Ausgabe A Preis 10 4 Nummer 2S1 Montag, 11. Oktober 1926 52. Jahrgang e.jKle«lg«m»nalmM Fehiandftr. 11 , Jtmfpt.i Lide 109»>, üochpart. <6l« 1 Uhr abend« für den folgend«« Zag), in den KNiaien (bl« 3 llbr lind in allen Pmioncenbureaut Plan- und Daienvorichrlfien nnverdindlich. ®«8 »««»«*90» C»o erscheint läglich einmal, anFer den 2. Feiertagen. e«»“flepe«le: Wonallich 2.00 Wk, ahne .Lachen linl« 2,2.5 M. Wöchentlich 0,70 Ml, ohne .Lachen lint«* 0,55 Ml, für Abholer 0,05 Ml, ohne .Lachen link«' 0,50 Ml. Auch durch die Post zu beziehen. RebakttoNi Fehlandstraje 11, erster Stock. Fernsprecher: Slde 1691 und 1693, Verantwortlicher Redakteur S»o u I Bng«al)n, tlllona, Buchhandlung: Fehlandstrage 11, Lrdgeschoz. Fernsprecher: Llde 1692. Buchdruckereilontor: Fehlandstr 11, I. Stock. Fernspr.: 6»« 6620 u. 6621 Hamburg 21ltonaerDoltzsblatt Gegründet 1875 Ar ÄiSklbrrgkk WOftrOM. Ein Rülkbülk. Von Dr. Lutz Hammerjchiag, Freiburg t. 5?. Das politische Problem Europas ist daS Problem des Pazifis - mus! Das sagten vor lern Kriege, leibet vergeblich, einige lausend geistig bedeutsamer Europäer ohne politischen Einfluß; feit dem Kriege sagt es der übernationale Sozialismus uns jetzt steht es in der ratholischen Presie Deutschlands. Das allein schon illustriert die Wandlung, die sich in breiten Volkskreisen vollzogen hat. D-e ’ sozialistische und sie katholische Presse Heidelbergs hauen Sonder» nummern zur Begrüßung des Kongresses hcrausgcgeben, die öemo» kratische Bcgrüßungsartikel geschrieben. Sondernummern, in denen Menschen zu Worte kamen, deren Namen ein Programm bedeutet. Eine „Botschaft" von Paul R a y n a I, dem Dichter der Tragödie „Das Grabmal LeS unbekannten Soldaten"; das glühende Herz eines Heinrich Lersch und der Seelenadel eines Belanget rütteln in Gedichten an der Alltagskruste unserer Gefühle und leuch - ten in Herzensliefen, aus denen reine Menschlichkeit emporquilli, Pfarrer und Politiker, Pädagogen und Organisatoren sprechen aus diesen Sondernummern.' Tas bessere, das „andere Deutschland" ist hier :n seinen Pertretungen versammelt und das „andere Frank - reich" antwortet ihm in öffentlichen Kundgebungen, in denen die Begeisterung dec tausendköpfigen Menge von der Gesinnungswand, lung Deutschlands künd«. Es ist keine Vereinsangelegenheit, was dort in Heidelberg vom Deutschen Friedenskartell verhandelt wurde, von Politikern wie Paul Löbe, dem deutschen Reichstagshaupt, Marc Sangnier, dem Fraktionsführcr im französischen Parlament. Rennie Smith, dem englischen Parlamentarier, v. Gerlach, Dr. Si - mons, von mutigen Generalen, wie v. Schönaich und Deim - ling (mutig, weil sie die gesellschaftliche Aechtung für ihre Ueber. Zeugung zu tragen bereit sind), von Gelehrten, wie dem Reichsiustiz- ministet a. D. Prof. Radbruch, Prof. Quidde, Prof. Kan- t o r o w i tz, OberlandeSgerichtsrat Dosenheimer, oder von Reformern wie Dr. Helene Stoecker, Dr. Kurt Hiller, von sozialistischen Pfarrern wie Bleyer oder Eckert und von vielen andern. Der Pazifismus ist heute nicht mehr ein pädagogisches, sondern ein politisches Problem, schrieb die Presse. Pädagogisch in diesem Zusammenhang heißt: auf die Gesinnung der Menschen einwirken Mn der Erwartung, daß aus der neuen Gesinnung der Menjchetz eine neue Ordnung der Dinge entstehe. Politisch in diesem Zu - sammenhang heißt umgekehrt: auf die Ordnung der Dinge ein - wirken und die Menschen zwingen, die neue Ordnung als Tatsache hinzunehmen und sich ihr anzupassen. Daß beide Aufgaben nicht nur nicht veraltet, sondern von zwingender Notwendigkeit sind, daß eines oder das andere undurchfühibar ist, das ist vielleicht da? wich, tigste Ergebnis dieses Kongresses. Das pädagogische Problem der Friedensgesinnung und ihrer Ausbreitung durch die Erziehung zum Rechtsstaat, durch die Er. ziehung in den Schulen, durch die Erziehung de§ ganzen deutschen Volkes zum Verständnis der europäischen Situation, dar stand im Mittelpunkt der gesamten Diskussion. Das politische Problem der klaren Talsachenerkenntnis, der Tatsache nämlich, daß ganz Europa den Krieg verloren hat, der Tatsache der europäischen Not, aber auch der schlimmeren Tatsache, daß Europa nach dem Kriege nicht zum Frieden organisiert wurde (was Smith so formulierte: die Völker Europas verwandelten ihre Schwerter in Zölle), und schließlich der Tatsache, die Prof. Kantorowitz in die Worte faßte: „Äfc müssen durch den Völkerbund über den Völkerbund hinaus!" Füllte durch die Klärung der taktischen Wegverschiedenheiten den Großteil der Aussprachen. Wir müßen die Kriegsdienstverweigerung in allen Völkern organisieren, sagen die einen. Die Kriegsdienswerweige» rung ist ein veraltetes Problem, sagt Kantorowitz, denn ein zu- künftiger Gaskrieg würde von wenigen Mordbrennern gemacht werben. Wir müssen unsere Delegierten im Völkerbund anweisen, nur die deutschen Jntereffen vahrzunehmen, sagen die opportu- nistischen Egoisten in den Staatskanzleien und Wirtschaftsverbänden. Es ist ehrlos und schamlos, entgegnet ihnen der wahre Pazifist, sich als dauerndes Vorstandsmitglied in einen Verein wählen zu lasten, mit der vorgefaßten Absicht, nicht daS Vereinsintereste, sondern nur das eigene zu fördern. Die Besorgnis, daß die allzu glatte« Opportunisten der Staats- kanzleien und der Großindustrie, ehern. VaterlandSparteiler, die heute mit dem Brustton der Ueberzeugung in Genf genau daS gleiche vertreten, wofür vordem aufrechte Menschen erschosten oder in Schutzhaft genommen, Scheidemann und Wirth als Minister ge» schmäht. Erzberger und Rathenau ermordet wurden — die Besorg- niS, saß diese glatten Auch-Pazifisten dem ganzen Gedanken der Aufbaues einer neuen Welt aus einer neuen Gesinnung verderben könnten, die ganze Idee des Völkerbundes und deS Pazifismus dir- kreditieren können, wenn man sie ihnen zu sehr überläßt, durchzog alle Referate und alle Aussprachen deS Kongresses. Es wurde viel kluge und wertvolle Einzelarbeit geleistet. Ueber daS aktuelle Thema der Abschaffung der Todesstrafe im neuen üemsch-österretchischen Strafgesetzentwurf hielt OberlandesgertchtS- rat Dosenheimer ein vorzügliches Referat. daS vom Reichs- justizmtnistei a. D. Genosten Prof. R a d b r u ch ergänzt wurde und sich n einer Aussprache über ■ Sen Strafvollzug fortsetzte. Ueber „Völkerbund uns deutsche Friedenspolitik" brachten LberregierungS- rat Dr H. S i m o n S und Dr. Kurt Hiller eine Fülle von Ge» sichtspunkten herbei. Ueber dte Beurteilung des Völkerbundes, daS heißt darüber, ob er, der heute zweifellos noch eine stark in den Händen der alten Diplomatie und den Interessen Ser kapitalistischen Staaten befindliche Einrichtung ist, ein entwicklungsfähige? Gebilde * für den entschiedenen Pazifisten sei, entspannen sich lange Debatten. Hatte doch Pfarrer Eckert, Meersburg, der Geschäftsführer deS Bundes religiöser Sozialisten die These ausgestellt: „Wir sind skeptisch gegen. Wesen und ArbeitSmöglichkeit Oe$ Völkerbundes, ebenso skep- tisch gegen die Exekutive. Wir rechnen mit dem Zusammenbruch des Völkerbundes von Genf. Erst das auS der Not geborene Gemein - schaftsgefühl wird den wahren Völkerbund hecbeiführen. nicht der aus Egoismus, aus wirtschaftsrationalen Gründen geborene." Dem gegenüber stellte sich doch die Mehrheit der Redner und der 200 Dele- gierten auf den Standpunkt, daß der Völkerbund mit ollen feinen vorläufigen Mängeln und Gefahren (zum Beispiel der Polizeiaktion gegen Unbotmäßige), mit all seinen Unzulänglichkeiten, die ihm auS der Geschichte seiner Entstehung noch anhaften, em ausbaufähiges Instrument sei, daß er mehr und mehr vom sozialistischen Geist durchtränkt werde (wie doch daS Internationale Arbeitsamt den Schutz der Arbeitskraft schon in den Vordergrund rückt) und baß es ein verhängnisvoller Fehler wäre, wenn die alte Kerntruppe des Pazifismus auf ihren Erfolgen einschlafen würde, oder wenn die sozialistischen Massen dem rührigen Gegner Zeit lasten würden, das Instrument des Völkerbundes und der Locarnoverlräge mit ihrem Ungeist engstirniger nationaler Ueberheblichkeü und verschleierter nationaler Revanchegedanken von innen heraus umzubiegen. „Die Aufgabe« de? organisierten Pazifismus .find noch f a^ge nicht erfüllt," sagte der jugendliche Greis Prof. Quidde, der Leiter des Kongresses. Er hat recht Es gilt, den Gedanken Marc S a^n g n l e r s allen Menschen klar zu machen, daß „alle Nationen leiden, wenn eine leidet",. es gilt, den Gedanken de? Generals v. Schönatchzu verbreiten, daß „die Gewerkschaften auf der Wacht fein müssen, weil kein Verlaß auf die Friedensbereitschaft der Mäch - tigen ist", eines Gedankens, den Helene S t o e ck e r durch die Vor- bereitung des Generalstreiks für den Fall des Krieges kongretisierte. Es gilt, die stehenden Heere überall abzuschaffen, die den Ungeist des 19. Jahrhunderts in unser Jahrhundert hinübertragen. Es gilt, die Schulbücher zu wandeln, „damit die junge Generation nicht immer wieder gelehrt werde, wie sie töte, sondern wie sie leben soll", wie der Sekretär des englischen Friedenskartells Smith sagte. Es gilt schließlich, die pazifistische Rechlsordnung der VöUer zu untermauern durch eine soziale Rechts- und Wirtschafts, ordnung im Dölkerleben und durch eine seelisch geistige Wandlung im Bewußtsein der Masten vom Wachsen und Gedeihen der Völker; ja mehr noch, es gilt, Krieg und Gewalt und ihre Diener zu ächten als unwürdige Erscheinungen wahren Kulturwillens. Eine Fülle von gemeinsamen Aufgaben harrt der im deutschen Friedenskartell bereinigten Verbände. Mögen sie jeder in seinem Kreise „die Worte bedeutungsvoll machen, die auf dem 12. Deutschen Friedenskongreß zu Heidelberg gesprochen wurden". Es geht um den Bestand der europäischen Kultur! Abreise des engkifchen Botschafters aus Berlin. Sonntag nach - mittag, um 3,41 Uhr sind der bisherige großbritannische Botschafter in Berkin und ViScounteß d'Abernon mit dem fahrplanmäßigen Zuge von Berlin nach Rom abgereist. Zum Abschied hatten sich außer ReichSaugenminister Dr. Stresemann und Gattin und allen Dkttgliedern der englischen Botschaft, unter andern Staatssekretär v. Schubert, Ministerialdirektor Köpke, Ministerialdirektor de Haas und Vortragender Legationsrat Horstmann auf dem Bahnsteig eingefunden. Die pttuWtn Ritbltt beim limiemen? Bekenntnis zur Republik. K a s s e l 11. Lkwber. Der 5. preußische Richtertag nahm nach einer Aussprache die folgende Entschließung an: „Die im Preußischen Richterverein vereinigten Richter und Staatsanwälte erblicken in der Weimarer Verfassung die Grundlage des Rechts und die Gewähr für den Bestand de» Vater- landes und bekunden ihre unerschütterliche Verfassungr- treue. Die Richter sind Diener des im Gesetz niedergelegten Willen» des deutschen Volkes, nicht Diener irgendeiner Partei. Sie erblicken es daher als ihre Pflicht, d.e Verfassung der Repu - blik als das ober sie Gesetz de» deutschen Volks, st a a t e 3 z u stärken." Vorher batte Ministerialrat Schuster vom Justizministerium aaSgefühN: Sckmere Zeilen bestehen für die Richler, sie und die Staatsanwälte stehen unter der stärksten Kritik der Oeffentlichkeit. Die Vertrauenskrise der deutschen Justiz hat zu den Forderungen geführt, üieUnabhängi g^e i t und Unabsetzlichkeit der Richler a u f z u h e b e n. Schwer inS Gewicht fällt dabei, daß die Kritik an der Juitiz aus durchaus e r n ii z u nehmenden Kreisen kommt, die bet Ansicht sind, mir hätten eine politische Just^ gegen die Republik. Wir sind überzeugt, daß diese Borwürfe unbegründet sind, aber si« wüsten als ernst zu nehmendes Zeichen betrachtet werden. ES ge» nügt nicht tnetir, die Kritik, wie es anfangs geschah, einfach zu ignorieren, daher ist der Entschluß deS Richlervereins, gegen offenbare Fehlurteile schärfste Stellung zu nehmen, nur zu begrüßen. Die Unabhängigkeit und Unabsehbarkeit der Richler sind durch die Verfastung gewährleistet. Die Aufhebung dieser Eigenschaften, die wir von der westlichen Demcckratie über - nommen haben, würde daS Fundament der- Staate» untergraben. (Mitnichten! Gerade zur Sicherung de? LtaatSfundaments, da - durch eine parteiische Justiz bedroht war, hat auch die französische Republik vorübergehend die Unabsetzbarkeil der Richter aufgehoben. D. Red.) Unparleilichkeit der Richter ist die erste Borau»ützung zur Entwaffnung Oer Kritik. Tor neue Staal Hal, da? kann mit aller Deutlichkeit betont werden, allen Richtern in lovalster Weise frei- gestellt, in seinen Dienst zu treten, coer, falls das gegen LaS Ge - wissen de» einzelnen fein sollte, Möglichkeiten zum Abschied nttl dem Amte geboten. Wer aber den Eid auf die heutige Ver - fassung geleistet hat, der muß seine Arbeit ernst nehmen. Al» Devise mutz gelten, waS auf einer Sitzung de» Vorstandes dc» Preußischen RichterveretnS ,m Jahre 1920 in Berlin zum Ausdruck gebracht wurde, nämlich, daß al» Grundlage de? «taatrlcbenS die Verfassung anzusehen sei, zu der wir in unerschütterlicher Treue stehen wollen. Als ein Zeichen der Einkehr und vielleicht auch der Umkehr bars wohl ein Beschluß gewertet werden, den bie Tagung am Sonnabend in geschlossener Litzung gefaßt hat. Dorin wird der Ausschluß de» Senatspräsidenten kstrostmann au» dem Preußischen Richterverein al» eine voreilige Maßnahme des Vorstände» bezeichnet und e» wind verlangt, eine Basis zu schaffen, auf der mit dem Ausgeschlossenen verhandelt werden kann. Ae.Mimißfor ParleipoM. Roch ent Beitrag tum Kapitel Reichswehr. Einem Artikel von Polizeioberst a. D. Sange entnehmen wir folgender Stück: „Welcher Geist in der Reichswehr grohgezcgen ist und sich un - bekümmert rühren durfte, dafür no chetnganz besonder? sprechendes Beispiel: Im Verlag der „Offenen Worte" ist ein Handbuch für den Selbstunterricht erschienen: „Der Infanterist". Verfasser ist ein Hauptmann Hube im 12. ReichSwehrinfanterieregtment. Dieser Herr belehrt seine Untergebenen in staatsbürgerlicher Hinsicht fol- gendermaßen: Seite 8: „Mit Parteipolitik hast Du nichts zu schaffen. Sie erscheint Dir ein schmutziges Geschäft." Mit welcher 2lchtung mag der junge Reichkwehrsoldat am Re ichs - tagsgebäude vorübergehen, in dem die auf Grund der Weimarer Verfassung gewählten Volksvertreter tagen, auf dessen Dache die schwarz-rot-goldene Fahne der Republik weht. Nebenbei: es war eine Versündigung an der Erziehung der Reichswehr zum Staats, gedanken, daß man ihr die Farben des kaiserlichen Deutschland gegeben hat.) Mit solcher Dreistigkeit, um keinen schärferen AuS- druck zu gebrauchen, wie sie sich Ler Hauptmann Hube erlaubt, beleidigt er schließlich auch den ReichLwehrminister selber, der doch auch einer Partei angehört. Für den ReichSwehrsoldaten aber ist Parteipolitik, laut Belehrung durch seinen Vorgesetzten, ein schmutzt gc8 Geschäft . . . Nach sechsjähriger Amtstätigkeit bleibt dem ReichLwehrminister Geßler noch fast alles zu tun übrig. Womit eigentlich der Beweis erbracht fein dürfte, daß er diesem Posten nicht gewachsen war. Deshalb erscheint es auch unmöglich, für die Zukunft etwa» von ihm zu erhoffen. Seeckts Nachfolger, der General Hetze, hat einmal in denk - würdiger «künde Zivilcourage bewiesen. Etwas, das bei Generälen so selten ist wie Gold im Harz. Wenn er sie noch besitzen sollte, so wollen wir nur hoffen, daß er sie nicht nach der verkehrten Sette zeigt. In der oben zitierten Ausbildungsvorschrift für die Infanterie steht noch ein wunderschöner Satz, bet allerdings bisher nur Papier- Weisheit geblieben ist: „Das Heer muß von dem Vertrauen de» ganzen Volkes getragen werden." Hier ist die Aufgabe für einen Reichswehrminifter und feinen militärischen Berater. Die Saft in der Reichswehr ist stickig. Die Fenster müssen aufgerissen werden, damit ein frischer republikanischer Wind hin - einweht. * * * * v Ar dculichtNSlljthtnNirWllslSbksvrkthungtn SPD. London, 11. Oktober. Die englisch-deutschen Wirtschaftsbesprechungen sind am Sonn - tag nachmittag abgeschlossen worden, nachdem am Sonntag noch insbesondere Fragen der Handelspolitik sowie die internationale Zusammenarbeit der Industriellen und da» Problem der inter - nationalen Arbeitslosigkett besprochen worden waren. Am Schluß der Konferenz wurde die Einsetzung eine» ständigen aus Engländern und Deutschen paritätisch zusammengesetzten Komitees beschlossen, das die angeschnittenen Fragen Wetter behandeln wird. Vorsitzende sind: Sir Robert Horne und Duisberg, Sekretäre Kastal, Nugent und Whtte. l i i imiiui , ihn, Wußle.Hindenburg davon? Z. N. Berlin. 10. Oktober. In den Kreisen der Regierung und Verwaltung, und zwar der höchsten Stellen im Reich und in Preußen, werden in der be» stimmtesten Form Behauptungen weitergegeben, die die Umstände, die zur Entlasiung des Generals von Eeeckt geführt haben, ganz eigenartig gelagert erscheinen lassen. Danach habe der General von Seeckt zwar den Reichswehr- minister Geßler über die kurzfristige Dienstleistung des präsum- tiven rhronprätendenten nicht unterrichtet. Sie sei aber unter voller Kenntnis und BMigung des Reichipräsidenten von Hindenburg erfolgt. General von Seeckt habe sich durch die Billigung bei Reichs - präsidenten, der al» Oberbefehlshaber des Reichsheeres nach Ar - tikel 47 der Verfassung fein höchster Vorgesetzter ist, absolut gedeckt fühlen mü। f en. In dieser bestimmten und selbstverständlichen Erwartung sei bet (Menetal von Seeckt nun auf» bitterste getäuscht worden. e Strafanzeige gegen Prinz Nilkeim und Senossen. Z. N. Berlin, 10. Oktober. Wie wir erfahren, bereitet die Deutsche Liga für Menschen - rechte eine Strafanzeige an die Oberstaatsanwaltschaft zu Potsdam gegen den minderjährigen Wilhelm Prinz von Preußen, wohnhaft in Schloß Säcilienhof, vor, der in der Zeit vom 14. August bis 9. September an verschiedenen Orten, unter anderm auch in Pots - dam, unberechtigterweise die Uniform de» Reichsheeres getragen und sich die Befehls- und Amtsgewalt eines Leutnants, also eine» vorgesetzten Beamten, angemaßt hat. Der m Frage kommende § 132 de» Strafgesetzbuches sagt: „. . Wer unbefugt sich mit Ausübung eine» öffentlichen Amte» befaßt oder eine Handlung vornimmt, die nur kraft eine» öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wirb mit Ge - fängnis bis zu einem Jahr« bestraft." Der § 350,8 verbietet da» unbefugte Tragen der Uniform bei einer Geldstrafe bi» zu 150 JK. Gegen den Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen, zur Zeit in Locarno, den Vater und gesetzlichen Vormund des Vorgenannten, den General der Infanterie a. D. von Seeckt und den Kommandeur des Reich-wehrinfanterieregimentS Nr.S in Potsdam, Oberst Wetzn, wird die Liga gleichzeitig bie Strafverfolgung wegen Beihilfe be - antragen. Hierzu sagt § 49 des Strafgesetzbuchs: • . Al» Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Be ¬ gehung de? Verbrechens ober Vergehens durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat . . ." Rattomüjozlallstischer Mors all WTB. Berlin, 10. Oktober. Anläßlich einer nationalsozia - listischen Veranstaltung in Potsdam drangen, einer Berliner Korrespondenz zufolge, in bet Sonnabendnacht etwa 30 National - sozialisten in ein Gewerkschaftslokal ein. ES entwickelte sich eine erbitterte Schlägerei, wobei mehrere Gäste verletzt wurden. Ueber« fallkommanbos mußten mit den Gummiknüppeln eingreifen und mehrere Zwangsgestellungen vornehmen. Gottwert Ingram und sein Werk Aoman von GustavSchröer. (60] — Gleichmäßig, wie immer, atmete die Ewigkeit. Saat und Ernte und wieder Saat. Frühling, Sommer, Herbst. Kalt kamen die Winde vom Gebirge hereingebraust, wild rüttel - ten sie droben in Rödel an den entlaubten Bäumen. Kalt draußen und frostig drinnen. Johannes Siebert spannte jetzt oft den raschen Fuchs vor den leichten Wagen und fuhr hinab nach Dollern. Etwas mußte der Mensch doch haben. Es waren da ein paar nette Kneipen. Man trank, machte ein Spielchen, man kniff auch mal die Kellnerin in den Arm. In den Adler ging Siebert nicht mehr. Was dort saß, das war zu steif. Die hatten alle denselben Dünkel wie seine Frau. Er will ein Weib hab;n, das sich an ihn kuschelt, das mit ihm tanzen geht, das sich unter den Leuten wohl fühlt, unter denen es ihm behagt. Das aber tut Frieda nicht. Weder das eine, noch das andere. Sie war, den guten Willen mußte man ihr nachrühmen, inzwischen wieder ein paarmal mit ihm in Weißenbach gewesen, auch einmal zum Theater in Dollern, aber jedesmal war es -u guter Letzt doch eine Pleite geworden. Und er stand nicht unter dem Pantoffel und ließ sich auch nicht drunter kriegen! Run nahm er sie nicht wieder mit, nun ging er allein. Der Schwiegervater hatte noch nichts gesagt, obwohl er natürlich davon wußte. Er wußte ja alles. Auf dem Jngramhofe war Siebert vor - sichtig geworden. Dore hatte eine gefährliche Art, und zu dem, was er wollte, schien sie nicht bereit zu fein. Lieber also nicht verplempern. Kalt umbrausten die Winde, Schnee vor sich hertreibend, das Gut Rödel, und frostig war es in seinen Stuben. Warm aber war es auf dem Jngramhofe. Die Staatsregierung hatte im Sommer noch einmal elliche Vermessungen an - stellen lassen, — zum wievielten Male eigenllich? — von einem besonders hochstehenden und maßgebenden Manne sollte ein Gutachten — das wievielte eigentlich? — einge - holt worden fein. Doktor Weigand hatte sich Abschriften aller möglichen Briefe aus Döllern besorgt, er hatte Abschriften der un - mittelbar nach Oberingeln . eingegangenen in die Kreis - stadt geschickt. Dauernd kamen Anfragen, die Akten schwollen an. Und — das war alles. Sogar der „Bote" schwieg. Gut. Ingram hat auch sonst zu tun. Ja, wahrhaftig, das hat er. Er hat die Zügel der alten Wirtschaft fest in den Händen, er geht nach Rödel oder 'läßt Schwiegersohn und Inspektor herabkommen. Droben gefällt es ihm nicht. Es ist ein Jammer mit Frieda. Sie ist hager geworden; sie hat un - natürlich große Augen; ihre Sprache ist hart. Aber was ist zu tun? Der Vater hat getastet, ja, er hat gefragt, er hat die Augen aufgetan und beobachtet. Johannes ist wirk - lich kein schlechter Landwirt und auch sonst umgänglich und verträglich. An ihm kann die Schuld nicht liegen. Die zwei, jedes in seiner Art brauchbar, passen nicht zusammen. Ter junge Mann sängt an, in den Kneipen zu sitzen. Das kann natürlich nur bis zu einer gewissen Grenze gehen. Was aber, wenn er sich nichts sagen läßt? Es ist frostig in Rödel. Und daheim fft es sa behaglich. Wenn das Mutter sähe, sie hätte ihre Helle Freude. Was ist Dore für ein liebes, kluges, tapferes Menschenkind! So war Mutter vor bei - nahe dreißig Jahren auch. Schulze Ingram geht dem Mäd - chen mit aufmerksamen Augen nach. Es ist eine Freude, zu sehen, wie sie alles anpackt, wie gern die Leute sich von ihr leiten lassen, wie sse mitten unter ihnen ist und sich doch nichts vergibt. Ihm selber lieft sie sozusagen alles vom Ge ¬ sicht ab, ihm und dem Doktor. Der Unglücksmensch ist schon wieder zweimal „krank" gewesen. Beide Male nur leicht, und Dore ist ganz allein mit ihm fettig geworden; aber zu heilen scheint der Mann nicht mehr zu sein. Und er ist doch ein so guter, kluger Kerl! Es ist mancher Abend gekommen, der zu Mutters Zeiten auch nicht schöner war. Sie haben in der Stube gesessen, Dore unter ihnen, und haben geplaudert, und das' Mädel ging in allem mit. Ja, sie hatte auch darin Mutters Art, daß sie immer ein Wort der Entschuldigung wußte, wenn die Männer ärgerlich waren. Ganz, ganz langsam kam es über Ingram. Er lag in einer Nacht schlaflos und redete innerlich mit feiner Frau. Sieh mal, Mutter, so alt bin ich doch noch nicht. Fünfund - fünfzig. Und wenn Tore eines Tages fortgeht, bin ich wieder allein. Wer weiß, wen ich dann kriege. In Rödel, Mutter, werde ich mich nie wohlfühlen. Ja, der kleine Gott - wert Waldemar ist ein liebes Kerlchen, und ich habe ihn von Herzen gern; aber zwischen Frieda und ihrem Manne scheint es böse auszugehen, wenn Frieda nicht zuletzt doch noch an - ders wird. Was denn, Mutter? Du meinst, wir müßten schließlich doch zusammen Hausen? Warum denn? Ent - weder ich kaufe den zweien irgendwo eine Wirtschaft und ziehe nach Rödel, oder umgekehrt. Aber mein Daheim will ich haben. Ich schlage mich gern draußen herum; aber ich will auch Ruhe und Wärme haben. Der Altersunterschied? Nun, Dore muß doch auch so an die dreißig sein. Ihr Vater? Ja, Mutter, da hast Du recht, das geht nicht. Gute Nacht, Mutter. Nimm's nicht übel. Wer bringt cs fertig, seinen Gedanken zu gebieten? Zwei, drei Tage kann man die Hand breit auf heimliche Wünsche legen. Am vierten guckten sie doch wieder darunter hervor. Und sie haben so liebe, gute Augen! Lipp Heierle? Wenn ich einmal ernsthaft mit ihr rede, dann zieht er fort. Das begreift er schon. Nein, warum soll er denn fortziehen? Hat er etwas Unehrenhaftes begangen? Nie in seinem Leben. Und wenn Schulze Ingram wieder heiratet, dann weiß alle Welt, daß er das nicht wie ein junger Mann tut; und wenn er die Tochter des Gemeindeboten von Oberingeln heiratet, wen geht das etwas an? Nein, es geht doch nicht. Ja, Schulze, es geht. Du ffiebst Dore nicht als Weib, ob - wohl Du Dir eine Ehe mit ihr ganz gut denken kannst, Du siebst sie, sagen wir, wie eine Tochter. Weil Du diese Tochter aber jeden Tag verlieren kannst, weil Du dann die Oede, Leere und Kälte Deines Hauses fürchtest, weil Du Dir da« Beste immer in Deinem Hause geholt hast, darum willst Du dem Verlieren vorbeugen, darum Dore an Dich binden. Weiß Gott, Du denkst an nichts weiter, und Du nimmst Dich zusammen, Dore nichts, gar nichts merken zu lassen. Sie aber ahnt es, und — Doktor Weigand ahnt es auch. Siehst Du nicht, wie der Mann manchmal zum Sprechen anseht? Er will Dir sagen: „Schulze, es muß was zwischen Dor« und Deinem Schwiegersohn gewesen fein." Aber er kann es nicht. Er hat Dich zu lieb. Gott bewahre ihn vor dem Tage, an dem er es sagen müßte! Weigand belügt sich. Das ist alles nur väterlich Ja, das ist es; aber der Vater will dir Tochter nicht wieder verlieren und darvm . . . Und Dore ahnt es und ist unruhig, halb, froh, halb ängst - lich. Soll ich lieber gehen? Schulze, ich habe Dich ja so lieb, so lieb wie — einen Vater. Oder? Ich weiß es nicht. Ich könnte Dich heiraten, ja, das könnte ich. Wer aber hilft mir über die vergangenen Tage weg? Herrgott, erbarme Dich! Lieber, lieber Mann, schweig, daß ich Dir nicht unsäglich weh tun muß. Oder weißt Tu auch da einen Ausweg, Du, der alles weiß? IFortfetzung folgt.)