Ur. 270 Mittwoch, den 1. Oktober 1924 38. Jahrgang *o» „e>innburger Sch»" er - scheint tSgttch einmal, außer den 2. Feiertagen. Be,ugSPreim Sochverständigengutachlen al? ein vorübergehender Zahlungsmtttel anerkannt worden. Tie französische Regierung versichert, daß ste in keiner Weise da» Reich über den Tawesplan htnanS zu^be- lasten oder die TranSferierungSklausel zu umgehen gedenke. r_et nationalistische Eclair hebt jedoch hervor, daß die franzostiche Ant - wort keine glatte Akdnnog der deutschen Note bedeute. Ausweisungen aui emt besetzten Gebiet wurden Widder eine Anzahl zurückgenommen. Nunmehr enthält die Liste der- jenigen Personen, deren AuStveii'ung noch nickt zurückgenommen ist, nod) 53 Namen. Die Verhandlungen darüber werden weiter fortgesetzt- Der Hof im Mied. Novelle von Gustav Schröer. [31] „Leopold," so ist es mir oft genug gegangen. Das bin ich schon gewöhnt, und darüber mußt Tu Dich nicht ärgern. Gute Leute sind so rar wie der Schnee um Johanni. Wenn wir niemand kriegen, ist auch weiter nichts dabei. Was wir brauchen, das bauen wir reichlich, auch wenn wir den Kreuz - acker und den am dürren Wege brach liegen lassen." — Der alte Hunzinger ha! einen Freund gesunden. An den hätte er zu allerletzt gedacht. Wilhelm ist es. Der gibt ihm (Selb. Reichlich viel Geld. Aus Erbarmen, um dem Manne zu helfen? Nein. Ihn umzubringen, darum gibt er es ihm. Hunzinger hält bloß dann den Mund, wenn er toll und voll betrunken ist. Gut, so soll er c8 immer sein. In die Nähe des Wüchterhofes kommt er so wenig wie an das Ried. Er fürchtet die Hunde. Aber draußen herum winselt er sein altes Klagelied. Wilhelm gibt ihm Geld. Einmal wird er sich so betrinken, daß er entweder irgendwo erfriert oder daß ihn der Schlag rührt ober daß er das Delirium kriegt und fort muß. Keines geschieht. Er gewöhnt sich an bas Mehr, aber er ist wenigstens still, weil er jeden Tag stiermüßig bctninfen ist. Auf das Ried kommt Wilhelm jetzt selten. Er geht auf die Freit, und es ist bloß noch ungewiß, ob er nach Hermanns - au ober das Mädchen auf den Wächterhof zieht. „Du hättest noch Zeit," sagt die Mutter. „Mit Deinen dreiundzwanzig Jahren." „Wir heiraten ja auch nicht heute und morgen, aber mit dem Zeithaben, ich dächte, da hätten wir die Nase voll." Da schweigt Mutter Wächter. AIS der Frühling um die Ecken lugt, kommen die Schlegel- piildjs zum Besuch auf das Ried. Wieder ein schöner Tag mit den schlichten, warmherzigen Menschen. Die wundern sich, daß der Hof ohne Gesinde ist. Leopold erzählt, wie es ihnen ging. Martha Schlegelmilch wendet sich an ihren Mann: „Martin, sollte dem Hausmann seine nicht herziehn mögen? Sie hat ein Kind . . ." „Das kann sie mitbringen," fällt Regina lebhaft ein. „. . . ist aber sonst ein ehrliches, fleißiges Mädel. Ich will doch einmal mit ihren Leuten reden." Als Leopold und Martin ein Ende vor das Tor gehn, fragt Schlegelmilch: „Wann wollt Ihr denn nun eigentlich heiraten, Leopold?" „Ich weiß noch nicht, Martin." „Habt Ihr denn noch nicht lange genug gewartet? In Ordnung muß doch die Sache kommen. So hat es doch kein Geschick." Leopold hat sich am selben Abende den Finger gequetscht. Regina verbindet ihn. Sie steht dicht vor ihm, ihr Atem streift sein Gesicht, ihr Haar, fein kraus und blond, ist unter seinen Augen. Es wird ihm schwül. 'Er neigt sich und küßt das Mädckfen auf den Scheitel. „Regina!" Die steht blutübergossen mit hilflosen Augen. Da (egt er ihr den Arm um die Hüften, zieht sie an sich, küßt sie auf den Mund. „R»gina!" Sie tritt zurück, zitternd, bleich. „Leopold." Und als er traurig die Augen senkt, bettelnd an seinem Arm«: „Gelt, Leopold? Gelt?" Er streichelt ihre Hand. „Brauchst keine Angst vor mir zu haben." Regina mit großen, ehrlichen Augen: „Ich — Angst vor Dir? Leopold!" Sie schweigen, sic reichen sich zum Gutenachtgruß die Hände, sie gehn in ihre Kammern. Acht Tage braus ist ein Brief aus Bergau ba. Dem | Hausmann sein Mädel kommt nicht. Sie kann daheim nicht I weg. Und dabei zieht sie vier Wochen später nach Achen- gereuth. 6. Das Eis ist gegangen, die Flößer landen. Edel streckt Leopold Wächter die Hand entgegen. „Da bist Du ja. — Wir können doch bleiben?“ „Wenn s Euch gut genug bei uns ist, gerne." „Wieso denn auf einmal gift genug?" „Weil ich — so einer bin." „Rede kein dummes Zeug. Um den Hunzinger ist s nicht schade. Es ist bloß schade, daß D u es grade sein mußtest. — Tag, Regimi. Du hast Dich raus gemacht. Na ja, einen jungen Mann . . ." „Wir sind nicht verheiratet." Edel sicht sie verwundert an und schweigt. Ihm schüttet Leopold am Abende, als die andern im Dorfe sind, fein Herz aus. Edel schüttelt den Kopf. „Die Menschen! Mach Dir nichts braus. Ihr braucht zur Not keinen von ihnen. Pfeif auf die ganze Blase. Du wirst Dich doch von denen nicht unterliegen lassen. Macht Eure Sache in Ordnung, und wenn nachher noch einer kommt und Euch ivas will, dann hetzt den Hund auf ihn." Am Morgen, vor Tau und Tag, steigen sie wieder auf die Flöße und fahren zu Tale. Der Frühling kommt mit Macht, bringt Sonne, bringt Arbeit. Zuviel, viel zuviel für zwei Menschen. Der st-rkc Helfer kann nicht mehr kommen. Wilhelm ist in Hermannsau. August Hicketier ist durch das Scheunenloch auf die Tenne ge- i fallen. Er ist nicht tot, aber arbeiten wird er vielleicht in I seinem Leben nicht wieder können. Da muß Wilhelm, hin. So. | bleiben auf dem Ried der Kreuzacker und der am dürren Wege als Brache liegen. Um Johanni ist in Hermannsau eine stille, kleine Hochzeit. Wilhelm ist traurig, daß Leopold für sich und Regina abgesagt hat, seiner Braut tut es auch leid, aber es ihr doch eine Er- leichterung. * Leopold sieht jetzt den Dingen entschlossen ins Gesicht. Er und Regina sind verfemt. Sie suchen das Dorf nicht mehr auf, Mutter Wächter kommt dann und wann zu Besuch. Nur sie bindet die zwei noch an die Gemeinde. Die Steuern läßt Leopold durch den jüngeren Bruder zum Gemeindekassierec tragen. Die Sonntage, die stillen, weichen, langen Sonntage! Regina lehrt Leopold das Angeln. Der und jener sieht sie von drüben aus und bleibt stehen. Es ist nicht zu glauben, daß bie Menschen, die sich und aller Welt zur Schande leben, die Gedanken auf solche Dummheiten richten können! Die zwei Einsamen sitzen an den Abenden am Feldranoe. Sie haben es sich längst angewöhnt, sich an den Händen zu halten, ihre Seelen sind längst vermählt, ihre Leiber drängen zueinander, cS steht ein Schatten zwischen ihnen. An einem Sonntage in der Ernte ein seltener Besuch. Der Pfarrer kommt. „Guten Tag, Leopold. Ich' möchte gern einmal etwas mit Ihnen bereden." „Bitte, Herr Pfarrer." Und dann: Der Herrgott habe doch nun einmal baS sechste Gebot gegeben, und niemand könne sich ungestraft darüber hingewsctzen. Ta» Leben auf dem Ried errege Anstoß in Der ganzen Gemeinde. Er, der Pfarrer, sei wahrhaftig kein Eiferer, aber der Gcmeindekirchenrat habe ihn geschickt und .. . (Fortsetzung folgt.)