Preis 104 vf ^4 Prel Hamburger Echo 1 h O > - - _ Ä MmAiMAHMrcH« n*Wt e h>n 0* 4tt 0?#i*itM Fehiandftr 11 iAernivr. Lide 10941, vochpart. (Ml «Uhr abend« sä» den |o«genden Sag), in den Kllia.en (bl« 3 llhri unt tn allen Annoncenbureau« Platz, und »alenvori -drillen nmrerdind li< Kedallion. Kedlandslrai« 11, l Kernipreilleri (-. 2> Lide 1191 und 1693. leranlworliicher Redakteur^ Vaul «ugckaym, ttltfena. ' iuchhandlung : Fchlandllraze 11, Srdgeich. isernlpre-der: itz. 2) 616« 6020. ■8etU6rutf«r«i!ent»ti gehiandiir. 11, l. Fernkpr.» itz. 2> SUx 0020 u. 6621. »a5 »emenrec« Cd»o erichemi iLgllch einmal, außer den 2. Kele ringen. — — J » « — , A A A > ,«,i:g»pr«l.r 2m voraus zahlbar, Aionatti» 'd ^O Ml. letnlcklließlich . - M / - P’WPV A t M M —, U. ■ _ 0,5« Mk Z«lleaung«g-bndr>, wr-enilich 0,60 TM. («InlAHtgti» < t _L 131 B M A13 TM Zullellung.gebützr) Für Abdoler wS-b-nliich O,-»o Wl Ä0 Irl 1® S 1 HY! 1 I iftllT Bl KZ ■ »fl H Äz MB KB ■ *1 BI Durch die Poil gleichen BezugSpreiien zuzüglich «eNellgei» BwZ BVw VV XWvVVW F«*9W^ W M «MM to MrrMMcn SsMMiiS. SKW des Wrlkilageö. Wien, 1. November. (6tg. Drahtb.) Am Dienstag nachmittag wurde der Parteitag der Sozialdemokratie Deutschs st erreichs geschlossen. Vorauf ging am Vormittag die Erledigung einer ganzen Reihe von Anträgen. Einer davon besagt, 6aß das sogenannte Komitee zur Förderung der Internationalen Gewerkschaftseinheit eine kommunistische Keimzelle ist, di« In Wirklichkeit der Spaltung der Arbeiterbewegung dient. Daher sei die Zugehörigkeit zu diesem Komitee und die Teilnahme an den von diesem Komitee organisierten Rutzlandreisen mit der Parteizugehörigkeit unvereinbar. An den Beratungen über diesen Antrag nahm u. a. auch ein der Partei angehöriges Mitglied dieses Komitees teil, dos in einer sehr langen Erklärung voll heftiger Angriffe gegen die Partei die Ruhlandreisen und das Zusammengehen mit den Kommu - nisten zu verteidigen suchte. Dies erregt« stürmischrn Wider - spruch. Der Antrag wurde schliehilch einstimmig angenommen. Am Nachmittag wurde zunächst der bisherige Parteivorstand wledergewählt. Anschließend erstattete Bürgermeister Seih den Bericht der ResolutionSkommlsflon, die sich u. a. mit dem Koalilionsproblem zu befassen hatte. 3n der von dieser Kom - mission einstimmig angenommenen Entschliehung heißt eS u. a.: »Die Sozialdemokratie Hal io der Zelt de« Umstürze« and auch in späteren Zeiten, al« in andern Staaten immer wieder Blut in Strömen floh, Deutfchösterreich vor dem Bürger - krieg bewahrt. Die Partei der Bourgeoisie treibt unter der Führung des Prälaten Seipel eine Politik, di« die Gegen- sähe In solchem Mähe verschärft, daß der notwendige wirt - schaftliche uad politische Kampf schlichlich int Bürgerkrieg zu enden droht. Die Sozialdemokratie Hal im Linzer Programm anerkannt, dah unter bestimmten geschichtlichen Voraussetzungen di« Kooperation der Klasten, sei e« in der Form einer Koalitions - regierung oder in anderer Form, vorübergehend sein kann. Aber solange die bürgerlichen Parteien dabei bleiben, die Sozial - demokratie zu nullifizieren, ist keine Koalition möglich. Der Parteitag stellt fest, dah daS Regierungtsystem Seipel nicht nur unvereinbar ist mit den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Arbeiterklasse, sondern auch die ungestörte demokratische Entwicklung der Republik ge - fährdet. Alle, die den Bürgerkrieg verhüten und die Sicher - heit Herstellen wollen, daß die in der kapitalistischen Gesellschaft unvermeidlichen KlastenkSmpfe nicht in Katastrophen enden, sondern als geistige Kämpfe auf dem Boden der Demokratie ge - führt werden, fordert die Partei auf, gemeinsam mit der Arbeiterklasse da« Regierungssystem deS Bürgerblock« zu be - kämpfen." Di« Enlschliehung wurde einstimmig angenommen. Da - mit hatte der Parteitag sein Ende erreicht. ♦ Der Wiener Parteitag ist geschlossen: Tage einer wahr - haft denkwürdigen Debatte sind vorüber. Was man von der Auseinandersetzung innerhalb der österreichischen So - zialdemokratie erwarten konnte, ist eingetreten: eine Debatte von seltener Höhe, voll Leidenschaftlichkeit und Besonnenheit und überraschender theoretischer Sicherheit hat die Partei auf der Höhe ihrer geistigen und politischen Kraft gezeigt. Am Oesterreich ist uns nicht bange! Wir haben am Sonntag die Grundlagen der Parkeilags - debatte bereits skizziert und die Erwartung ausgesprochen, daß die Parteimitte unter Führung Otto Bauers letzten Endes obenauf bleiben würde. Es ist so gekommen. Der Angriff, den die äußerste Parteilinke durch Max Adler gegen die Parteiführung richten ließ, brach schon in dem Augenblick zusammen, als er ausgeführt wurde. Die R e n - nersche Parole der Koalitionsbereitschaft war durch Renner und seine Anhänger selbst mit so viel Borbehalten umgeben worden, daß eine praktische Folge nicht zustande kam. Indessen stand überhaupt nicht die Frage der KoalitionSpolitik so sehr im Bordergrunde der Debatte, wie eS die bürgerliche Presse, vor allem die in öfter- reichischen Dingen immer schlecht unterrichtete demokratische Presse glauben machen konnte. Prinzipiell hatte die öster - reichische Partei die Koalition niemals verworfen, aller - dings immer gesagt, daß auch die Koalititon nur eine be - sondere Form deS Klassenkampfes sei, und daß eine Koali - tion nach Erledigung eines bestimmten Programms not ¬ wendigerweise immer wieder auseinanderfallen müsse. Auf der andern Seite war die Möglichkeit eines Bürgerkrieges niemals geleugnet worden: aber man hatte immer mit großem Nachdruck betont, daß der offensive Bürgerkrieg für eine Arbeikerpartei nicht in Frage kommt. Die Erörterungen deS Wiener Parteitages haben an dieser grundsätzlichen Abgrenzung gegen rechts und links nichts geändert. Das ging einmal aus der Beurteilung der Ereignisse am 15. Iuli hervor, wobei der Parteitag mit einer seltenen Einmütigkeit das Borgehen der Demonstranten als schwere Disziplinlosigkeit ablehnte. Der Versuch Max Adlers, die wilde Demonstration des Blvttages zu heroisieren, löste den stürmischsten Widerspruch des ganzen Parteitages aus. Auf der andern Seite erfuhr ein wohlmeinender, aber von der Bürgerkriegsfurcht gelahmter Kritiker, wie Dr. Oskar Trebitsch, eine beinahe ebenso heftige Ablehnung, als er sich zu der kühnen Behauptung verstieg, daß man alle jene Elemente in der Partei, die nie genug Kampf oder Krampf, Demonstration oder Radau haben können, in Gottes Namen ziehen lassen solle. Ihm antwortete unter stür - mischem Beifall F r l e d r i ch A u st e r l i tz, der ihn mit Dr. Seipel verglich: denn Seipel schelte diejenigen, die auS der katholischen Kirche austräten, schlechte Christen, und Trebitsch schelte diejenigen, die aus der Sozialdemokratie austreten wollten, schlechte Sozialdemokraten. Die Partei aber könne es sich nicht gestatten, leichten Herzens auch nur auf einen einzigen Mann zu verzichten. Neu war an der Debatte nur das lebhafte Hervortreten der Provinz- vertreter, die mit großer Hartnäckigkeit darauf hinwiesen, daß Wien nicht das Land Oesterreich sei, und daß eine öster - reichische Sozialdemokratie, die ihre Politik oder auch nur ihre Ausdrucksweise nur nach Wiener Verhältnissen richte, zum Leben nicht fähig sei. Von dieser Seite wurde auch stärker als es bisher geschehen ist, auf die Bedeutung der Verwaltungsarbeit hingewiesen, und wiederum war es Otto Bauer, dem es gelang, mit einer grandiosen Zusammen - fassung beide bei den Auseinandersetzungen hervortretenden Richtungen zu vereinen. In seiner großen Schlußrede führte er aus, daß für das Proletariat notwendigerweise die Mög - lichkeit einer Spaltung immer gegeben sei: denn ein Teil des Proletariats müsse darauf bestehen, daß sein Leid, daß seine Erbitterung, seine Auflehnung und sein Trotz in der Partei, der es angehöre, zum Ausdruck komme. Ein an - derer Teil des Proletariats aber nehme ebenso notwendiger - weise die heroische Aufgabe des Kleinkampfes auf sich, ver - richte die mühselige und graue politische Werktagsarbeit, müsse sie verrichten um des Proletariats willen. Nur zu leicht sei es dann möglich, daß beide Teile sich schlecht ober gar nicht verständen. Man solle Reformarbclt auf der einen, Idee auf der andern Seite nicht gegenüberfiellen. Von der Idee aus komme der Elan, die Leidenschaft des Kampfes, die unersetzliche Fähigkeit,' Opfer auf sich zu nehmen für die Partei, zu darben und schuften, wenn es fein muß. Und umgekehrt könne die Idee nie lebendig werden ohne jene mühsame und anonyme Kleinarbeit tn Gemeinde und Verwaltung, die dem kapitalistischen Regime im zähen Nahkampf jeden Fußbreit Bodens abringe. Dieser Zusammenfassung Otto Bauers gab der Parteitag in brausendem, minutenlangem Beifall seine Zustimmung. Er bewies damit, daß die Sozialdemokratie Oesterreichs neuen Kämpfen und neuen Aufgaben gegenüber in einzig - artiger Geschlossenheit, mlt Mut und Besonnenheit zugleich, wie Austerlitz es gefordert hatte, ihren Mann stehen wird. Der Flaggenstrcit der Berliner Hotel« lebt wieder auf. „Adlon" hat au« Anlaß der Anwesenheit de« ehemaligen Kron - prinzen von Korea neben der japanischen die schwarzweißrot« Handelsflagge, nicht aber die verfassungsmäßigen schwarzrot - goldenen Farben gehißt. V-V Ai- Franklin - Bouillon, der die französische radikal-soziale Partei vergeblich in da« reaktionär« Lager hinüberzaziehen sucht«. flournal.) GroKrr SBoNtrfolg dir tngWdnn Sozialisten. MTB. London, 1. November. 3m ganze« Lande, mit Auinahme des Kreises London, sanden heute Neuwahlen für ein Drittel der Stadträte statt. Nach den bi« 23,30 Uhr vorliegenden Ergebnissen hatten die einzelne» Parteien folgende Gewinn« und V«rluste zu verzeichnen: Konservative Gewinn 6, Verlust 33, Liberal« Gewinn 5, Verlust 12, Arbeiterpartei Gewinn 42, Ver - lust 6, Unabhängige Gewinn 11, Verlust 13. Weitißung der Ein- und Ausfuhrverbote? SPD. Genf, 1. November. (Eig. Drahtb.) Aus Darlegungen, die der Präsident der Staaten- konferenz für die Beseitigung der Ein- und Ausfuhrverbot« und deren Beschränkung am DienSlag abend den Pressevertretern machte, geht hervor, daß die Kon - vention nur mit einer bedeutenden Lücke zum Abschluß ge - bracht werden kann. ES müssen nämlich in einer UebergangS- bestlmmung noch eine Reihe von außerordentlichen Ein- und Ausfuhrverboten befristet betbehalten werden. Dabei handelt es sich hauptsächlich um das englische Fardenein- fuhrveroot und das polnische Stick st offeinfuhr- verbot, sowie um das französische EisenauSfuhr- verbot, das tschechoslowakische HSuteauSfuhr- verbot und das rumänische Äohpetroleumaus- fuhrverbot. Man ist übereingckommen, dah bis zum 1. Fe - bruar Vorbehalte zu diesen Verboten gemacht werden können. Darauf sollen die Vertreter derjenigen Staaten, di« dir Kon - vention bis dahin unterzeichnet haben, zusammentreten, um sich über die Tragweite dieser Vorbehalt« und die Dauer der bei- zubehaltenden Verbote, die nicht über 30 hinauSgehen sollen, zu verständigen. Eine andere bedeutend« Schwäche oder Konven - tion, di« man am Sonnabend ober Montag zu unterzeichnen hofft, liegt In dem Artikel 7 über die «inzusührende Schieds - gerichtsbarkeit für die Regelung von Differenzen aus bet Konvention. Ser Kampf der tschechischen Eisenbahner Faschistische Abwehrmelhoden der Regierung. WTB. Prag, 1. November. Das Gewerkschafksorgan der Eisenbahner ist auf Grund des Gesetzes zum Schutze der Republik wegen Veröffentlichung der Beschlüsse der Organi - sation über das weitere Vorgehen der Eisenbahner beschlag - nahmt worden. Die Blätter betonen, daß die Tageszeitun - gen allgemein aus die Gefahr der Beschlagnahme aufmerk - sam gemacht worden seien, falls sie die Entscheidung der Exekutive über die Art des Abwehrkampfes der Eisenbahner abdrucken. Das sozialdemokratische Zentralorgan und andere sozialistische Blätter weisen auf die ernste Lage hin, die durch die Verschärfung des Konfliktes bei den tschechoslowakischen Etaatsbahnen entstanden ist. Danzig vor der Entscheidung. Von Erich Brost, Danzig. Der Streit mit Polen. ES gibt in Sens wohl keine Dölketbunbiverfammlung und kein« RatSsthung, in bet bie Malaboren bet europäischen Politik sich nicht mit Danziger Fragen mehr ober weniger Intensiv z« be - schäftigen haben. Da gibt «1 immer neue Streitigkeiten bet Freien Stabt mit ihrem großen Nachbarn Polen ober auch alt« Konflikt«, bie von einer Svnberkommission in bie andere wandern, begraben unb wieber hervorgeholt werben, um schließlich in einem Danzig wenig günstigem Sinne Ihre Lösung zu sinben. So bringt sich Danzig In bet deutschen Presse Immer wieder In Erinnerung. Die eigen - artige staatsrechtliche Stellung, bie biete ehemals reichsbeutsch« Stabt burch ben FriebenSvertrag von Versaillet erhalten, hat el mit sich gebracht, bah alle Danziger Interessen tn hohem Maß« gleichzeitig polnische unb brutsche Belange berühren unb bamif nicht nur Oegenftanb bet Politik dieser beiden Staaten, sondern gang Osteuropas werden. Danzig hat eine rein deutsche Bevölkeren g — 60l ben 350 000 Einwohnern bei Freistaates sind kaum 10 000 Polen —* unb nlemanb wagt da« noch ernstlich zu leugnen, aber ba« groß« natürliche Hinte rianb, auf bas Danzig wirtschaftlich allein ange - wiesen ist, gehört zur Republik Polen. Der gesamte Hanbel, bet feinen Weg weichseladwärlS nimmt, geht über Danzig, unb bieset geographisch einheitlich« Wirtschaftsgebiet ist auch zollpolitisch zu- sammengeschmiebet worben. Die Danziger Eisenbahn bcftnbct sich in polnischer Regie, ber Hafen wirb von Danzig und Polen gemein - sam verwaltet. Polen unterhält ein eigenes Postamt unb hat btt Freie Stabt außenpolitisch zu vertreten. Internationale« Kapital ist an Danzigs Hanbel mit Inbustrle in erheblichem Maß« beteiligt, unb burch die Zo11elnhe 11 mit Polen ist bie Danziger Be - völkerung In ber Hauptsache auf ben Konsum von Waren ange - wiesen, bie in Polen unb Danzig probuziert werben. Del einer so starken Verflechtung der gegenseitigen Wirtschaft«- interessen ist es einleuchtend, daß beide Staaten bestrebt fein müßten, In möglichst gutem Einvernehmen miteinander zu leben. Statt dessen sind jedoch unausgesetzt Kräfte am Werk, di« immer wieder einer Verständigung entgegenarbeiten unb mutwillig ober auch auS mangelnbet Einsicht bat Einvernehmen störe«. Polnische ExpansionSlust war et in erster Linie, die die Danziger Bevölkerung nicht zur Ruhe kommen ließ unb stSnbig neue Ge - legenheiten fanb, In bie Interessensphäre.der Freien Stabt einzu- bringen: ber Konflikt um bie polnischen PostdrlefkSsten, ber Streit um daS Klagerecht bet Eisenbahner, bie Benutzung bet Halbinsel Westerplatte al« polnische« Munitionslager unb viele« anbete. Der Konflikte ist kein (Enbe. Was aber da« staatliche Lebe« noch unerträglicher macht, ist bet Umftanb, baß bie Inneren wirt - schaftlichen linb politischen Verhältnisse ebenso ungünstig liegen. Zwar hat sich bie Wirtschaftslage wie in allen Staaten so auch in Danzig seit ben katastrophalen Verhältnissen nach ber Inflation gebessert. So hat beispielsweise bet Umschlag bei Danziger Hafen« ben Friebensstand weit überschritten. Da« 5nberf aber nicht« an bet Tatsache, daß bie Arbeitslosigkeit in Danzig noch immer recht erheblich Ist. Arbeiten, bi« früher Im Hafen einet großen Anzahl von Arbeitern Beschäftigung gaben, werden heute maschinell erlcbigt. Auherbem fehlen ber Danziger Inbustrle auSreichenbe Aufträge. Dazu verschlingt ber Staatshaushalt Summen, bie für bie Danziger Wirtschaft nur schwer tragbar sind. Die Sünden des deukschnakionalen Senats. Unb hier trifft ben Danziger Senat eine schwere Schulb. Dan - zig hat seit bet Abtrennung vorn Deutschen Reich mit einer kurzen Unterbrechung eine Regierung gehabt, bie völlig unter beutst- nationalem Einfluß steht. Wie alle abgetrennten Gebiete, wurde auch Danzig von ber nationalen Welle ersaßt, unb ba« hat nach ben oerschiebensten Richtungen hin verhängnisvolle Folgen S. Die Regierung, bie zu einem Drittel au« hauptamtlich»« en besteht, bie bem Parlament nicht verantwortlich sind — ein Zustanb, bet bringenb bet Abhilfe bebatf —, hat ben kleinen Zwergstaat mit einem ungeheurenBeamtenapparat be - lastet, unb eine unverantwortliche Vetternwirtschaft hat e« mit sich gebracht, baß Danzig heute zum minbesten bie gleiche Anzahl Höherer Beamter besitzt, wie früher ganzWestpten^ Öen. Außetbem finb bie Gehälter bet Danziger Beamten burch-. schnittllch um 10 % höhet al« bie ber teichsbeulschen. Die Finanz- wirtschaft bes Senats hat zur Folge gehabt, baß bie Steuer - schraube immer stärket angezogen mürbe. DaS Stief- kinb bet Danziger Gesetzgebung ist aber bie Arbeiterschaft. Noch immer gibt eS keine Arbeiter- unb Angestelltenkammer«, die soziale Gesetzgebung hinkt hinter ber beutschen her. Die St- wetbslosenfütsotge liegt in ben HSnben von fast aui- nahmslos reaktionär unb unsozial eingestellten Beamten. Was bie Arbeitslosigkeit noch besonders verschärft, ist ber Umstanb, baß bie beutschnationalen Großagrarier, bie sich mit Ihrer streng nationalen Gesinnung nicht genug brüsten können, zu Tausenbe« polnische Saisonarbeiter gegen Schanblöhne beschäftigen, ungeachtet $>et falsche Prinz. Lebenserinnerungen von Harry Domela. [52] Der Salon war wirklich eines Fürsten würdig. Der Boden war mit einem bordeauxroten Teppich bedeckt. Die Wände waren hell gehalten. Große Spiegel und ein mäch - tiger Marmorkamin schufen einen wirklich königlichen Raum. Aus dem Salon ging eine Tür auf eine offene Terrasse, von der ich einen Blick über den weiten Platz vor dem Hotel und auf den Straßenverkehr in der Nähe hatte. Das Schlafzimmer mit zwei Betten machte einen traulichen Eindruck. Alle Möbelstücke waren aus Mahagoniholz, die Schränke in die Wände eingelassen. Als der Direktor mich in die Zimmer geleitete, hatte er mich schmunzelnd un - vielsagend auf das Bild der Kronprinzessin hingewiesen. Er hatte es mittlerweile hier ins Schlafzimmer hängen lassen. Ich dankte ihm gnädigst für die Aufmerksamkeit. Ein prunk - volles Marmorbad ergänzte den überwälttgenden Eindruck. Zu den Zimmern gehörte noch ein Vorzimmer, das «lS Gar - deroberaum gedacht war, und ein Zimmer für den Diener. Ich war im siebenten Himmel! Ich mußte an Berlin zurück - denken, wo ich zusammen mit Wolf mit brennenden Augen vor den Stätten moderner Raumkunst gestanden hatte, und jetzt besaß ich es alles selbst! Glanz, Schönheit, Ruhe! Es war wie ein Traum. Ich versank in all diesem Reichtum. Es war mir gar nicht mehr bewußt, daß mir all dies nicht gehörte. Ich besaß es, weil ich da war. Alles Dumpfe, Finstere, Häßliche und Grausame lag weit hinter mir. Hier in diesem Hause, wo nur ganz wenige Gäste die idyllische Ruhe eines Fürstenhofes störten, hier wollte ich den Zu - stand des Glücks bis zur Neige auskosten. Hier ging ich auf der Sonnenseite eines abgeklärten, wunschlosen Lebens. Bisher war ich in meinem Leben ein geschundener und böi- gezauster Mensch gewesen. Ieht saß ich an den Tafeln deS Ucberflusses und war glücklicher als der gichtgeplagte Fürst, der zuweilen in diesen selben Räumen hier wohnte. Das Telephon klingelte. Der Direktor fragte mich unter - tänigst, was ich am Abend unternehmen wolle. Ich hatte nichts Bestimmtes vor. „Ich setze mich sofort mit dem Inten - danten unseres Theaters in Verbindung. Königliche Hoheit würden dem Intendanten eine große Freude bereiten, falls Königliche Hoheit die Gnade haben würden, heute abend in der Oper zu erscheinen." Auch gut, dachte ich, und stimmte zu. Den Tee ließ ich mir im Salon servieren. Der Di - rektor hatte es sich nicht nehmen lassen, mir Gesellschaft zu leisten und mich persönlich zu bedienen. Er war überglück - lich. Das Telephon klingelte wieder. Der Direktor sprang auf und meldete, der Intendant stelle mir für die Dauer meines Aufenthaltes die Hofloge deS Herzogs zur Ver - fügung. Ich dankte und bemerkte, daß ich von dem freund - lichen Anerbieten gern Gebrauch machen werde. Inzwischen rief ich den Kommerzienrat aus Kreuzburg an und teilte ihm mit, daß ich in Gotha fei. „Wären Sie doch einige Sta - tionen weitergefahren," sagte er. „Ich würde mich freuen. Sie bei mir begrüßen zu dürfen." Ich erwiderte, et habe sich doch erholen, ich ihn daher nicht stören wollen. „Sie stören mich nicht, junger Freund. Allerdings erwarte ich heute den Besuch einer Jugendfreundin aus Amerika. Falls es Sie nicht geniert, bitte ich Sie, noch heut herüberzu- kommen." Ich überlegte. Es reizte mich, die Kreuzburg zu sehen. In ein paar Wochen war doch alles aus! Ich sagte für den nächsten Zug zu. Mein kleiner Handkoffer war schnell wieder gepackt. Nachdem ich den Tee eingenommen hatte, begab ich mich in die Halle hinunter. Der Direktor begleitete mich stolz wie ein Triumphator. In Gotha war mittlerweile der hohe Besuch schon bekanntgeworden. Alle, die von meiner Aickunft unterrichtet worden waren, saßen in der Halle. Ich werde einer charmanten, netten Frau, der Gattin des Direktors, vorgestellt. In Unterhaltung mit Ihr sitze ich im Mittelpunkt eines großen Kreises. Um mich herum tiefes Schweigen: alle lauschen auf meine Worte. Ich bin mir der Größe des „historischen Augenblicks" bewußt. Ehrfurchtsvoll wurde ich angestaunt. Das Auto fährt vor, das mich zur Bahn bringen soll. Ich werfe noch einen Blick auf die prächtige Halle und auf „mein Volk". Die Kellner verbeugen sich. Der Direk - tor geleitet mich unter vielen Bücklingen hinaus. Letzte Reverenz . . . Das Auto saust ab. Auf dem Bahnsteig In Eisenach werde ich vom Diener des Kommerzienrats abgeholt. Er selbst und sein Besuch aus Amerika — eine alte Schulkameradin — erwarten mich unten an der Sperre. Ich werde ihr vorgestellt: „Baron v. Korff — Mrs. Harkott aus Toledo." Mir sanften tn die Nacht hinaus. Mrs. Harkott, eine etwa fünfzigjährige Dame, geborene Deutsche, noch auffällig jugendlich, klein und rundlich, sehr gepflegt, mit kostbaren Brillanten an den Händen und einem Klemmer auf ber Nase, erzählte mir auf der Fahrt nach der Kreuzburg von Amerika und dem dortigen Leben. Da wir jedoch im offenen Wagen fuhren, verstand ich nur die Hälfte. Durch ein Dörfchen geht «, vorbei an Häuschen, durch deren Fenster Campen schimmern. Dann einen stellen Abhang hinauf: der Wagen hält. Licht flammt ans; ein mächtiges Tor wird aufgerissen und wir fahren in den Burghof. Am Portal empfängt uns die Diener - schaft. Aus irgendeiner Ecke des Hofes stürzt mit wildem Geheul eine Hundemeute hervor. Ungefähr ein Duhend Dackel, dazu ein prachtvoller Bernhardiner, mit dem ich mich bald anfreunde. Im Schlosse standen überall alte Rüstungen umher. Prachtvolle Teppiche, alte Eichenmöbel, vom Alter dunkle Bilder, Kunstgläser, wuchtige Kachelöfen, eingelegte Tische, Stühle in gepreßtem Leder. Ich erhielt ein Zimmer hoch oben angewiesen, mit dem Bljck auf das unten liegende nächtliche Dorf. Die tiefe Stille ringsumher, ein sternklarer Himmel, eine Liliputbahn, die Im Tale mit glitzernden Lichterchen daherkroch. Ich glaubte zu träumen . . . Ein verwunschenes Schloß! Nur von Zelt zu Zelt bellten im Hof einige Hunde. Sonst tiefe Stille. Alles so gespenstisch, unheimlich . . . Da wurde ich zum Abendessen gerufen. Ich säuberte mich, zog mir andere Schuhe an unb ging hinunter. Der Hausherr erwartete mich in der Bibliothek, einem in dunkler Eiche gehaltenen Raum. Er zeigte mir einige besonders wertvolle Bände. Daneben lagen neuere Bücher, mein Blick fiel auf NoSkes Buch: „Von Kiel bis Kapp." „3bm haben wir viel zu verdanken," sagte ich mit einem Hinweis auf das Buch.' „Er und Ebert sind diejenigen ge - wesen, die Deutschland 1918 vor dem Untergang gerettet haben." Der Kommerzienrat sah mich überrascht an, sagte jedoch nichts. Verlegen rückte er ein paar Bücher hin unb her. Ich merkte, dah er etwas sagen wollte, jedoch wußte er zunächst nicht, was. Ich fuhr daher fort: „Ls ist feit jeher meine Ansicht gewesen, daß wir Hohenzollern nur bann verlangen können, gerecht beurteilt zu werden, wenn rott auch diejenigen gerecht beurteilen, die nach unS gekommen sind, zumal sie uns vor dem Allerschlimmfien bewahrt haben. Wir können sie viel eher gerecht beurteilen als die ver - bissenen, durch Irgendwelche Schicksalsschläge verbitterten Parteigänger der Linken." Nervös trommelte der Kom - merzienrat mit den Fingern auf einem Buche herum. Noch Immer sagte er nichts. Wir schwiegen beide. Dann be - gann er: ,^ch habe dies offene Mort von Ihnen nicht er-, wartet. Ich danke Ihnen, dah Sie es ausgesprochen haben. Ich halte Ebert für einen der anständigsten Menschen, bie wir seit langer Zeit im politischen Leben gesehen haben. Wie leicht wäre es ihm nach seiner Vergangenheit gewesen, radikale Politik zu treiben. Statt dessen hat er Maßhalten und Befriedigung der Geister angestrebt. Don feinen eigenen Leuten drum gescholten, erntete er für feine Klug - heit wenig Dank." Durch diesen kurzen Gedankenaustausch war eine Stimmung geschaffen, die uns einander näher- drachte. Ich war auch nicht mehr im mindesten befangen. Ich war Prinz, Prinz auch diesem klugen Manne gegen - über. Mit nervöser Lebhaftigkeit traf jetzt Mrs. Harkott zur Türe ein. Damit war die Intimität unserer Unter - haltung zerrissen. Wir entschlossen uns, in einem Neben - zimmer Platz zu nehmen. Der Kommerzienrat begann, aus einem Buche die Geschichte der Kreuzburg vorzulesen. (Fortsetzung folgt.)