104 Mt»j«lgenpr«i|e vcrslcdcn list) m Reichsmark, 6lc I3flefpaltenc Non- JoitlHtltilc 45 «, «prlool« Jamllitnan)«lg«n 30 4. es«0. non. 35 4. teUUcngejudi« 25 , Altin« >Unj«lfl«n bl-! 9 Zeilen die Zeile 30 4, 10 bi? 15 Zeilen die Zeile 35 4 k»<-klom-z«il« 3,50 Antigen mllflen im voraus oder sofort bcwOlt lverden lüy «le«no nnal>m« Fevlandilratzc 11, Hostwan.. Zerulvrcchcr: Sammel- numrncr05Stephan isui. 'Jiadttnif C5 Strpuaii 2461 (bieoUbr «liinM |fc 6«n fotg.nfren Xag), in den Filialen >bi? 3 Uhr> und m allen Annoncenbüros. Play- und Tatcnvoilchrtftrn unverbindlich. »tcheinl tüglich einmal, autzcr au L Feiertaacn. «t,ugopt«lo, im voraus yhibar: Monatlich 2,50(ctnschl. so 4 Zustellungsgebühr), wöchentlich So Ä lcmlcbl *-» 4 Zultellunasacbübrl. feür Abholer wöchentlich 55 4 Durch die Post zu alcichcn »lczugSpiellcn zuziialich Bellellaeld. «edaliion: Fcblandstr. 11, 1 Zernspr.: Sammel-Rr. c 5 Steplian 1701, «ast)tnif <' 5 Stephan 2321 und 3503. Peraulw. Redakteur: P »ugdahn, «Itona. • Buchhandlung: Kaiser-Wilhelm LtraKc 14/10, Feruspr. C5 etctiban 533HL Tnistcreikontor: Feblaudllr. ll.I. Jernspr.: 2animcl-Rr,«5 Stephan 1831. Rachtrus C 5 Stephan 3032 und 3683. HamburgAltonaerDolLsblalt Geg kündet 1875 fHttmsBiet 313 Dienstag, 12. November 1929 55. Jahrgang Arbmitlms der Metten Saager Konferenz Sttond Live« 9)oungpXan unv Hugenvergerei SPD. Paris, 12. November. Die Vorbereikunzen zur Einberufung ber zweiten Haager Konferenz scheinen schon jetzt in Gang zu kommen. Außenminister Briand empfing am Montag zunächst den bulgarischen Gesandten in Paris, mit dem rr sich über die Verhandlungen in der Ost-Reparationskommisston unterhielt, wo Bulgarien in den letzten Tagen dem Beispiel Ungarns folgte und große Schwierigkeiten machte. Briand soll dem Gesandten, wie der Petit Parisien zu melden weiß, zu bedenken gegeben haben, welch schweren Fehler die bulgarische Regierung begehen würde, wenn sie Len von der Kommission gemachten Vorschlag auf bOprozenlige Ermäßigung Ler Reparationsschuld ablehne. Der zweite Besucher bei Briand war der e n g l i s ch e Botschafter, mit dem Briand die Be- schlüfle des Organisationskomitees der Internationalen Repa - rationsbank und die Möglichkeiten für die baldige Einberufung der zweiten Haager Konferenz üurchsprach. Die bedeutsamste Unterredung Briands war jedoch die mit dem deutschen Botschafter v. Hoesch. Dieser soll, wie der Matin zugesteht, gewisse Aufklärungen über die Kammerreden Briands und Tardieus zur Räumung der dritten Rheinlandzone gefordert haben. Briand sei es an Han - des Journal Officiell leicht gefallen, zu beweisen, daß Tardieu NäiwmWen im Landvolk- prozetz WTB. Neumünster, 12.November (Drahlmeld.) 3m Neumünsteraner Bauernprozetz wurde am Dienslag- mittag folgendes Urteil gefällt: Walter V u l h m a n n wegen zweimaligen Widerstandes einen Monat Gefängnis; Adam Rotz wegen einmaligen Widerstandes drei Wochen Gefängnis; Markus Thies wegen Widerstandes und Körper - verletzung zwei Wochen Gefängnis; Rudolf 3ens wegen Beleidigung 50 Mark Geldstrafe; Max B e tz m a n n und 3oh. Hell wurden freigesprochen. Die Landvolkleule haben sehr milde Richler ge - sunden. Das Strafmaß hält sich bedeutend unter den An - trägen der Staatsanwaltschaft, die Strafen bis zu einem 3ahr drei Monaten Gefängnis beantragt hatte. Aber wichtig ist doch, daß auch dies sehr wohlwollende Gericht sich der Notwendigkeit von Gefängnisstrafen nicht verschließen konnte. (Siehe auch Bericht auf -er 3. Seite.) durchaus -en gleichen Standpunkt wie er selbst vertreten habe, daß namentlich die Räumung -er dritten Zone erst nach -er Ratifizierung des Doungplans und der Haager Beschlüße be - ginnen könnte. 3m übrigen habe Tardieu sogar noch Sorge getragen, hinzuzufügen, -aß, wenn diese Bedingung erfüllt sei, Frankreich keineswegs die Räumung in die Länge zu ziehen gedenke. Bon Hoesch habe daraufhin den Wunsch geäuß.rt, meldet der Matin weiter, die Vorbereitungen für die zweite Haager Konferenz möglichst zu beschleunigen, damit die Be - dingung erfüllt werden könnte. Er habe dabei auch betont, daß, wenn das Hugenberg - Volksbegehren auch vier Millionen Stimmen zusammengebracht habe, die endgültige Volksabstimmung deswegen doch einen Mißerfolg erleiden werde. Briand seiner - seits aber habe dem Botschafter zu bedenken gegeben, daß es nicht nur unklug, sondern auch antidemokratisch wäre, nicht vorher die Entscheidung der Volksabstimmung abzuwarten. Die Haager Konferenz könne nicht gut in Ruhe beraten, solange die öffentliche Meinung des Schuldnerlandes sich noch nicht endgültig ausgesprochen habe. Wenn man auch -ie feste Ueberzeugung haben könne, daß die Volksabstimmung gegen die Deutschnationalen ausfallen werde, so sei -les noch nicht -ie notwendige volle materielle Gewißheit. 3n später Abendstunde fand dann im Innenministerium beim Ministerpräsidenten Tardieu noch eine Konferenz statt, an -er neben Tardieu und Briand auch der Finanzminister Ferron, Arbeitsminister Loucheur, der Gouverneur -er Bank von Frankreich, Morre au, und -er Direktor des Staatlichen Schuldendienstes im Finanzministerium, Frarreu, teilnahmen. In dieser Konferenz wurden die Ergebnisie des arbeitsreichen Nachmittags eingehend -urchgesprochen. Vorher hatte Ministerpräsident Tardieu noch die beiden Vertreter Frankreichs im Organisationskomitee -er Internationalen Reparationsbank, M o r r e a u und Quesnay, empfangen, die über die Beratungen in Baden-Baden eingehend Bericht erstatteten. Im Anschluß daran ist Quesnay sofort nach London abgereist, um dort mit der englischen Regierung über die Wahl Basels als Sih der Reparationsbank zu verhandeln * Am die noch offenstehenden Punkte des Treuhandvertrages in Ruhe vorbereiten zu können, bevor die Schlußverhandlungen in der Vollsitzung siatlfinden werden, Hal der In Baden- Baden versammelte Organisationsausschuß der Internationalen Bank eine Pause von zwei Tagen eingelegt. Mt M der AantsgertchMsf.iiitütf? Seine Entscheidung zum Benmtenerlnß SPD. Berlin, 12. November. 3n unlerrichlelen Kreisen verlautet, daß sich der S t a a t s g e r i ch t s h o f mit der Klage gegen das preußische Staatsministerium wegen des Beamtenerlasses zum Volksbegehren kaum noch in diesem Jahre beschäfligen dürfte und wahrscheinlich zur Sache selbst eine Entscheidung nicht mehr fällen wird. Eadolltttitbe Beamte in preußischen Ministerien Der Sozialdemokratische Pressedienst schreibt: Die Hugenbergpresse und die Hiller-Blättchen fabeln von „Richtlinien" des Reichsinnenministers Severing „gegen das Be- russbeamtenlum". Gemeint sind die von einem rechtsstehenden Berliner Blatt veröffentlichten Richtlinien über das Vorgehen gegen Beamte, die sich für das Volksbegehren aktiv betätigt be - ziehungsweise sich in die Listen eingezeichnet haben. Diese Richt - linien sind weder im Reichsinnenministerium ausgearbettet worden noch sind es Richtlinien der preußischen Staatsregierung. Aber vielleicht beruhigen sich die Herrschaften, wenn wir ihnen ver - raten, daß es sich bei den Richtlinien um einen Referenten- e n t w u r f handelt, der durch eine Indis kretion in das rechtsstehende Blatt gelangt ist. Wieder ein Beweis mehr, daß auch die preußischen Ministerien von Rechtsputschisten noch nicht gänzlich frei sind und daß hier noch etwas nachzuholen ist. Die preußische Staalsregierung wird sich durch die Indis - kretion nicht abhalten lassen, int Falle der Hugenberg-Be - amten zu tun, was sic für angebracht und notwendig hält. Erreicht ist mit dieser Indiskretion lediglich, daß man gewissen Herren in den preußischen Aemtern mehr noch als bisher auf die Finger sieht und bei der nächsten Gelegenheit handelt. Der Verlrauensbruch wird sich insofern letzten Endes gegen seinen Urheber auswirken. M volköbegehrlichen Bezirks-Bürger' meister Der deutschnationale Bürgermeister des Berliner Bezirks Tiergarten, Doflein, erwiderte auf eine Anfrage der Sozial - demokratie, daß er in der Tat den Erlaß des Preußischen Mini - steriums über das Volksbegehren und die Stellung der Beamten nicht habe verbreiten lasten. Sein Gewisten habe ihn verpflichtet, dem Ansinnen der preußischen Staatsregierung nicht zu ent - sprechen. Doflein wird |id) ebenso wie sein deutschnationaler Kollege Berndl aus dem Bezirk Berlin-Schöneberg schon in nächster Zeit disziplinarisch zu verantworlen haben. Die preußische Slaalsregierung wird die Frage, wie gegen Beamte L la Doflein und Berndt vorgeaangen werden soll, voraussichtlich noch im Laufe dieser Woche abschließend beraten. Ser neue ReiiböwirWastsmmister 1 Re'ichstagsabgeordneler Prof. Dr. Paul Moldenhauer, der neue Reichswirlschaslsminister. Dr. Moldenhauer ist 1876 geboren, wurde 1919 Profestor für Versicherungswistenschafi in Köln und 1920 Reichstags - abgeordneter der Deutschen Volkspartei. Er gehört zu der Etresernannschen Richtung in der Deutschen Volkspartei. FranzvMe Blätter über Sr. Surtius WTB. Paris, 12. November. Zur Ernennung von Dr. Curtius zum Reichsaußenminister schreibt L e P e u p l e : Man kann mit dieser Ernennung zufrieden sein. Die Locarnopolitik wird unter Dr. Curtius in der Stunde fortgesetzt, in der die End - entscheidungen getroffen werden. L' Homme libre schreibt: Dr. Curtius wird die Politik Strese - manns fortsetzcn und den andern europäischen Staatsmännern helfen, das Werk von Locarno zu vollenden. Er wird in dem neuen Reichswirtschaftsminister Dr. Moldenhauer einen treuen Mitarbeite bei der Regelung haben. Durch diese Ernennungen hat Deutschland bewiesen, daß es der Arbeit für den Frieden und den Grundsätzen von Locarno treu bleibt. Echo de Paris ist überzeugt, daß Dr. Curtius die Politik Stresemanns fortsetzen werde. Kampf in SeltttreiK Kampf um SefterreiK Noch stehen in Oesterreich die Parteien gewappnet sich gegenüber; die Lage ist wie vor einem Kriege, wo jeder bangt, daß schließlich der erste Flintenschuß sich von selber löst. Zwar hat vorgestern ein Vorarlberger christlichsozialer Politiker in Berlin abwiegelnd gesagt, die Dinge stünden gar nicht so gefährlich, und er hat dabei zutreffend hervorgehoben, daß die Pleite der Bodenkreditanstalt abkühlend wirkte. Das ist von einem Christlichsozialen allerhand. Würde Vaugoins Badener Rede schon vorgelegen haben, so würde jener Christ - lichsoziale vielleicht auch dazu eine spöttische Bemerkung ge - macht haben. Wenn Daugoin gegen die englische Regierung den Mund aufsperrt, gilt von ihm Goethes Berschen: Wenn die Kinder sind im Dunkeln, wird beklommen ihr Gemüt, und um ihre Angst zu bannen, singen sie ein sorjches Lied. An dem bösen Willen Baugoins kann man nicht zweifeln, aber in seiner eigenen Partei ist doch ein starker Flügel, der die Gesetzlichkeit wahren möchte. Marschiert der öster - reichische Faschismus, so folgt automatisch ein Eingreifen Englands zum Schuhe der 3nteresten seiner Bürger, die in Oesterreich Kapitalien investiert haben. And selbstverständlich würden Italien und die Tschechoslowakei „Ordnung machen". Davor bangt den Chrichlichsozialen auch im Nationalrat. Dennoch hat der Ausschuß des Nationalrats die Berfastungs- vorlage, für die im Nationalrat keine parlamentarische Mehrheit zu finden ist, im wesentlichen genehmigt. Zwar hat man darauf verzichtet, der Polizei unbeschränkte Befehls - gewalt einzuräumen und in den Gemeinden unter 3000 Ein - wohnern die Proporzwahl abzuschaffen, aber an allen andern reaktionären Borschlägen hält die Mehrheit fest. Das An - gebot der Sozialdemokratie, über eine Aenderung der poli - tischen Derhältniffe in der Berwaltung Wiens mit der Wiener Eemeinderatsminderheit zu verhandeln, hat diese abgelehnt; was Ländchen, wie Salzburg und Vorarlberg, nie zugemutet würde — daß das Bundesparlament über die inneren Dinge entscheide — soll sich das Land Wien gefallen lassen! Die Verfassungsbestimmungen über die Grundrechte der Bürger, das Asylrecht für politische Flüchtlinge, das Ver - bot der Zensur und des Adels sollen in Zukunft des Schutzes entbehren, daß sie nur durch eine Zweidrittelmehrheit ge - ändert werden können. Dem Bundespräsidenten soll ein Gesehgebungsrecht durch Notverordnungen gegeben, die Re - gierung vom Parlament unabhängig gemacht — kurz die Republik nach den Wünschen der Pabst, Eleidle, Seldte ein - gerichtet werden! Vermutlich denkt der Bundeskanzler Schober, er werde schließlich doch die Sozialdemokratie bluffen können und so wenigstens ein Stück der Verfassungsänderung auf parlamentarischem Wege zustande bringen. Das ist ein Spiel mit dem Feuer, besonders Vaugoins halber gefährlich. Der Mann ist engstirnig, er verrennt sich im Eigensinn und wird schließlich den Schuß abfeuern, der den großen Kampf auslöst. Dann wächst der Kampf i n Oesterreich sich aus zum Kampf u m Oesterreich. Alle Schrecken werden über das schöne, arme Land brausen. Der Fall ist lehrreich, von ihm fällt ein grelles Licht auf die „A n t i m a r x i st e n". Als das kaiserliche Oesterreich nach den schlimmen Kriegsjahren zusammenbrach, hat der vielgelästerte „Aufbau-Marxismus" das Chaos gewendet. Nicht einen Tag hat die Verwaltung gestockt, sogar der Par - lamentarismus, der in den ganzen Kriegsjahren ausgeschaltet gewesen war, trat sofort in seine Kraft; in der freigewählten Volksvertretung wurde die neue Verfassung gezimmert, Christlichsoziale und Großdeutsche haben als Referenten in der Nationalversammlung die demokratische Verfassung empfohlen und ihre ‘Parteigenossen haben dafür gestimmt 8rür neu hinzutretcndc Bczteltcr werden die bereits erschienen Kapitel dieses Romans ans Wunsch k o ft e n l o S nachgeliefert. junger Von Knut Hamsun Neue berechtigte Aeberjetzung von 3. Sandmeier. [24] Lieber Mann, warum kommen Sie ausgerechnet zu mir? sagte er. Sie sind mir ein vollständiges X, von der Straße hereingelaufen. Gehen Sie zu der Zeitung, bei der man sie kennt. Aber nur für heute abend! sagte ich. Die Redaktion ist schon geschlossen und ich bin jetzt sehr hungrig. Er schüttelte andauernd den Kops, schüttelte ihn sogar immer noch, als ich schon die Klinke ersaßt hatte. Leben Sie wohl! sagte ick. Dies war kein höherer Fingerzeig gewesen, dachte ich und lächelte bitter; so hoch könnte ich auch zeigen, wenn es darauf ankäme. 3ch schleppte mich durch ein Viertel nach dem andern, hie und da rastete ich auf einer Treppe. Wenn ich kur nicht eingesperrt wurde! Das Entsetzen vor der Zelle verfolgte mich die ganze Zeit, ließ mich nicht ist Frieden; so °ft ich einen Schutzmann auf meinem Wege sah, huschte ich >n eine Seitenstraße, um die Begegnung zu vermeiden, lletzt zählen wir hundert Schritte, sagte ich, und dann ver - suchen wir wieder unser Glück! Einmal wird doch wohl Rat toerben . . . Es war ein kleiner Weißwarenladen, ein Geschäft, das ich nie vorher betreten halte. Ein einzelner Mann hinter dem Ladentisch, im Hintergrund das Kontor mit dem Por- tellnnschild an der Tür, beladene Regale und Borte in langer Aeihe. Ich wartete, bis der letzte Kunde, eine junge Dame mit Lachgrübchen, den Laden verlassen hatte. Wie glücklich sie aussah! 3d), mit meiner Stecknadel im Rock, versuchte nicht Eindruck auf sie zu machen, sondern wandte mich ab. Wünschen Sie etwas? fragte der Gehilfe. 3st der Chef da? sagte ich. Er ist auf einer Gebirgstour in 3otunheimen, antwortete er. War es etwas Besonderes? Nur ein paar Oere zum Essen, sagte ich und versuchte zu lächeln; ich bin hungrig und habe nicht einen Oer. Dann sind Sie ebenso reich wie ich, sagte er und fing an, Garnpakete zu ordnen. Ach, weisen Sie mich nicht fort — nicht jetzt! sagte ich, auf einmal kalt über den ganzen Körper hinab. 3ch bin wirklich beinahe tot vor Hunger. Seit vielen Tagen habe ich nichts mehr gegessen. 3m tiefsten Ernst, ohne etwas zu sagen, begann er feine Taschen umzudrehen, eine nach der andern. Ob ich seinen Worten nicht glauben wolle? Nur fünf Oere, sagte ich.» Dann werden Sie in ein paar Tagen zehn wieder bekommen. Lieber Mann, wollen Sie denn, daß ich sie aus der Kaffe stehle? fragte er ungeduldig. 3a, sagte ich, ja, nehmen Sie fünf Oere aus der Kaffe. Könnte mir einfallen! And er fügte hinzu: And lassen Sie es sich nur gleich gesagt fein: jetzt ist's genug. 3ch schob mich hinaus, krank vor Hunger und heiß vor Scham. Nein, nun sollte es ein Ende haben! Es war wirk - lich zu weit mit mir gekommen. 3ch hatte mich so viele Jahre oben gehalten, war in so harten Stunden aufrecht gestanden, und nun war ich mit einem Mal bis zur brutalen Bettelei herabgesunken. Dieser eine Tag hatte mein ganzes Denken verroht, mein Gemüt mit Schamlosigkeit beschmutzt. 3ch' hatte mich nicht entblödet, mich vor den kleinsten Krämern zu de - mütigen und mich vor sie hinzustellen und zu meinen. And was hatte es genützt? War ich nicht vielleicht immer noch ohne einen Bissen Brot, den ich in den Mund stecken könnte? 3d) hatte nur erreicht, daß es mich vor mir selbst ekelte. 3a, ja, nun mußte es ein Ende haben! Gleich würde man das Tor daheim schließen, ich mußte mich beeilen, wenn ich nicht heute nacht wieder auf dem Rathaus schlafen wollte ... Dies gab mir Kräfte; im Rathaus wollte ich nicht über - nachten. Mit vorgebeugtem Körper, die Hand an die linken Rippen gesternt, um die Stiche ein wenig abzuschwächen, tappte ich vorwärts, hielt die Augen aufs Pflaster geheftet, um nicht etwaige Bekannte zum Grüßen zu zwingen, und hastete zur Brandwache. Gott sei Dank, es war erst sieben Ahr an der Erlöserkirche, ich hatte noch drei Stunden, bis das Tor geschlossen wurde. Wie hatte ich mich geängstigt. So war also kein Ding unversucht geblieben, ich hatte alles getan, was ich konnte. Daß es wirklich einen ganzen Tag lang nicht ein einziges Mal glücken wollte! dachte ich. Wenn ich das jemand erzählte, so würde es keiner glauben, und wenn ich es niederschriebe, würde man sagen, daß es erfunden sei. An keiner einzigen Stelle! 3a, ja, es gab keinen Rat mehr; vor allem nicht mehr rührselig sein. Pfui, das war ekelhaft, ich versichere dir, daß es> mich vor dir ekelt! 1 Wenn alle Hoffnung verloren war, so war es aus. Konnte ich mir übrigens im Stall nicht eine Hand voll Hafer stehlen? Ein Lichtstrahl, ein Streifen — ich wußte, daß der Stall ver - schlossen war. 3d) ertrug es mit Ruhe und kroch in langsamem Schnecken - gang heimzu. 3ch fühlte Durst, erfreulicherweise zum ersten Male am ganzen Tag, und sah mich nach einer Stelle um, wo ich trinken konnte. 3d) war schon zu weit von den Basaren entfernt, und in ein Privathaus wollte ich nicht gehen; ich konnte vielleicht auch warten, bis ich heimkam; das würde eine Viertelstunde dauern. ES war auch gar nicht gesagt, daß ich einen Schluck Wasser bei mir behalten konnte; mein Magen vertrug überhaupt nichts mehr, ich fühlte sogar von dem Speichel, den ich hinunterschluckte, ein Würgen. Aber die Knöpfe! Mit den Knöpfen hatte ich es noch gar nicht versucht! Da stand ich sofort still und begann zu lächeln. Vielleicht gab eS doch noch Hilfe! 3ch war nicht ganz ver - urteilt! Zehn Oere würde ich ganz bestimmt dafür bekommen, morgen bekam ich dann sonst irgendwo zehn dazu, und am Donnerstag könnte ich vielleicht daS Geld für meinen Zei - tungsartikel erhalten. 3d) würde eS schon noch erleben, eS machte sich! Daß ich wiiklich die Knöpfe vergessen konnte! 3ch holte sie aus der Tasche und betrachtete sie, während ich wiederum weiter ging; meine Augen rouroen dunkel vor Freude, ich sah die Straße nicht mehr vor mir. Wie genau ich den großen Keller kannte, meine Zuflucht an den dunklen Abenden, mein blutsaugender Freund! Meine Besitztümer waren eines nach dem andern da unten ver- Aus dem Inhalt Politik und allgemeiner Teil: Vorbereitung der Zweiten Haager Konferenz. Ziebt sich der StaatSgerichtSbof zurück? Kamps in Oesterreich — Kamps um Oesterreich. Heimwehrsaschismus und Reichsbanner. Gedenken des Wassenstillstandes. Hitlerpartei bestell um Industriegelüer. Tagesbericht: Ungenügender Eisenbahnarbeiterschutz. Bürgersteig im Haus. Kunst und W i s s« n (ch a f f: Helene Stöckers 60. Geburtstag. Aus aller Welt: Eisenbabnunsälle nah und fern. Arbeit und Wirtschaft- Textitkonjunktul und Rationalisierung. Die Börse rupft ^leinkapitalisten. Poungplan und Finanzreform. schwunden, meine Kleinigkeiten von daheim, mein letztes Buch. An den Auktionstagen ging ich gerne hin, um zuzu - sehen, und ich freute mich, wenn meine Bücher in gute Hände zu kommen schienen. Der Schauspieler Magelsen hatte meine Ahr, und daraus war ich beinahe stolz; einen Iahreskalender, in dem mein erster kleiner poetischer Versuch stand, hatte ein Bekannter gekauft, und mein Aeberrock landete bei einem Photographen zum Ausleihen im Atelier. Also daran war weiter nichts auSzusetzen. Ich hielt meine Knöpfe in der Hand bereif und trat ein. Der „Onkel" sitzt an seinem Pult und schreibt. Ich habe keine Eile, sage ich, ängstlich, ihn zu stören und ungeduldig zu machen. Meine Stimme klang so seltsam hohl, ich kannte sie beinahe nicht wieder, und mein Herz schlug wie ein Hammer. Er kam mir wie immer lächelnd entgegen, legte seine Hände flach auf den Ladentisch und sah mir ins Gesicht ohne etwas zu sagen. Fortsetzung folgt.