Hamburger Echo *rf(6eint täglitb rinmaT, nufier an '2. ffeicrtagen. e«iue»p«eV»: 3m tiorau» — . _ _ _ . * . - Mn$«ieenpr v e<«0«n«n» ju) A (cinfeftl. 13 A 3uffcllung6T ILmI*I AAk gebot« 35 4. et«a«ng<|ud,c 25 4. «leint'Zlrje'.gen bi# J uen T ureft bic Pos! zu alcieften Pe«m «preisen gufüqlfeh Bestellgeld. ch M WM Ui Ä WrjFv B B I ■ flo n B e MM B B K*fl B die Zeile 30 4, 10 bi« 15 jeden b.c Seile 35 .. . 9tetroma««ile 3,50 «eMftion: Scblanbftr. 11, I. Sonlar.: eamincbSir. C 5 etebftan 1701, w ■■ 1 fl ■ I R.BU I V B I I Ul ■■■ |r ■ VI IBV Til 1111 1 I Anzeigen miii'cn im 1,-roiie roer sofort btAunlt rocroen ö;«fttn'f c5 6W’banH21 u.3503. 2?erantn>. ??eba(teur:»m»! eugboftn, A f A»ifo » 4DWft BbAB äTC tlag«lg«nonnäo«r.e cblanbltrafte Aoeftbart., i.-tmi. «*,:•: Sammel. Hifono. Buchbandlung: Zeblanbstr. U, Zemspr.: S-nnmel-Nr. c 5 w ™ nummer C5 eteftban 1831, -Jiadnnif C5 etebban 24fil (Mo ft Ul>r eben»« s.»ban1701, Nachlruf LS Stephan 2002. Druekereikonror: 3ehlandstr.ll, I. r _ |üi e«n Joigen»«n Zog), in den Filialen (M« 3Ubt) und in allen Igtrnipe- : Saminel-Nr. C 5 Stephan 1831, Nachtruf C 5 Stephan M2 u. Z683. (uCfltUttbCt 1875 Annoncenbiireau«. Plast- unb Datenvorschriften nnverbinblich. summet 215 Dienstag, 6. August 1929 55. Jahrgang Einigung im ruWchchinesMen Konflikt? SPD. London, 6. August. Me in Mandschuria »erhandelnden chinesischen und russischen Regierungs- Vertreter haben sich, nach einer Meldung aus Chardin, über folgende Punkte geeignigk: Zurücknahme der Truppen auf 'eine gewisse Entfernung von der Grenze, Eröffnung der offiziellen Verhandlungen über die Streitpunkte innerhalb Ler nächsten 4 Wochen und Wiederaufnahme des lrans- \ sibirischen Verkehrs noch vor der Eröffnung dieser Konferenz. Aber Rußland dementiert. WTB. Moskau, 6. August. Die Telegraphen- lagenhir der Sowjetunion ist ermächtigt, die aus chinesischen Quellen verbreiteten Meldungen über angebliche Vor - verhandlungen an der sowjetistisch-chinesiscl)en Grenze ent - schieden zu dementieren ebenso die Meldungen über eine in ibeit nächsten Tagen bevorstehende Konferenz, für die an - geblich beiderseits bereits Vertreter ernannt seien. Etsernr Front der britischen Textiler. SPD. London, 5.August sEig.Drahtber.) Der außerordentliche VerbandslagderVereiuigten Epinnerei-Arbeiter beschloß am Montag nach einer Debatte von kaum 20 Minuten, den Vorstand nicht zu Verhand - lungen über ein Lohnkompromiß zu autorisieren. Die Entscheidung ist insofern interessant, als von dem Vorstand der Gewerkscliasten ein entsprechender Vorschlag gemacht wurde und es das erstemal ist, daß eine Empfehlung dieses Vorstandes verworfen wurde. Da die Spinnereiarbeiler sich mit ihrem Beschluß der Haltung der Weber und Karabonarbeiler angeschlossen haben, ist die Front der Arbeitnehmer, die infolge der zweifelhaften Haltung der Spinner ursprünglich brüchig schien, nunmehr ebenso geschlossen wie es diejenige der Unternehmer seit vergangenem Sonnabend geworden ist. Alle Hoffnungen auf eine baldige Wiederaufnahme der Verhandlungen sind jetzt als gescheitert zu betrachten. Die inoffiziellen Versuche, Frieden zu stiften, gehen indessen weiter. Der Oberbürgermeister von Btack- burd hat sich im Sinne des ihm von den übrigen Bürgermeistern der Städte Lancashires erteilten Auftrages mit den Unternehmern und Arbeitnehmern in Verbindung gesetzt. Sein Vermittlunqs- gesuch wird jedoch auf beiden Seiten als wenig aussichtslos bezeichnet. Dagegen wird das Eingreifen des bekannten Lord Derby in Lancashire mit größerem Optimismus beurteilt, stn Sewerkschaflskreifen hoben sich in den letzten Tagen die Stimmen derer vermehrt, die ein Einschreiten des Generalrats der Gewerk - schaften fordern, ohne daß dieser Anregung jedoch bisher Folge geleistet worden wäre. SmmöMt Keiner steten zur Freien SewerWnft. SPD. Paris, 5. August. sEig. Drahtbericht.) Der Kongreß der französischen Lehrergewerk- schaft, der zur Zeit in Paris tagt, hat sich am Montag mit großer Majorität für den Anschluß an d i e EG T. (All - gemeine Arbeiter-Gewerkschaft) ausgesprochen. Auf der Tagung sind unter anderm auch die englische, österreichische und deutsche Bruderorganisation vertreten. Der Vertreter des Deutschen Lehrervereins ist R o e p p e l, ein durch die elsässisch-lothringischen Behörden des Landes verwiesener Elsässer, dem bisher stets bic Einreise nach Frankreich verweigert worden war. Der Weltkongreß der Arbeiter-Esperantisten lagt in L e i p z i g. Aus 26 Ländern Europas, Asiens, Afrikas und Amerikas sind Zahlreiche Delegierte erschienen. Die Verölungen werden 5 Tage dauern. Der Nationalsozialist Straffer wird am 22. August sich vor dem Schöffengericht Oranienburg zu verantworten haben. Strasser, der für die meisten nationalistischen Blätter verantwortlich zeichnete und vom Reichstag zur Strafverfolgung freigegeben wurde, ist angeklagt wegen Beleidigung und Vergehen gegen das Reichs- rressegeseh. Furchtbare Grubenkataitrephe in Favan 75 Seit. WTB. Tokio, 6. August. Infolge einer Gruben - explosion in der Kohlengrube Kaschinai in Hokkaido wurden 75 Bergarbeiter getötet und 5 verletzt. * ^Mesmer -erEchlagtvtttemvlviion bei Sorlmund. Aus Hamm wird berichlel: Nachdem es Monlagvormittag gelungen ist, den durch die Schlagwetterexplosion auf der Zeche „de Wendel" entstandenen Brand durch Schließen des Dammes zu lokalisieren, konnten die in der Morgenschicht nicht angesahrenen zwei Reviere die Arbeit wieder ausnehmen, so daß der Betrieb auf d;r Zeche ungestört meitergeht. Außer den zwei sofort getöteten Bergleuten erlag noch der Schwerverletzte den Wunden, so daß die Explosion im ganzen drei Todesopfer gefordert hat. Weitere Bergleute sind nicht in Mitleidenschaft gezogen worden, da an dem Unglücksherd nur vier Mann arbeiteten, von denen der letzte, da er sich zur Zeit des Unglücks zufällig von der Arbeitsstelle entfernt hatte, unversehrt davongekommen ist. * Ein neues Grubenunglück. WTB. Wuer seien (Rheinprovinz), 5.August. Auf der Grube „(Soulei)" wurden am Montag ein Bergschüler und ein Berg - mann von herabfallendem Gestein eingeschloffen. Durch Zeichen - gebung wurde festgestellt, daß nurderBergmannnochlebt. Man hofft, ihn iebend bergen zu können. Schwere znsnmmenftsße in Wgojlawien. Sie ongeblirben ..Kvmmuniiten". - WuMnde öpnnnung. SPD. Belgrad, 5. August. (Eig. Bericht.) Die über Wien ins Ausland gelangten Nachrichten über schwere Zwischenfälle in Sarajevo bestätigen sich. Nach diesen Aleldungen sollen Kommunisten versucht haben, das Bahnhofsgebäude zu zerstören. Die Nachricht, daß es sich bei dem Vorfall um eine „kommu - nistische" Aktion handelt, muh mit großer Vorsicht ausgenommen wevden. Es ist der Trick der südslawischen Militärdiktatur, jede Opposition der Oesfentlichkeit unter dem Schlagwort „Bolschewis - mus" vorzuführen und abzulun. Nach unsern Informationen handelte es sich in Sarajevo weniger um einen Anschlag gegen den Bahnhof als gegen militärische Depots, die sich in der Nähe des Bahnhofs befinden. Angesteckt und in die Luft geflogen sind einige dort untergebrachte Militäroorräte, wie Maschinen und Munition. Wenn man die Tat als Ausfluß der unter der Asche glimmenden Ilnzusriedenheit gegen das Regime Schivkowitsch betrachtet, so kommt dies zweifel - los der Wahrheit näher, als der mit der Etikette „Kommunisten- aufruhr" versehene Beschwichtigungsversuch amtlicher Kreise. Die Berichte der Zagreber Zeitungen über den „K amps gegen die Ko m m u n i jt e n" beweisen übrigens, daß die Vor - gänge in Sarajevo nicht leichter Ar! gewesen sein können. In der Hauptstadt Kroatiens waren am Tage nad) dem Zwischenfall in Sarajevo umfangreiche polizeiliche Vorsichtsmaßnahmen ge - troffen worden. Alle Polizeikräfte waren mobilisiert und in der Stadt verteilt. Aufklärungs- und Radfahrerabteilungen durch - streiften Tag und Nacht die Straßen und die Peripherie Zagrebs. In dem offiziellen „Polizeibericht" heißt es, daß zahlreiches, teils vergrabenes Agitationsmaterial der „Kommunisten" aufgeftöberf worden fei und 102 Personen, natürlich alles „Kommunisten", in das Polizeigefängnis eingeliefert wurden. Das Gefängnis ist zur Zeit derart überfüllt, daß ver - haftete Diebe unb andere wegen kleiner Vergehen gegen die Strafgesetze eingesperrte Personen cnflaficn werden muhten, um Platz für die politischen Häftlinge zu schaffen. In dem Po - lizeibericht heißt es zum Schluß: „Gleichzeitig mit der Aktion der Zagreber Polizei wurden auch in allen andern größeren Städten des Staates, so in Sarajevo, Skoplje, Beograd und Kumanowo zahlreiche Haussuchungen und Verhaftungen vorgenommen!" Es scheint, als wüchsen unter der Diktatur des Mlliiärkabi- netts die „Kommunisten" wie Pilze aus der Erde. In Wahrheit find diese „Kommunistenverhaftungen" nur ein Ausdruck der Stimmung der Bevölkerung und der Nervosität und Unsicherheit der Diktatoren. Die Sooott KoMmz im Gam! Sie tiiiteroaWte. SPD. Paris, 5. August. (Eig. Drahtber.) In hiesigen politischen Kreisen verlautet, daß den Vorsitz im Finanzkomitee der Haager Konferenz, das jiäi mit dem Vonng- Komplex zu dejchästigen hat, aller Wadrjcheiniichtzejt nach, der japanische Deleqntionschef, den Vorsitz im politischen Komitee, das sich dem Rheinland-Problem widmen soll, wahrscheinlich der italienische Delegierte übernimmt. Den Gesamtvorfitz wird der Belgier 3a5par ' ausüben. Der von ihm geplante Verzicht zu - gunsten des französischen Ministerpräsidenten wurde von Briand nicht angenommen. Die Dauer bet Konferenz wirb von ben meisten fran - zösischen Blättern — selbst ben rechtsstehenben — als verhältnismäßig kurz veranschlagt. Es wird allgemein gehofft, daß bis zum Beginn der September- tagung des Völkerbundes bereits eine prinzipielle Einigung er - zielt worden sei und die Räumung des Rheinlandes noch in diesem Jahre durchgeführt werde. Nur Sauerwein, der Leitartikler des Matin, prophezeit, daß die Konferenz sich bis in das nächste Jahr ausdehnen werde — falls die deutsche Dele - gation an ihren „übertriebenen Forderungen" festhalte. Welches diese „übertriebenen Forderungen" sind, sagt der Pessimist nicht. * Sie Sriegteefer mahnen. SPD. Warschau, 6. August. Die zur Zeit hier tagende internationale Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Kriegsopfer und Kriegsteilnehmer nahm am Montag folgende Entschließung zur telegraphischen Ucbermiülung an die Haager Konferenz an: „Die Vertreter von 3 Millionen Kriegsinvaliben unb ehemaligen Kriegsteilnehmern, bic 10 Nationen angehören, übermitteln zu Beginn ihrer diesjährigen Konferenz in Warschau ben Delegierten bet Regierungen, bic an bet Kon - ferenz im Haag teilnehmen, ihren bringenben Wunsch zum Erfolg ihrer Arbeit, bic zur Erledigung aller vom Kriege zurückgebliebenen Rechlsstagen unb für bic Bekämpfung aller Kriege in Zukunft von entscheibcnber Bcbculung ist. Die Kriegsopfer hoffen, baß bic Mitglicber ber Konferenz im Haag sich bei allen Entscheidungen bic ungeheuren Leiben bet Invaliben, Kranken unb Hinterbliebenen vor Augen halten und in dem Willen, diese Leiden zu mildern unb ihre Wieber- holung zu verhüten, alte Hinbernisie mutig besiegen und der Welt ein Jahrzehnt nach bet Einstellung bet Feiubjeligkeiteu einen uneingeschränkten Friedenszustanb bescheren werben." * Sie Saar steht zur Republik! Der Oberbürgermeister von Saarbrücken und die Stadt- verordnetenfraklionen der Zentrumspartei, der Sozialdemo - kratischen Partei, der Deutsch-Saarländischen Volkspartei, der Deutschen Demokratischen Partei sowie der Deutschen Wirtschastspartei haben einen Aufruf erlassen, in dem cs heißt, daß die Bevölkerung des Saargebietes innerlich durch die gleichen Gedanken und Gefühle verbunden ist, die bei den Verfaffuugsfeiern im Reiche ihren Aus - druck finden. Die Saarbrücker Verfasiungsfeier soll daher ein einmütiges Bekenntnis zur Verfassung unseres deutschen Volksstaates werden. Gleichwie sich vor zehn Jahren das beutfdie Volk durch die Verfassung Weg und Ziel gegeben, gleichwie es seit zehn Jahren auf dem gemeinsamen Wege aus tiefster Rot der Wiedergenesung entgegenschritt, so möge es auch gemeinsam an diesem Markstein seiner Ge - schichte und Geschicke in ernster Feier sich finden, dankbaren Herzens für den bisherigen Ausstieg, und zuversichtlichen Mutes für die zukünftige, noch zu leistende Arbeit und unserer baldigen Rückkehr zur deutschen Republik. eitpfis tut not! Die Haager Konferenz, die heute beginnt, steht vor einem schweren Werk und einem ungewissen Schicksal. Sie hat Aufgaben zu bewältigen, die vielleicht zwar nicht groß sind — es gibt wichtigere und heroischere Fragen, die auf dem politischen Gewissen der Völker lasten — Aufgaben aber, die verwickelt sind und durch einen vorzeitigen Ausbruch von nationalem Egoismus auf allen Seiten nur verwickelter wurden, als es ihrer eigentlichen Natur entspricht. Wir sagen ausdrücklich, daß wir die Aufgaben der Kon - ferenz für nicht so besonders groß halten; jedenfalls für nicht so groß, als der größte Teil der öffentlichen Meinung Europas heute annimmt. Die deutsche Reichsregierung hat zwar gefordert, daß die Konferenz zu einer vollständigen Liquidierung des Krieges führen müsse. Eine schöne und moralisch berechtigte Forderung! Es wäre jedoch zwecklos, sich in dieser Hinsicht irgendwelchen Illusionen hinzugeben. Die Konferenz im Haag wird die Liquidierung des Krieges nur um einige Schritte weiterbringen, sie wird sie aber der ganzen Lage der Dinge nach nicht beenden. Eine nur ober - flächlicher Blick auf die politische Lage in Europa zeigt, daß die Zeil für eine durchgreifende und vollständige Liqui - dierung noch nicht gekommen ist. Allein die Vorgeschichte der Haager Konferenz gibt ein Beispiel für die gar nicht großartigen, zum Teil sogar kleinlichen und doch äußerst schwierigen Probleme, die von den Delegierten aller be - teiligten Staaten in wahrscheinlich vielwöchiger Arbeit gelöst werden sollen. Man kann nicht behaupten, daß der lange und ermüdende Streit um den Konferenzort von großem politischem Schwung und schöpferischer Aktivität zeugt. Zu - gegeben sei, daß die Frage, ob die Konferenz in London, in Paris, in Lausanne oder sonstwo tage, nicht ganz gleich - gültig war; nicht ganz gleichgültig aber nur dann, wenn man von vornherein auf allen Seiten entschlossen war, auch die kleinsten technischen Vorteile, wie die Besetzung des Vorsitzes (die mit der Wahl des Konferenzortes in sehr enger Verbindung steht) und die Nähe der heimatlichen Ministerien, mit aller Krast auSzunuhen. Der Streit hierum war alles andere als ermunternd, und es nutzt nicht viel, daß der Urheber dieses Zankes, der ewig pedantische und eifersüchtig egoistische Poincarv in letzter Stunde durch Krankheit gezwungen, aus dem Rennen ausgeschieden ist. Denn heute liegen die Dinge nun einmal so: die Delegierten aller Nationen kommen nicht freiwillig und freudig nack dem Haag, sondern gezwungen, auf Grund eines Kom - promißes, das zwar niemand besonders weh tut, aber auch niemand besonders freut. Die eigentlichen Verhandlungen stehen also nicht unter besonders günstigem Zeichen. Davon zeugt auch die in letzter Stunde ausgebrochene lebhafte englisch-französische Presiefehde, die eine deutsch-französische Pressefehde ab- gelöft hat. Auf jeden Fall wird die Tagung im Haag schwieriger werden, als irgendeine andere der Nachkriegs - zeit. Von außen besehen, scheint ja die Aufgabe der heute eröffneten Konferenz nicht so besonders schwer. Die Pariser Sachverständigen haben in monatelanger Arbeit den Voungplan ausgearbeitet und ihn den Regierungen zur Annahme empfohlen. Sollte es nicht leicht fein, den Doungplan nach kurzer Beratung einfach in Kraft zu setzen? Es ist nicht so leicht. Die Inkraftsetzung des Toungplanes ist mit zahlreichen und zum Teil schwierigen politischen Problemen verbunden. Von deutscher Seite aus ist die Inkraftsetzung des Voungplanes abhängig gemacht worden von der Rheinlandräumung, schließlich sogar von dem, was Reichsaußenminister Dr. Stresemann als „Liquidation des Krieges" bezeichnete. Die Franzosen ihrerseits haben die Rheinlandränmung abhängig gemacht von einer verlängerten unmilitärischen Rheinlandkontrolle, die wiederum von den Deutschen als unannehmbar bezeichnet wird. Die Engländer aber erklären, daß der Voungplan, Der Viehdoktor. Ahreö aus dem Leben der ehemaligen Kriegsgefangenen in Turkestan. (Sdjlufj.) Von W. Samper!. Wieder klatschten bic Karten auf den Tisch, und die eben erlebte Tragödie war schon Halb vergessen, da stürzte ein Wärter «ns einem der Krankcnsäle Heraus: „Der Riedinger, der oberösterreichische Wirt, ist gestorben!" Der Sanitätsunteroffizier warf die Karten weg und folgte vorangehenden Krankenwärter, woraus sich aud) einige dienstfreie anschlossen. Beim Bett des Toten angekommen, griff ct nach dessen bloßen Füßen und erklärte achselzuckend, sie seien kalt, infolgedessen sei auch der Tod schon eingetreten. Einer der -Krankenwärter wischte einen Taschenspiegel an seinem Aermel ab nnb hielt ihn vor den Mund des Toten; nachdem er nichts, was einem Hauch ähnlich war, darauf wahrnahm, schloß er sich der •Meinung seines Vorgesetzten an. Ein anderer rief, man solle wm Toten eine Nadel in die Fußstohlen stechen. »Laßt das sein, der ist im Leben schon genug sekkiert worden. (oll man ihn als Toten auch noch malträtieren," entschied “ cr GanitäfSunferoffijier. „Aber," protestierte ein noch junger Krankenwärter, „wir i°Uteii doch den Viehdoktor verständigen, vielleicht ist der hier nut scheintot." Alle sehen ihn ironisch lächelnd an und einer der Umstehen- “ tn sagte belehrend: „Versuche es. Kriegst mit bet Nagaika deine Tracht Prügel, du liegen bleibst. Was ist ihm ein Toter? Gar nichts oder weniger als nichts, ist ja nur ein Kriegsgefangener." »Also", kontmanöierfc der Sanitäfsunteroffijicr „nehmt ihn "‘itlamt dem Bett und fragt ihn In den Hof hinaus. Laut Befehl Müssen die Toten sofort hfnausgefragen werden. Ihr wißt, Toten- Qntll| cr gibt es hier, keine." Wan warf ein Leintuch über den Toten, knotete die vier ^«cn an das Bett fest und trug ihn in den Hof hinaus. Als alle wieder beim Tische saßen, wollte keiner mehr Karten ? lclen - Unter dein Hauch des Todes war baS schlecht brennende oünjcrl der Gemütlichkeit sozusagen ausgegangen. Der junge "ankenwärier, der vorhin den Arzt rufen wollte, wendete sich n 6cu neben ihm Sitzenden und frug ihn: »Du, Bauer, sag mir einmal, was ich das für ein Mensch, der ^hdoktor?" Alle lachten über diese naive Frage des Jungen, und der mit Bauer Angeredete antwortete ihm: „Na ja, du bist erst einige Tage hier, noch dazu in der Küche, kommst mit ihm wenig zusammen. Also, der Viehdoktor, wie ihn die Kriegsgefangenen nennen, ist überhaupt kein Mensch, auch kein Vieh, vielmehr eine Ueberbeffie. Der Tiger zum Beispiel hat Hunger, dann würgt er ein Lebewesen ab und frißt es. Anders gesagt, er mordet, weil er Hunger hat. Der Viehdoktor, diese Ueberbeffie, hat keinen Hunger und trotzdem mordet er hunderte wehrlose, kranke Kriegsgefangene. Die Fieberkranken läßt er im kalten Wasser baden, oder sie müssen 15 bis 20 Chininpulver fressen, bis ihnen der Schädel wie ein Motor brummt. Auch hat cr sich irgendeinen Dreck erfunden, den jagt er ihnen mit der Spritze ins Blut. Er experimentiert mit ihnen wie mit Ratten und Kaninchen. Und die armen Kerle sterben oft unter Qualen, hilflos, wehrlos. Manchmal könnte ich dieser Kanaille an die Gurgel springen und sie so ganz langsam kaltblütig erwürgen. Aber er spürt den Haß um sich und hat immer einen oder zwei russische Feldschers mit. Die Fieberkranken können keine Kraut- suppe mit Kamel- oder Rindfleisch essen. Ich weiß nicht, stiehlt diese saufende Kanaille das Milchgeld öfter ist es wahnsinniger Menschenhaß? Ieftenfalls läßt er sie Krautfuppe essen und davon sterben öfter nichts essen unft vor Hunger sterben. Aber der Tischler muß bis in ftic Nacht hinein arbeiten, damit ja genug Tvtenkisten und schwarze Kreuze da sind. So arbeitet der Vieh - doktor für den Tod unb der Tiger ist gegen ihn noch ein Wohl - täter, weil cr seine Opfer wenigstens nicht quält. Siehst du, so ist er, dieser treue Zarendiener. Ich könnte dir noch viele Schuste - reien von ihm erzählen, wie zum Beispiel, daß cr die Kranken, die noch gehen können, mit einem Sanftsack beladen in die Sonne stellt, weil sie angeblich nicht arbeiten wollen. Er sieht zu unft lacht. Entweder brechen sie zusammen, dann sind sie für das Spital überreif, öfter sie halten es aus, dann regnet es Nagaika- hiebe. So, jetzt hast du fein Porträt." Der junge Wärter schaute ganz entsetzt in die Runde, dock alle nickten bestätigend mit dem stopf. Der Sanitäfsunteroffizier räusperte sich unft als ihn alle fragend anfahen, begann er zu erzählen: • . „Kameraden! 'Damit ihr nicht glaubt, es gehe nur uns so unter dem glorreichen Regime Väterchens, so will ich euch das neueste aus dem Lager Zototaja-Orda erzählen. Das ist ein Lager mit ungefähr fünftausend Kriegsgefangenen. Spital gibt es dort keines, wie in den meisten Cogern Turkmenistans. Durch die Schlamperei der dortigen Lagerkommandanfur ist ftort eine ge - fährliche Typhuscpidemic ausgebrochen unft hat ein solches Aus - maß angenommen, daß die russische Wachtmannschaft aus dem Lager flüchten mußte. Nun haben sie rings um das Lager einen Wachkordon gezogen, der verhindert, daß jemand herauskommf. Wer über eine gewiße Grenze triff, wird erschossen. Nur zwei - mal täglich werden zu jener Grenze Lebensmittel und ein bißchen Medikamente hingetragen, die sich die eingeschlvssenen Kranken holen dürfen. Jetzt warten die Russen, bis niemand mehr kommt, dann wissen sie, daß die Fünftausend mitsamt dem Typhus tot sm ft. Fünftausend Menschen sterben in Kot und Dreck, sich selbst überlassen, und andere 15 000 Familienangehörige hoffen auf ein Wiedersehen in der Heimat. „ES ist zum wahnsinnig werden", stöhnte der junge Kranken - wärter. Da begann ein anderer zu erzählen: „Ich habe umfängst mit einem russischen Soldaten gesprochen, der vor kurzem aus Sibirien hierherkam. Er sagt, daß in den dortigen Lagern so viele Kriegsgefangene sterben, daß man, weil jetzt der Boden ftcinhart gefroren ist, die Toten wie die Holzstöße im Freien aufschichtet." „Ja, es ist ja kein Wunder, daß dort so viele sterben", sagte ein alter Sanitätssoldat, „die Russen sind in Pelze von oben biS unten eingewickelt unft unsere Leute müssen bei 40 Graft Kälte in Lumpen herumlausen. Das einzige was sie für uns haben, ist, daß sie uns von Zeit zu Zeit durch die Wachsoldaten cingebcn lassen, daß es bald Frieden wird." Alle schwiegen bedrückt und sannen darüber nach, was ihnen selbst noch bevorstand. Da gab es an der Hoftüre einen dumpfen Krach und klirrend splitterten die Fensterscheiben. Noch ein unbeholfenes Zerren und Rütteln, die Türe öffnete sich und hereinwanktc eine in weiße Unterwäsche gekleidete Gestalt. Starres Entsetzen erfaßte die um den Tisch Sitzenden, kalte Schneeluft wehte über sie, und das Licht der Lampe slckckerfe gespenstisch. Die Gestalt blieb vor dem Tisch stehen, machte einen Versuch ihre starren Arme zu erheben und sagte grollend: „Ihr Schufte! Laßt mich draußen..." Nun sprangen alle auf und trugen ihn in eines der Kranken - zimmer, andere liefen in den Hof Schnee zum Abreiben holen. Nach und nach kamen wieder die meisten zum Tisch zurück, und cs stellte sich heraus, daß man vergessen hatte, dem vermeint - lichen Toten die Decken wegzunchmen, wie man eS lauf Vorschrift hätte tun müssen. Nur diesem Umstande hatte der Scheintote es zu verdanken, daß et nicht ganz erfror. Der Krankenwärter Bauet kratzte sich verzweifelt den Kopf unft jammerte: „Das ist furchtbar, wer weiß, wie viele schon erfroren sind!" Aus dem Inhalt. Politik und allgemeiner Teil: Grubenkafastrophe in Japan. Haager Konferenz eröffnet — Skepsis tut not. Wie die Bolschewikin Berlin sieht. Tagesbericht: Ungerechtigkeiten in Utiaubsgewährung. Ex-Landrat Schonberg auf KriegSpfad. Kunst und Wissenschaft: Wie ein Schlager entsteht. Feuilleton: Ackermelde. Aus aller Welf Zeppelin zur Rückfahrt bereit. Hafen und Schiffahrt. A r b e i t u n d W i t f s ch a s t: Der Dollareinbruch in die deutsche Elektroindustrie. Neue Kraftquellen an der Ruhr. Der Sanifäfsunfcroffijier zuckte mit den Schultern. „Da kannst du nichts machen. Trägst du die Toten nicht hin - aus, kann gerade der besoffene Viehdoktor daherkommen, sieht es und schlägt uns alle mit seiner Nagaika halbtot. Einmal wollte er einen von uns mit feinem Haarschars geschliffenen Säbel niederschlagen. Wenn der nicht flink genug über die Mauer auf die Straße geflüchtet wäre, hätte es einen Toten mehr gegeben. Es nützt nichts, es geht hier alles auf Tod aus." „Aber," protestierte der junge Krankenwärter, „der Grazer Doktor aus dem Ofsizierslager hat doch einmal eine Beschwerde an eine höhere Stelle eingereicht. Wir könnten dock auch einmal so etwas tun." Der Sanitäfsunteroffizier lächelte sarkastisch und antwortete: „Ja und jetzt sitzt er an der tibetanischen Grenze, irgendwo, wo die Welt und daS Leben aufhört. Das war immerhin ein Offizier. Ich glaube, uns ging es In so einem Falle noch bedeutend schlechter." Der junge Krankenwärter greift sich verzweifelt an den Kopf unft fast weinend vor Zorn spricht cr: „Ucberall Mord. Warum? Wo ist da die viel gepriesene Humanität des 19. Jahrhunderts? Ein Meer von schwarzen Kreuzen steht in der Steppe und blickt anklagend in den Himmel Mens. Und noch täglich vergräbt man schwarze Kisten in diese fremde Erde und drüben in der Heimat entsteht ein Meer von Trauer um jene, die nie mehr wiederkehren."