>f Prei^ HamdurgerEcho Preis 15 4 Hng«ifl«ttprei|e ncrftetjen sich in ««Ich.mark, t>U 13 gestatten« No» Gegründet 1875 Stummer 271 SsnsurvenS, 1. Ottober 1927 53.3at>rgang pareiUcjeite 45 Pf. Vtibatt ^amilicnanjeigen 80 Pf etcutn» aiiflcbetc 35 Vf. St«lleng«fuche *45 Pf 8l«tn« An,-«igcn bU 83eÜ«n Me 3eUe 80 PI., 10 bU 15 Zkllrn bi« Seile 35 PI. Rkklamrz.il« 8.50 Mk. Anzeigen müfkn im voran« ober sofort bczabli werben ttnjelgenatmaOm« Fehlanblir. 11 (Fernfpr., 41b« 16MI, Hochpart. (bU euht abend« für den folgenden Zag), in den Filialen (bl« 8 llbr) und In alle, Annoncenbureau« Platz- und Dalenvorjchriflen unverbindlich ®1« Cotnetirgcr Gdfo erschein! Ugltdi einmal, anfier den 2. Feierta Beytqetntrte: 3m voraus zahlbar: Monatlich «,50 Mk. leinfchlic* 0,50 MI Zustellung«gebübr>, wöHenllich 0,00 Mk. (etnfchlief 0,13 Mk. Zuilellungsgebühr) Kur Abholer wöchentlich 0,55 Durch die Poit zu gleichen i-ezu, «preisen zuzüglich Beilellgeld. .. — J ^LMdumAüvnüLrDÄ^sdlE Redattionr Aehlandstrahe 11, L Kernsprecher: iH. 2» Elbe 1691 nnd 1698. ^iW F arf") beträgt nach den Feststellungen deS Stati - stischen ReichSamtS für den Durchschnitt des Monats September 147,1 gegen 146,6 im Vormonat. Sie ist demnach um 0,3 v. H. gestiegen. An dieser Steigerung sind die Bedarfsgruppen „Ernäh - rung", „Heizung und Beleuchtung", sowie „Bekleidung" beteiligt. Die Indexziffern für die einzelnen Gruppen betragen: 1913/14 — 100, für Ernährung 150,6, für Wohnung 115,1, für Heizung und Beleuchtung 144,5, für Bekleidung 159,6, für den sonstigen Be - darf einschließlich Verkehr 184,1. Nachdruck verboten. Copyright by Malik Verlag, Berlin W 50. Der faljtye Prinz. Lebenserinnerungen von Harry Domela. 120] Trotz meiner Verwahrlosung wurde ich als Hausbursche angestellt. Der Schriftsteller gab mir Kleider, und ich sah wieder einigermaßen annehmbar aus. Als ich das ruhige Haus dieses Mannes zuerst betrat, hätte ich zu jeder Bedin - gung den Posten übernommen. Hier war Schweigen, Stille, Frieden. Hier konnte i ch eine Zuflucht finden. Lange dauerte es, bis ich wieder zu Kräften kam. Jetzt erst, hier in der Ruhe, begann mich der Spuk der Unterwelt zu quälen, durch die ich hindurch gegangen war — und ich war froh, mich in einen Käfig verkrochen zu haben. Nur ausruhen, erholen, schlafen . . . Keinen andern Gedanken hatte ich. And dennoch gärte alles in mir. Alle mir von Hanse mit - gegebenen Anschauungen waren vernichtet. Viel Neues hatte ich erlebt, hatte die Tiefen des Lebens gesehen, aber alles bildete in mir ein krauses Durcheinander, aus dem ich mir zunächst noch nichts Neues schaffen konnte. Immer wieder stand jene Welt in mir auf, in der ich mich noch vor kurzem heimisch gefühlt hatte. Mit jenen Leuten, ich gestand es mir oft, verband mich etwas, das mich immer wieder zurückziehen wollte. War es die gemeinsame Not, die sie ebenso wie ich erlebt hatten und noch erlebten? War cs das gemeinsame Schicksal, daß wir alle zusammengebörten, weil wir alle von der Gesellschaft ausgcstohen waren? Lauter Fragen, auf die ich mir keine Antwort geben konnte. Der Schriftsteller hatte eine reiche Bibliothek. Da saß ich denn in meinen freien Stunden und las. Da lebten in mir frem - des Leid und fremdes Schicksal auf, und ich sah, daß die Geschichte dcs Menschen nichts als eine einzige lange Lei - densgeschichte war. _ fanafnn’ bekam ich wieder Farbe. And als ich mich von । meiner Hungerzeit etwas erholt hatte, da begriff ich erst, daß sie doch nicht ganz sinnlos war. Sie hatte in mir eine Selbständigkeit des Denkens entwickelt, die ich für nichts in ' 1er Welt wieder hergegeben hätte. Vielleicht war dies der Grund, warum ich im Hause des ‘ Schriftstellers auf die Dauer nicht bleiben konnte. War ich vorher von einer Erregung in die andere getaumelt, so ver - lief hier das Leben mit unerträglicher Gleichförmigkeit. So sehr im Anfang für mich die Entspannung vonnöten gewesen war, so sehr entnervte mich auf die Dauer der Mangel an Bewegung. Früher hatte ich unter der aufpeitschenden Hetze der Straße gelitten; jetzt litt ich noch mehr unter dem farblosen Leben ohne Abwechslung und Steigerung. Ich konnte hier nicht bleiben, ich mußte hinaus. Eine Unruhe packte mich, ich würde schon nicht mehr versinken, nicht mehr in jenen Zustand der Erniedrigung geraten. Draußen war das Leben, es lockte mich. So war mir der erste Zwist mit meinem Brotherrn gerade recht, ohne weiteres zu gehen. War ich undankbar? Ich fragte nicht danach. Als ich jedoch durch die Straßen Berlins pilgerte, war mir, als ständen am hellichten Tage Gespenster auf. Wo ich ging und stand, wurde ich an die frühere Zeit erinnert. Wo ich mich umblickte, sah ich alte Bekannte aus der Wett des Kietzes. Und ich machte jedesmal einen weiten Bogen, am nicht erkannt und angesprochen zu werden. Nach ein paar Tagen hielt ich es in Berlin nicht mehr aus. Ich fuhr nach Hamburg. Mit dem festen Willen, mir unter neuen Ver - hältnissen erträgliche Lebensbedingungen zu schassen. In Hamburg war mein erster Gang wieder zum Beauf - tragten des baltischen Vertrauensrates. Er war Proscsior, Direktor der Psychiatrischen Klinik. Die Klinik lag weit draußen. Ich ließ mich melden. Er empfing mich sofort. „Herr zur Mühlen?" fragte er und reichte mir liebenswürdig die Hand. „Ich verstehe nicht, wen meinen Herr Professor?" — „Sie sind doch, wenn ich Ihren Namen richtig verstanden habe, Herr zur Mühlen?" — „Ich? Nein« ich heiße Domela." Immer wieder Rakowski. Neue französische Schritte in Moskau. SPD. Paris, 30. September. (61g. Drahtbericht.) Am Freitag hat in Rambouillet ein Ministerrat statt- gesunden, in dem Briand über die letzte Völkerbundstagung Be - richt erstattete. Marineminister Leyghues berichtete über die schweren Zwischenfälle im MilltärgefängniS von Toulon und er - klärte, eS feien Maßregeln ergriffen, um einer Wiederholung vor - zubeugen. In der amtlichen Meldung über die Sitzung wird er - klärt, daß sonst nur laufende Angelegenheiten behandelt worden feien. Der TempS weiß darüber' bereits zu melden, daß der Ministerrat sich außerdem mit dem Fall Rakowski und den Handelsbeziehungen zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten befaßt habe. Zu dem Fall RakowSki habe der Ministerrat beschlossen, in keine neue Schulöenverhandlungen mit Rußland einzutreten, solange RakowSki noch Botschafter in Paris sei. DaS würde bedeuten, daß die reaktionäre Strömung im Ministerrat, die die Abberufung RakowSkiS verlangt, Ober ¬ wasser gewonnen hat. In der Frage der arnerlkanifch-sranzösischen Handelsbeziehungen hat der Ministerrat die französische Antwort auf die letzte amerikanische Note ausgearbeitet. Sie ist ablehnend ausgefallen. Der Ministerrat erklärt, daß Frankreich nur auf der Grundlage der Gegenseitigkeit mit Amerika in Verhandlungen eintreten und unter allen Umständen daS Meistbegünstigungsrecht ohne amerikanische Kompensation verweigern werde. Endlich hat der Ministerrat nach dem T e m p s die von der Finanzkommisflon der Kammer verlangte Freilassung de< Kom - munisten C a ch i n, der Mitglied der Kommsiston ist, abgelehnt. Ewawer um das Schulgesetz. Die Regierung Badens hat sich auf einen Antrag geeinigt, daß für die Länder mit Simultanschule die Umwandlungssrist von auf zwölf Jahre gestreckt und der Vorrang der Gemeinschafts - schule hervorgehoben werden soll. Auch solle eine Befragung der Erziehungsberechtigten über die Rückwandlung einer Schule zu - lässig sein. Im übrigen wurde den Anträgen der preußischen Re - gierung zugestlmmt. GebUMgsvMnte für Hindenburg. Süß, nahrhaft, bitter. Die hanseatische Großmacht Lübeck macht eine süße Spende: eine Marzipantorte; Umbau: die Silhouette der alten Stadt. Mecklenburg stiftete einen für das beste Hochwildrevier gültigen IagdberechtigungSschein. Trifft der Schütze, dann ist eS eine nahrhafte Sache. Bitter, wenn ein Iagdunfall passiert. General von S e e ck t hat einen bet GoSlar erlitten, eine Sehnenzerrung, die eS ihm unmöglich macht, an der Geburtstagsfeier deS Reichspräsidenten in Berlin teilzunehmen. Was Bayern und Württemberg barbringen. Die bayrische Amnestie umfaßt etwa 200 Personen. Die amt - liche Mitteilung besagt nur, daß die Regierung Strafen der Ge - richte erlassen oder gemindert habe. Nach der" Voss. Ztg. soll die Amnestie sämtliche Rälerepubiikaner umfassen, mit Ausnahme deS Lindner, der das Attentat auf den Abgeordneten Auer im Landtag begannen hat. Der Strafaufschub für den Grafen Arco lEisnerS Mörder) ist in endgültige Begnadigung umgewandelt worden. In Wüttemberg sind 67 Gefangene entlassen und 229 Verurteilte „mit einem Gnadenerweis bedacht" worden. Arn- nrlliert werden unter anöerm ein kommunistischer und ein demo - kratischer Redakteur. 3m übrigen handelt eS sich im wesentlichen um Personen, denen daS Gericht mildernde Umstände zuerkannte. Äorn -er Tttel. Der Demokratische Zeitungsöicnst erfährt, daß der ange- künöigte Gesetzentwurf über die Amtsbezeichnungen der Reichs - beamten an den ReickSrat gelangt fei. Er enthalte die Bestim - mung, daß che Amtsbezeichnungen der Reichsbeamten vom Reichspräsidenten geregelt werden sollen. Die neu einzuführenden Amtsbezeichnungen würden also auf dem Ver- ordnungSwege eingeführt werden: der Reichstag hat dabei nichts ZU sagen. Ludenborsj ftwtfl In die Feilsiivve. Die Oberleitung des völkischen und mit Ludendorff eng ver - bundenen „Tannenbergbundes" hat einen „Tagesbefehl" herausgegeben, in dein den Mitgliedern „wegen der skandalösen Vorgänge bei der Tannenbergdenkmalsfeier" verboten wird, sich am 2. Oktober an den Feiern zu Ehren Hindenburgs zu be - teiligen. Diese „skandalösen Vorgänge" sieht der Sannenberg- bund darin, daß während der Einweihung deS Tannenbergdenk - mals auf der Tribüne neben Hindenburg und andern hohen Offi - zieren der alten und neuen Armee auch der dem Zentrum ange- yörende Reichskanzler Dr. Marx und der demokratische Ober- präsident Siehr standen. Die Dossische Zeitung bemerkt zu dem Befehl des Tannen- bergdundeS: „Unter dessen Mitgliedern wird man wohl auch die Leute zu suchen haben, die sich den „Witz" leisten, in den Lokalen aufliegenöen illustrierten Blättern, die diese Woche Bilder vom Reichspräsidenten bringen, den Kops des Reichspräsidenten mit einem gedruckten Zettel zu überkleben, auf dem eine Karikatur Hindenburgs in Zivil zu sehen ist, mit der Ueberschrift: „Der Sieger von Tannenberg" und mit folgendem VerS darunter: „Es geht mein Rllbm niemals zuschanden, — Hab i ch auch nicht gewußt, wo die Armeekorps standen." : * Sem -K M. Und in aller Schmach ein Stolz auf unser Gestern! Und In allem Leid ein Glaube an unser Morgen! DaS ist unser Heute! — Und Stolz und Glaube und Morgen und Gestern, — Eins ge - worden, Symbol geworden, ragt einer über unsern Alltag em - por: Hindenburg. Ich sprach meinen Namen langsam und deutlich. „Ach so, also nicht . . . Herr zur .. .?" — „Nein." Er wandte sich seinem Schreibtisch zu und fragte plötzlich in einem ganz andern Ton: „Was wünschen Sie denn von mir?" — „Ich wollte Herrn Professor bitten, ob Herr Professor mir Irgend - eine Tätigkeit verschaffen können?" — „Nein, das kann ich nicht!" unterbrach er mich barsch. „Was denken Sie sich denn eigentlich? Alles kommt nach Hamburg. Wären Sie doch nur ruhig in Berlin geblieben!", und nach einer kurzen Weile der Verlegenheit mich verabschiedend: „Ich kann Ihnen wirklich nicht helfen; es tut mir wirklich leid. Guten Tag!" Ich war starr und blieb einen Augenblick stehen. „Nun, was wünschen Sie noch," fragte er. Ich nahm alle Courage zusammen. „Herr Professor sind der Vertrauens - mann aller Batten. Ich bitte Herrn Professor, mir irgend - einen Rat zu geben, was ich hier anfangen soll, ich bin vollständig fremd hier, habe nur noch wenige Mittel . . ." Er ließ mich ruhig ausreden. „Nun, noch was?" fragte er fast spöttisch. „Das kennt man zur Genüge. Alle kommen sie nach Hamburg, und ich soll sie unterstützen. Es tut mir leid; ich kann Ihnen nur einige Zeilen an das städtisäze Arbeitsamt geben." Im Stehen warf er ein paar Worte auf einen Zettel und reichte ihn mir. „Guten Tag!" sagte er in einem nicht mißzuverstehenden Ton und kehrte mir den Rücken. Ich war abgefertigt. Auf dem Arbeitsamt wanderte der Zettel sofort in den Papierkorb. „Wie kommt der Professor dazu, alle zu uns zu schicken?! Mag er doch für seine Batten selber sorgen. Sie sind Ausländer. Wir sind froh, wenn wir unsere eigenen Leute unterkriegen. Der Professor kann Sie doch unterstützen. Gehen r ie ruhig zu ihm zurück und sagen Sie ihm Be - scheid." So stand ich wieder draußen. Zum Professor ging ich selbstverständlich nicht noch einmal. Auf Hamburg lastete ein Rebelmeer; tagelang war alles in dichten Dunst gehüllt. Wie konnten hier nur Menschen wohlig ohn« tief finnig zu werden? Als auch noch ein Den Retter haben mir Ihn geheißen, rückwärts und vor - wärts schauend. Alte Erinnern m entzündend und neue Hoffnung, pflanzte unser Ruf sich fort von Mund zu Mund. Lebendig ward wieder die Erinnerung an de» Tag von Tannenberg und an den Geist von Tannenberg. (Hamburgische ®euf[ doch Harry Domela fei. Da ich keine Mittel besaß, wies sie mich dann aus Bayern aus. So zog ich wieder nach Berlin. , (Fortsetzung folgt; ,