ottftetwn Ml m SReftMnu«, w 13altiw 5?o* portiUrMtlt 45 prioal« 3emlU«non>«lgolgc«i4«n log), In den Filialen lbt« 3Ubr> unb w «Oe» ümxmanbureau«. 3DU* unb Daienvorlchristen inwetbinbH» erfdieint fäglt» einmal, nutzer an 2. Feiertagen. Befuge peelet Im Vorau« «tblbar: Monallt» 2^0 x keinschl. 50 4 Zustellung«aebühr), wöchentlich 00 4 keinschl. 13 4 3ufteUunq«gebühr). Für Abholer wöchentlich 55 Ä. Durch die Toft ,u gleichen Bezug«preisen luzüglich TefleUaelb. n?ebattlon: fieblanbfir. 11, 1. Fernfpr.: Sammel-Nr. C 5 Stephan 1701) Nachtrus C 5 Stepban 2321 u. 3503. Berankw. Nedatteur: Joh. «Kldjler, ttllona. - Buchhandlung: Fehlondstr. 11, Fernfpr.: Sammel-Nr. C 5 Stephan 1701, Nachtruf C 5 Stephan 2802. Drurtereitontor: Fehlondstr. 11.1. gemipr.: Sammel-Sir. C 5 Stepban 1831, Nachtruf C 5 Stephan 3032 u. 3683. HamdurgerEcho HambLWÄlttmarrDowsbiM Gegründet 1875 glömmet 32 $reitag, 1. Jebruar 1929 55. Jahrgang Die ArSeiterillterimtioliale greift ein! Nsue sozialistische Dietlein-erHonsetenz. Am 7. und 8. Februar findet In London eine DIer- länderkonferenz statt, auf der Vertreter der belgischen, britischen, deutschen und französischen sozialistischen Parteien unter Teilnahme des Sekretariats der Sozialistischen Arbeiterinternationale über die wichtigsten Internationalen Probleme der Gegenwart und der nächsten Zukunft gemeinsam beraten werden. Diese ursprünglich für den Spätherbst in Aussicht genommene Tagung muhte infolge der Schwierigkeit, einen für Delegierte aus vier verschiedenen Ländern gleichmäßig passenden Termin anzusetzen, zunächst auf die zweite Ianuarhälfle, sodann auf An - fang Februar verschoben werden. Das neue Datum hat den tech - nischen Vorteil, daß ein Teil der Delegierten unmittelbar nach der Vierländerkonferenz an der ebenfalls In London am 10/ und 11. Februar stattfindenden Tagung der Exekutive der 6A3. wird teilnehmen können. Die neue Vlerländerkonserenz bildet gewissermaßen die Fortsetzung früherer Tagungen, auf denen die großen euro - päischen Probleme beraten wurden und deren Resolutionen nicht ohn» Wirkung auf die späteren Vereinbarungen zwischen den Regierungen gewesen sind: Frankfurt ant 9jZain 1922, Berlin 1923 und Luxemburg 1926. Die Londoner Vierländerkonferenz dürfte an Bedeutung ihren Vorgängerinnen insofern Übertreffen, als einmal Fragen von aktuellster Bedeutung auf der Tagesordnung stehen, insbesondere das Reparalionsproblem und die Rheinlandräumung, und anderseits die Arbeiterpartei durch eine ganz besonders re - präsentative Delegation vertreten sein wird, was angesichts Der spanische Militärputsch. SPD. Paris, 1. Februar. 3nt Zusammenhang mit der letzten Artillerierevolte ist der frühere spanische Ministerpräsident Guerra verhaftet worden. Guerra hat gestanden, mit den Führern des Aufstandes in Verbindung zu stehen. Er sei entschlossen ge - wesen, an die Spitze der Ilmsturzbewegung zu treten. 3m letzten Augenblick aber seien die Offiziere der meisten Garnisonen vor der Verantwortung zurückgeschreckt. Guerra hat sich diesen Miß - erfolg so zu Herzen genommen, daß er sich der spanischen Polizei freiwillig stellte und erst dann verhaftet wurde. Er will für die gescheiterte Revolte allein verantwortlich fein. 3nzwischen sind drei Führer des Aufstandes zum Tode ver - urteilt worden. Das Urteil dürfte jedoch kaum vollstreckt werden. * Rem Bewegung? WTB. Paris, 31. Januar. Nach einer Agentur - meldung aus Hendey soll in Bilbao, Granada und Cordoba eine Generalslreikbewegung entstanden sein. Die Spannung in Litauen. SPD. Riga, 31. Januar. (Sig. Drahtber.) Aus Veranlassuiig des Ministerpräsidenten Woldemaras ist der vor einigen Tagen von seinem Amt zurückgetretene Ge - neralstabschef der litauischen Armee, Oberst Plechawicius, oerbaftet worden. Außerdem wurden 16 andere höhere Offiziere unter dem Verdacht der Vorbereitung eines Putsches festgenommen. Streik im polnischen Bergbau. WTB. Kattowih, 31. Januar. Der polnische sozia- listische Zentraiverband, Sektion Bergbau, der bet Arbeitsgemein - schaft der Bergarbeiterverbände nicht angeschloffen ist, hat gestern gleichfalls die Streikparole ausgegeben und sie auf die Kohlen - reviere Dombrowa und Krakau, wo der Verband die bedeutendste Rolle spielt, ausgedehnt. Die übrigen Bergarbeiterverbände haben sich gleichfalls einmütig der Streikparole angeschlossen. Auf fast allen Kohlengruben haben sofort Belegschaftsversaminiungen statt- gesunden, in denen man sich grundsätzlich für den Streik erklärte unb scharfe Kritik an der Stellungnahme der Regierung übte. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch die Bauarbeiter in den drei Revieren sich dem Streik anschliehen werden, nachdem sie eine Lohnerhöhung von 20 % gefordert haben. der kommenden Neuwahlen in England von großem Wert für die internationale Politik fein bürste. Die Delegationen finb von ben einzelnen Parteien wie folgt zusammengesetzt worben: Belgische Arbeiterpartei: Emile Dandervelbe, Louis de Brouckere und Josef van Rvosbrveck. Britische Arbeiterpartei: I. Ramsay Macdonald, Arthur Henderson, Philipp Snowden, Herbert Morriffon, Tom Shaw, C. T. Cramp, W. Graham, Dr. Hugh Dalton und William Gillies. Sozialdemokratische Partei Deutschlands: Otto Wels, Arthur Crispien, Rudolf Breitscheid, Johannes Stelling, Fritz Naphtali und Victor Schiff. Sozialistische Partei Frankreichs: Vincent Auriol, Leon Blum, Pierre Renaudel, Jean Longuet und S. Grumbach. Außerdem nimmt an der Konferenz der Sekretär der So - zialistischen Arbeiterinternationale, Dr. Friedrich Adler, teil. Die Tagung wird im Hause des Transporiarbeiterverbandes in London unter dem Vorsitz von Ramsay Macdonald ab - gehalten werden. Ueber die Ergebnisse der Dierländerkonferenz wird auf der unmittelbar anschließenden Tagung der Exekutive der SAI. Bericht erstattet. An den Sitzungen der Exekutive, deren Tagesordnung noch zahlreiche andere Punkte zählt,' nehmen für Deutschland Otto Wels, Arthur Crispien und Johannes Stelling teil. Außerdem ist die Minderheitenkommifsion der SAI., deren Vorsitzender Otto Bauer, Wien, ist, nach London einbetufen. Die 60-Millionew-Anleihe der Berliner Elektrizitätswerke. Der Aufsichtsrat der Berliner Städtischen Elektrizitätswerke A.-G. sBewag) bas das Anleiheangebot des New Yorker Bank - hauses Dillon, Read & Co. mit einer nicht sehr wesentlichen Abänderung angenommen. Die Anleihe von 15 Millionen Dollar ist mit 6% % verzinslich unb läuft auf 30 Jahre, jedoch behält sich die Bewag eine frühere Rückzahlung vor. Die An - leihe soll zu einem Kurs von nicht unter 93,5 % aufgelegt wer - den, so daß die effektive Verzinsung 7,58 % beträgt. Die Dossische Zeitung meldet: Aut ben zahlreichen, sich teilweise widersprechenden Gerüchten über da« Schicksal Trotzkis scheint jetzt folgendes festzustehen: Trotzki ist von der Moskauer Regierung aufgefordert worden, /t ?■ "• \iX-' << $ I . . ■ z > / : < '>?: • \ •*,.-< ' - j f"Z '1 ''8h Rtlbtrr Kellmanns Abtritt. Der Magdeburger Landgerichtsdirektor Hoffmann, der vom höchsten preußischen Disziplinargericht zur Strafversetzung verurteilt worden war, weigert sich, die ihm übertragene Stelle als Oberlandesgerichtsrat in Hamm anzunehmen. Er hat es vor - gezogen, seine Entlassung aus dem Staatsdienst zu beantragen, und erstrebt seine Zulassung als Rechtsanwalt in Magdeburg. Hoffmanns Schritt genügt durchaus feinem Charakter; durch - aus nicht in Beschämung tritt er beiseite, sondern trotzig wirst er die Brocken hin: „Mit Euch Bande will ich keine Gemeinschaft haben!" Als Rechtsanwalt wird er zunächst Zuspruch haben, dir die Leute innewerden: Trohpolitik schadet der besten Sache! Erbsetabe GMällsstrunbr. Sugtnbkrg und eotn. Zum Konzern des deutschnationalen Diktators Hugenberg gehört ein Reisebureau in Berlin, das Gesellschafts - reisen nach Paris veranstaltet. Es fordert in der Hugen- bergpreffe zur Reise nach Paris auf und lockt mit Vergünsti - gungen. Die Teilnehmer einer solchen Hugenbergreise werden In Automobilen des Herrn Cotn Ins Hotel gefahren und werden von Herrn Coty bewirtet. Herr Coty, der große Parfümfabri - kant — man muß das wissen — Ist der Gegenpol des Herrn Hugenberg. Er ist ebenso französisch-chauvinistisch wie Herr Hugenberg deutsch-chauvinistisch ist. Sie sind Todfeinde auf dem politischen Parkett, aber beim Geschäft verstehen sie sich blendend. Warum sollen Herr Coty und Herr Hugenberg nicht gemeinsame Geschäfte machen mit den braven Leuten, die Hugen - bergs Reifebureau nach Paris schickt? Es lockt eine weitere An - nehmlichkeit für die, die sich dabei Herrn Hugenbergs Bureau anvertrauen, Friseure, die an einer solchen Reise teilnehmen, können den Titel „Profeffeur de Paris" erhalten. Weil doch der bravste Deutschnationale um mehrere Zentimeter größer wird, wenn er sich einen frisch aus Paris importierten Titel zulegen kann. Alles durch das Reisebureau des Herrn Hugenberg, bas tatkräftig an der deutsch-sranzösischen Verstän - digung arbeitet, weil Herr Hugenberg den Gewinn aus diesem Ge - schäft dringend zur Arbeit gegen' die deutsch-französische Ver - ständigung gebraucht.... daS Land zu verlassen unb ins Ausland zu gehen. Er selbst soll sich angeblich damit einverstanden erklärt haben. Trotzki wird wahrscheinlich über Konstantinopel nach Europa reifen. Wie der Stambuler Korrespondent der Dossischen Zeitung berichtet, ist die türkische Regierung ersucht worden, daS Durch - reise-Visum für Trotzki zu erteilen. Das Visum ist bereit» ge - nehmigt worden, jedoch ist das Datum der Ankunft Trotzkis in Stambul noch nicht bekannt. Man nimmt dort an, daß Trotzki sich in Berlin niederzulassen gedenkt. Damit scheint zwar die Ausweisung bei kommunistischen Führers sefizustehen, dunkel bleiben jedoch noch die Gründe, die zu dieser Maßnahme veranlaßten. Die Verhaftung von 150 Trotzki-Anhängern in ben letzten Tagen deutet darauf hin, daß der nach Wierny in Turkestan Verbannte von aller wachsen - den Mißstimmung in bet Partei profitierte unb neuen Zulauf erhielt. Ob aber die endgültige Ausweisung Trotzkis aus Ruh - land diese Bewegung unterdrücken wird, erscheint fraglich, da Trotzki sicherlich die Freiheit benutzen wirb, um seinen Kampf publizistisch fortzusehen. Nnmbler unb Snlhtimtt endgültig aus - geschlossen. Die zentrale Kontrollkommission der russischen Kommunistischen Partei hat nach vielen bureaukratischen Verzögerungen unb nach bem bereits erfolgten Ausschluß der Anhänger BrandlerS unb Thalheimers auf der Kommunistischen Partei diese Häupter der Rechtsopposition jetzt ebenfalls aus der russischen Kommunistischen Partei und damit aus bet kommunistischen Internationale aus- geschlossen. Trotzki kommt nach Berlin? Die Schwierigkeiten der Regierungsumbildung. Zentrum -rollt mit ZuriWelmng seines Ministers. Berlin, 1. Februar. Reichskanzler Herman» Müller wird heule vormittag bem Reichspräsidenten über ben bisherigen Verlauf ber Verhandlungen über bte RegierungSumbiblung Bericht erstatten. Die Verhandlungen über die Umbildung der Reichs- regiertmg mit dem Ziele einer festeren Untermauerung bei Kabinetts sind auf einem kritischen Punkt angelangt. Das Zentrum drangt mit aller Kraft auf eine Verstärkung seiner Position in der Regierung, und die Volkspartei klammert sich an Ihre alte Forderung der gleichzeitigen Umbildung der preußischen Regierung. 3n Preußen aber hat man es oer- ständlicherroeise mit der Verbreiterung ber Koallton nicht s» eilig. . Es rächen sich jetzt bie Sünden, die die Deutsche DolkS- partel, und vor allem das Zentrum, bei den Regierungsver - handlungen im Juni vorigen Jahres begangen haben. Damals wäre es verhältnismäßig leicht gewesen, zu einer dem Stärke - verhältnis der Parteien entsprechenden Verteilung der Kabinettssihe zu kommen. Volkspartei und Zentrum aber, die beide große Worte führten über die Pflicht zur StaalS- verantwortung, verhinderten durch unbegründete, rein parteipolitischen Erwägungen entsprungene Forderungen eine vernünftige Regelung. Besonders das Zentrum verfolgte damals eine ausgesprochene Bosheitspolitik gegen die Sozial - demokratie. Als nach vielen Mühen mit der Volkspartei eine Verständigungsgrundlage geschaffen war, fuhr bas Zen - trum mit seinen bekannten Personalforberungen dazwischen. Das Ergebnis war eine allgemeine Verstimmung. Das Zen - trum zog sich nach Abweisung seiner unbegründeten An - sprüche in den Schmollwinkel zurück und entsandte seinen Fraktionsvorsihenden v. Gudrard nur als „Beobachtungs - posten" in das Kabinett. Inzwischen hat das Zentrum erkannt, daß es mit ber im Juni eingeschlagenen Taktik nicht weilerkommt. Seine Annahme, bas Kabinett Müller werbe schon nach wenige» Wochen sein Lebenslicht ausgehaucht haben, hat sich als irrig erwiesen. Jetzt will es mit Gewalt erzwingen, was es im Juni ausschlug. Es verlangt brei Ministersihe. Natürlich ist diese Forderung nicht so ohne weiteres zu erfüllen, und es muß offen ausgesprochen werden, daß sie mit der gerade vom Zentrum betonten Notwendigkeit der Festigung der Regierung schwer in Einklang zu bringen ist. Und wenn das Zentrum, wie von verschiedenen Seiten be - richtet wird, es für angebracht hält, mit der Zurückziehung des Verkehrsministers v. Gudrard zu drohen, so muß mit aller Entschiedenheit darauf hingewiesen werden, daß diese Taktik des Zentrums mit seiner so lauf und eifrig betonten Verantwortungsfreudigkeit nicht in Einklang zu bringen ist. Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, hat Reichs - kanzler Müller-Franken die Absicht, nach seiner heutigen Berichterstattung beim Reichspräsidenten die Minister unb bie Parteiführer zu einer „Generaldebatte über bie Große Koalition" zu versammeln. Es erscheint uns notroenbig, baß er sowohl mit bem Zentrum als auch mit ber Volkspartei ein ernstes und deutliches Wort spricht. Wenn das Zentrum den Mut aufbringt, in dieser ernsten Stunde, da bei den Repara - tionsverwandlungen die Verpflichtungen des Reiches auf Jahrzehnte hinaus festgelegt werden, die Regierungskoalition durch übermäßige Personalansprüche zu gefährden, und wenn die Volkspartei verantwortungslos genug ist, ihre Stellung - nahme auch weiterhin lediglich von der gleichzeitigen Auf - nahme in die Preußenregierung abhängig zu machen, so mutz dieser Widerspruch zwischen Wort und Tat der beiden Par- Copyright dy OSkar Wöhrle in Konstanz. MMng aus -er Tiefe. Erzählungen von Martin Andersen Nexö. 12] „Danke, aber willst Du nicht selbst Seejungfern werfen?" Er mußte lachen, so übermütig erschien ihm der Gedanke. Aber der Körper war nicht stark genug, um das Lachen zu ertragen, es sah aus, als müsse er zusammensinken wie ein Aschenhausen; der Laut kochte in seiner Brust und erstarb zwei Ellen weiter. Aus den Ruinen aber baute sich ein Riesenlachen auf, das einstmals über das Wasser hingerollt sein mochte. „Du bist Bootsmann gewesen", sagte ich. — „Ich kann es Deiner Stimme anhören." „Ja ja, auf den großen Fahrern sogar!" lachte er mich entzückt an. „Ja, damals konnte ich vom Ankerplatz bis ans Land rufen; wenn ich rief, stampften alle Mann auf Deck gleichzeitig mit den Füßen, daß es dröhnte." „Hast Du nie Seejungfern geworfen?" „Ja, ja — als ich sieben, acht Jahre alt war. Damals konnte ich einen Zehner schlagen, rückli.ngs und unter dem einen Bein hinweg." Ein Helles Erinnerungslächeln ging über sein Gesicht, vergoldete es unb verschwand — wie flüch - tende Herbstsonne über ein Stoppelfeld. „Dann kam ich hin - aus, um mir selbst mein Brot zu verdienen, und es war vorbei mit bem Kinderspiel." „Du hast zeitig angefangen!" „Ja, achtzig Jahre hab' ich Mannsbienste getan — jetzt bin ich aber auch müde." Ich brachte den richtigen! Wurf aus ben Knabenjahren nicht mehr zuwege, bie Schultern wollten nicht so weit im Gelenke zurück. Aber ich war nicht gesonnen, mich über ver - lorene Fähigkeiten zu grämen; hier, wo meine ganze Knaben - zeit mir gegenwärtig war, hätte bies auch leicht zu weit füh - ren können. Der Alte saß auf einem Stein und folgte mir mit großem Interesse; hie und da kam ein fröhlicher Ausruf; „Der war gut; den konnte ich pfeifen hören. Eie müssen über das Wasser hinzischen, wie die Winterente, wenn sie auf- I fliegt." Wenn bie Steine auffielen unb mit einem Plumps unterfangen, wußte er nicht, was alles zu meiner Entschulbi- . gung sagen. ' Später fetzte ich mich zu ihm. Er klopfte ben Sand zwischen seinen gespreizten Beinen zu einem Häufchen zu - sammen, und diese Arbeit nahm ihn sehr In Anspruch; von Zeit zu Zeit sah er auf und blickte mich mit einem vertrauens- vollen Lächeln an. So saß ich seinerzeit auch als Junge hier mit meinem Schwesterchen, das Kuchen aus Sand buk und mit demselben Lächeln zu mir aufblickte; und damals wie jetzt hatte ich ein Verlangen, mitzuspielen — und ließ es fein als ber Aeltere und Vernünftigere. Die Barke da draußen hatte sich ein wenig dem Horizont genähert, die Sonne fiel in die weißen Segel; es war wie eine weiße Freudenfackel, die langsam ihres Weges zog um die schöne Rundung der Erde. „Das ist Josefa," sagte der Alte, „sie kommt heim zum Kielholen. Aber sie fährt nicht ein, ehe es nicht zu Sonnen - untergang ein bißchen lüftet." — „So?" sagte ich ungläubig — der Alte konnte ja kaum auf eine Armlänge sehen. „Ja, siehst Dr denn nicht, daß es Josefa ist? Sie hat den Kurs gegen den Hasen und hat doch nicht die Lotsenflagge gehißt — die Heimkehrflagge hängt am großen Segelluv - baum. Ich kenne ja das Takelwerk gut." Ich lauschte still diesem Alten, dessen Sehkraft die nahen Dinge verlassen hatte und auf dem Wege war hinaus nach der Unendlichkeit. Da sah er unb zitterte wie ein alter ab - genutzter Spinnrocken, der bei der eigenen Bewegung zu Sf^ib zerfällt. Die Kleider waren zu groß und fielen in Falten. Auch bie Haut war zu weit geworden, worüber sie sich burch unzählige Runzeln und Furchen hinweghalf, und das Knochengerüst ungleichartig, ein Teil mehr verwittert als der andere. Ich meinte, ihn vor meinen Augen wie einen flüchtigen Stoff hinausebben und lautlos übergehen zu sehen in das All. Unb ich fühlte Trauer, jene Trauer, bie einen ergreifen kann, wenn man etwas erst bann kennen lernt, wenn es unwiderruflich mit ihm vorbei ist. Wie hatte fein Leben sich geformt — feine Freuden und Sorgen? Welch kleiner Menschengedanke hatte hinter allem andern gelegen und unlöschbar fortgebrannt und ihm das Gottesmerkmal aufgedrückt? — „Ich habe drei Söhne", murmelte er. „Und der eine — und er spricht sogar —" Ich zündete eine Zigarre an, gedankenlos bot ich ihm auch eine an. Er schüttelte mißmutig den Kopf. „Kannst Du etwa das Rauchen nicht vertragen?" „3a, oh ja. Ich kriege alle Pfeifenreste beim Kaufmann und trockne sie. Aber Deine feinen Zigarren —" er sah das Futteral lüstern an, nahn, aber keine. „Nein, beileibe nicht, ich muß jo doch bald sterben! wozu da noch mit feinen Zi - garren protzen!" Aber die begehrlichen Augen wollten die Zigarren nicht lassen, und er hielt die Hände an sich, als gelte es, sich gegen eine große Versuchung zu wehren. So schnitt ich denn einer Zigarre die Spitze ab, steckte sie ihm in den Mund und zün - dete sie an; er lächelte schüchtern und ließ es geschehen. „Ich bin ja doch zu alt", sagte er und lachte unsicher, wäh - rend er sog. Es war auch nicht viel Luft in ihm, aber kaum hatte er den ersten Rauch hinausgestoßen, als eine mystische Verwandlung mit ihm vorging. Es war, als schössen die Säfte vor meinen Augen in ihm auf; ein dreistes Blinzeln kam in sein Auge, der Hut glitt in den Nacken zurück. „Holla!" schrie er und krümmte den Arm mit der Zigarre in der Luft wie eine Aufforderung an die Mädchen; einen Augenblick sah es aus, als wollte er sich mit einem dröhnen - den Strümpfen vornüber werfen. „Hoho, Maria! Soll ich Dir zeigen, wie man die Sonnenhöhe nimmt?" Und er lachte gerade in die Luft hinauf. Die Kraft verpuffte, er lehnte sich zurück, ganz drollig an - zusehen mit feinem flotten Ausdruck, trübselig drollig. Den Mund verzog er nach der Seite, so daß die Zigarre nach dem einen Ohr wies, spuckte Strahlen von sich, hielt die Zigarre zierlich zwischen den Fingern und ließ sie in die Luft hinauf - dampfen. Die ganze Gestalt strahlte vor Entzücken. „Ist das etwa eine Havanna?" fragte er und rieb den Rauch tastend zwischen den Fingerspitzen. „Ich bin auch auf Havanna gewesen in meinen jungen Jahren, auf allen Meeren bin ich gefahren, und unter der Linie, und aus Madagaskar. Wir gingen ans Land, ohne Faxen geradewegs in die Häuser hinein, und rauften uns um die Mädchen. Fine girls! sagte wir nur, da kamen sie auch schon heran wie die Küchlein, und wir hatten es mit den Mannsleuten zu tun. Ich habe noch einen Messerstich," er zeigte auf die Schulter, „aber es ging rasch vorüber, denn die schwarzen Mädels sind gut zum Pflastern. Gute Mädels, fine girls in allen Ländern!" Er lachte ausgelassen, bekam einen Hustenanfall und fiel ganz zusammen. Ich faß da und dachte an die Entfernungen in dieses alten Mannes Leben und blies Ainge hinaus in die blaue Luft. Sie hielten sich lange, so stille war es. Der Alte war ganz vornüber gesunken. „Drei Söhne," murmelte er plötz - lich herauf aus der Tiefe feiner Hinfälligkeit. „Und der eine ist —" „Wo sind denn die beiden andern hingekommen?" fratzte ich sehr lauf, um ihn zu wecken. „Die, die sind von der Schute durchgebrannt," antwortete er kurz. Ich begann feine Verlassenheit zu verstehen; es durchschauerte mich bei dem Gedanken, daß auch ich vielleicht einmal verlassen und hilflos dasitzen würde, unverwandt einer für immer abgewandten Jugend nachstarrend. „Du weißt wohl gar nicht, wo sie sind?" fragte ich. „Ja, sie sind da draußen", er nickte nachlässig seewärts. „Auf Langfahrt?" „Auf Langfahrt, jawohl, und mit dem Kopf nach unten.* Er lachte wunderlich half; die Gleichgültigkeit in feiner Stimme machte mich stutzen. „Sie sind doch nicht ertrunken?" fragte ich. „Ich sah es selbst", sagte er, unheilverkündend nickend, wie einer, der eine vernichtende Anklage führt. „Ich stand ja selbst auf dem Strande und sah es. Und die Stiefel nah - men sie mit sich, ganz neue Stiefel wahrhaftig, und das Oel- zeug und alles andere. Es hafte 25 Reichstaler in der Stadt gekostet, fünfundzwanzig Reichsfaler!" wiederholte er mit einem Ausdruck kindischen Entsetzens ob dieser Schamlosig - keit. „Meg waren sie, und Ich muhte das Ganze selbst be - zahlen. Achtzig Jahre, sagte ich dem Kaufmann, ich bin achtzig, Mogensen! Aber er sagte nichts als: Geld, Geld! Kannst ja wiederum hinaus und fischen, sagte er." (Fortsetzung folgt)