M „»emhrrfler « und Bucbbanblung; Srbgeschotz. UMLM^. A # m 'F v ^^F WHL I ^F ^F ^F tn allen Annoncen. Bureaus. Budlbrucferet.ftontor: Xi, .'.. 'iw JK’W'Jf JMW x£>r?>**- 1 *e^F ^F Platz, unb Dalenvorlchrllle» yetzlanbstraße U, erster Stock. / <, - ./y ■ V ( 7 ohne BetbtnbüdjletL Ur. 186. Mittwoch, den 8. Juli 1925. 39. Jalsrgang. Vasvorbilö öer nationalistischen Kampfverbänöe. Von Karl Frohme. Die hochverräterische Rolle, welche in der deutschen Republik nationalistische Kampfverbände unter Mitwirkung bezw. Leitung ehemaliger kaiserlicher Generale und sonstiger Offiziere spielen, ruft die Erinnerung daran wach, datz ein ähnliches Unwesen schon im kaiserlichen Deutschland Jahrzehnte hindurch das politische Leben vergiftete. Organisationen ehemaliger Soldaten, die Kriegervereine bezw. »Verbände schlossen den reaktio - nären Parteien sich an als Hilfsmacht im Kampfe gegen die Sozialdemokratie. Die Anfänge dieser Organisationen liegen am Ende der dreitziger Jahre deS vorigen Jahrhunderts, als es noch keine Sozialdemokratie gab, wohl aber einen von den Regierungen und ihren Stützen auch der Absicht des gewaltsamen Umsturzes be- schuldigten bürgerlichen Liberalismus. Sie verdanken der Initiative des absoluten monarchistischen Regiments ihre Entstehung. Die Zeit ging schwanger mit einer bürgerlichen Revolution. Deshalb sollten die ehemaligen Soldaten unter tätiger Mitwirkung des Militärherrentums, der Verwaltungs - behörden und orthodoxer Pfaffen zu „königstreuer Gesinnung" dressiert werden, um als allzeit getreue Knechte Sr. Majestät mit in den Kampf zur Niederwerfung der Revolution einzugreifen. Die „grotze Epoche" deS Kriegervereinswesens kam aber erst nach dem Kriege von 1870/71. Der Sieg über Frankreich diente dem Monarchismus zur Verherrlichung und „sittlichen" Festi - gung seiner Macht. Aus dem tollen Siegesrausch, der den größten Teil des Volks ergriffen hatte, erwuchs ein wilder Nationaldünkel und erbärmlicher Servilismus und Byzantinismus gelangte zur hohen Blüte. Von diesem Geiste genährt, entwickelte sich das Kriegerver- einLwesen von 1871 ab in allen Teilen des Reichs. Zunächst schlossen die Vereine sich zu Landesverbänden und diese sodann 1890 zum „Kyffhäuserbund der deutschen Landeskriegerverbände" zusammen. Dieser umfaßte im Jahre 1908 im Reiche 24 490 Vereine mit 2 097 527 Mitglie - dern, von denen 83 Vereine mit 13 889 Mitglieder auf den H a in- burger Landesverband entfielen. Diese Zahlen stellen den Höhepunkt der Entwicklung deS Kriegerveremswesens dar. Sie sind, verglichen mit dem großen Auswand autoritärer Kräfte, welche es die Jahrzehnts hindurch stützten und in jeder Weise förderten, nicht als ein erheblicher Erfolg zu werten. Auch der Kyffhäuserbund wurde nicht das, was er entsprechend der Tendenz seiner Protektoren werden sollte, nicht ein entscheidend in den Kampf gegen die Sozial - demokratie mit eingreifender politischer Machtfaktor. Ein sehr starkes, vielleicht das stärkste Kontingent zu den Per- einen stellte, besonders in den Großstädten, die große Masse der auf Grund des ZivilverforgungSscheines in den Dienst der Reichs-, Staats- und Kommunalbehörden eingetretenen Militär- anwärter. Ter Mitgliederzahl der Kriegervereinsverbände ist gc'snüberziljtellen die vielfach darüber hinausgehende Millionen - zahl der N e s e r v i st e n, welche, zu gewerblicher Tätigkeit als Lohnarbeiter usw. zurückgekehrt, sich nicht anwerben ließen für die schv arz-weiß-rote „staatserhaltende" Legion, vielmehr ihr entschieden opponierte. Der Tatsache, datz die Kriegervereine die „ a l l e r h ö ch st e Protektion" des Kaisers und anderer Monarchen genosien, patzten natürlich die Reichs-, Staats-, Provinzial- und Kommu- nalbchörden sehr eifrig sich an. Uebrigens wurden sie von den zuständigen Ministerien geradezu angewiesen, jene Vereine nach Möglichekit, selbst entgegen gesetzlichen Vorschriften, zu be - günstigen. Obwohl dieselben beständig eine scharf in die Erschei - nung tretende politische Tätigkeit entfalteten, wurden sie den solche Tätigkeit „regelnden", das heitzt einschränkenden, er - schwerenden und verbietenden Bestimmungen der Vereins- und Versammlungsgesetze nicht unterworfen. Sie genoffen zu diesem Privilegium der Gesetzesverletzung auch noch folgende Begünstigungen: Bei ihren Festlichkeiten, ihren Umzügen, Trauer- und Huldigungsparaden durften sie militärisch schneidig in vorgeschriebener Uniform und in Waffen auftreten. Dem „inneren Feinde", der „roten Brut", verursachte dieser faule Zauber allerdings nicht Angst und Bangen, sondern das Lachen und den Spott des Bewutztseins der Ueberlegenheit. Aus Geheimakten der preutzischen politischen Po - lizei, in die wir. Einsicht nehmen konnten, ergibt sich, wie ihre Organe nach Anweisung der Minister deS Innern und deS Krie - ges, welche des öfteren unter ausdrücklicher Berufung auf den Wunsch des Kaisers ergingen, gemeinsam mit den Heeres- und Marinekommandos zugunsten der Ein - richtungen und Veranstaltungen der Kriegerverein« wirkten. In der Literatur über daS Kriegervereinswesen, den Zeit - schriften der Verbände, Büchern usw. findet sich dar immer wiederholte Gefasel: datz der „hohe sittliche Wert" dieser Ver - eine beruhe in der „Pflege patriotischer Gesinnung" und deren „Einfluh auf daS innerpolitische Leben" und die „Erziehung der Heranwachsenden Generation gegenüber den zersetzenden Ein - flüssen der antimonarchistischen Tendenzen". UebrigenS hatten ihre Protektoren und ihre Leiter sich nicht vergebens bemüht, sie festzulegen auf da» der Vernunft und dem Begriff deS staatsbürgerlichen Rechts schneidend Hohn sprechende Prinzip: datz die ehemaligen Soldaten durch den bei ihrem Eintritt in das stehende Heere geleisteten Fahneneid zu „dauernder Treue" gegen den Monarchen und sein Haus verpflichtet seien, und sonach auch dazu, die Politik des Monarchen unter allen Umständen, insbesondere auch bei den Parlamentswahlen, zu unterstützen!ll Diesem Prinzip gaben die Leiter der Kriegervereine — wie unter anderm auch aus den Akten der Wahlprüfungskommission deS Reichstages nachweisbar ist — fanatisch Ausdruck vor allem in ihren Wahlflugblättern. Sie enthalten stets die Mahnung an alle ehemaligen Soldaten, im Kampf gegen den U m st u r z sich des dem Kaiser geleisteten Treueides be - wußt zu sein. In solch grundsätzlicher Knechtsseligkeit wurzelte der „hoch - sittliche Charakter" der Kriegervereinler. Ihre „sittlichen Waffen im „geistigen" Kampfe gegen die Arbeiterbewegung, die sozialdemokratische Partei und die freien Gewerkschaften waren dieselben, wie die der Reaktion überhaupt: infame Lüge und Verleumdung. Zu den von der Scharfmacherbrut des Junkertums und des Jndustrieherrentums ausgebrüteten Lügen und Verleumdungen erfanden die Leiter der Kriegervereine, die Redakteure und Mitarbeiter ihrer Zeitschriften, die Verfasser ihrer Wahlflugblätter, ihre Versammlungsredner neue. Der „sittliche" Charakter der Kriegervereinler kam auch darin zum Ausdruck, datz sie unter „guter Führung" in die Wähler- und in sonstigen öffentlichen Versammlungen der So - zialdemokratie eindrangen, um unter dem Gebrüll „patriotischer" Lieder, Hochrufen auf Majestäten und Hoheiten die g r ö b st e n Exzesse zu begehen, ihre Gegner mit den rohesten Be - schimpfungen zu überschütten und gewalttätig gegen sie vor- zugehen. Ich habe mich an vielen Versammlungen beteiligt, aber n i e habe ich erlebt, datz von den überwachenden Polizei- organen gegen den patriotischen Pöbel eingeschritten, die Ange - griffenen in Schutz genommen wurden. Unsern Lesern wird ohne weiteres bte grundzügig starke Aehnlichkeit bezw. Uebereinstimmung des Charakters der jetzigen nationalistischen Kampfverbänd» mit dem der im kaiserlichen Deutschland aufgewucherten Krieger- vereine vor Augen treten. In welchem Matze in diesen Ver - bänden der politische Unverstand, wilder Fanatismus und Roheit sich geltend machen, wissen unsere Leser. Nur damit übertreffen sie ihr Vorbild, datz sie Elemente enthalten, welche den poli - tischen Mord provozieren, planen, verüben und „patriotisch" verherrlichen. Die haben es nötig! Protest der „deutschen Sludenteufchast" gegen das Moskauer Urteil. WTB. Berlin, 7. Juli. Der Vorstand der deutschen Stu - dentenschaft hat im Namen der gesamten deutschen akademischen Jugend Einsprache erhoben gegen die ungeheuerliche Art, in der in dem Prozeß der Sowjetregierung das Recht zu politischen Zwecken mißbraucht worden sei. Er weist die gänzlich haltlosen Vorwürfe zurück, die gegen die deutsche Studentenschaft und ihre Einrichtungen im Verlaufe des Prozesses erhoben worden sind und richtet an die Reichsregierung die dringende Bitte, alles zu tun, was in ihren Kräften steht, um den Verurteilten zu helfen. • Es steht der deutschen Studentenschaft schlecht an, über den Mißbrauch des Rechts zu politischen Zwecken zu klagen. Sie be - weise erst einmal, daß ihr der Balken im Auge der deutschen I u st i z genau so wichtig ist, wie der Moskauer Fall. Nur wer sich unermüdlich gegen „den Mißbrauch des Rechts zu politischen Zwecken" in Deutschland gewandt hat, darf gegen die hlutige Blos- lauer Gerichtfarce Protest erheben. Ije WWW W um Slk KIMM. weltwirtschaftliche Zusammenhänge öer ZoUfragen. Der handelspolitische Ausschuß des Reichstags hat einen Unterausschuß zur Prüfung der Frage, wie sich Agrar- z ö l l e volkswirtschaftlich auswirken, eingesetzt. Dieser Unter - ausschuß hat am Montag seine Arbeiten ausgenommen und wird sie im Laufe dieser Woche beenden, um dann ein Gut - achten an den Hauptausschuß zu erstatten. Schon seine ersten Sitzungen haben hochinteressante, zum Teil sehr lebhafte Aus - einandersetzungen zwischen den als Sachverständigen geladenen Vertretern der Wissenschaft und den Wortführern der agrari - schen Jnteressenverbände gebracht. Wir können leider nur in gedrängter Kürze darüber berichten. Professor Serings Gutachten ging dahin: Tie Agrarpreise sind g e st i e g e n, die Industriepreise zuruckgegangen oder doch stehen geblieben. In allen Freihandels - ländern der Erde hat sich die Preisschere g e i ch l o s s e n. Fragt sich, ob dar für die Dauer ist. Es wird aber nie gelingen, die Menschen wieder auf einen niedrigeren Lebensstandard her - unterzudrücken. Deshalb kann mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem Steigen der Getreidepreise für die Zukunft ge - rechnet werden. AuS Vorsicht vor Rückschlägen müsse er auch heute noch für einen gewissen Schutz der Landwirtschaft eintreten. Es fei aber ein gefährlicher Weg, die land - wirtschaftlichen Zölle mechanisch an die Jndustriezölle angleichen zu wollen. Ter Landwirtschaft, dem Fundament unserer Volks - wirtschaft, könne man nur Helsen durch eine Steigerung der Produktion, die mit einfachen Mitteln erzielbar wäre. Ter Sachverständige verwies auf seinen Vorschlag ergänzender Zölle, wodurch die Veredelungsproduktion begünstigt werde. Man müsse auch auf einen Abbau der Jndustriezölle hinwirken. Es komme vor allem daraus an, die Kaufkraft der einheimischen Bevölkerung zu heben. In der Aussprache über Professor SertngS Gutachten hob der soeben von einer Amerikareise zurückgekehrte Professor Warmbold hervor, die landwirtschaftliche Technik sei drüben so weit, daß sie den Ertrag von 5 auf Doppelzentner pro Hektar erhöhen konnte. Tie Weltmarktpreise würden bestimmt durch das am billigsten produzierende Land. — Auch Ao- geordneter Hilferding bSD.) sprach sich dafür aus, daß bei verbesserter Technik die Landwirtschaft ohne Zoll,chutz auskommen könnte. Dann wurde von weiteren ^sachverständigen auf Argen - tinien unb Rußland al? künftige starke Exporteure hin- gewiesen. Nach Miiteilungen russischer Gelehrter ist damit zu rechnen, daß Rußland dieses Jahr wieder exportiere. Von anderer Seite werde behauptet, daß die russische Liegierniig größere Getreidevorräte aufstapele, vor allem al? Vorsichts - maßregeln gegen Rückschläge. Auch in einem Bericht über die italienische Agrarenquete, der zur Verlesung gebracht wurde, heitzt es, datz man mit Rußland wieder zu rechnen habe. Im übrigen wurde festgestellt, daß die Ernteausstchten auf der ganzen Welt im allgemeinen gut seien. In der Dienstags-Sitzung gab vor Eintritt in die Beratung ein Regierungsvertreter in vertraulicher Aussprache einen Ueber- blick über die Frage, inwieweit bei den Handelsvertragsverband - lungen Getreiüczölle als Kompensationszölle dienen sollen. Dann wurde weiter über eine Reihe von Fragen verhan - delt, die sich auf das Verhältnis dcr Zollsätze zur landwirtschaftlichen Intensität bezogen. Diese Fragen lauten u. a. dahin: Wie wirken sich die landwirtschaftliche» Zölle im Frieden au?? Kann d i e Produktion so gesteigert werden, daß selbst bei der jetzt verringerten Boden, fläche das deutsche Volk ernährt werden kann? Welches sind die für eine Steigerung der Produktion wichtigsten Produktionsmittel? Hierzu äußerte sich der bekannte landwirtschaftliche Betriebs- lehrer Professor A e r e b o e wie folgt: Auf einen gewissen Zoll - schutz sei bei der heutigen Weltlage nicht zu verzichten. Aber die gegenwärtigen Zollvorlagen müsse man ablehnen, weil sie die Landwirtschaft nicht fördern, sondern hemmen. Eine allseitige steuerliche Belastung sei gegenwärtig für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse unmöglich. In der weiteren Aussprache gab der praktische Landwirt Schneider zu, datz in Wirklichkeit sich die Frage der Zölle für die Verteuerung der Lebenshaltung und für die Absatzverhältnissr nicht übersehen lasse. Professor A e r e b o e , der insbesondere den kleinbäuerlichen Standpunkt vertritt, führte hierzu au», daß 75 % des deutschen Bodens der Viehhaltung dienten und nur 25 % dem Getreidebau. Der Boden, der zum Getreidebau benutzt würde, befinde sich zum größten Teil im Besitz der Großagrarier. Deshalb liege ihnen viel an den Getreidezöllen. Damit hatte Herr Aereboe in das Wespennest gestochen. Alle marschierten sie auf: der „Praktiker" Dr. Schlittenbauer aus Bayern, Graf Kavserlingk, der „praktische Landwirt", Freiherr v. Richthofen, der Mann des ReichslandbundeS, der „Zuckermann'' Geheimrat Rabethge, das echte Berliner Kind unb „auch lanb« wirtschaftlicher Sachverständiger" Herr v. Graefe, Reichsminister a. D. Fehr. Blattweise wurden bann den Sachverständigen die Fragen der Interessenten vorgelesen, so daß Aereboe erklärt: Um diese Fragen zu beantworten, muß man Bücher schreiben; es wäre unmöglich, sie in einem kurzen Vortrag zu beantworten. Ein anderer sehr bekannter Sachverständiger, dessen Meinung man gern zugunsten der Zollvorlage „etwas umbiegen" möchte, erklärte in diesem Zusammenhang, daß er e8 satt habe, das Zeug noch einmal wiederzukäuen. Es wäre allmählich an der Zeit, datz die Rollen gewechselt und die Sachverständigen einmal fragen dürften. « In den Verhandlungen der Getreide-Enquete fielen wieder verschiedene Behauptungen der Agrarzollfreunde auf, die sicher - lich einmal gründlich überprüft werden müssen. So behauptet z. SB. Frhr. v. Richthofen, daß der Fleischkonsum kn Deutschland heute pro Kops schon wieder 46 Kilogramm beträgt, gegenüber 52 Kilogramm im Frieden. Diese Behauptung ist schon ebenso oft aufgestellt worden, aber noch nie bewiesen. Wer die Lebens - haltung der Proletarierfamilien kennt, weiß, daß solche Be - hauptungen Heller Unsinn sind. Nußkanös Jntcrc/)c am Garantiepakt. Eine Erklärung Tschitscherins. SPD. Paris, 8. Juli. (Rundfunk.) Ueber eine zweistündige Unterredung, die dieser Tage der fran - zösische Botschafter in Moskau mit dem russischen Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten, Tschichtscherin, über die Stellung Ruhlands zu ben Sicherheitsverhandlungen gehabt hat, will der Moskauer Korrespondent des Petit Parisien folgende? erfahren haben: Tschitscherin habe erklärt, daß Rußland an diesen Verhand - lungen und vor allem an der Haltung Deutschlands zwar ein starkes Interesse habe, datz eS aber in keiner Weise in Berlin einen Druck auszuüben versuchte, um Deutscbland von dem Abschluß eines Garantiepaktes zurückzuhalten. Rußland würde sich selbst für einen Sicherheitspakt interessieren, wenn dieser auf wesentlich breiterer Grundlage aufgebaut wäre als der augenblicklich zur Verhandlung stehende Plan. Würde dieser entsprecheird ausgebaur unb zwar bet - ört, datz auch die Westgrenze Ruhlands in eine allgemeine Garantie einbezogen würde, dann könnte Ruhland auch dem Völkerbund gegenüber eine wesentlich andere Haltung einnehmen als bisher. * Dieser angeblichen ober wirklichen Erklärung Tschitscherins ist entgegenzuhalten, daß in letzter Zeit Radek und Litwinow in JBerlin waren, um dort mit Bitten unb Drohungen einen Druck auf Strese - mann aukzuüben. Indessen galt die Berliner Aktion der Moskauer Herren auch unseres Erachtens nicht so sehr dem Garantiepakt als solchen, als dem Londoner Kurs, den Herr Stresemann in der Paktfrage eingeschlagen hat. Tie von dem Pariser Blatt mit - geteilten Aeußerungen Tschitscherins können so gedeutet werden, daß er gerade in der Pgltfrage den Kontaft mit Frankreich nicht ab- brechen will. Felgner begnadigt! SPD. Dresden, 8.Juli. (Rundfunk.) Da? sächsische Gesamtministerium hat beschlossen, den früheren Ministerpräsidenten Dr. Zeigner Ende August bedingt zu be- gnädigen und aus dem Gefängnis zu entlassen. Bis dahin hat Zeigner allerdings den größten Teil seiner dreijährigen Gefängnis- strafe bereits verbüßt. Es ist anzunehmen, daß dieser Schritt, bet wenigstens den Versuch darstellt, Unrecht wieder gutzumachen, auf Betreiben der sozialdemokratischen Minister im sächsischen Kabinett erfolgt, bte damit verhüten wollten, datz im Falle ihres Ausscheidens aus der Regierung eine Begnadigung Zeigner? gänzlich unterbliebe. Einstellung eines Lanüesverratsverfahrens gegen den vorwärts. Die bayrische Regierung hatte seinerzeit gegen den verantwort - lichen Redakteur des Vorwärts, Reuter, beim Reichsgericht ein Landesverratsversahren beantragt wegen Der Veröffentlichung eines Briefes Über Einzelheiten des Hitlerputsches und bie_ Bewaffnung der pfälzischen Organisationen, den ein gewisser Götz an einen Freund geschrieben haben sollte. Der Landesverrat wurde darin erblickt, datz in diesem Schreiben Einzelheiten über grossere Waffen - lager angegeben waren, beten Geheimhaltung für das Wohl des Deutschen Reiches ober eines Bundesstaates erforderlich gewesen wäre. Der 4. Strafsenat bc8 Reichsgerichts bat nunmehr da? Ver - fahren mangels hittreichender Belastung des Beschuldigten eingestellt. Slnnsttsptel. Aus einem Tagebuch, mitgeteilt von Kurt EiSner. 13) Sie hatten sich vor unseren „prosaischen" Gesprächen in das stille Nebenzimmer geflüchtet, saßen nebeneinander auf dem Sofa, vor sich ein Tischchen mit der Mappe. Ich freute mich, daß Klara diesmal ausgiebig versorgt war, wir konnten um so freier unseren Interessen frönen. So, in dieser förderlichen Trennung der Parteien entschwanden ein paar Stunden. Klara erschien nur gelegentlich bei uns und zur Erfüllung Hausfrau- licher Pflichten, dann verschwand sie wieder. Durch die ge - öffnete Tür merkte ich, daß auch die drinnen recht angenehm schwatzten, Klara sogar ungewöhnlich lebhaft. Sie konnte eben einmal nach Herzenslust reisen Als unsere Gäste nach Mitternacht uns verlassen hatten, sagte Klara, während sie ein wenig Ordnung schaffte: „Ein netter Mensch, Euer Kind, der Liebenswürdigste und Poetischste von euch allen." „Gewiß! Aber für den Fall, daß er Dir gefährlich werden sollte, möchte ich doch aus meiner Kenntnis der Tatsachen heraus feststellen, daß das Kind ein ziemlich mittelmäßiger Kopf und überdies unnötig reichlich — liederlich ist. Seine Reiseleidenschaft entspricht auch weniger einem dringenden Naturgefühl, als dem Bedürfnis, mit Zimmermädchen, Kell - nerinnen und sonstiger Weiblichkeit ethnographisch möglichst schnell zu wechseln." Ich hatte ganz unbefangen, in scherzendem Ton gesprochen; knir war das Wohlgefallen Klaras an dem „Kind" auf Kosten der anderen ein wenig verdrießlich, weil eü in diesem Falle einen oberflächlichen Geschmack verriet, der ihr sonst nicht eigen ist. Mich überraschte es um so mehr, daß sie übermäßig lebhaft lachte und daß in ihren Zügen sich deutlich eine gewisse Ver - legenheit malte, als sie erwiderte: „Ei, Du bist eifersüchtig!" Eü war das erstemal in unserer Ehe, daß dieses Wort aus« gebrochen wurde. Ich byf so wjM WH A solchen Zustand nicht einmal Verständnis habe. Jetzt aber merkte ich, daß sich Klara in der Tat etwas an dem Feuer des „Kindes" erhitzt hatte und ich sagte deshalb ernsthaft: „Du weißt, daß ich nie eifersüchtig werden sann, weil ich nur unbedingtes Vertrauen oder Trennung für immer kenne; und Du weißt nicht minder, daß ich Dir vertraue. Ich hatte meine Charakteristik ganz absichtslos, der Wahrheit gemäß ent - worfen. Durch Deine Bemerkung hat sie freilich den Mert einer Warnung erhalten." „Einer Warnung?" „Ja, einer Warnung. Du bist in wunderlichen Stimmun - gen, sehnst Dich nach irgend einem Unerhörten und formst Dir am Ende wirklich aus einem ganz gewöhnlichen Lehm - klumpen einen Gott. Ich möchte Dich vor Enttäuschungen bewahren." „Und wer ist schuld, wenn ich mit solchen — Enttäuschungen in der Tat spielen würde?" „Gewiß, niemand anders als ich. Ich bekenne mich schuldig!" „Ach, ich wünschte, Du wärst ein bißchen eifersüchtig. Ich wüßte dann, daß Du mich liebst." Während die letzten Worte zwischen uns gewechselt wur - den, empfanden wir beide ganz anders, als wir sprachen. Ich sah es deutlich: Klara hatte schnell eingesehen, daß ihre Sympathien für das „Kind" nicht standhielten. Von Auge zu Auge schlängelte die Begierde, unsern Zwiespalt in Küssen zu ertränken. Innerlich sagte sie: „Er ist ein dummer Junge, und Dich liebe ich heißer denn je." Mich aber trieb es, all den versteckten Hader der letzten Zeit an ihrem Herzen zu ver - gessen. Doch unsere Worte gingen, wie so oft, ihren eigen - sinnigen Weg, und an ihnen zerrieb sich unser Gefühl, und jene unselige, vorwurfsvolle Bitterkeit drängte sich wieder zwischen uns und verscheuchte die einenden Geister. Wir gingen in das Schlasgemach. Ms das Licht verlöscht war, stand ich noch einmal auf, schlich durch die offene Tür in das Nebenzimmer, wo die Kinder schlafen. Am Bettchen meines Knaben beugte ich mich nieder und küßte ihn leise auf „Reisest Du schon ab, Papa?" flüsterte der Knabe aus dem Schlafe; ein ganz kleines Zipfelchen der Traumdecke hatte ich infolge meiner Berührung gelüftet. „Nein, morgen bleibe ich noch hier." „Das ist gut," sagte der Knabe befriedigt und schlief weiter, ein glückliches Lächeln um feine roten, zierlichen Lippen, die halb geöffnet waren. Es war unendlich traurig in dem von einer Ampel matt beleuchteten Gemach. Ms ich in unser Schlafzimmer zurückkehrte, sand ich Klara leise schluchzend; sie hatte sich die Decke über das Gesicht ge - zogen, damit ich es nicht hörte. Ich löste mir ihren Kopf hervor: „Was hast Du nur, Schatz?" „Tu liebst nur eins auf der Welt: Deinen Jungen. Selbst das Mädchen ist Dir gleichgültig," Es klang wie ein lange verhaltener Aufschrei tiefster Pein. Ich versuchte zu scherzen: „Wer ist nun eifersüchtig? Ich auf das „Kind" oder Du auf den Jungen?" „Vielleicht bin ich es." „Welche Torheit! Nun soll aber der Junge zur Strafe eifersüchtig werden." Ich umfing mein Weib mit stürmischen Küssen wie ein feurig Verliebter. Und es war keine Komödie! Klara aber wehrte mich ab: „Laß nur, es ist ja doch nur künstlich. , . Wir haben uns vor der Trennung nicht mehr gefunden, und auch die Stunden, die uns noch bleiben, werden fruchtlos verrinnen. 9 » * Binsendorf, 3. Juli, nachts. Daheim in der Fremde! Das alte Gefühl durchdringt mich wieder, als ob hier meine Heimat fei. Anfangs schien alles verändert, ungewohnt. Die Phantasiearbeit während meiner zehnjährigen Abwesenheit hatte sacht mein Bild von diesem Eiland des Frieden» umgestaltet, und das, was ich jetzt jtimmte stiZst gyt tzM rM AM M fHMsm Erinnerung vorgestellt hatte. Dann aber, nach kurzer Pause der Befremdung, erwachte meine rechte Erinnerung und siehe, es war alles, als ob ich es gestern verlassen hätte. Die kleine, freundliche Stadt, die den Endpunkt der Eisenbahnsahrt bildet, in ihrem Ringwall bunter Gärten. Dann die dreistündige Fahrt auf dem Boden, dessen breite Fläche eine Vorahnung der See gewährt. An den Rändem neigt sich grüßend das Schilf, wenn das Schiff vorbeigleitet, unb die jagdlich ge - kleidete Herrengesellschaft, die mit mir gen Binnensee fährt, verrät, daß immer noch Schwärme wilder Enten hier Hausen, den Bade-Jägern zum Trost. Der Boden verengt sich zum Strom. Die hohen weißen Dünen treten dicht heran, vor - sichtig steuert das Schiff in dcr schmalen Fahrtrinne die Schlangenwindungen des seichten Wassers. Der biedere Kapitän der bisher mit den Jägern auf dem Verdeck geplaudert und die Leitung des Schiffes derweile einer untergeordneten Persönlichkeit geruhig überlassen, steigt nun auf die Brücke und kommandiert eifrig. Man muß an diesen Stellen ver - wünscht genau sein, wenn man nicht auf den Sand geraten will. Jetzt tauchen im Grünen ein paar verstreute Hütten auf, mit hohen, moosüberfponnenen Strohdachgiebeln. Zwischen den einzelnen Gehöften weiden braungefleckte Kühe. Die rührend bescheidene Kirche, einsam zwischen Strom und Meer auf bebuschter Anhöhe gelegen, erhebt ihren Turm, der hölzern ist wie die schlichten Kreuze des benachbarten Friedhofes, der ergreifend schlicht von den Opfern erzählt, die das Meer ge - fordert. Jetzt sind wir in dem kleinen Hafen. Ein halb Dutzend Badegäste hat sich eingefunden, um den Zugang zu mustern. Zwei Leiterwagen — die Federn liegen im weichen ganbe — harren, wie bereinst, jener verwöhnten Fremden, bie eine Fcchrgelenheit beanspruchen. Etliche Dorfbuben angeln in bem beinahe fifchlosen Gewässer. Ich habe ben Eindruck, als ob sie noch immer säßen und seit ben zeljic Jahren ihre ebenso unterhaltende wie unfruchtbare Beschäftigung nicht unter - brochen hätten. Die vier „Hoteldiener", die sonst ba standen, haben sich um zwei vermehrt. Die Frequenz hat offenbar zu - genommen oder der — Unternehmungsgeist. lMWW folgt'