D« „Oameetutt ®d)e~ t» f<®etnt täglich einmal, außer den i. Feiertagen, ve,n, «preis: monatlich.. ii.50 Mark, wSchentttch. O.tMl Mark, für Abholer 0,55 Marl. Such durch d.Dost,u bejithen. Dresse freibleibend. Redaktion: geOlanbftrafie 11, erster Stock. Fernsprecher: «lbe 1691/1686. Verantwortlicher Redakteur: Paul Bagdahn, Alton». Buchhandlung: Erdgeschoß. Buchdruckerei.Kontor: 8ehlandstratzell,erster«toL SmzelverkanfrpreiS 10 Pfennig. An,rtgenpreise verstehen stch in Oiolbmart: die isgelvalt. yetttieile 40 Pig. Private Fa-.uilien. Adrigen 20 Dkg. Stellenangebote 25 Plennig, Stellengesuche 2O>lssg. »leine Anzeigen dir 0 Zeil, die Seile 2OW, 10ö.l53ett.25'llf8. :Re»ame, 3 Mk. «n,eigen müssen *:n ootauS ober sofort r ezahli werden. An,eigen-Annahme strhiandftratze li im ersten Stock (bt# 7 Uhr abend» lut den folgenden lag) in den Filialen idiS 8 Uhr) und In allen Snnoncen>®ureau6. Mag. und Tatennorfchriften ohne Verbindlichkeit. Ur. 264. Donnerstag, den 25. September 1924 38. Jahrgang. Ikaros! Falls nicht der höchste Gott der Stürme Einspruch erhebt, wird der große Zeppelin heute nachmittag Hamburg überfliegen. Ein stolzer Tag! Ein Tag der Verheißung, daß nächstens kein Hindernis unüberwindbar bleibt. Denn wenn der Flug vom Bodensee nach der Nordsee, der Nachtflug über Nord- und Ostsee und über Stettin und Berlin der Heimflug gelingt: dann dürfen wir vertrauen, daß nächstens das beschwingte Ungetüm sicher in Amerika landen und dort geduldig und zuverlässig wie ehedem in Deutschland die gelbe Postkutsche als Beförderungs - mittel für Briefe, Pakete und Personen dienen wird. Geduldig und zuverlässig, aber der Geduld die Schnelligkeit paarend und so der Ungeduld dieser hastenden Zeit und ihrem Bedürfnis nach Ueberwindung weiter Räume entgegenkommend. Dieser Zeppelin soll regelmäßig zwischen dem Atlantic und Pacific fliegen, seine Postroute wird beiläufig sich so weit fpannen, wie London vom Ural entfernt ist! Die Griechen hatten den schönen Mythos von Ikaros, der mit Hilfe wächserner Flügel dem Labyrinth-Verlicß entfloh; die Trunkenheit seines Geistes riß ihn zu hoch empor, die Sonne schmelzte die Flügel und Ikaros stürzte ins Meer, das heute noch seinen Namen trägt. Auch Zeppelins Ideenflug erlitt Ab- stürze, die ihn schier zermalmten; aber im kritischen Augenblick flog ihm das solidarische Empfinden seines Volkes zu und ver- half ihm zu sokkderen Flügeln. Auf den Schultern seiner Vor- gänger stehend, von denen mancher den Absturz mit dem Leben bezahlt hatte, kam Zeppelin zur Konstruktion eines starren Luft - schiffes, das sich dank den Fortschritten im Motorenbau als voll - kommen lenkbar bewährte. Das Reich lauste ihm 2 Schiffe sür 2 Millionen Mark ab. Aber noch im selben Jahre 1908 zer - störte bei Echterdingen ein Sturm sein vervollkommnetes Schiff, und wenn jetzt nicht das Volksempfinden Feuer gefangen hätte, wäre die Werft bei Friedrichshafen vielleicht bald verödet. Ueber 6 Niillionen brachte eine allgemeine deutsche Sammlung auf, diese Summe wurde halbiert, die eine Hälfte diente der Förde - rung des Flugproblems, die andere der Weiterführung der Arbeiten Zeppelins. Nicht lange vor dem Kriege zeigte dann die Ila (Internationale Lustfahrt-Ausstellung) in Frankfurt a. M., wie von den verschiedensten Seiten auf mannigfache Weise die Ueberwindung des Flugproblems in Angriff genommen war. Während die Volksmassen in sportlicher Begeisterung ausflammten und Schwärmer und Denker vom Triumph des menschlichen Geistes sprachen, schätzten die Regierenden und Militärs die Errungenschaft nach ihrer Verwendung im Kriege. Der Krieg zeigte bann, daß die deutschen Militärgemaltigen sich gründlich verrechnet hatten: nicht Zeppelinsche Kolosse, die allenfalls zu dem Torenstreich der Heimsuchung Londons tauglich waren, sondern die flinken, mit höchstens ein paar Mann besetzten und leichter eisetzbaren Flugzeuge waren das taugliche Ausklärungs- und Kampfgerät. Niühsam und unzulänglich holte Deutschland im Kriege nach, was auf diesem Gebiet versäumt war. Ter Ausgang des Krieges aber bedrohte überhaupt die deutsche Flugzeug- und Luft- schiff-Jndustrie mit dem Untergang. An Frankreich und Italien mußten Zeppeline abgeliefert werden, die, von Unkundigen be- dient, sehr bald in Trümmer gingen — die Totcnglocke für die Zeppelinwerft begann zu läuten. Da aber bekundeten die Ver - einigten Staaten von Amerika tätiges Interesse. Ueber dem großen Wasser ist man an großzügiges Denken gewöhnt, Geld - mangel steht nicht im Wege, die Haßgefühle ebbten zurück: die Zeppelinwerst bekam den Auftrag zum Bau des Schiffes, das uns jetzt besucht. Ein Lustgoliath, der alle Riesen weit hinter sich läßt, die je von Friedrichshasen ausgestiegen sind. Aber auch Ausgaben find ihm gestellt, wie nie vorher. Flüge über die Alpengipfel hat Zeppelin (der Alte ist tot, sein Name lebt!) vorher schon geleistet und damit die Steig- und Manövrierfähigkeit des Systems dargetan. Flüge weit über Land und Meer bewiesen die Ausdauer. Aber eine Fahrt nach Amerika, das ist noch ein anderes Stück, und regelmäßige Flüge vom Atlantischen zum Stillen Ozean mst Ueberwindung von Gebirgen: dazu gehört eine außerordentliche Stabilität und Zuverlässigkeit der Motoren! Daß deutscher Geist und deutsche Arbeit ein solches Werk schaffen, dessen laßt uns froh sein. Im Krieg hat Deutschland gezeigt, daß es die See- sperre unter dem Wasser durchbrach; dem wird der schönere Sieg in der Luft, der jetzt schon als wichtigster Posten in der Rechnung sür die Ueberwindung der Arktis gilt und zu neuen großen Entdeckungen verhelfen soll, sich anschließen. Auch dieses ein Beweis der Unentbehrlichkeit des deutschen WeUbewerbs! Allerdings guckt auch hier wieder die deutsche Tragik hervor: den Deutschen der geistige-Triumph, den Angelsachsen der materielle Erfolg! Wir bauen das Verkehrsinstrument, die anderen organi - sieren den Verkehr! Dennoch: auch so ist die jüngste Tat ein Zeugnis neuen deutschen Aufstiegs! Und schließlich muß Ikaros den Drang zur Sonnenhöhe in sich tragen, ehe jene, die im Erdenstaub zurückbleiben, als Kärrner ihren Vorteil haben. Ikaros, sei gegrüßt! Der $of im RieS. Novelle von Gustav Schröer. [26] Es sind genug Stimmen laut geworden, die Walter Hun - zingers Ende der Klagen nicht wert hielten, die der Alte an- stimmt. Er ist ein Betrüger, ein Trinker, ein Heuchler und Tagedieb gewesen, die'Welt hat nicht viel an ihm verloren, er hätte zur Not auch auf den Leopold Wächter geschossen, aber — der jammernde, fluchende, Wächterhaus und Ried verwünschende Alte ist sein Vater und — gleich totschlagen den Walter, das war auch nicht nötig. Einen Denkzettel, einen gehörigen, wenn es sein mußte, aber gleich totschlagen! Und was nun gleich auf den Alten loskommt! Die Scheune niedergebrannt, der Sohn tot, Hof und Feld unter dem Ham - mer. Er kann sich nicht wieder aufrichten. Da und dort ein Geschäft, mehr aus Erbarmen als aus Zutrauen und Kauflust. 'Nach kurzer Zeit aber kein größeres mehr. Hunzinger betrügt gar zu schamlos. Krakeel in den Wirtshäusern, in denen der Händler mit seiner Not prahlt, bis er darüber heult. Im Herbst zieht er ins Armenhaus. So viel, daß er trin - ken sann, erwirbt er auf seinen Schacherwegen immer noch. Hcimkehrend steht er dann, einerlei ob Tag ob Nacht, unter Mutter Wächters Fenstern, barmt, heult, flucht. Und fluchend steht er über dem Flußarme und schwingt die Faust gegen den Hof im Ried. Da hat Wilhelm Wächter zwei Hunde angeschafft. Einen für die Mutter — das ist nur ein scharfer Spitz — und einen für Regina. Die hat einen starken, dunkelhaarigen Schäferhund erhalten, und Wilhelm hat das Tier so abgerich - tet, daß c-3 ohne Besinnen ins Wasser springt, wenn sich Hun - zinger drüben zeigt. So weit hat ihn Wilhelm schon gebracht, xhe Regina vom Krankenlager aufsteht. Der halbe Schritt zum Völkerbund. Kühle» Auslandsecho. Der gestern mitgeteilte Beschluß des Kabinetts zum Eintritt in den Völkerbund wird von der republikanischen Presse Deutsch - lands in der Hoffnung gelobt, daß man das Zögern in dieser Frage doch noch rechtzeitig und rückhaltlos ausgeben werde. Die reaktionäre Presse vermißt schmerzlich ihre geliebte Kriegsschuld - note und rechnet damit, daß in Sachen des Völkerbundseintritts der Beschluß des Kabinetts eine Vertagung auf gehörige Zeit zur Folge haben werde. Indessen scheint niemand in den schwarz- weiß-roten Redaktionen mehr zu glauben, daß der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund noch endgültig zu verhindern fei. Man scheint auf dieser Seite nach und nach den Eintritt als un - abwendbar hinzunehmen und freut sich dafür an jeder Ver - zögerung und jeder Schwierigkeit, die das Ungeschick der Re - gierung in dieser Sache anrichtet und noch anrichten wird. Da- gegen protestiert die Rote Fahne mit aller Schärfe gegen den bevorstehenden Schritt und nennt ihn eine feige Verbeugung vor den Siegern. Im Ausland ist man ziemlich allgemein Über die gefährliche Unbestimmtheit des amtlichen Communiquös verstimmt. Wir haben schon gestern daraus ausführlich hingewiesen und dürfen feststellen, daß unsere Kritik nicht ins Leere gegangen ist. Be - merkenswert erscheint uns die Meinung der Neuen Züricher Zeitung, deren Berliner Korrespondent darauf hinweist, daß Deutschland, wie schon so oft, sich die Schwierigkeiten selber schaffe, über die es sich nachher Beilage. Wenn Deutschland unnötiger - weise darauf bestehe, die Frage der Neuanerkennung des Ver - sailler Vertrages beim Eintritt in den Bund zu diskutieren, so könne eS gar nicht ausbleiben, daß vor allem Frankreich eine solche Neuanerkennung verlange. Immer noch fehle der deutschen Politik die Einsicht, daß man heikle Fragen durch Schweigen zur Vertagung und damit zur Erledigung Bringen könne. b Das gesamte Auslandsecho Bestärkt uns erneut in der Auf - fassung, daß die deutsche Regierung mit dem würdelosen Feilschen um Bedingungen ein gefährliches Spiel spielt und leicht die deutsche RepuBlik in dieselbe peinliche Lage hineinmanövrieren kann, in die das kaiserliche Deutschland so oft in internationalen Friedensfragen hineingeraten ist. Die Neichsregierung bereitet indes eine Denkschrift zur Eintrittsfrage vor, die allen Mächten, die im Völkerbunds- rat vertreten sind, zur Kenntnis vorgelegt werden soll. Es ver - lautet, daß in dieser Denkschrift auch das Kriegsschuldproblem in irgendeiner Form berührt werden wird. Senefth über den neuen Schiedsgerichtsplan. - SPD. Genf', 25. September. (Eigener Rundfunk.) Der tschechoslowakische Außenminister gab am Mittwoch nach - mittag in der 3. Kommission eine übersichtliche Gegenüberstellung des bisherigen Verfahrens im Falle von Konflikten nach dem Völkerbundspakt und nach dem Entwurf des Protokolls, Danach spielt sich das neue Verfahren folgendermaßen ab: 1. Der Konflikt bricht auB. 2. Das Schiedsgerichtsverfahren wird eingeleitet. Der Rat greift ein, wenn ein Teil zum Kriege schreitet, wenn er das Schiedsgerichtsverfahren ablehnt, ober wenn er die vom Rate angeorbneten provisorischen Maßnahmen zur Verhinberung bes Konfliktes »ber seiner Verschärfung nicht einhält. Der Rat stellt bann fest, wer ber Angreifer ist. 4. Eine Feststellung bes Angreifers setzt Sanktionen wirt - schaftlicher, finanzieller unb militärischer Art, barunter auch die Sanktionen zu Wasser und in der Luft, automatisch in Kraft. Ihre Durchführung erfolgt unverzüglich ohne weitere Beschlüsse. Der Vorteil des neuen Systems gegenüber dem früheren besteht besonders darin, daß nicht mehr eine Stimme des Rates einen Beschluß verhindern kann, und darin, daß ber Rat ben unbebingten Angreifer feststellen must. Dadurch wird für jeden Staat: 1. die Verpflichtung wirksam, die Sanktionen aller Art durch - zuführen. 2. Die Durchführung erfolgt gemäß der praktischen Not - wendigkeit nach Ansicht des Rates und entsprechend der vorher - gegangenen Einigung unter den Ländern. 3. Die zur Verfügung stehenden ^Streitkräfte sind zwar nickt ganz genau angegeben, aber jeder Staat ist verpflichtet, loyale und wirksame Unterstützung zur Bestrafung des „Angreifers" bereitzustellen. 4. Die Staaten können vorher mitteilen, was sie in An - betracht ihrer geographischen, historischen und politischen Lage tun können unb werben. Vernichtung von Stammrollen. Die Interalliierte Militärkommission fordert bekanntlich mit Berufung auf den Artikel 178 des Versailler Vertrages die Ver- nichtung" aller Bet den Zivilbehörden vorhandenen Urkunden. Listen, Stammrollen usw., die eventuell für Rekrutierung unb Mobilisierung in Frage kommen könnten. Der preußische Innen - minister erläßt im Zusammenhang damit nunmehr eine Ver - fügung, nach der alle für Mobilmachungspläne, Landwehr - und Landsturmrollen usw. in Frage kommenden Akten vernichtet werden sollen. Akten von besoiiderm wissenschaftlichen Wert müssen an das zuständige Stvatsarchiv abgeführt werden. Akten, die für Wiedereinbürgerungsanträge, für die Uebungen ber Reichswehr, ihre Einsetzung bei Unruhen usw. von Wichtigkeit sinb, sinb ebenfalls von ber Vernichtung ausgeschlossen. Die vom Innenminister vorgenommene Aufzählung ber zu vernichtenben Akten gibt nur Anhaltspunkte. Im einzelnen ist ber Aktenbestanb ber verschiedenen Dienststellen unter persön - licher Verantwortung der Leiter der Stellen sorg, fällig zu sichten und alles, was für die Zwecke der Verwaltung nicht in Betracht kommt, auszuscheiden. Der Minister ersucht die Ober- und Regierungspräsidenten, Landräte und Oberbürger, meister, sowie die preußische Finanz- und Baudirektion in Berlin, die Einstampfungsarbeiten zu beschleunigen. Mutter Wächter verlangt vorn Schulzen, daß er ihr Hun - zinger vorn Halse hält. Der nimmt ihn vor, der Armen - häusler trotzt. Die Warhcit muß man sagen dürfen. „Hat Euch früher jemand sagen dürfen, Ihr hättet Schulden?" „Das ist ganz was anderes." „Anderes ja, aber sonst dasselbe. — Laß Deine Dumm - heiten, sonst müssen wir zugrcifen." Wochen, in denen er mit krummem Rücken am Wächter - hofe vorübergeht, dann auf einmal in der Nacht derselbe Lärm. Auch darunter leidet Mutter Wächter mehr als sie Wort haben will. — Nun ist Wilhelm bei den Soldaten, und seine Mutter sitzt neben Regina am Tische. „Regina, wenn'S Dir recht ist, sehen wir, daß wir einen finden, der hierher paßt. Nicht zu alt, nicht zu jung. Auf die lange Bank können wir das aber nicht mehr schieben." „Nun geht's wieder wie früher! Fremde Leute, mit denen man seine Not hat." „Das braucht's nicht. ES gibt auch wackere Menschen, die sich ihr täglich Brot verdienen müssen. Ich will mich umtun." „ES muß wohl sein, und Du wirst schon das Rechte finden." „Mach'S Dir nicht gar zu schwer, Regina. Wir müssen halt doch einmal leben." Ja, jetzt muß ich das. Wenn ... Ich hatte es mir anders gedacht." „Mädel!" „Jetzt muß ich leben. Wenn der Leopold kommt, braucht er mich." „Und Du ihn." „Ich ihn." Dumpf und schwer sagt sie es. Mutter Wächter drängend: „Nimm Dir ein Beispiel an mir. Ich bin eine alte Frau, aber ich lasse mich nicht klein kriegen. Trifft's mich nicht gerade so hart?" von -er Zlucht -er Erzbergermöröer. SPD. Prag, 23. September. Erst vor wenigen Wochen ist bekanntgeworben, baß sich bie Erzbergermörber auf ihrer Flucht aus Deutschlanb auch in ber Tschechoslowakei, unb zwar in ber Stabt Kaschau, aufgehalten haben. Inzwischen konnten wir festftellen, baß sich über ben Auf - enthalt im Kafchauer Polizeiarchiv folgenbes Protokoll befinbet: Am 11. August 1922 würben in ber Nähe ber Stabt Kaschau, an ber tschechoslowakisch-ungarischen Grenze von ber tschechoslowakischen Grenzwache zwei junge Leute verhaftet, bie bie Grenze ohne Paß überschreiten wollten. Beibe würben ver- haftet, in bie Direktion ber Staatspolizei nach Kaschau ein - geführt, wo sie ein Gestänbnis gemacht haben, aus bem her - vorgeht: August Fischer unb Johann Schulze, 19 Jahre alte Universitätshörer, kommen von Hamburg burch Deutschlanb nach ber Tschechoslowakei, um von hier nach Ungarn zu flüchten. Beibe sind mit laufenden Zahlen versehene Mit - glieder ber Organisation „Eons ul". Schulze trägt bie Nummer 2312. Sie stehen mit ihren ungarischen Gesinnungsgenossen, zu benen sie hinüber wollen, in Serbin- bung. Unzählige Bubapester Abressen würben bei ihnen vor- gefunben. Bei ihrer Verhaftung bitten sie sehr verzweifelt, nicht nach Hause geschickt zu werden, sie wollten lieber Selbst - mord begehen. „Nur nicht nach Deutschland" bitten sie. Bemerkenswert ist darüber hinaus, daß bie Kaschauer Blätter nach der Verhaftung von der Kaschauer Polizeikorrespondenz ein fünfzeiliges Eommunique! zugestellt erhielten, in dem berichtet wird, daß zwei junge Leute wegen Versuches der unerlaubten Grenzübersckreitung verhaftet wurden. Vier Tage nach ihrer Verhaftung find Fischer und Schulze gelegentlich eine? Spazier - ganges im Gefängnishof geflüchtet unb in ber gleichen Nacht bei Hibasnemeii über die Grenze nach Ungarn gegangen. Seitdem ist der Kaschauer Polizei über die beiden Mörder nichts bekannt gewesen. Tie Rolle ber Kaschauer Polizei unb ihre? Direktors Dr. Klima in ber Affäre ist nicht ganz klar. Ohne irgenbwelche Verbächtigungen aussprechen zu wollen, muß boch festgestellt werden, daß den Flüchtlingen gerade auf Anordnung Dr. Klimas ein vier- bis fünfstündiger täglicher Spaziergang im Gesängni?- hof bewilligt wurde. Der Umstand, daß nach ihrer Flucht einige Beamte der Kaschauer Polizeidirektion strafweise versetzt wurden, spricht gerade nicht für eine ordnungsgemäße Inhaftierung. Schließlich sei noch erwähnt, daß auch ber Zeitungsreferent der Kaschauer Polizeidirektion die strenge Anordnung erhielt, alle Berichte über diese Angelegenheit zu konfiszieren. ———— , LuSenöorffjHe militärische Seheimorganisotion. SPD. München, 24. September. Von einer Seite, bie ganz offensichtlich Einblick in bie beschlagnahmten Akten bes Frontbannes hatte, erfährt die der Regierung nahestehende Augsburger Postzeitung folgende Einzelheiten über die Organi - sation des Frontringes: Ter Frontring 'ist eine militärische Kampforganisation nach jeder Richtung hin. Er ist militärisch gegliedert und aufgebaut, er hat Oberkommandos, Abschnitt- kommandos, Truppenkommandos, Bezirkskommandos und öktliche Kommandos eingerichtet, die streng militärisch geführt werden. Es gab Befehle des Oberkommandos, eS gab Bataillonsbefehle, ganz wie beim Militär, im selben Ton, in derselben Form, mit demselben Inhalt. Es wurde unbedingter militärischer Gehor - sam und unbedingte Anerkennung der Führer verlangt. Man hatte auch formell einen Fahneneib, man gab 2 icnft- unb selbst Bekleibungsvorschriften heraus, ganz im militärischen Stil, sogar mit Tuchprobe unb Anleitung zum Maßnehmen ber Uniformen. Unter diesen Umständen wird der StaatSgerichtshos eine einfache Arbeit zu leisten haben. Es fragt sich nur, ob auch diesmal wieder nur bie kleinen Hanblanger bas Bab auSsaufei: müssen, währenb bie „Schirmherren" Subenborff unb Röhm als immune Reichstagsabgeordnete frei ausgehen können. Dentsther StSötetag und Zal! Leinert. In ber VorstanbSsitzung bes in Hannover zusammengetrete - nen Stäbtetages verlas Oberbürgermeister Böß- Berlin ein BegrüßungStelegramm bes infolge Krankheit abwesenden Ober - bürgermeisters Leinert-Hannover. Dor Eintritt in die Tages - ordnung gaben die sozialdemokratischen Mitglieder des Vorstandes die Erklärung ab, daß sie angesichts des Verhaltens des hannover - schen Magistrats gegen ben Oberbürgermeister Seiners nicht in ber Sage seien, ben Einlabungen ber Stabt Hannover Folge zu leisten. Sie begrünbeten ihre Ab - lehnung bamit, daß der Magistrat gegen ben Oberbürgermeister ein Disziplinarverfahren eingeleitet habe, bas man als eine Provokation b e 5 Stäbtetage? empfinben müfete_unb eS ihnen ihr Anstanbsgefühl verbietet, ber Einlabung der Stadt Hannover zu folgen. Die sozialdemokratische Fraktion des Städtetages, bie am Abend zu ihrer ersten Besprechung zu - sammentrat, beschloß ebenfalls, ber Einlabung der Stadt Hannover nicht Folge zu leisten unb diesen Beschluß bei der Eröffnung der Tagung durch eine Erklärung zu begründen. Ter HauvtauSschuh des preußischen Landtags einigte sich auf einen Antrag der Koalitionsparteien, ber bie Lanbwirt schäft mit Rücksicht auf bie schlechte Ernte von der Hauszins- st euer befreit, unb bie Erhöhung ber allgemeinen HauszinS st euer am 1. Oktober (100 % — 4 % Friebens- miete) zwar eintreten läßt, aber von dieser Erhöhung nur die Hälfte dem Staate, bie andere Hälfte der Förderung der Neu - bautätigkeit vorbehält, und für den Ausfall zum Teil durch eine Verschiebung der VolkSschullasten Deckung schafft. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen. Regina sicht Mutter Wächter verwundert in das Gesicht. I „Nein, Mutter. DaS ist gar nicht zu vergleichen." „Nanu. Ich dächte, wenn man sein eigen Fleisch und Blut . . . Wir wollen nicht mehr drüber reden. Mir wär' in der Nacht dazumal der Tod wahrhaftig recht gewesen. Ich lebe aber, also muß ich mich auch wehren." Ihre Augen blitzen hinüber in Reginas müdes Gesicht. ♦ Mutter Wächter hat Glück. Sie findet einen braven, recht - schaffenen Menschen, der als Knecht auf den Hof im Ried geht. August Klarner bringt allen guten Willen mit, aber nach der FrühjahrSarbcit geht er. Es ist doch zu einsam auf dem Ried. Vier sind es, die im Laufe kurzer Zeit wechseln. Darunter sind zwei, die Regina gern zum Weibe nehmen würden. Alle vier Menschen, strotzend in Saft und Kraft. Regina Roßwein nimmt sich kein Beispiel an Mutter Wächter — das könnte sie gar nicht — aber sie stellt sich dennoch wieder fest auf ihre zwei Beine. Ihr Leben darf nicht aus sein; denn davon hängt ein zweites ab. ES darf nicht einmal halb sein; denn an ihm soll ein anderes ge - sunden. Saat und Ernte, Saat und reifende Ernte. Da ist die Zeit um. „Hermine, morgen fahre ich fort, übermorgen machst Du alles rein. Kannst ein paar Blumen auf den Tisch stellen. Uebermorgen kommen wir zusammen wieder." „Zusammen? Wer denn?" „Wer? Dem Leopold seine Zeit ist um." „Der kommt jetzt auf den Hof?" „Hast Du Dir das anders gedacht?" „Das will ich meinen. Regina, was sollen denn die Leute sagen?" Verwunderte Augen, ein Herz, das nicht begreifen kann. I Die Regierung gegen /lufwertung. WTB. Berlin, 24. September. In der heutigen Rach. Mittagssitzung des Aufwertungsaussckusies über die AufwertungS- frage ließ die Reichsregierung, wie aus parlamentarischen Kreisen verlautet, ihren Standpunkt dahin erklären, daß eine Auswertung oder auch nur eine geringe Verzinsung im jetzigen Zeitpunkt voll- kommen unmöglich sei. Ter Beweis der Nnmöglichkeit wurde, wie verlautet, an Hand der kommenden Etatzahlen gegeben. ♦ Gegen die Spekulation WTB. Berlin, 24. September. Der Unterausschuß des AufwertungsauSschusses des Reichstags trat heute vormittag zu einer Sitzung zusammen. Die Beratungen sind noch nicht ab- geschloffen. Es kann jedoch bisher schon als einmütige Ansicht aller Parteien feftgefteUt werben, baß ber Spekulation jeber SBobcn entzogen werben müsse unb baß für eine eventuelle Auf - wertung lediglich ber nachweisbar „alte Besitz" in Frage kommen würbe. Sozialdemokratischer Wahlsieg in Litauen. ^PD. K o w n o , 24. September. (Eigener Drahtberichl.) Nunmehr liegen über ben Verlauf ber Wahlen zu ben Gemeindevertretungen, bie am 19. unb 20. September ftattfanben, au$ ben Provinzen SitauenS nähere Melbungen vor. Fast burch- weg haben bie Sozialdemokraten sehr gut abgeschnitten. In manchen Orten, zum Beispiel in Schaulen, haben sie die weitaus stärkste Stimmenzahl zu verzeichnen. Außerdem hat auch die kleinbäuerliche Volkspartei, die^ ebenfalls links orientiert ist unb an manchen Lrten mit bet sozialdemokratischen Partei Wahl - kompromisse schloß, eine große Anzahl ber Stimmen auf sich bereinigt. Die Ehriftlich-Demokratcn klerikalen) unb bie mit ihnen svmpathisierenben Nachläufer haben in biefem Wahlkampf erbärmlich schlecht abgeschnitten. Das ist bie Quittung, bie ihnen für ihre unverantwortliche Regierungspolitik, bie Sitauen an ben Raub des Abgrundes gebracht hat, von dem Volk erteilt worden ist. Das ettogültige Ergebnis ber litauischen Gemeinbewahlen wird erst in einigen Tagen festgestellt sein, jedoch läßt sich schon jetzt mit Bestimmtheit sagen, daß es mit der chriftlick-demokrati- l'chen Bankerottwirtschaft vorläufig in den Gemeindeverwaltungen vorbei ist. Ten Hauptanteil an diesem Kulturfortschritt trägt die Sozialdemokratische Partei Litauens, die besonders in diesem Wahlkampf eine sehr rege Agitationstätigkeit entfaltet hat. In diesem Sinne eröffnet sich ein günstiger Ausblick auf bie im übernächsten Jahre jtattfinbenben Wahlen zum litauischen Sejm, dessen Zusammensetzung dann wohl eine grundumitürzende Aenderung erfahren dürfte. Wahl in Schweden. WTB. Stockholm, 24. September. DaS erste Teilergeb - nis der Wahlen zur zweiten Kammer des schwedischen Reichstag?, bie sich über mehrere Tage erstrecken, liegt nunmehr vor. In ber Stabt Gotenburg, bie jetzt 9 Abgeorbnete gegen 8 bei ber Wabl im Jahre 1921 wählt, gewann bie Rechte baS neue Manbat unb erhielt somit 3 Abgeorbnete. Die Liberalen und Sozialdemo, traten haben wie bei der vorigen Wahl 1 beziehungsweise 5 Man - date erhalten. öedrohiiche Loge des englischen öergboues. SPD. Sonbön, 24. September. (Big. Drahtbericht.: Tie Aussprache Maebonalbs mit ben Bergarbeitern über deren Besorgnisse wegen der Durchführung des Tciwes-Planes ist auf den 1. Oktober festgesetzt. Die Sage des englischen Kohlen - marktes wirb von den Bergleuten als hoffnungslos bezeichnet. In Nordhumberlaiid und Durham sind allein 26 000 Bergarbeiter arbeitslos. Im letzten Jahre sei der KohlenpreiS in diesen Distrikten 35 Schilling gewesen, jetzt aber 19 und es sei noch schwierig, für diesen Preis zu verkaufen. Daran seien die deut - schen Kohlenlieferungen an Belgien und Frankreich schuld. In ben englischen Bergwerken werbe verkürzt gearbeitet, während in den deutschen Bergwerken die Arbeitszeit hätte verlängert werden müssen. Da durch die Sonboner Uebereinkommen die Festsetzung deutscher Kohlenlieferungen für Reparationszwecke festgesetzt worden seien, bestünde keine Hoffnung auf eine Ver- Besserung dek englischen Kohlenhandels, besten Tiefstand uner - träglich auf die Sage des Arbeiters drücke. Nusiisch-rumänisiher Zwischenfall l SPD. Wien, 24. September. (Eigener Drahtberichl. Bolschewistische Truppen unter Führung von Offizieren der Roten Armee sollen in Bessarabien eingebrunjjcn fein. Die rumänischen Truppen hätten in einem kräftigen Gegenstoß die Russen wieder über bie Grenze geworfen. Ter Kampf sei sehr blutig gewesen. Es wird berichtet, daß 300 russische Soldaten ihr Seben eingebüßt haben. Bei den gefangenen Russen will mar sehr wichtige Schriftstücke gefunden haben. Kommunisteu-Verurteilung. Der Staatsgerichtshof in Lcipz-g verurteilte wegen Vorbereitung zum Hochverrat den Bank - angestellten Otto Maier zu 4 Jahren Gefängnis. Maier hat an Schupo- und GJenbarmeriebcamte Flugblätter berfanbt, die auf - fordern, den bestehenden Staat mit Waffengewalt zu bekämpfen. Der Staatsgerichtshof nahm an, daß kein besonders sckwerer Fall vorliege und sah deswegen von einer Zuchthausstrafe ab, mußte aber nach dem Gesetz eine hohe Gefängnisstrafe auSsprechen, weil die Tat zur Ausführung gekommen ist. „Was die Leute dazu sagen sollen? Hermine, kann denn das anders sein? Wo soll er denn hin?" „Mag er doch wieder nach Westfalen gehen." Regina richtet sich auf. „Hierher kommt er, und wenn Dir das nicht paßt, dann brauchst Du das bloß zu sagen." * Ein goldener Spätsommertag. Regina wandert in den Straßen der Stadt dahin. Sic sucht das Gefängnis. Das ist ein grauer, maucr- -umwehrter Bau. Zehn gehen an ihr vorüber, hundert. Sic stcht und wagt nicht zu fragen, ob sic am richtigen Platze sei. Endlich ein junger Bursche, der aussieht, als wäre er mit dem Leben zusammcngecckt. „Ich wüßte gerne, ob das da§ Gefängnis ist." „Freilich. — Haben Sie denn da auch was zu suchen, Fräulein?" „Nein." Er lacht und schlendert weiter. Regina klingelt. Ein mürrischer Beamter steckt den Kopf durch die Tür. „Können Sie mir wohl sagen, wann Leopold Wächter entlüften wird?" „Wächter? Morgen früh um acht." Der Morgen webt Sonnenlicht um alle Türme. Regina wartet. Leopold Wächter tritt aus dem Tore. „Guten Morgen, Leopold." Der erschrickt. „Du, Regina? Was willst denn Du?" „Leopold!" Sie nimmt seine .Hand^ „Wir wollen hier nicht sichen bleiben." Durch ein paar Seitenstraßen hinaus aus dem Gcwoge der Menschen. Fabrikschornstcine,^ hohe, kahle Mauern, hungernde Gärten, ein Feldweg, der auf einen Hügel zu führt. (Fortsetzung folgt.)