Preis 10 4 »etfkoen n® m SReMxntan, off P 55. Jahrgang MrsnTnrer 155 Freitag, 7. Juni 1929 I), hi t*n ^Uialtn bl? 1 Ufrri mc » ist» >la«- und Satcmiorftbriftm unwrbtnolu» » bi« 9 3eOen Ijcil« 330 X Anikitzkn müfien im normte ober sofort btjablt merben e»gelg«naimol|m« RtblanOftraS« II, Aodioan., rtemfrrKb«: toammeb Hummer c 5 etroban 1831. 92a»truf C 5 eteolxm 24t'. IHs 6 Uh» olxr.*> ffrfftefttf Mgfi» einmal, aufiet an 2. Feiertagen. Be$ucep«el.r Im eorau* »ablbar: MonaUlch 2,50 A (etnschl. 50 4 Zustellungsgebühr), mörbensltA IW S> (einfdil. 13 4 3ufteUunq«gebübt). fiur Abholer nbdientlidi 55 A. Durch die Pofl ,u gleichen Bezugspreisen zuzüglich Bestellgeld, cstcbaftton: fieblanöflt. 11, I Fernsvr.: Eammel-Nr. C 5 Stephan 1701, Nachtruf C 5 Stephan 2321 u. 3503. Berantw. Bedalteur: Joh. httrlht-«, «l:»•*»- - Buchhandlung: Fehlandsir. 11, Iernspr.: Sammel-Nr. C 6 Stephan 1701, Nachtruf L 5 Stephan 2902. Druckereilonwr: Feblandstr.11,1. ßetnfer.: Sammel. Nr. C 5 Stephan 1831. Nachteils C 5 Skephan.3O32u. 3O83. Hamburg21ltonaerDoltzsbla1t E Gegründet 1875 Youngplan statt Daweepton. Heul« Unterzeichnung in Paris. Sie FkktSgjlellung des BerMs. SPD. Paris, 6. 3tntL ((Big. Drahib.) Dee Bericht der Sachverfiüodigen, an besten lehker Ausarbeitung am Donnerstag noch eifrig gearbeitet worbe, wirb nunmehr am Freikognachmillag um 5 Uhr nach einer letzten Lesung in einer Bollversammlung von ben Führern bet einzelnen Delegationen paraphiert werben. Die amerikanische Delegation tritt bann am Sonnadenb ihre Heimreise an, währenb von ben andern Delegationen je ein Mitglied sowie dar Personal zur Ausarbeitung der Annexe Zurückbleiben werden. Der Bericht selbst, in dem — ein Fortschritt! — zum ersten Male nicht mehr von „Alliierten", sondern nur von Gläubigern und Schuldnern die Rede ist, wird der Presse am Sonnabend im Auszug bekanntgegeben werden, während die ei gudige Veröffent - lichung des Textes am Montag erfolgen soll. Dieser zerfällt in acht Teile: Konstituierung und Mandate des Komitees; Rückblick auf die Verhandlungen; wirtschaftliche und finanzielle Lage Deutsch - lands; Ausbau und Organisation der Reparationsbank; Vergleich zwischen Dawes- und Vounqplan; der neue zsahlungsplan. Der letztere Abschnitt behandelt die Frage der Höhe und Anzahl bet deutschen Zahlungen, der Höhe des transfergeschühten und des transferungeschützten Teiles sowie das Problem der Sachlieferun- gen. Ein anderer Abschnitt handelt über Transfer- und Aus- dringungsmoratorium und ein weiterer endlich über die Kom - merzialisierung und Mobilisierung des ungeschützten Teiles. Dem Bericht sind Zwei Annexe beiqegeben über die Organisation der Reparationsbank und den Verteilungsschlüsiel für die von Deutsch - land zu leistenden Zahlungen. Ursprünglich sollte in einem dritten Annexe die Frage der Höhe und der Modalitäten der deutschen Sachlieferungen behandelt werden. Das Komitee hat jedoch be- schlossen, es vorläufig bei bet weiteren Anwenbung beS sogenannten Wallend°rg-Reglemenls ueroenben zu lasten. * Sie SmMWlmg bes Amsvilms. SPD. Paris, 7. 3uni. 3m Anschluß an die Sachverstänbi- genkrnferenz sollen, wie bie französische Presse anzukünbigen weih, eine Reihe internationaler Konferenzen stattsinben. Die erste bicser Konferenzen soll schon Ende 3uli entweder in London ober Brüssel lagen unb soll sich mit bet 3nkraflsetzung bes ‘goung- planeS vcfasten. Die Sachvetstänbigen haben sich am Donnerstag noch dahin geeinigt bas zur technischen Liq 'ibaüon bes Dawesplanes ber blsheriae ReparalionSagent Parker (Silbers eingesetzt wer - den soll, bet seinerseits wieder drei Unlerkommlssionen für bie Reichsbank, bie deutschen Eisenbahnen und bie Sachliesernngen bilden würbe. Eine zweite internationale Konferenz, an ber sich lediglich bie Finanzminister beteiligen sollen, würde nach Angabe des 3ournals im Herbst im Haag stattsinben. Sie soll bie Be - ziehungen zwischen ber internationalen Reparationsbank unb ben interessierten Regierungen regeln. Ser Mit »er neuen Regelung. Die neue Regelung, die die Pariser Sachversländigenkon- ferenz zustandegebracht hat, ist den Grundzügen nach dem deut - schen Volke kaum bekannt, und doch wagen es die Deuischnatio- nalen, mit dreister Demagogie gegen das mühsam erzielte Pa - riser Ergebnis Sturm zu laufen. Demgegenüber ist die Position aller vernünftigen Politiker in Deutschland denkbar glücklich und auch denkbar einfach. Sie haben dem deutschen Volke nur bie Frage vorzulegen, ob es wählen will zwischen bem Dawesplan, bet jetzt noch in Kraft ist, und bem Voungplan, ber in Kraft treten soll. Die Wahl wird nicht schwer fallen. Aber vergleichen wir, um klar erkennen zu können, was in 16 Wochen dramati - scher Verhandlungen erreicht wurde. Zunächst ber Dawesplan. Seine Bestimmungen sind bekannt. Er legt dem deutschen Volke eine jährliche Durchschnitlszahlung von 2,5 Milliarden Mark auf, die sich durch die Einrichtung des sogenannten Wohlfahrtsindex leicht noch um 300 bis 400 Millionen jährlich steigern kann. Die Dauer des Dawesplans ist unbestimmt. Soweit aus gewissen Angaben des Dawesplans (Verzinsungs- und Tilgungsfätze für die ersten zehn Etatsjahre umfaßt. vor bis ZU 21 Amerika decken jo bedeutet der P KstAllMMstNg 1933 1708 1685 1738 1804 1867 1893 1940 1977 1995 2043 607 560 523 505 457 Alliierten an Da wesplan (in Millionen Marti ca. 750 ca. 750 ca. 700 ca. 650 ca. 600 ca. 550 ca. 500 ca 450 ca. 400 ca 350 ca 300 1929/30 1930/31 1931/32 1932/33 1933/34 1934/35 1935/36 1936/37 1937,38 1938/39 1939/40 Erst in dem Etatjahr 2300 Millionen Mark Mark abgebaut. Sehr wichtig ist, daß bie psandmähige Belastung bet Reichsbahn mit 11 Milliar - den Mark RcichSbahno'oiigationen vetichwinbel. 567 792 815 762 696 die Reichsbahn- und llndustrieooligationen usw.f ein gegenwärti - ger Kapitalswert errechnet werden harrn, beläuft sich dieser nach unterschiedlichen Berechnungen auf 40 bis 50 Milliarden Gold - mark. lind nun der Toungplan! Der Doungplan sieht zwei Zeitperioden vor, eine von 37 und eine von 21 Satiren. Die für Deutschland wichtige Zeitperiode ist die von 37 Safiren, sie verpflichtet Deutschland zu einer durchschnittlichen Sahres- zahlung von 2050 Millionen, einschließlich der Verzinsungen für die sogenannte Dawesanleihe, die 1924 begeben wurde. Aus - schließlich dieser Zinsen beläuft sich die durchschnittliche Sahres- Iristung auf 1989 Millionen Mark. Der Unterschied ist offen - kundig. Statt 2500 Millionen jährlich mit voraussichtlicher Steigerung ans 2900 Millionen unb biefes auf unbestimmte Zeit, eine Zahlung von 2050 auf 37 Sahre. Der Kapitalswert des Youngschen Planes beläuft sich auf rund 33,5 Milliarden Mark. Wie stark die Einsparungen sind, möge JabreS- Tation Wcniqcr al3 latuung Sadilictcnma Tawcsvlan 1940/41 steigen die Sahresleiftungen an. Was die oben erwähnten späteren nachfolgende Tabelle, die Augen führen. EtatSjabr Die Reichsbahn hat nunmehr 37 Sahre lang 645 Millionen Mark statt bisher 660 Millionen zu ben Reparationen beizutragen. Auch bie Belastung ber Snbustrie mit 5 -Milliarden Snbufirie- Obligationen wird aufgehoben. Sie ha! aber die bisherige Geldsumme von 330 Millionen Mark weiterhin auszubringen, doch hat sie, wie die Reichsbahn, den Vorteil, daß die bisherige Hypothekarische Be - lastung verschwindet. Was den sogenannten Transferschuh anaeht, den Schuh nämlich für die deutsche Währung bei der Uebertragung deutscher Zahlungen in fremde Währungen, so bleibt dieser weiter bestehen. Rui für einen Teil der deutschen Safires- leiffungen in der Höhe von 660 Millionen Mark fällt dieser Schuh in Zukunft fort. Don besonderer Wichtigkeit ist, daß alle fremden Agenten und Kontrolleinrichtungen in Zu - kunft aus Deutschland verschwinden. Die Funktionen, die bisher der Reparationsagent und seine Kommissare hatten, gehen auf die neu zu gründende Reparations - bank über. die bereits mit einem Kapital von 300 Milkonen Mark aus be - reits vorhandenen Kassenfonds des bisherigen Reparationsagenten gebildet werden soll. Diese Reparationsbank kann auch bei schwerer wirtschaftlicher Krise und bei Gefährdung der deutschen Währung einen Zahlungsaufschub für den transfer- geschützten Teil der deutscher Sa h e s za h lu n g a n o r 6 n e n. Auch die bisher durch den Dawesplan angeordnete Verpfändung der deutschen Zölle- und Verbrauchssteuern wird in Zukunft verschwinden. Die vorstehende kurze Darstellung wird jedem, der lesen kann und begreifen will, klar und deutlich zeigen, daß ein erheblicher Fortschritt gegenüber bem -Dawesplan erzielt ist ber durch keinerlei demagogische Künste ans ber Wett ge - schaffen werben kann. ... Sahre angeht, so sollen die Gläubigerländer in diesem Zeit - raum die Ueberschüsse der sogenannten Reparationsbank erhalten, deren Höhe niemand kennt, die aber die Schvv/enzahlungen der ~ " 1 _ ' sollen. Gegen Tb er dem tet der ^Joungplan also eine Zah - lungserleichterung von mindestens 200 Millionen und höchstens 800 Millionen Mark jährlich. Die Sachleistungen auf Reparations- Konto werden von rund 750 Millionen Mark um 50 Millionen änb nun die Memlandrüumtnig. SPD. Paris, 7.Suni. Die diplomatischen Verhandlungen über bie Bildung ber Schlichtungs- unb Kontrollkommission im Rheinlanb sind, wie Sauerwein im Matin mitzateilen weiß, schon so weit gediehen, baß mau eine absolute Einigung als sicher und nahe bevor ehenb ankünbigen kann. -Die Rheinlanbiäumung selbst, meint Sauerwein, würde von der französischen Regierung mit größter Beschleunigung ins Werk gesetzt werden, ba sich Frankreich nicht unnützerweise einer Mahnung durch bie englische Arbeiterregierung ausfetzen wolle. — - Henderssn Slußenminijfer. — SPD. London, 6. Suni. (Eigener Drahtbericht.) Es kann nunmehr als sicher gelten, daß der Präsident der Sozialistischen Arbeiterinternationale, Artur Henderson, den Posten des A u ß e n m i n i st e r s im zweiten Kabinett Macdonald übernehmen wird. Artur Greenwood wird das Ministerium für Volksgesundheit und der Führer der Fabrikarbeiter, Clynes, das Snnenminifterium erhalten. Thomas wird Minister für Arbeitsbeschaffung. Sein offizielles Amt wirb bet Posten bes Lord Groß-Siegelbewahrers fein, bas mit keinem Portefeuille oerbnnben ist. Die Ernennung Thomas' hat in den Kreisen der Arbeiter - partei große Befriedigung heroorgerufen. Thomas erklärte am Donnerstag, er habe die schwierige, mit feinem Amte verbundene Verantwortung übernommen, weil Macdonald und er selbst der Auffassung seien, daß das Arbeitstosenpreblem das eine große dringende Problem sei, dem sich die sozialistische Regierung gegen- Ü versehe. Eine für die internationale sozialistische Bewegung Überaus interessante Berufung ist die nunmehr feststehende Einbeziehung des greifen Vorkämpfers bet Aermsten der Armen unter dem britischen Proletariat, George Landsburys in das Kabinett. Landsbury wird den Posten des Ministers für öffentliche Arbeiten übernehmen und in engster Verbindung mit Thomas arbeiten. Die Ernennung ist um so bemerkenswerter, als Landsbury im Sahre finndebury Aebettsmlnister. 1924 Öen ihm anqeboiencn Ministerposten abgelehnt hat. Lands- bury gehört zur Linken der Partei. Er hat in früherer Zeit aus seiner Sympathie für die Kommunisten keinen Hehl gemacht. Seit dem Birminghamer Parteibeschluß der Arbeiterpartei gegen die Kommunisten hat er jedoch eine überaus loyale Haltung gegenüber der Partei und Macdonald eingenommen. Sein Eintritt in das Kabinett stellt die ausdrückliche Erfüllung eines Wunsches der Mehrheit der Fraktion der Arbeiterpartei dar, wenn sie auch für daS Kabinett gegenüber den bürgerlichen Parteien zweifellos eine gewisse Belastung bedeutet. tkbtrlnH M Meilerpattci. SPD. London, 6. 3nni v (Eigener Drahtbericht.) Der als Kandidat der Liberalen in Preston ins Unterhaus gewählte bekannte Rechtsanwalt W. A. S o w e l l ist Z"r Arbeiterpartei übergetreten. Soweit gilt allge - mein als einer der fähigsten Männer des britischen Rechtes. Er dürste den Posten eines Obersten Staatsanwaltes (Attorney und General) mit Kabinettsrang im Ministerium Macdonald bekleiden. Mit dem Ueberlrill eines zweiten liberalen Abgeordneten zur Arbeiterpartei wird in politischen Kreisen stündlich gerechnet. Dle Minderheiten vor dem NSlkerbnndsrnt. Von Dr. HansWehberg. Professor des Völkerrechts tn Genf. Die Mitglieder des Dölkerbundsrates, die jetzt in Madrid eingetroffen sind, müssen sich diesmal auf einen etwas längeren Aufenthalt als bisher einrichten. Denn wenn auch die eigentlichen Verhandlungen des RateS erst am 10. Suni beginnen, so wird sich doch ein Komitee deS Rates, in dem alle RatSmitglieder vertreten sind, bereits am 6. Suni ver - sammeln, nm die Reform des Verfahrens in Minderheits - angelegenheiten zu beraten. Es ist eine eigentümliche Neuerung, daß der Rat „als Kom - mission" in der Weise Zusammentritt, daß alle Ratsmitglieder vertreten sind. Man könnte glauben, daß es sich hierbei um etwas Aehnliches handle wie bei andern Kommissionen des Völkerbundes, in denen, wie zum Beispiel in der ständigen Rüstungskommission, Delegierte aller im Rate ver - tretenen Mächte Sih und Stimme haben. Diese Auffassung wäre jedoch nicht richtig. Wenn der Rat „als Kommission" tagt, so bedeutet das mehr, als wenn eine aus allen Ratsmitgliederu bestehende Völkerbundskommission zusammentritt. Hinter dem Raie „als Kommission" steht das Ansehen des Rates als solchen. Anderseits bietet die Zusammenkunft des Rates als Kommission bestimmte Vorteile. Das Verfahren kann formloser vor sich gehen. Der Vorsitzende des Komitees braucht nicht mit dem Vorsitzenden des Rates identisch zu sein. Ebenso können die Staaten andere Vertreter in den Rat „als Kommission" entsenden wie in den Rat selbst. Die Beschlüsse des Rates „als Kommission" Haden keinen endgültigen Charakter und können im Plenum des Rates umgestoßen werden. Das sollen nur Andeutungen sein, um den Unterschied zwischen einer Völkerbundskommission, dem Rate „als Kommission" und dem Rate selbst ein wenig zu veranschaulichen. Es wird Aufgabe der Theoretiker des Völkerdundsrechts [ein. das Wesen dieser neuen Snstitution genauer zu umschreiben. Wenn sich die hier zum ersten Male gewählte Methode bewähren sollte, wird sich bald ein Gewohnheitsrecht bilden, auf dessen Entwicklung das Vorbild des englischen Parlamentarismus von Einfluß fein dürfte. Denn dieser kennt bereits seit langem den Zusammen - tritt des Parlaments, „sitting in Commission". Aus die Verhandlungen des Rates „als Kommission" wird sich zunächst alle Aufmerksamkeit richten. Handelt es sich doch hierbei um das im Mittelpunkte der Madrider Beratungen stehende Minderheitenproblem. Um die bevorstehenden Kämpfe In dieser Frage verstehen zu können, wird man sich den bisherigen Gang der Ereignisse noch einmal vergegenwärtigen müssen. Die große Auseinandersetzung auf der letzten Märztagung des Völkerbundsrates über die Minderheitenfrage hatte starke Meinungsverschiedenheiten hervortreten lassen. Während der kanadische Vertreter Dandurand und der deutsche Außenminister Stresemann das bisherige Verfahren in Minderheitenfragen für unzureichend erklärten und eine Reihe von Aeformoorfchlägen ge - macht hatten, standen die durch die Mindcrheitenschutzbefkimmun- oen gebundenen Staaten auf einem wesentlich andern Standpunkt. Sie widersetzten sich einer Verbesserung des Verfahrens mit der Behauptung, daß dadurch die ihnen auferlegten Verpflichtungen einseitig erweitert würden. Nur für den Fall, daß alle Staaten zur Uebernahme gleicher Verpflichtungen, betreffend die Minder - heiten, bereit wären, erklärten sie sich zu Entgegenkommen bereit, eine Bedingung, deren Eintritt angesichts der Haltung von Stallen und anderer Mächte in weiter Ferne liegt. Die Verhandlungen endeten schließlich nicht, wie man in fortschrittlichen Kreisen er - mattet hatte, mit der Einsetzung einer unabhängigen Sachverstän - digenkommission. Vielmehr wurde ein auS den Vertretern Sapans, Spaniens und Großbritanniens bestehender RatSausschuß beauf - tragt, die von Deutschland und Kanada gemachten Vorschläge zu prüfen und darüber zunächst einmal dem Rate „als Kommission" zu berichten. Dieser Dreier-Ausschuß des RateS sollte die Be - rechtigung haben, Bemerkungen von Mitgliedern des Völker - bundes, aber auch von privater Seite entgegenzunehmen. Der Dreier-Ausschuß des Rates hat vom 29. April bis 4. Mai iu London getagt. Shm waren von etwa 15 Regierungen, darunter auch do« Deutschland, Denkschriften über das Minderheitenrecht über - mittelt worden. Auch hatten die Union der Völkerbundligen, die Snterparlarnentarische Union, der Ausschuß der europäischen Rationaiitätenkongresse usw. Vorschläge auSgearbeifet. lieber das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses ist soviel bekannt ge - worden, daß es sehr wenig fortschrittlich ist und nicht viel mehr als eine größere Oeffentlichkeit des bisherigen Verfahrens vor- schläat. Um welche Einzelheiten des Minderheitenrechts in Madttd gekämpft wird, ergibt sich am besten aus der Denkschrift des Aus - schusses der europäischen Nationalitätenkongresse. Darin wird zu - nächst die Oeffentlichkeit der Verhandlungen im Verlaufe des ge- Für neu yinzutretende Bezieher werden die bereits erschienene« Kapitel dieses Romans auf Wunsch kostenlos nachgeliefert. Copyright by Fackelreiler-Derlag, Hamburg-Bergedorf. WKssMiSMs. Kriegsroman von 1913» Bon Ernst Sohannfen. [20] Sie finden einen Spaten. Lornfen bemüht sich um den Studenten. Mit vereinten Kräften gelingt es, den Raum zu vergrößern. Durch eine schmale Oeffnung kriecht Sob mit der Taschenlampe weiter zurück. Er ruft, niemand ant- wvrtet. Er sieht einen Arm, wühlt wie besessen mit den Händen Sand fort. Der Arm ist abgerissen. Er wühlt weiter, die Taschenlampe mit den Zähnen haltend, stößt auf bmtige Reste. Da gibt er es auf und kriecht zurück. „Nicht zu machen, sind alle hin, und was noch lebte, ist bestimmt erstickt," sagt er. Der Student ist wieder zu sich gekommen, und nun be - ginnt ein wildes Graben. Sie versuchen mit einem kleinen Umweg den Aufganr zu erreichen. 3ob schaufelt, die an - dern Drei wühlen mit den Händen Sand und Steine zurück. Der Boden ist hart. Der Schweiß rinnt von den Gesichtern, die Hände bluten — so haben sie noch nicht gearbeitet. „Hier ein Stollenbrett," keucht endlich 3ob, „wir sind am AuSgang. 3st der hier noch heil, haben wir gewonnen." Sie zerren das Stollenbrett fort. Job zwängt sich hindurch, „jch sehe Licht!" Erschöpft ruhen sie sich aus. Dann geht's weiter. Man sieht zwar eine winzige Oeffnung, aber der Weg ist noch lange nicht frei. Wenn eine Mine einschlägt und der Rest einstürzt, sind sie verloren. „jch kann nicht mehr!" Der Student läßt den Kopf sinken. „Herkommen, ich löse ab!" schreit Müller. Der Student rutscht zurück und Müller wühlt weiter, jhre Annahme, daß nur sie leben, ist falsch. Einer unterm Dreck ist noch bei Besinnung. Obgleich das Gesicht von Steinen bedeckt ist, bekommt er doch, wenn auch müh - sam, Luft. Er will schreien, es gelingt ihm nicht; er ver- ' sucht die Arme zu bewegen, ein furchtbarer Schmerz durch- j wühlt ihn. Es ist ihm, als lägen beide Arme im Feuer. . Seine Vorstellungen verwirren sich, er fühlt sich in einer ' großen schwarzen Kugel schweben, fühlt sich fallen, schneller und schneller, Flammen umschlagen ihn. Nach langen dreißig Minuten, halb irre, stirbt er. Endlich sind sie frei. Wenige Meter entfernt explodiert mit ungeheurem Krach eine Mine. „Jn den frischen Trichter rein," ruft Job und ist mit zwei Sähen drin. Der Student, Lornsen und Müller folgen. „Und nun," schreit der Student, „zwanzig Meter gerade- -aus und dann halb rechts den Graben entlang. Da muß noch ein guter Stollen sein, schöne Betondecke, halb fertig in der Tiefe, aber das ist ja egal." „Quatsch, ich bleibe hier, verrecke hier, meinst Du, ich hüpfe von Trichter zu Trichter wie ein Affe und verrecke unterwegs?" entgegnet Müller. „Jch bin auch dafür, daß wir bleiben," schreit Lornsen. Es ist nicht möglich, mit gewöhnlicher Stimme sich in dem Toben zu verständigen. So bleiben sie denn liegen. Wie zum Hohn beginnt es auch noch zu regnen. Eng beiein - ander am Grunde des großen Trichters liegend, warten sie auf den Tod. * Hügelauf, hügelab wühlen die Granaten. Hügelauf, hügelab, Trichter, zerrissene Gräben, Tote, Tote. Unauf - hörlich, unzählbar springen die Dreckfontänen, unaufhörlich durchfurchen Tausende und aber Tausende Splitter Luft und Erde. Letzte Schreie ersticken im Toben der Hölle. Sieht man von der nächsten Höhe auf die Stellung, so er - gibt sich ein grandioses, schauriges Bild: es ist, als brenne dort vorn das Land; eingehüllt in Qualm, Gas und Dreck- fontänen, ist es dem Blick entzogen. Das ist kein Krieg mehr, das ist ein Wüten mit Maschinen. Wer weder eine einzelne platzende Granate noch ein leichtes Störungsfeuer gesehen hat, könnte auf den Ge - danken kommen, daß man den Schilderen! nur die Hälfte glauben dürfe, daß alles nur halb so schlimm gewesen sei. Aber diese Bedenklichkeit ist hier am falschen Platze. Wer es nötig hat, gebe Kindern je eine Trommel, lasse sie darauf loshauen und halte die Ohren zu, so hat er etwa das Hör - bild eines Trommelfeuers aus etlicher Entfernung, und wenn über einen Strand viele Menschen gewandert sind, so gibt die Sand fläche das Bild eines Trichterfeldes, wenn jede Vertiefung als Trichter betrachtet wird. Ein einziger Splitter kann aufheulen wie eine Stahlsäge, die man an- stößt, kleine Splitter fingen und zirpen wie Jnsekten. Wer bedenkt, daß eine einzelne leichte Granate schon viele Hun - derte Splitter wirft, der kann sich, wenn er sonst keine Vor - stellung hat, errechnen, was viele Hunderte Minen und Granaten einschließlich der Abschüsse bedeuten. Trommel - feuer zermürbt jeden. Job holt den letzten Brief seiner Frau hervor und reicht Um Lornsen. Der Brief lautet: „Lieber Mann, kannst Du nicht auch einmal Zucker schicken? Meier hat aus Belgien auch Zucker geschickt. Wenn das so weiter geht, verhungern wir noch, aber die Reichen haben alles. Jn Bayern soll es viel besser sein als in Preußen. Steckrüben morgens, mittags, abends. Jst denn der Krieg nicht bald alle? Kannst Du Dich nicht auch reklamieren lassen? Für soundso viele Goldstücke soll es Urlaub geben, ist das wahr? Sei man recht vorsichtig. Jch habe es mit der Lunge; der Arzt fragte, ob ich Verwandte auf dem Lande habe. Sonst alles beim alten. Deine Frau." Lornsen knirscht mit den Zähnen und gibt den Brief wortlos zurück. „Was sagst dazu?" fragt Job. „Handgranate möchte man nehmen, abziehen und feff- halten, daß man krepiert," tobt Müller, der mitgelesen hat. „Will Dir was sagen, mein Alter soll ihr was schicken, sie holen uns ja alles weg, aber etwas Hal man ja immer noch mehr als Rüben." Der Student zählt mechanisch die Regentropfen, die von feinem Stahlhelm fallen, ec ist völlig durchnäßt, da der Aus dem Inhalt. Politik und allgemeiner Teil. Houngplan stall DaweSplan. Die englische Kabinettsbildung. Die Minderheiten not dem Völkerbundsrat. Panzerkreuzer 2. Rate. ReichstagSkämpfe um Arbeitslosenversicherung und Re« paraiion. Sa und Nein in Magdeburg. Tagesbericht. Der verfemte Stadtpark. Der Brand im Karstadt-Lagerhaus. Feuilleton. Maikäfers Frühlingstraum. Aus aller Welt. Arbeitersportrundschau. Trichter das Regenwaster sammelt und er am tiefsten liegt Alle Augenblicke regnet es Sand und Steine. Eine Mine wirft den Trichter halb voll Dreck. Die Vier wühlen nur die Köpfe frei. Unaufhörlich rinnt der Regen. Sie sind schweigsam geworden. Wo ist das Leben, ist Vormittag, Nachmittag, ist Sonntag, Alltag? Jst dies alles überhaupt wahr? Werden sie es glauben, wenn man, heim- gekehrt, von dieser „frischfröhlichen Badekur" erzählt? Werden sie überhaupt zuhören? Werden sie wenigstens nicht die Toten vergessen, die unzählbaren Toten? Hat Gott diesen Wahnsinn in Rechnung gezogen, als er die Bestie der Erde entstehen ließ? Am Trichterrand taucht ein bleiches, verzerrtes Ge - sicht auf. „Meine Herren, unser Leutnant!" schreit Job. Der Leutnant kriecht ohne Eile in den Trichter. Gesicht, Hände, Uniform, alles grau in grau beschmutzt. Mit einer rührend hilflosen Gebärde bleibt er liegen. »Sind Herr Leutnant verwundet?" fragt der Student. (Fortsetzung folgt)