Ausgabe A Preis 25 4 Hamburg AttonaerDoltzsblatt Gegründet 1875 ■ngeigenpeell« verhetzen sich tu Stef<6«mart: ble 13 gefpalttnf T n» pareillezellc 40 Pf *prittet« Samtlienanjetgen 25 PI. Stellen» angettote 30 Df. Stellengeinchr 25 DI «leine Anzeigen di« S Zeilen die Zelle 25 -DL, 10 bi« 15 Zeiten die Zelle 30 PI «etlamejeile 3 Mk. •Unj igen muffen im voraus oder sofort bezahlt toertten. Mngeigenmmalfme Zehtand't.atze 11 im ersten Stock (bl* 7 Uhr abend» für den felgenden Sag), in ben AUia en tot« 3 Uhr und In allen Annoncenbureau«. Plan- uno TatenttoriChristen ohne “Berbinblidifeit ®e« yemmirgae Odjo erlch -tnt täglich einmal, außer den 2. Feiertagen, ««jugepeeeo: Monatlich 2,75 Mk., ohne .Lachen links 2,25 -Mi. Wöchentlich 0,« Su0«a(*n, «Ilene. Buchhandlung: Fehlau straffe 11, Lrdgefchoff. Ruchdruckereikontor : Seblanbftrafie 11. erster Stock. - A Preis254 < :. ^ß" mit »Lache» lint»' HainburaerEcho «Hummer 93 ©osmabettd, 3. April 1926 52. Jahrgang Reform des Völkerbundes. SPD. Berlin, 3. April. In der zweiten Woche nach Ostern wird in Gens wieder reges Leben einziehen. Die verschiedensten Kommissionen, aus Vertretern aller Herren Länder zusammengesetzt, sind berufen, eine ganze Reihe wichtiger internationaler Probleme der Lösung entgegenzuführen und das Ergebnis ihrer Arbeit möglichst schon der im Juni vorgesehenen Sitzung des Völker - bundsrates vorzulegen. Die Abrüstungskonferenz dürfte bis dahin sicher so oder so ihre Beratungen beendet haben. Ist In ihren Verhandlungen der starke Wille aller Völker der Welt maßgebend und setzt er sich durch, dann kann es nicht mehr zweifel - haft sein, daß die Septembertagung des Völkerbundes endlich auch allgemeine Richtlinien für die Abrüstung und bereis Durchführung bis zu einem bestimmten Termin beschließen wird. Auf diese Art könnte die Niederlage vom März zweifellos am besten wieder weügemacht werden. Ebenso schwierig wie eine allseitig zufriedenstellende Be - handlung der Abrüstungsfrage ist das Problem der Rekonstruk - tion des Völkerbundsrates. Mit ihm wird sich auf Grund eines Beschlusses der außerordentlichen Völkerbundssession ebenfalls eine Kommission befassen, die sich aus zehn Dele - gierten der Ratsmächte und vier Vertretern anderer Länder sowie einem gleichberechtigten Bevollmächtigten der deutschen Regierung zusammensetzen soll. Die Reichsregierung hat sich prinzipiell bereits zur Teilnahme an diesen Beratungen entschlossen. Die Frage, wer ihr Hauptvertreter ist und wie sich im gegebenen Falle die deutsche Delegation zusammensetzt, dürfte erst geklärt werden, wenn die zur Vorbereitung für not - wendig erachteten diplomatischen Erörterungen zwischen den einzelnen Regierungen als abgeschlossen gelten können. Sie werden sich vor allem auf die Umschreibung des Aufgabenkreises der Kommission beziehen und sollen ferner den Zweck haben, in großen Zügen die Art der Rekonstruktion des Rates anzudeuten. Auch uns erscheinen diese Vorverhandlungen nach den letzten Genfer Erfahrungen und mit Rücksicht auf eine erfolg - reich e und schnelle Arbeit in Genf unbedingt erforderlich. Es hat zum Beispiel keinen sonderlichen Zweck, die Kommissions - arbeiten zu beginnen, solange nicht offiziell festgestellt ist, wie die einzelnen Regierungen zu der Aufhebung der nach dem geltenden Statut erforderlichen Einstimmigkeit derRatSbeschlüsse in bestimmten Fällen steht. An dieser Voraussetzung *ür die Geltung eines Ratsbeschlusses ist im Mörz die Auf - nahme Deutschlands gescheitert, und von der Feststellung darüber, ob sie in jedem Falle aufrechterhalten werden soll, ist in gewissem Sinne das praktische Ergebnis der Kommissions - arbeiten abhängig; denn die Kommission selbst kann nur be - ratenden Charakter haben und muß ihre Vorschläge zunächst d e m R a t zur Beschlußfassung unterbreiten. Es muß ferner von vornherein Klarheit darüber bestehen, welche Haltung die einzelnen Mitgliedsstaaten in Zukunft grundsätzlich zu einer Erweiterung des Rates ein - nehmen. Dabei möchten wir von vornherein cmnehmen, daß die Hamburger Rede des Reichskanzlers Dr. Luther nach dem bedauerlichm Ausgang der außerordentlichen Völker - bundstagung auch von der Reichsregierung als über» holtbetrachtetwird. Deutschland sollte sich jedenfalls hüten, schon jetzt wieder mit bestimmten Ansprüchen aufzutreten, die sich in der Praxis gegen den einen ober andern Staat auswirken müssen. Ein solches Verfahren führt keineswegs zu einem Erfolg, sondern schafft neue Schwierigkeiten. Die Aenderung der bisher geltenden Geschäftsordnung des Rates, wenigstens in bezug auf die Einstimmigkeit, ist vorläufig eigentlich nur von dem französischen Ministerpräsidenten Briand befürwortet worden. Aber auch er wünscht nur eine Aenderung des Abstimmungsmodus in bestimmten Fäl - len, und es scheint, daß er hier an Beschlüsse mehr formaler Natur denkt, während er die Erörterungen des Rates, soweit sie sich auf die Souveränität eines Landes be - ziehen, nach wie vor durch Einstimmigkeit abge - schlossen sehen will. Von England und Italien wird bis jetzt WWnif »er @tmtrth6nffSWernotienalt. auch diese beschränkte Aenderung abgelehnt. Der englische Premierminister hat seine ablehnende Auffassung anläßlich der Unterhausdebatte über Genf eingehend begründet: ebenso liegt von dem italienischen Diktator eine entsprechende amtliche Aeußerung vor. Die deutsche Regierung hat sich dagegen über die Aufhebung der Einstimmigkeit in bestimmten Fällen noch nicht geäußert. Das gilt offiziell auch für die Regierungs - parteien. Es ist also kein Geheimnis, daß unter ihnen die Meinungen über die Rekonstruktion des Rates stark aus - einander gehen. Die großen Schwierigkeiten, mit denen das Problem verknüpft ist, machen das durchaus erklärlich. Immer - hin glauben wir, daß der Völkerbund auf die Dauer nicht aus den Schwierigkeiten herauskommt, wenn er an dem starren System der einstimmigen Ratsbefchlüsse in allen Fällen festhält. Die vielerörterte Einteilung des Völkerbundes in geographische Gruppen vermag vielleicht die jetzt noch vorhandenen Schwierigkeiten durch eine schnelle Verständigung der Staatengruppen mit verwandten Interessen unter eigenen regionalen Räten etwas zu beheben, aber sie wird niemals ganz die Möglichkeit ausschließen, daß in absehbarer Zeit der Völkerbund und ganz Europa wieder einmal von einem ein - zigen Staat terrorisiert werden. Auf die Dauer ist das gleich - bedeutend mit dem Zusammenbruch des Völkerbundes. Ein derartiger Zustand muß in Zukunft unter allen Umständen verhütet werden, und dazu beizutragen ist die Hauptaufgabe der im Mai zufammentretenden Reform- kommifsion. Wir sind uns durchaus bewußt, daß sie nicht in der Lage fein wird, alle Schwierigkeiten, die in der Verfassung des Völkerbundes ihren Ursprung haben, restlos zu beseitigen. Die praktische Anwendung des Statuts wird wahrscheinlich noch mehr als einmal eine Lage herbeiführen, die mit den Interessen großer Landesgebiete nicht in Einklang zu bringen ist und die deshalb dem Völkerbund ihre Mitarbeit kündigen. Aber das ist immer noch erträglicher als jenes Schauspiel vom März 1926. Sotto bei Nrian». SPD. Paris, 8. April. (Rundfunk.) Der deutsche Botschafter von Hoesch und ebenso der englische Botschafter sind am Freilag vom Ministerpräsidenten Briand emp - fangen worden. Die Unterhaltung bezog sich aus die politische Ge - samtlage und insbesondere auf die Deutschland interessierenden Fragen der Luftfahrtsverhandlungen und der deutsch-französischen Handelsvertragsverhandlungen. Der Exzelsior will wissen, dasi auch die letzten noch strittigen Fragen hinsichtlich der Entwafsnung Deutschlands, die Sl theilen der vorbereitenden dg-nmijiijti de, ib- rustungskonferenz und die Reorgunisarwu des Bc.terbunoec. e. vneit wurden. IMch-sranzWAs Kmöelsabkommen. SPD. P a r i s, 2. April. Die französische und deutsche Wirtschastsdelegation für die Han - delsvertragsverhandlungen haben am Donnerstagabend folgende ge - meinsame Erklärung vereinbart: „Die Präsidenten der beiden Delegationen, die mit der Fort - führung der HandelsvertragSverhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich beauftragt sind, haben sich über den Text eines Entwurfs zu dem Zusatzabkommen vom 12. Februar 1926 (über die Einfuhr französischer Frischgemüse usw.) geeinigt und beschloffen, ihn be - schleunigt ihren Regierungen zur Annahme vorzulegen. Der Inhalt der Abmachungen wird erst nach Annahme durch die Regierungen bekanntgegeben werden." Die deutsche Handelsdelegation hat sich unmittelbar nach dem Abschluß deS neuen Abkommens Wer Ostern nach Berlin begeben. SroMöMe iolltrhebungtn. SPD. Paris, 3. April. (Rundfunk.) -tie französische Kammer hat am Freitag die Erhöhung der sämtlichen Zollsätze um 30 % beschlossen. Diese Maßnahme wird mit der Notwendigkeit begründet, die französischen Zolltarife, die seit 1922 keine Veränderung mehr erfahren haben, mit der eingetretenen Geldentwertung und Preissteigerung in Einklang zu bringen. Die Finanzkommission des SenaiS hat am Freitag die Be - ratung der von der Kammer verabschiedeten Finanzvorlage abge - schlossen, so daß am Sonnabend die Aussprache im Plenum des Senats beginnen wird. Die Kommission hat fast sämtliche Bestim - mungen der Vorlage mit geringen Abänderungen gebilligt. Ter JGB. erläßt zum 1. Mai 1926 an die Arbeiterschaft der Welt folgenden Aufruf: „Genoffen! Immer noch leiden die Böller Europas unter den Folgen des Weltkrieges. Was jedoch ernster ist: immer noch gibt es Regierungen, die aus Nationalismus entweder den Frieden durch Unterdrückung der Minderheiten int eigenen Lande gefähr - den, oder die im Werden begriffene internationale Völkergemein - schaft aus nationalem Egoismus oder nationalem Eigendünkel in Gefahr bringen. Diese Auswüchse, die unausgesetzt den Weltfrieden, den wirt - schaftlichen Wiederaufbau, die ökonomische Sicherheit der Arbeiter und die Entwicklung der Arbeiterbewegung bedrohen, muß die Ar - beiterschaft mit der ganzen Kraft ihres Willens bekämpfen. Mit jedem Taa wird es deutlicher, daß die kapitalistische Wirt - schaft unfähig ist, die Produktion im Interesse der Gesamtheit zu organisieren. Sie kann sich nur noch aufrechterhalten durch hohe Einfuhrzölle und Absperrung oder — dank der Willfährigkeit der kapitalistischen Regierungen — durch Subventionen aus Staats - mitteln. Jeder Tag bringt neue Meldungen über Reibungen zwischen den Nationen innerhalb eines Staates oder über Gegensätze zwischen den Regierungen. Zurmtziehung französischer Truppen aus dem Saargebiei. Das Problem ver Zurückziehung der französischen Truppen au8 dem Saargebiet stellt sich nach einer von französischer Seite ge - gebenen Darstellung wie folgt dar: Die französischen Truppen können daS Saargebiet verlasien, sowie die lokale Gendarmerie einen ausreichenden Bestand erreicht Bat, um die Wahrung von Ruhe und Ordnung sicherzustellen. Der Völkerbundsrat hat in seiner März- tagung beschlossen, dte lokale Gendarmerie um 250 Einheiten zu ver - mehren, wodurch diese 1000 Mann erreicht bat. Rach der Auffasiung der Regierungskommisnon im Saargebiet dürfte dieser Bestand als auSreicherid bezeichnet werden. Die französische Regierung wird des - halb den Völkerbund bald wiffen Icyien, daß sie ein Jägerbalaillon aur dem Saargebiet zurückziehen wird. Tie Zurückziehung der ver - bleibenden französischen Truppen dürste sich etappenweise nack^vor- heriger Uebereinstimmung mit der Regierungskommission des Saar - gebietes vollziehen. WonbepunN in Marokko? Ter Beginn des Frühlings, der die Wiederaufnahme der mili» tcfr'fqc./peratümeermöglich», stell: sowohl Frankreich und Spanien als auch Abd el Krim vor die Wahl, entweder die Feind - seligkeiten zu beginnen oder in Friedensverhandlungen zu treten. Auf Grund der vorliegenden Informationen ist anzunehmen, daß entsprechende Schritte bereits in beiden Richtungen erfolgt sind. Abd el Krim scheint eine neue Offensive vorzubereiten und ver - breitet gleichzeitig Gerüchte, daß die Friedensverhandlungen vor ihrem Abschluß stünden. Aber so weit dürsten die Verbandlungen noch nicht fortgeschritten sein. Immerhin deutet der Besuch des Generalresidenten für Marokko, Steeg, in Paris sowie seines spanischen Kollegen in Madrid darauf bin, daß man sich auf fran« zösischer und spanischer -seüe zu den FriedenSoerhanÜlungen ernst - haft vorbereitet. Sie Sönwft vor Mias. Wirdkrauiteöen öer (^eiechlstäliakkit. WTB. Paris, 2. April. Die Agentur Jndo-Pacifique berichtet aus Peking: Nach blutigen Zusammenstößen an den Toren von Peking haben die Armeen KuomintschangS bckanntgegeben, sic wür - den Peking gegen die Armeen von Mukden verteidigen. Der Eisen - bahnverkehr nach allen Richtungen hin ist noch immer unterbrochen. Wie eine andere Meldung derselben Agcniur besagt, ziehen sich die Truppen KuomintschangS nach heftigen Kämpfen in der Nähe von Peking weiter in der Richtung auf Kalgan zurück. Tic Flüch - tenden bedrohen Peking. Von den Kaufleuten sind chinesische Frei- willigenkorpS zur Verteidigung der Stabt gebildet worden. 20 000 Einwohner auS den umliegenden Dörfern haben sich in die Haupt - stadt geflüchtet. * WTB. Peking, 2. April. Heute morgen hat in bet Um - gebung ber Stadt ein Flugzeug der mandschurischen Truppen zwei Bomben abgeworfen, um die Eisenbahnlinie zu zerstören. Die beiden Bomben verfehlten ihr Ziel. Eine Frau wurde verletzt. Ob - wohl die mandschuriscben Truppen auf dem Vormarsch bleiben, wer - ben die Friedensbemühungen fortgesetzt. An jedem Tag zeigt es sich aufs neue, daß nur eine geeinte, kräftige Arbeiterbewegung dem Zusammenbruch Einhalt gebieten und der zusammensinkenden Welt Rettung bringen kann. Darum muffen die Arbeiterrnassen eindringlicher als je an diesem ersten Mai ihre Macht und ihren Willen bezeugen! Darum muß die gesamte Arbeiterklasse, das ganze Heer der organisierten Arbeiter und Arbeiterinnen am 1. Mai demon - strieren für den Achtstundentag,für das Mitbest im- mungsrecht in der Industrie, für einen dauern - den Weltfrieden! Soll die Reaktion verdrängt und die Bereitung neuer Grund - lagen für den Aufbau einer besseren Welt möglich werden, so muß jeder gerüstet, jeder zum Angrif' bereit sein! Angesichts der Er- eigniffe und Veränderungen der letzten Jahre mutz sich die Ar - beiterklasse mehr als je ihrer historischen Mission der Befreiung der Arbeiterklasse vom kapitalistischen Joch be - wußt sein. Auf zum 1. Maitag! Auf zur Demonstration in allen Städten und Ländern! Möge dieser Mai ein mächtiges Zeugnis sein für den ent- schloffenen Willen der Arbeiterklasse aller Länder, die Knecht - schaft abzuwerfen, die Reaktion zu stürzen, daS kapitalistische Joch zu brechen. Es lebe die »r- ganifierte Arbeiterklasse der Welt! Das Bürgerkriegsgewenjt -er Roten Sahne. SBie die Berliner Rote Fahne auS sicherer Quelle erfahren haben will, rüstet der „Stahlhelm" zu einem kriegs - mäßigen Manöver, daS vom 5. bis 9. April in Mittel - deutschland unter Leitung des Oberstleutnants Düsterberg ab - gehalten werden soll. Von der JunkerS-Geselljchaft sollen dazu fünf Flugzeuge gemietet worden fein und von der Tech - nischen Nothilfe in Halle die Lastkraftwagen. Die Rot« Fahne behauptet weiter, diese Manöverabsichten ständen in Zusammenhang mit „fieberhaften Bürgerkriegsrüstun» gen“ der monarchischen Reaktion, die überall in Deutschland be - trieben würden und deren nächster Zweck die Verhinderung deS Volksentscheides fei. Danach sollten den Erwerbs- losen die sämtlichen Unterstützungen entzogen und die Ar - beiterlöhne bei gleichzeitiger Verlängerung der Arbeitszeit a b g e b a u t werden. Der Clou der .Enthüllungen" der Roten Fahne ist natürlich, daß alle diese finsteren Pläne die vollste Unterstützung sozialdemokratischer Regierungsmänner und Polizeipräsidenten fänden, woraus die sozialdemokrati - schen Arbeiter den Schluß zu ziehen hätten, schleunigst in ben Abwehrkampf in gemeinsamer Front mit der KPD. einzutreten. Besonders die Gewerkschaften werden aufgefordert, gegen ihre „Instanzen" mobil zu machen und durch Bildung von Ein- heitSkomitees die rote Front gegen die weihe Front herzustellen. * WaS an den „Stahlhelm "-Manövern Wahres ist, wird sich ja bald herausstellen, denn der 5. April steht vor der Tür. Daß diese KriegSspielereien der Prahlhelmer den unmittelbaren AuS- bruch deS Bürgerkrieges zur Folge haben werden, glaubt die Rote Fahne natürlich selber nicht. Im übrigen darf sie die Verfolgung dieser Angelegenheit ruhig Severing überlassen, der mit den unverantwortlichen Putschbrüdern von rechts bisher immer noch ebenso gut fertig geworden ist, wie mit ihren Gegenspielern von links. Wenn aber Severing den Manöverunfug des „Stahlhelm" verbietet und gleichzeitig damit auch den „Roten Frontkämpfern" das Bürgerkriegsspiel verdirbt, bann ist zehn gegen eins zu wetten, baß er wegen so vernünftiger Maßregeln in ber kommu- nistischen Presse wieder nach allen Regeln der Kunst bespuckt und bespien wird. In diesem Zusammenhang sei nebenbei erwähnt, daß die Kommunisten sich jetzt auch die Wirren in der sächsischen Sozialdemokratie zunutze machen wollen, um im Trüben zu fischen. Sie versuchten, die Landerinstanzen der SPD. in ihrem Vorgehen gegen die LandtagSfraktlon für sich einzufangen, sind aber dabei selbstverständlich abgeblitzt. Die Sozialdemokratie wird in Sachsen wie anderswo ihre Angelegenheiten allein zu ordnen wiffen, sie braucht dazu die Zerstörer der proletarischen Der Schuß auf reu Teufel. Eine Geschichte au8 dem Frankenwald von Gustav Schröer 162] 8. Nun war es ganz still im Dorfe. Der Schnee lag so hoch, daß alle Gräben eingeebnet waren, daß auch nicht eine Distel mehr ihren eingetrockneten Blütenkorb heraussteckte. Es schneite immer wieder, und die Männer schaufelten Bahn vor den Häusern, spannten acht Pferde vor den Gemeindeschnee- pflug und fuhren einerseits bis an die Grenze nach Schröttern, andererseits nach der Stadt. Da trafen sie mit denen aus den Gemeinden zusammen, begrüßten sich, zagen die Schnaps- flaschen aus den Taschen und ließen sie kreisen. Fidus Anger hatte hinter Oswin Roßwein spannen müssen. Der hatte ihn hämisch angesehen, aber unterwegs hatte er zwischen Hü und Hott doch Gelegenheit gefunden, dem Bur - schen leise zu sagen: „FiduS, ich hätte Dich dach nicht für so dumm gehalten, wie Du bist. Meinetwegen. Jeder liegt wie er sich bettet — Hü!„ Fidus hatte nur zwischen den Zähnen gemurmelt: „Wer ist schuld, ich oder Ihr?" und der alte Roßwein hatte den Kopf geschüttelt. Sawas von Begriffsstutzigkeit! Lange vor Tag klapperten die Dreschflegel. Die Erlcn- roder Bauern hatten nun zwar schon drei oder vier Jahre hintereinander wegen Anschaffung einer Dreschmaschine ver - handelt, aber sie konnten sich nicht einigen. Junker, Anger und etliche andere, die dazu trieben, wurden übertrumpft. Ach was, Dreschmaschine! Neumodisches Zeug. Was hätte man denn im Winter zu tun, wenn man nicht dreschen könnte? Dann wäre doch gar nichts mehr zu tun. Da hatten sich Junker und Anger Göpel 'angeschafft, und nun waren f i e gegen den Ankauf einer Dreschmaschine. Die grauen Tage waren kurz, die Nächte viel zu lang. Es war viel zu viel Zeit »um Schwatzen und Klatsä)en. Und es wurde geklatscht wie nie zuvor. Gotthold Junker knallte im Wirtshaus die 'Faust auf den Tisch. „Wenn das bald nicht anders wird, dann menge ich mich dazwischen, daß die Fetzen fliegen. Die Leute sind früher auch schon abergläubisch ge - wesen, aber sowas hat's nie gegeben. Da haben die jungen Mädel ihre Wand gemacht mit Hokuspokus, aber das war doch mehr Neugiere; es hat die und jene besprechen können, gut, da ist was dazu, das kann man nicht negieren, es soll auch mancher mehr gekonnt haben, nichts Gewisses hat man nicht gewußt, aber deswegen sind die Leute nicht außer Rand und Band gewesen. Heute ist das ganze Dorf verrückt. Wie sie'S der alten Heinriette machen, das ist eine Schande. Wie war's denn letzten Sonntag in der Kirche? Wie Heinriette in ihren Stand tritt, da steht die alte Hinkeln auf und geht heraus, und die Reitmanns Fanny rückt ganz ans andere Ende. Da faß Heinriette richtig auf dem Präfentierbrette. Alles machte einen krummen Rücken, jeder tat, als wüßte er von nichts, und dabei wußte doch jeder, was das heißen sollte, und wie's ge - meint war. Wenn meine Frieda nicht aufgestanden wäre und sich neben Heinriette gefetzt hätte, da wäre sie ganz allein gewesen. Und Ihr denkt wohl, sie merkt das nicht? Sie hat nach der Kirche Friedas Hand genommen, hat kein Wort gesagt, aber sie hat bitterlich geflennt. Sowas ist eine Schande für das ganze Dors, und ich kann den Leberecht nicht begreifen, daß er das Maul nicht auf tut." „Was sollte er denn machen?" fragte einer. Junker hieb wieder auf den Tisch. „Das ist richtig. Er kann ja keinen kriegen. Es ist's niemand gewesen. Da müßten wir Männer eingrcisen. Meine Weibsen wissen, was sie zu tun haben. Ich wollt's ihnen auch nicht geraten haben anders zu sein. Ich hieb sic alle beide, die Alte und das Mädel. — Nein, sowas darf nicht fein. Das geht über die Hutschnur." „Wenn aber doch was dazu ist?" warf einer ein. „Der alte Kroppen Schneider . . . Und Heinriette hat ihn im Arm gehalten, wie er starb. Ich kann mich nicht genug darüber wundern. Entweder sie hat's nicht gemußt oder sic hat's so gewollt. Gewußt hat sie's aber. Das weiß hier jedes." Der wackere Gotthold Junker stieß mit feinem tapferen Eintreten für die Torfehre in die Luft. In den Spinnstuben, in allen Häusern lebten die Bräuche wieder auf, deren Ursprung im Dämmergrau lange zurück - liegender Jahrhunderte ruht. Auch Frieda Junker warf am Andreasabend, einen Tag nachdem sie sich zu Heinriette Meiß - ner bekannt, eine Silbermünze auf die Diele vor ihrem Bette, setzte den Fuß daraus und sagte den Spruch, der hierher ge - hörte, weil sie von dem träumen wollte, dessen Frau sie einst werden würde. Der Spruch aber hieß: Zu dir, lieber St. Andreas, bet' ich: Laß mir erscheinen den Allerliebsten meinen in seiner Gestalt, in meiner oder seiner Gewalt. Sollt ich mit ihm glücklich sein, laß ihn mir erscheinen mit Bier oder Wein. Sollt ich mit ihm leiden Not, laß ihn mir erscheinen mit Wasser und Brot. Sollt ich mit ihm wandern burdjs ganze Land, laß ihn mir erscheinen mit dem Stabe in der Hand. Die Münze blieb vor dem Bett liegen, Frieda kroch unter die Zudecke. Als sie am andern Morgen erwachte, lachte sie vor sich hin. Sie hatte lauter verrücktes Zeug geträumt. Andere Mädel hatten sich, nachdem sie aus der Spinnstube zurückgekehrt waren, in der sie allerlei Jux getrieben hatten, hinaus in den Obstgarten geschlichen, ein Stück Holz in der Hand. Das hatten sic in den Baum geworfen. So oft es her - unter fiel, soviel Jahre mußten sie noch mit tem Heiraten warten. Bei dieser und jener war das Holz bei dem zweiten oder dritten Wurf in den Zweigen hängen geblieben, bei andern überhaupt nicht. Die ersteren freuten sich des alten Glaubens, die andern sagten: „Ach, das ist ja dummes Zeug. Es ist nichts dazu." Aber sie gingen doch betrübt zu Bett. Linda^ war weder in die Spinnstube gegangen, noch hatte )ie eine Frage an die Zukunft gestellt. Die Großmutter war gestern, am ersten Advent, ganz traurig aus der Kirche ge - kommen, hatte sich, ohne die Kirchenhaube abzulcgen, auf die Ruhbank gefetzt, müde vor sich gesehen und leise gesagt: „Ach, lieber Gott! Tas auf meine alten Tage! Und warum? Weil ich einem Menschen das Sterben erleichtert habe." Auf Lindas Drängen hatte sie bann genauer berichtet. Tas Mädchen weinte. Der Großvater stand am Fenster, hatte die schmalen Lippen fest aufeinander gelegt und sah hinaus in den Schnee, dessen Kristalle in der Sonne blitzten. Da stand Linda mit einem Ruck auf. „Großmutter, das lasse ich nicht sitzen," sagte sie und war zur Tür hinaus, ehe eines ein Wort sagen konnte. Ungestüm trat sie in Hinkels Stube, ohne zu grüßen. „Hinkels Mutter, ich muß Euch was fragen." „Was denn, Linda? Du tust ja recht defparat." „Warum seid Ihr aus dem Kirchenstand gegangen, wie sich die Großmutter hineingesetzt hat?" Hinkels Mutter lachte. „Deswegen kommst Du und sagst nicht einmal guten Morgen?" Linda stand trotzig vor ihr. Die alte Frau floß über von Milde. „Tas hat mit Teiner Großmutter gar nichts zu tun. Tas hätte ich auch gemacht, wenn die nicht gekommen wäre. Tie Sonne schien mir grabe in bie Augen, unb ba konnte ich keinen Buchstaben im Gesangbuch erkennen." „Ist bas wahr?" „Aber Mädel! Was sollte ich denn gegen Dein- Groß - mutter haben?" „Ihr wißt doch, wie die Leute reden. Gelt, das wißt Ihr?" „Ach, ich weiß gar nichts, und ich sag gar nichts. Tas ist ja Gclaferc. — Grüß die Heinriette, und sie soll sich ja 'eine dummen Gedanken machen." IFortsetzung folgt.)