür.einzig ihnen zu. Die Aussicht aber: Wirdin Europa end - lich Frieden? wird auf keinen Fall durch ihre Winkel - züge vereitelt werden. Wenn sie e? nicht ander? druck. — Der Teutsche Frauenausschuß zur Bekämpfung der Schuldlüge hält in Eiicnach eine Schulungswoche unter Beteili - gung namhafter Pazifisten ab. In Gotha tagte der Teutsche Verband der Sozialbeamtinnen und beschäftigte sich mit Wohlfahrts- und Berus-fragen. — Der Hauptverband bavriicher Frauenvereine veranstaltete im Juni in München einen Frauentag von agitatorischem Charakter. — Die ©eneralberfammlung des RcichSverbandes Deutscher Haus - frauenvereine fand im Mai in Frankfurt a. M. statt. „Staat, Wirtschaft unb Haushalt" war da? Thema des Hauptreferats. Die Tagesordnung einer Konferenz de? Nationalbunde? grauen von Südafrika (Jugendwohlsahrt, MuttersckaftSversiche- rung, weibliche Polizisten, grauen für Aemter) zeigt, wie die besonderen Frauenforderungen, die sich au? den Verhältnissen unserer Zeit ergeben, auch in fernen Ländern erhoben werden. Mehr Solidarität Verkäuferinnen haben einen Beruf, der ihre Kräfte meistens viel mehr in Anspruch nimmt, al? es bey Anschein hat. Sie müssen fast den ganzen Tag stehen ober hcrumlaufen. Dabei Hallen sie sich in Räumen auf, deren Luft oft sehr verbrauch! ist, ober bie im Winter mit Rücksicht auf bie Waren nicht genügen!» geheiz: werden. Auch in Zugluft stehen sie nicht selten. Blutarmut, Bleichsucht, Plaltsuß- beschwerden und krankhafte Veränderungen ber Unterieibforgane, da? sind Krankheiten, an denen unzählige Verkäuferinnen leiden. Sehnen sich nun diese armen, überanstrengten, oft sehr jungen Verkäuferinnen gegen Abend danach, daß bald die -stunde naht, wo sie endlich einmal ein wenig sitzen können, bann erscheint ein wahrer Strom gedankenloser Käuferinnen. Allen ist in der letzten halben Stunde vor Ladenschluß eingefallen, was alles noch im Haushalt fehlt. Ist e? wirklich nötig, daß bie Verkäuferinnen noch einmal kurz vor Ladenschluß so überanstrengt werben? Hätten sie nicht vollauf zu tun mit ber Bedienung ber erwerb fingen Frauen, bie am Tage keine Zeit zum Einkauf haben? Muß wtrklich jede Hausfrau all - abendlich praktisch dartunchaß es ihr vollkommen Ort SolidaritätSgesühl