Preis 10 4 52. Jahrgang Kummer 317 DLensLag, 16. November 1926 -.'W MTä r A-. ege Jamburg« Qo erlch-tui täglich einmal, außer den r. Feiertagen. ®eiugep 't* pareillezelle 40 Pf Private Fanrilienauzeigen ‘25 Pi Stellen - angebote 30 W »tellengesuche 25 Pf meine Anzeigen dir 9 Feilen die Zeile 25 Pf., 10 bi« 15 Zecken die Zeile 30 Pf «ekiamezetle 3 Mk. Anzeigen müiien Im voraus ober sofort bezahlt werden ttageiflenmmatjme Fehlandstr 11 Fernfpr. Elbe 1694), 5,ochpart. (bi# 7 ut)r abend» für den folgende« Lag», in den ,yUta^n (bl» 3 Uhr und in allen Annoncenbureau» Play- und Datenvorkctzriflen unverbindlich. Hamburg 21 ltonaer DolKsbiatt Gegründet 1875 W Born nm Mtiolitn. §it Zusammenkunft von Odessa. - Englisch-russische zntri6tn.-^te§esiigung der vorbrrasiatiichenEtaaten. Am vergangenen Sonnabend ist der Außenminister der türkisä)en Republik, Tefwik Ruchdi Bey, auf dem Schlachtschiff ^Hamidie" (einem ehemaligen deutschen Kreuzer) nach Odesia gefahren und hat sich dort mit dem Außenminister der Sow - jets, Herrn Tschitscherin, getroffen. Dem Vernehmen nach laben Vertreter Afghanistans und Persiens an dieser Zu - sammenkunft teilgenommen. Ein erheblicher Teil der englischen Acchtspresie hat dies zum Anlaß genommen, erneut und mit großem Lärm auf die wachsende Gefährdung der englischen Stellung in Asien hinzuweisen. Aber dieser Hinweis, so ner - vös und laut er auch gewesen ist, hat nicht vermocht, diesmal hie öffentliche Meinung der Welt besonders in Stimmung zu ersetzen. Die Zeit ist vorbei, da man aus irgendeiner Zu - sammenkunft oder irgendeinem Abkommen sofort die zukünfti - gen Wege des außenpolitischen Schicksals abzuleiten beliebte. Das hängt damit zusammen, daß die Zeit der raschen Koali- lionsbildungen in der Außenpolitik vorbei ist. Heutigen Tages bringt die Arbeit der Diplomatie in nur wenigen Fällen Sen - sationen, und die wirklichen Entscheidungen werden nur noch langsam, mit viel Mühe und Zähigkeit erarbeitet. Die welt - politischen Schlagworte haben abgewirtsck)aftet. Parolen, die man vor Jahr und Tag noch ernst nehmen konnte, wie Pan - asiatischer Völkerbund und ähnliche, sind heutzutage kaum noch anwendbar. Die harte Realität, die auch in der Außenpolitik sich immer drastischer durchzusetzen beginnt, erlaubt solche Ver - allgemeinerungen nicht mehr. Man muß dies vorausschicken, um die politische Bedeutung einer Zusammenkunft, wie die von Odessa, erkennen zu können. Auf den ersten Blick ist es jedenfalls nicht leicht, die Tragweite dieser Unterredung abzuschätzen. Die amtlichen Verlautbarun - gen, wie sie Tefwik Ruchdi Bey und Tschitscherin gemeinsam haben herausgehen lasten, sind ganz besonders nichtssagend und enthalten kaum mehr als allgemeine Freundschaftsversicherun - gen. Von einer Beteiligung persischer oder afghanischer Ver - treter wird offiziell überhaupt nichts mitgeteilt. Daß trotzdem jtm mindesten Persien in irgendeiner Form an den Verhand - lungen von Odessa teilgenommen hat, geht aber daraus hervor, daß der persische Gesandte in Angora Erklärungen an die dor - tige Presse gegeben hat. Diese Erklärungen sind so sonderbar, daß man sie geradezu als absichtliche Täuschungen ansprechen sann. In ihnen wird nämlich gesagt, daß die vorderasiatischen Staaten und Rußland sich gemeinsam mit der Gefahr eines griechisch-italienisch-bulgarischen Angriffes auf die Türkei be - schäftigen würden. Eine solche Gefahr besteht aber praktisch im Augenblick kaum, wenn sie theoretisch eventuell auch gegeben fein mag. Tas könnte den Gedanken nahelegen, daß man auf der Zusammenkunft von Odesta allerlei Dinge zu verheimlichen hatte. Sicher ist jedenfalls, daß man sich in Odesta weniger über Italien, Grieck-enland und Bulgarien, als über England unterhalten hat. Für Rußland wie für die Türkei ist die Frage ihrer Beziehungen zu England nach wie vor ausschlaggebend und lebenswichtig. Auch Persien und Afghanistan müssen die - ses Problem unentwegt vor Augen haben. Wenn aber eine gewisse englische Preste glauben machen will, als ob in Odessa Ein Bündnis der vorderasiatischen Staaten mit Rußland ein - geleitet oder gar bereits abgeschlossen worden sei, so ist dies zweifellos Demagogie, wenn nicht Schlimmeres. Was die Politik der drei vorderasiatischen Staaten angeht, so ist diese °uf eine selten einfache Formel zu bringen. Sowohl die Türkei °ls auch Afghanistan und Persien sehen sich eingeschaltet in das ungeheure Druck- und Spannungsfeld des englisch-russischen Gegensatzes. Wollen sie ihre staatliche Selbständigkeit be - wahren, wollen sie ihre internationale Bedeutung steigern, so Müssen sie sich hüten, an die eine oder andere Partei im eng- uich-russischen Ringen verkauft zu werden. Demzufolge ist ihr außenpolitisches Rezept sehr einfach: jedervon ihnen ist °Emüht,dieEngländergegendieRussenund "'eRussengegendieEngländerauszuspielen. Der Weltkrieg hat für Rußland wie für England eine gewisse Erschütterung und Schwächung mit sich gebracht. Sein Ende hat den drei Regierungen in Angora, Teheran und Ka - bul das Signal zur nationalen Entwicklung gegeben. Sie haben eine Bedeutung erlangt, wie sie niemand in den letzten Jahren vor dem Kriege hätte voraussagen können. Die Festig - keit ihres Auftretens den verschiedenen Großmächten gegenüber ist erstaunlich und eindrucksvoll. Sie haben sowohl die russi - schen als auch die englischen Bedrohungen, die andauernd in den letzten Jahren erfolgt sind, mit Erfolg und mit Würde abgewehrt. Sie haben der Welt deutlich zu erkennen gegeben, daß sie sich nicht als Trabanten irgendeiner Partei betrachten lassen wollen. Wenn sie nun in Odessa mit Tschitscherin ge - heimnisvoll verhandelt haben, so haben sie auf gewisse englische Gemüter den Eindruck erzielt, den sie gewiß beabsichtigen. Um mehr dürste es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht handeln. Es ist hier nicht der Ort, die zahlreichen vertraglichen Bindun - gen aufzuzählen, die die drei vorderasiatischen Mächte nicht nur mit Rußland, sondern gleichzeitig mit dem englisch-französischen Westen verbinden. Auf jeden Fall wird die Zusammenkunft von Odessa in dem allgemeinen Charakter der Sachlage wenig ge - ändert haben. Ihre eigentliche Bedeutung liegt darin, daß die vorderasiatischen Mächte aufs neue verstanden haben, ihre Be - deutung der öffentlichen Meinung der Welt nachdrücklich klar zu machen. Solange der englisch-russische Gegensatz in voller Schärfe weiterbesteht, werden Kabul, Teheran und Angora nur die Gewinnenden sein. Sollte sich aber, was keineswegs im Laufe der nächsten Jahre ausgeschlossen ist, der englisch- russische Gegensatz mildern, dann wird für alle drei Staaten eine kritische Situation geschaffen sein. Dir alte Türkei konnte ein Lied davon fingen, was englisch-russische Verständigungen für ihren geplagten Rücken bedeuteten. Persien hat es 1907 erfahren, welche Opfer ihm eine englisch-russisck)e Verständigung auferlegten. Nur Afghanistan ist bislang von bitteren Erfah - rungen in dieser Hinsicht verschont geblieben. Wird es der energischen und geschickten Leitung feiner Politik gelingen, ihm auch in Zukunft bittere Mißerfolge dieser Art vom Halse zu halten? Die fran3iiilthtS:nonltung vor trmiPitmW Mchiiß des Bölkttbunbrs. WTB. Genf, 15. November. Der Mandatsausschutz des Völkerbünde? hat heute in geheimer Sitzung den endgültigen Be - richt der französischen Regierung über die Verwatlung Syriens und des Libanon und über den Ursprung und die Verantwortlich - keit des Drusenaufstandes behandelt. Der Ausschutz, der bereiis im Februar dieses Jahres in Rom einen provisorischen Bericht der französischen Regierung entgegengenommen hatte, beschränkte sich, wie es in der Mitteilung des Generalsekretärs hcitzt, darauf, von de Craix, dem früheren Generalsekretär und französischen Oberkommissar in Syrien, und von Clauzel, dem Leitung der Ab - teilung für den Völkerbund am Quai d'Orsay, Ergänzungen über die Handhabung des Gerichtswesens, über die Grenzziehung zwischen dem Irak und Syrien, über die Vereinbarungen von Angora und über die Lage der armenischen Flüchtlinge in Syrien einzuholen. De Craix, der auherdem allgemeine Angaben über die gegenwärtige Lage in Syrien machte, erklärte, datz Frankreich die von de Jouvenel eingeschlagene und vom Mandatsansschutz genehmigte Politik in Syrien fortsetzen werde. Die vorbmiikOe MWaftSkonsercm lagt. Genf, 15. November. Am Montag wurde die zweite Session der vorbereitenden Wirtschaftskonferenz eröffnet. Im Namen der Arbeitervertreter gab der französische Gewerkschafts - führer Jouhaux eine längere Erklärung über den S^indpunkt der Arbeiterorganisationen und der internationalen Genossen- schastsorganisationen ab. In dieser Erklärung drängte er auf raschere Erledigung der Arbeiten der Konferenz und verlangte, datz man sich mit einigen wenigen Fragen rasch aber gründlich befasse. Diese Fragen sollen sein: die Währungsstabilisierung, die Schutzzölle, die Kartelle, die Ein» und Auswanderung, ein Internationales Wirtschaftsamt. In den Abendstunden erläuterte Oudegeest diese Forderungen der Presse. Der Ausstand In Sava. WTB. Batavia, In. November. Die letzten beiden Nächte sind in Java überall ruhig verlaufen. Nach verschiedenen Rich - tungen sind Militärpatrouillen ausgesandt worden, während gleichzeitig gegen einen vom Aufstand berührten Platze starke Militär- und Polizeiabteilungen zusammengezogen worden sind. Nach den aus den oerfdnebenen Residentschaften hier eingegange - nen Berichten kann die Aufstandsbewegung als beendet angesehen werden. 9it «imMMii im tnolilta SoHtnDerotoii. SPD. London, 15. November, lEigener Drahlbcricht.) Tie Abstimmungen des britischen Kohlenreviers über die Friedensgrundlagen tm Bergbau haben am Montag begonnen. Die ersten Ergebnisse zeigen eine Mehrheit für d i e An - nahme der Bedingungen. Sowohl die Bergarbeiter von Warwickshire als von Südwaies haben sich für die Annahme der Bedingungen entschieden. Diese letztere Entscheidung ist deshalb als Stimmungsmesser besonders bemerkenswert, als die Berg - arbeiter von Südwales für den linken Flügel innerhalb des Berg - arbeiterverbandes gelten und ihre Vertreter auf der jüngsten Delegiertenkonferenz gegen die Annahme der Vorschläge ge - stimmt hatten. Nach diesen ersten Stichproben kann die Annahme der Bedingungen im gesamten Bergbau als wahrscheinlich gelten. Die Regierung hat inzwischen mit den Vorbereitungen des Gesetzentwurfes für die Errichtung des Schiedsgerichts im bri - tischen Bergbau begonnen. Dieser Entwurf wird jedoch ttn Unter - haus erst nach der Annahme der Friedensvorschläge durch die Bergarbeiter eingebracht werden. Ter Gesetzentwurf soll nach der Meldung bürgerlicher Abendblätter unter anderm einen Passus enthalten, nach dem eine Weigerung der Unternehmer, die Entscheidungen des Schiedsgerichts anzunehmen, eine Ent - ziehung der Möglichkeit für diese Unternehmer, vom Recht der Längeren Arbeitszeit Gebrauch zu macken, zur Folge haben wird. Als selbstverständliche Folge der Entscheidung der Delegierten- Mit irischer Kraft vorwärts! Lachten über Den toten Punkt hinweg. Je vollständiger der Ueberblick wird, um so deutlicher wird, daß die Gemcinbewahlen der sächsischen Sozialdemokratie be - trächtlich voranhalfen, eie hat gegen die Gemeindewahl vom Januar 1924 sehr stark zugenommen und hat auch die etimmen- ziffer der Landtagswahl vom 31. Oktober 1926 beträchtlich über - holt. Zugleich erlitt die „Alte -Sozialdemokratie" eine Niederlage, die ihre Freunde im bürgerlichen Lager als Katastrcvhe bezeich - nen. In Dresden hat die A«P. 35 %, in Eheinnig und Leipzig gar 60 % ihrer erst 14 Tage vorher erlangten Stimmen verloren. Aehnlich liegen die Tinge im ganzen Land. Auch wurden überall die bürgerlichen Parteien zurückgeworfen. Sie hatten die 1924 erlangte Herrschaft in den Gemeinden vielfach zu einer reaktio - nären Mißwirtschaft benutzt, durck die die Interessen der Volks - massen häufig aufs schwerste geschädigt wurden. Jetzt haben sie die Quittung für den Mißbrauch ihrer Macht. Dresden, Leipzig und Chemnitz haben rote Mehr - heiten, Meitzen eine re>n soziackemotranicke Mehrheit, desgleichen -Sebnitz und noch manche -Stadt. Rote Mehrheiten erhielten auch eine Reihe Mittel- und Kleinstädte. Im ganzen macht dec Wahl - ausgang den Eindruck, als seien die 'chlimmen Folgen des Ok - tober 1923 überwunden. Allerdings unter der Voraussetzung, datz die Kommunisten Vernuiift walten lassen; zu sinnloser Kraft- meierei wird jedenfalls die Sozialdemokratie nicht zu haben fein. Experimente wie 1923 dürfen nicht wiederholt werden. Wir schrieben am 14. Januar 1924 zum damaligen Wahlausgang: Die Taktik des Auf-die-Spitzetreibeus entbehre der inneren Wahrheit und der überzeugenden Kraft, sie leiste Arbeit für Moskau; das beinahe machtlose Sacksen könne nicht das grotze Gewicht sein, das die niederziehende Last der andern Reichsteile a>ick nur aus - zugleichen vermöge; richtige Einschätzung der Machtverhältnisse sei geboten. DaS gilt noch. Haben die Kommunisten au? den letzten Jahren nichts gelernt, so wird die Sozialdemokratie um so be - stimmter ihre Politik als Kunst des Möglichen betätigen müssen. Die Sozialdemokratie hat jetzt den frischen Auftrieb, Beharrlichkeit und Klugheit, die tollkühnen Experimenten ausweicht, wird dem Kurs Stetigkeit geben. Rezept für Weiter Demokraten. Rote und bürgerliche Front: zwei genau gleiche Hälften im Lübecker Mithaus; schwierige Regierungc-vitdung. Aber sollen die Prügel, die die Wähler den Kommunisten verabreichten, ganz fruchtlos fein? Statt der bisher 10 können nur 5 Kommunisten in die Bürgerschaft einziehen; die fünf werden sich überlegen, ob sie als Desperado auftreicn oder njcht lieber nach dem Beispiel ihrer Mecklenburger Genosien einer sozialdemokratischen Koalition Beistand gewähren sollen. In Mecklenburg geht es, warum sollte es in Lübeck nicht möglich fein? An die Möglichkeit denkt aber das demokratische Hamburger Fremdenblatt gar nicht. Es schickte ein Mitglied der Redaktion nach Lübeck und verkündet nun der Welt: sofortige Auflösung der eben erst gewählten Bürgerschaft ist nötig und in der Neu- wähl mutz die Demokratenpartei ganz zu den Hanseaten über- gehen; auf diese Art könne in der Neuwahl die bürgerliche Liste die Mehrheit erlangen und alle Not endet. Genial. Warum nicht auch gleich den Hamburger Demo - kraten den Uebertritt zur Teuischnattonalen empfehlen? Versammlung vom Sonnabend vermögen die Unternehmer mit Wochenbcginn die Rückkehr einer größeren Anzahl von Arbeitern zur Arbeit zu melden, als an den vorangegangenen Tagen. Sütftrilt diS bi'Wtn Sinansminiitcrä. 2PD. Brüssel, 16. November. Ter erwartete Rücktritt des Finanzdiktaiors Francqai von der Regierung ist nunmehr Tatsache geworden, da ec in dec erfolgten Stabilisierung des Franken seine Aufgabe als erfüllt detrachtet. Mit dem Rücktritt des Francgui wird die Frage der Trei-Parteien-Regierung wieder zur Diskussion gestellt, die sich eigentlich nur die Fiiianzsanierung zur Ausgabe gestellt hatte. Insbesondere handelt es sich um die Frage der weiteren Beteiligung der Sszialistcn an der Regierung. Der sozialdemokratische Parteivocstand tritt am Dienstag zu - sammen und wird dabei vermutlich das Problem neuer Forde - rungen, namentlich auf sozialem Gebiet erörtern, dessen Annahme die Partei zur Bedingung für ihr weitere? Verbleiben in der Regierung machen wird. Dieses Programm wird dann zumickst dem Genecalrat bei Partei eventuell einem autzerordcnilicken Parteitag unterbreitet werden In der Partei herrscht die An - sicht vor, datz die sozialtüiscken Minister noch einige Monate in der Regierung bleiben bürsten. Sozmlr Ausgaben der Republik. Dr. Wirth, Dr. Haas unb Lobe sprachen in einer vom Republikanischen Reichsbunb unb vom Reichsbanner in ben Frankfurter Sckumann-Zirku? einberufenen Rtesenveriammlang; alle Redner rücken in den Mittelpunkt, daß die Republik sich am besten schütze durch sozale Fürsorge. Haas sagte, die,Republik verliere ihren Sinn, wenn die unkontrollierbaren Einflüsse beS Kapitals immer stärker werden. Wirth erklärte als seine Auf - gabe, zu sorgen, datz das Zentrum kein politischer Friedhof werde. Löbe führte aus: Die Feinde der Republik empfangen Zuzug gerade ans den Unvollkommenheiten der sozialen Demokratie. Nackdem das aus - gehungerte Land in der ersten Periode der Republik gerettet war, wehrte der junge Staat in der zweiten Periode die Rejtauration?- versitche verhältnismätzig leicht ab. In der dritten Periode wurde die Stellung Deutschlands in der Welt wieder errungen, die es wegen seiner weltwirtschaftlichen Verflochenheit so notwendig braucht. Jetzt, nachdem alles geschehen ist, entdecken die andern, datz die Republik gar nicht so schlecht sei. Wir aber sagen: es tut uns leid, wir sind noch nicht fertig, wir fangen eigent - lich erst an. Der Modergeruch muß au» den regten clmt»- studen vertrieben werden. Tie Reichswehr mutz ftaateircu wer - den. In der I u ft t z , deren Skandale beinahe das hohe Gut der Unabhängigkeit der Richter bedrohen, liehe sich schon durch ein energischeres Justizministerilim, das eine kluge Perfonalpolitik triebe und ungerechten Urteilen die Begnadigung aus dem Fuß folgen liehe, viel erreichen. Das wesentliche aber bleibt der soziale Ausbau des Staates. Anders al? früher vollendet sich heute der Lebenslauf der Ueberzahl: Millionen altern in lebenslänglicher Abhängigkeit, ohne das; sie die Altersrente vor dem Armenhaus bewahrt, ohne datz sie chre Kinder versorgen könnten. Die Hauplträger der Wirtschaft wohnen in den schlech - testen Wohnungen; ihre Arbeitsstätten gleichen fflefänanifien; ihre Kleidung ist verschlissen. Unzählige Millionen Deutscher weicht die Frage nicht aus dem Hirn, wofür l e b"e i ch ? Der Bauer kann sich sagen, datz er Hof unb Grunbbesitz verbessert habe; bei Bürger, batz er ein stattliches Eigentum erworben unb seine Kin - der gut au-jgeftattet habe; der geistige Mensch verfolgt fein Wir - ken. Wofür arbeitet aber der Angestellte, der Arbeiter, der kleine Beamte? Die alten -stänke können ihr Lebensziel im indivi - duellen Umkreis erreichen; der neue Stand empfängt feinen Lebenssinn ausschliesslich von der Gemeinschaft, vom Staat, dem er verpflichtet fein will, der ihm offen stehen muh. Soll der Turchschnittsdeutsche der Zukunft ein gekrümmter Knecht feint Ich glaube an eine Zukunft, in der der freie Arbeiter an der Drehbank, der Landwirt am Pflug, der Wissenschafter über seinen Werken gebeugt steht, der Jüngling aber die feste Hand geschlossen hält um die schwarz-rot-goldene Fahne der Freiheit! Dit ifcmcaifnrc von Nauheim. SPD. Berlin, 16. November. Wie die „Reichspreffestelle des Stahlhelm" mitteilt, hat die Staatsanwaltschaft Giessen in dem Verfahren gegen den Stahlhelmschriftstellet Friedrich Wilhelm Heinz wegen Anstiftung zu einem versuchten Fememord den Haft - befehl aufgehoben. Dagegen habe die Staatsanwaltschaft gegen den Belastungszeugen Schmidt ein Verfahren wegen Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung und Anerbieten eines Falscheides gegen Geld eröffnet. Ausserdem erfährt man bet dieser Gelegen - heit, bah Oberleutnant Wagner, bet beseitigt werben sollte, schon vor einigen Wochen verhaftet unb ber in die Angelegenheit ver - wickelte Chauffeur Schwing in die hessische Landes Irrenanstalt tiberwiesen worden sei. — So die Angaben des Stahlhelm. Tie Staatsanwaltschaft wird wohl sagen, was daran wahr ist. M Kampf um die Macht. Wenn -le Natur ruft. Von Jack London. Autorisierte deutsche Uebersetzung von L. H. LönS. (18] ®in tiefes Aufatmen ging durch die Reihen der eng Ndrängt stehenden Menschen. Thornten lief nun hinter dem Witten her und rief Buck ermunternde Worte zu. Die Ent- «w Un 9 war vorher abgemessen, und als der Schlitten in die des Holzstoßes kam, der als Ziel ersehen war, begann n schreien und Heulen, das geradezu betäubend wurde, als erreicht war, und der Befehl zum Halten erklang. Jeder in t,' f°0 Qr Mathiessen. Hüte und .Handschuhe flogen die 8uft. Ganz unbeteiligte Leute schüttelten einander die fciike als ob ihnen wer weiß was für ein Glück widerfahren . Thornten war neben Buck in die Knie gestürzt und bn l ^ n un b schüttelte ihn hin und her. „Du Schafskopf, . ^umtnfopf, du verfluchter Kerl" und ähnliche Worte "isahen 0 liebevoller Stimme, daß sich alle verwundert .'Tonnerwetter! Donnerwetter!" fluchte der Slokum-König. L ’. l,cn b Dollar für den Hund, zwölfhundert Dollar, .Herr; n Hund muß ich haben." Hnb^ Ot ^ en sprang auf die Füße. Seine Augen waren feucht Sie s Dränen liefen ihm über die Backen. „Der Teufel soll Mun mitsamt Ihrem dreckigen Gelde," rief er wütend. ha t ^’r lcf "Uhm Thorntens Hand zwischen die Zähne und biß did h Unb lein Herr zauste ihn wieder und schüttelte ihn hin Butten ' Da fühlten die Leute, daß sie hier nichts zu suchen ' "üb gingen schweigend davon. Siebentes Kapitel. Der Ruf. Als Buck damals seinem Herm in wenigen Minuten sech - zehnhundert Dollar verdient hatte, stand der lang ersehnten Reise nach dem Osten nichts mehr entgegen. Es gingen über eine gewisse Gegend allerhand Gerüchte von einer fabelhaft wertvollen Mine. Viele waren schon ausgezogen, sie zu suchen, aber nur wenige hatten sie gefunden; die meisten waren über - haupt nicht mehr zun'ickgekommen. Die geheimnisvolle Mine hatte manchen Mannes Leben gekostet. Keiner wußte, wer sie entdeckt hatte. Die ältesten Ueberlieferungen reichten so weit nicht zurück. Aber ihr Dasein hatten noch manche im Sterben beschworen und ihre Worte mit Goldklümpchen be - wiesen, wie sie sonst nie und nirgends gefunden wurden. Es sollte auch eine Hütte in der Gegend liegen, aber keines Le - benden Auge hatte sie gesehen, und die Toten waren tot; von ihnen war keine Auskunft zu holen. Da galt es also nun, auf gut Glück auf btt Suche zu gehen, und das taten John Thornten, Hans, Peter, Buck, und noch ein halbes Dutzend andere Hunde. Erst fuhren sie mit ihrem Schlitten siebzig Meilen den Jukon hinauf, tvandten sich dann rechts auf den Stewartfluß und verfolgten ihn bis hinauf zu feiner Quelle. John Thornten lag wenig an andern Menschen, und er fürchtete die Wildnis nicht. Mit einer Handvoll Salz und einem Gewehr hätte er sich überall hingewagt. Eile hatte er ja nicht, und wie es die Gelegenheit so mit sich brachte, reiften oder rasteten sie und jagten ihr Wild je nach Bedarf. Reben Waffen, Schießbedarf und Handwerkszeug hatten sie nicht all - zuviel Gepäck bei sich. Das war ein Leben, so recht nach Bucks Herzen; jagen, fischen und umherrennen, das war seine Lust. Wochenlang , ging er manchmal Tag für Tag vor dem Schlitten, um dafür auch wochenlang Im Lager auszuruhen. Die Hund« liefen I dann umher, während die drei Männer Feuer machten und das hartgefrorene Erdreich auftauten, es in ihre Pfannen brachten und auswuschen. Die Mühe war aber stets ver - geblich; es fand sich kein Gold. Manchmal mußten sie alle hungrig zur Ruhe gehen, ein andermal wieder gab es Wild und Fstche im Ueberfluß. Als der Sommer in da» Land kam, war es mit dem Schlittenfahren zu Ende, und jeder hatte sein Päckchen auf dem Rücken zu tragen, über blaue Berge, in sonnige Täler und durch finstere Wälder, über blinkende Seen, in Gegenden, die keines Menschen Fußspur trugen, und wo doch Menschen gewesen sein mußten, wenn die Geschichte von der verlassenen Hütte bei der fabelhaften Goldmine wahr war. — So hatten sie die Gewitter des Hochsommers erlebt, und beim matten Schein der Mitternachtssonne gefroren; sie hatten Landstriche getroffen, wo sie kaum vor Fliegen und Mücken leben konnten, hatten im Schatten vom ewigen Esse Erdbeeren gepflückt, so süß und reif, wie der Süden sie kaum hervorbrachte, und hatten Blumen gebrochen, wie sie nicht schöner dort unten zu finden waren. Die Monate tarnen und gingen. Einmal stießen sie auch auf menschliche Spuren. Es war auf einem Weg mitten im Urwald, unb sie dachten, daß die Hütte, nach der ihr ganzes Trachten stand, nun wohl nicht weit fei. Aber der Weg fing nirgendwo an und hörte nirgendwo auf und blieb geheimnis - voll, wie der Mann, der ihn angelegt hatte, und der Grund, warum es geschehen war. Dann trafen sie eine verlassene Jagdhütte, und zwischen den verfaulten Decken eines Lagers lag eine langschäftige Flinte. John Thornten kannte das Fa - brikat aus seiner Jugend, als diese Waffen noch mit Gold ausgewogen wurden. Das war alles; sonst war nirgends eine Spur von dem ehemaligen Bewohner zu finden. Als der Frühling wieder in das Land zog, fanden sie zwar nicht bie gesuchte Hütte, aber in einem weiten Tale ein flache» Becken, auf dessen Grunde das reine Gold zwischen dem Sande glänzte. Run hatte die Reise ein Ende. Jeden Tag arbeiteten die drei, und jeden Tag sanden sie wohl für tausend Dollar kleine Goldkörnchen. Sie wurden in Säcke von Elchfellen gefüllt, fünfzig Pfund in jeden. Diese stapelten sie neben dem Zelte auf, wie zu Hause das Feuerholz. Tag für Tag arbeiteten sie, und die Tage flogen dahin, so schnell wie die Träume einer Nacht. Für die Hunde war nichts zu tun; höchstens halfen sie Thornten bei der Beschaffung des Fleisches. Buck hatte nun wieder Zeit zum Träumen, und stundenlang konnte er am Feuer liegen. Dann erschien ihm auch wieder der kleine, kurzbeinige, behaarte Mann, unb er folgte ihm in eine andere Welt. Wenn er ihn beobachtete, wie er am Feuer saß, den .Kopf zwischen die Knie gedrückt, die er mit den Armen umschloß, bann sah er ihn oft im höchsten Schrecken aussahren. Er schien in beständiger Angst zu leben, starrte spähend, in das Dunkel des Waldes und warf dann frifdjeö Holz auf das glimmende Feuer. Wenn er am Ufer des Sees entlang ging, wo er fischte unb die Beute gleich verzehrte, so blickten seine Augen angsterfüllt nach allen Seiten, als ob er stets bereit sei, zu flüchten. Geräuschlos kroch er durch den Wald dahin, und Buck immer dicht hinter ihm; stets waren sie auf der Hut, stets wachsam aus jedes Geräusch und aufmerksam auf jeden Geruch. Der haarige Mensch konnte so scharf hören und riechen wie der Hund. Er konnte auch auf die Bäume klettern und sich von Zweig zu Zweig, von Baum zu Baum schwin - gen: niemals fiel er, niemals tat er einen falschen Griff. Er war sogar geschickter in ben Bäumen als auf bem Boden, und Buck erinnerte sich an Nächte, wo er am Stamme eines mäch - tigen Baumes lag unb wachte, während der haarige Mann oben im Baume hing und schlief. Ganz frei hing er da, unb such Im Schlaf fiel er nicht herunter. (Fociicvuna foigt)