Preis 104 g ErscheintUMch einmal, außer an LFeiertagen, e«fueep»«fe,tm Boran« zatzlbai: Monatlich 2,50 x «einschl. 56 -sustellunasgebührs, wöchentlich ®o 4 lemschl. 13 x Zuslcllunasgebührl. Für Abholer wöchentlich 55 4. Durch die Poft zu gleichen Bezugspreisen zuzüglich Bestellgeld. RedaNion: Fehlandftr. 11, L Fcrnspr.: Sammel-Nr. C 5 Stephan 1701. Nächtens 05 Stephan 2321 und3503. Verantw.Redasteur: 3-9Htee, «Ilona. Buchhandlung: Kaiser-Wilhclm-Stratze 14/16, Femspr. 05 Stephan 5339. Truckereikontor: Fehlandstr. 11,1. Fernspr.: Sammel-Nr. 05 Stephan 1831 Oiachtruf c 5 Stephan 3032 und 3683. Süi$eleeiiprei|e verstehen sich in Reichsmark, die 13 gespaltene Non» pareillezcilc *5 4. yeinate gamiUcnangelgen SO 4. GteUenau« geböte 35 4. etetlenge|u0e 25 4. meine Anzeigen dis 9 Zeilen die Zeile 30 4, 10 bis 15 Zeilen die Zeile 35 4. Stctlamegeile 3,50 x Anzeigen müssen im voraus oder fofon bezahlt werden. «njeigenanna^tne Fehlandstratze 11, Hochpari., Fernsprecher: Sammel - nummer O 5 Stephan 1831. Nachtrus 0 5 Stephan 2461 (Mo e Uhr obenan) in den Filialen und in allen anerkannten Anzeigen-Annahmesteuen. Platz- und Datenvorschriftcn unverbindlich Nummer 51 Frettug,20. Fevruue 1931 5^.Iuhegung Severing gegen den Stahlhelm-Klamauk und die Nazi-Phrasen Mle Energie, keine RervWöt! Nationalsozialistische Prahlereien können nicht schrecken / Die Staatsmacht den tzakenkreuz- rittern weit überlegen / Katerstimmung bei tzitler Am Donnerstag fand im Preußischen Ministerium des Innern eine Konferenz der Oberpräfidenten, Regierungspräsidenten und Polizeipräsidenten Preußens statt, an der auch Vertreter der andern preußischen Ministerien teilnahmen. Der preußische Minister des Innern, Severing, eröffnete die Konferenz mit einer Betrachtung über die politische Lage. Der Minister führte unter anderm aus, daß ihm die Kon - ferenz geboten erscheine, weil nach seiner Ansicht die politische Lage in Preußen und Deutschland keine» Anlaß zu Besorgnissen gebe. Diese Erkenntnis zu verbreiten auch außerhalb des Be- hördenapparats sei eine Aufgabe, die heute vor allem auch den politisch verantwortlichen Behördenleitern in der Provinz zufalle. Selbstverständlich ständen im Augenblick die politischen Vorgänge im Vordergrund des Z n t e r e s s e s. So werde für die nächsten Monate die Oeffentlichkeit und auch der preußische Behörden- apparat mit dem Volksbegehren des Stahlhelms beschäftigt sein. Er halte es im Linblick darauf für geboten, von den früher geplanten Gesetzesvorlagen über Reformen auf dem Gebiete der Verwaltung, so auch von einer Vorlage zur regionalen Verwaltungsreform Abstand zu nehmen. Eine Diskussion über solche Gesetzentwürfe würde jetzt nur eine Er- Höhung der politischen Erregung bewirken, ohne zum Ziele einer Neuregelung zu führen. Die Rechte des Volksbegehrens und des Volksentscheides — so führte der Minister weiter aus — achte er durchaus hoch, aber es sei ein Mißbrauch dieser Rechte, wenn ein Wehrverband wie der Stahlhelm, der satzungsgemäß keinerlei Beziehung zur Politik habe, i m l e tz t e n Jahr der Legislaturperiode des Landtags durch eine große Aktion von Volksbegehren und Volksentscheid eine frühere Wahl herbeiführen wolle, ungeachtet der Tatsache, daß sie selbst im Falle des Erfolges nur ^unwesentlich beschleunigt werden könne. Dies scheine ihm Klamauk, das heißt Lärm um des Lärmes willen zu sein. Schon deshalb sei, ganz abgesehen von den bindenden Vorschriften, der von dem Stahlhelm geforderte Nachweis der 20 000 Unterschriften nötig gewesen, weil ja sonst jedem Sport- oder anderm Verbände geradezu die Tür zur Einleitung eines unnötigen Volksbegehrens aus verbandsagitatorischen Gründen geöffnet würde. Die Unterschriften, die der Stahl - helm eingebracht habe, würden nun nachgeprüst; entsprächen sie den gesetzlichen Anforderungen, so würde er die Zu - lassung des Volksbegehrens beim Staatsministerium beantragen. Aber darüber könne kein Zweifel sein, daß die gesetzlichen Fristen, die das Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheid vorsähe, innezuhalten feien; es liege kein Anlaß vor, sie abzukürzen. . Das Volksbegehren und der eventuelle Volksentscheid des Stahlhelms verursachte» Staat und Gemeinden selbst bei geringer Schätzung allein Kosten von 1 y 4 Millionen Wart, in einer Zeit, da Sparsamkeit allen öffentlichen Stellen zur äußersten Pflicht gemacht und Erwerbslose» ihre Unterstützungssätze gekürzt würdey. Im weiteren Verlauf seiner Rede befaßte sich Minister Severing dann mit den politischen Vorgängen der letzten Wochen, die durch eine gewisse wenn auch grundlose Beunruhigung der Oeffentlichkeit, hervorgerufen durch den Auszug der Nationalsozialisten und Deutschnationalen aus dem Reichstag, gekennzeichnet würden. Er habe den Eindruck, daß die Unruhe nur durch die Psychose verursacht würde, die gewisse Kreise des deutschen Volkes seit dem 14. Sep - tember 1930 nicht verlassen habe. Er habe diefen Auszug oder gar den Gedanken eines Sonderparlaments in Weimar von Anfang an als einen verfrühten Fastnachtsscherz und schlechten Mummenschanz betrachtet. Er vermöge auch in dem nationalsozialistischen Vorgehen kein System zu entdecken, eher erblicke er darin den Ausfluß einer politischen Katerstimmung. Die angedrohte Versammlungswelle der Nationalsozialisten .— so fuhr der Minister fort — kann uns nur ein Lächeln abnötigen. Die preußischen Behörden, das Preußische Mini - sterium des Innern sehen die gesamte Situation weder als prekär, noch als irgendwie besorglich an. Die preußische Verwaltung in allen ihren Sparten muß gerade in den nächsten Monaten der ruhende Pol in der Er - scheinungen Flucht sein. Wir werden uns durch nichts von unsern durch Verfassung und Gesetz vorgezeichncten Pflichten abbringen lassen. Der Nervosität gewisser Volkskreise müssen wir ruhige und kühle Energie entgegensetzen. Drohungen, wie sie in nationalsozialistischen Zeitungen, in nationalsozialistischen Versammlungen von Rednern ausgesprochen werden, können uns nicht schrecken oder gar nervös machen. Aber wir wollen keine llnklarheit darüber bestehen lassen, daß wir gegen jede Verletzung bestehender Gesetze mit den uns zu Gebote stehenden Mitteln vorgehen werden. Das müssen wir schon deshalb tun, um gegenüber den hohlen Phrasen der Nationalsozialisten, die mit Redensarten vom „kommenden Bürgerkrieg", von „Vollstreckung der Volksrache" ufw. Eindruck zu machen und Aengstliche zu schrecken suchen, den Beweis zu liefern, daß die Staatsmacht dieser hetzerischen Opposition, unendlich überlegen ist. Das Geprahle von der festen militärischen Organisation der nationalsozialistische» Sturmabteilungen (SA.) und Schutzstaffeln (SS.) ist lächerlich. Es hat sich gezeigt, daß in Berlin noch nicht einmal 15 0 0 Menschen in der 69t. organisiert sind. Wir müssen die Lypnose von dem unaufhaltsamen Vordringen, von der bevor - stehenden Machtausübung der Nationalsozialisten brechen. Gegenüber den Maulhelden muß sich immer zeigen, daß sie der festen staatlichen Macht nichts anhaben können. Deshalb sollen die Behörden und Organe des Staates draußen in vollem Umfange von den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln Gebrauch machen überall dort, wo Drohungen gegen Beamte, Beschimpfungen und Lerabsetzungen des republikanischen Staates sich ereignen. Ich will keine Knebelung der Gei st esf reih eit; gäbe es eine Propaganda nationalsozialistischen Geistes, dann wäre ich der letzte, der polizeiliche Mittel empfehlen würde. Aber von Gei st und Idee kann jo bei der nationalsozia - listischen Propaganda keine Rede sein. Wir wollen nichts weiter als die Beamten und die Behörden vor fchimpflichen Beleidigungen schützen, wollen den nicht national- sozialistisch infizierten Volksmassen beweisen, daß der Staat vor Zeitungsart und noch so geschwollenen Versammlungsreden sich nicht zu fürchten hat. Die stehende Agitationsphrase der Nationalsozialisten ist: Wir greifen an! Ich habe den Eindruck, daß heute bei ihnen von Angriff nicht mehr, höchstens vo» Abwehr die Rede sein kann. Es gilt jetzt, sie weiter z u r ü ck z u d r ä n g e n. Die Nervosität bei den Nationalsozialisten ist deutlich erkennbar, sie geht auch hervor aus dem jetzt veröffentlichten längeren Aufruf L i t • lers an die Nationalsozialistische Partei. Darin stellt Litler es so dar, als ob er die Bewaffnung der National- s o z i a l i st e n strikt ablehnt. Aber jeder Sonntagsexzeß nicht nur in Berlin, sondern auch draußen int Lande zeugt davon, daß bei de» Nationalsozialiste» Schußwaffen vorhanden sind. In diesem Aufruf spricht Litler weiter von „Spitzel- zentralen", die scheinbar unter Förderung amtlicher oder halb - amtlicher Stellen arbeiten". Diese Worte Litlers sind eine Verleumdung der Polizei. Wir haben zwar ein Inter - esse, ja, sogar die Pflicht, zu erfahren, was in den Reihen der nationalsozialistischen Organisation vorgeht, aber die Unter - stellung, daß wir Bestechungsgelder auswerfen, um Spitzel zu dingen, die provozieren sollen, das ist eine unverschämte Unterstellung, die ich aufs schärfste zurückweise. 9lber es ist auch eine Ver - logenheit, denn aus dem beschlagnahmten nationalsozialistischen Material geht hervor, daß gerade die Nationalsozialisten Spitzel - abteilungen eingerichtet haben, um in andere Parteien, Organi - sationen und Behörden einzudringen. Wir wollen und werden uns durch nichts abhalten lassen, das zu tun, was nötig ist. Die Nationalsozialisten sollen wissen, daß die Polizei sie beobachtet, ihnen auf den Fersen sitzt; bann wird auch der politische Grippebazillus des Nationalsozialismus bald aus dem deutschen Volke schwinden. Es kommt jetzt darauf an, der Weltöffentlichkeit zu beweisen, daß von einer Putschgefahr in Deutsch- land keine Rede sein kann. Das Ausland muß das Vertrauen zu Deutschlands unerschütterlicher staatlicher Ordnung, zu Deutschlands Arbeitswilligkeit und Kreditfähigkeit bekommen; das kann nicht durch Phrasen erreicht, das kann nur erarbeitet werden. Sponifdit «Regierung macht MtreAnngen Söerjajjtmflerejorm innerhalb gesetzlicher Grenzesr M a d r i d, 20. Februar. Die neue Negierung hat in der Nacht zum Freitag eine Proklamation beschlosien, worin sie sich zunächst als eine Re- gierung der Sachlichkeit und der Versöhnung hinzustellen be - müht. Zwar seien alle Minister überzeugte Monarchisten, doch wären sie gewillt, die Aeberzeugungen der Opposition zu respek- tieren, solange diese sich im Rahmen der Gesetzlichkeit halte. Die Nationalversammlung werde volle Freiheit zur Reform der Verfassung haben, doch unter der Bedingung, daß auch sie „die Gren - zen der Gesetzlichkeit nicht überschreite". llnbeugsam dagegen werde sich die Regierung zeigen, wenn von irgendeiner Seite versucht werden sollte, die öffentliche Ordnung zu stören. Die Befestigung der Währung könne endgültig erst während der Parlamentstagung erfolgen; eine vorläufige Stabiüsierng solle jedoch schon vorher versucht werden. Die Ausgabenpolitik aller Behörden und Dienststellen soll scharf kontrolliert werden. 9luch werde die Negierung, um der Gerechtigkeit willen, das Werk der Diktaturregierunge» «achprüfeu, damit man nötigenfalls Schuldige zur Verantwortung ziehen kann. Außer der Revision des Strafgesetzes und der von der Diktatur erlaffenen Verordnungen müsse die Regierung ein Arteil über die katalonische Frage und über die Pro - bleme der Verfasiungsrevision abgeben. Den verfassungsgeben - den Cortes wird die Revision der Befugniffe der Staatsgewalten unterbreitet werden. In dem Wunsche, die katalonische Frage zu lösen, macht die Regierung das 9lngebot, den Cortes einen Gesetzentwurf zu unterbreiten, als dessen Diskussionsgrundlage der Bericht der Außerparlamentarischen Kommission vom Jahre 1919 dienen soll, nach dem Katalonien vollkommene Selbständigkeit bei der Ausübung der ihm zugewiesenen Funktionen gewährt werden sollte. — Die Regierung macht ferner das Angebot, einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem die Bedingungen und Garantien für die Selbstverwaltung einer oder mehrerer Pro- vinzen feftgeltat werden. Von einer Amnestie ist in der Erklärung nicht die Rede. Soztaldemottaue tnnwfbereit SPD. Madrid, 19. Februar. Das Organ der sozialistischen Partei Spaniens erklärt in seiner Donnerstagausgabe, daß das neue Notkabinett den poli - tischen Umsturz nicht werde aufhalten können. Der Generalrat der Gewerkschaften und der Vorstand der sozialistischen Partei werden am Sonnabend zu der neuen Lage in einer gemeinsamen Sitzung Stellung nehmen. Non Dettberg zu Moritz Nor moralische Verfall einer Partei Die Mandatsniederlegung des Senatspräsidenteli Dr. Deerberg hat eindeutigen Sinn: für einen anstän - digen, objektiven Menschen ist in der ver» hugenbergten Deutschnationalen Partei kein Raum mehr. Deerberg ist gegangen, tvie vor ihm andere aus der Deutschnationalen Partei ausgeschieden sind, die über die Parteigrenze hinaus Achtung und Ansehen ge - nossen: wie die Professoren Düringer, Koehsch und Giercke, Bei Giercke war es eine jüdische Frau, bei Loehsch und Düringer waren es noch Halbwegs politische Gründe — bet Deerberg liegt der Fall sehr viel einfacher: der Mann hat fortgemußt, weil er sich geweigert hat, gegen bessere Einsicht die verlogene Letze der Lugen- bergschen Rumpel - stilzchen-Garde zu unterstützen. Der Mann hat fortge - mußt, weil er sein richterlichesGewissen höher geachtet hat, als die Schliche politischer Taktik. And das gibt der Sache ihren eigenen, pikanten Geschmack: während die deutsch - nationale Verleumderecke über Fesselung der Justiz zetert, zwingt sie einen ihrer besten Männer zum Ausscheiden, aus keinem andern Grunde, als weil er — auf seiner rich - terlichen Aeberzeugung bestanden hat! Deerbergs Mandatsverzicht war durchaus nicht freiwillig. Nachdem Deerberg seine beachtenswert mutige Rede im Lauptausschuß des Preußischen Landtags gehalten, nachdem er bekanntgegeben hatte, daß er den Verfasser der Lügenschrift „Gefesselte Zustiz" bereits vor Erscheinen auf die völlige Laltlosigkeit seiner Behauptungen hingewiesen hatte, da konnte man körperlich wahrnehmen, wie unter Leitung des betriebsamen Lerrn Steuer die Deutschnationalen von Deerberg abrückten. In der Mittagspause saß Deerberg, ein isolierter Mann, am einsamen Tische, während Lerr Steuer, sein verschlagenes Lächeln auf den Lippen, von einem zum andern wieselte, um Stimmung gegen Deerberg zu machen. Man beriet einen Ausschlußantrag. Dem ist Deerberg, angewidert von der „Gerechtigkeitsliebe" seiner Parteikollegen, durch Mandatsverzicht zuvorgekommen. Vor 80 Jahren hat ein anderer preußischer Richter in ähnlicher Situation gehandelt. Der große Jurist Grol- mann, unter dessen Vorsitz der Demokrat Waldeck von einer lügenhaften Anklage mit Glanz freigesprochen wurde, mußte vom König Friedrich Wilhelm IV. deswegen bittere Vorwürfe einstecken. Grolmann berief sich darauf, daß er über die Ausübung seines Richteramtes auch dem König keine Rechenschaft schulde. Der König fuhr Grolmann an: „Ich kann in .solcher Sache nicht den Mann vom Amte trennen?' — „Ich kann es", -sagte Grolmann — und nahm seinen Abschied. Wie Grolmann ging, weil er einsah, daß der fanatische Laß des Königs gegen die Demokraten jeden Gerechtigkeits - sinn in ihm verdunkelte, so hat Deerberg sein Mandat nieder - gelegt aus der Erkenntnis, daß es unmöglich ist, unter den heutigen Deutschnationalen mit Objektivität und Gerechtig - keitssinn zu wirken. Er hat sich gegen das Morih-Zarnowsche Lügenbuch gestemmt, weil er auf Grund eigener intensiver Mitarbeiterschaft in den Antersuchungsausschüssen wußte, daß der Inhalt des Buches zusammengelogen und z u s a m m e n g e f ä l s ch t ist. Er hat dies seinen Parteigenossen mitgeteilt. Sie haben sachlich nichts einwenden Deerberg W W • UW «Ur neu «ilnzmreicnde Bezieher werden die bereits erlchienenen Snyitel dieses Romans auf Wunsch tatenlos nachgelieieri. Copyright 1930 by „Der Bücherkreis G. m. b. H.", Berlin SW 61. So tämpjt SDlarie! Das Leben der Marie Szameitat Don Josef Maria Frank [26] Fritz sieht das. Für eine Sekunde vielleicht wendet er sich zur Seite; dann schüttell er den Kopf, der überrot auf - flammt. Marie versteht sein Kopfschütteln, es ist Vorwurf und Bitte. So lächelt sie ihm zu, und ihr Lächeln ist Frage und Bitte. And jetzt kommt Leben in ihn. Ein Schritt auf Marie zu, er ist bei ihr, legt seine Arme um ihren Nacken und — befriedigt von dem eigenen Gerührtsein und stolz über die Tat — küßt sie und sagt, daß nun alles gut wird, und daß er sie gern hat und sie heiraten werde. Marie hört das. Sie braucht Minuten, um zu erfassen: Es ist doch wahr! Sie steht immer noch auf der Schwelle, kraftlos und gelähmt. Bis jetzt ein Schrei aus ihr bricht und die Tränen unaufhaltsam rinnen. Nun glaubt sie. Schwer hängt sie an seinem Lals, küßt seinen Mund, seine Augen, sein Kinn, seine Stirn, sein Laar und lacht und stammelt irre, vom Glück verwirrte Worte. * Spät erst trennen sie sich. Marie trägt lächelnd ihr über - volles Lerz nach Lause. Sie will schon ins Bett, da besinnt sie sich. Ein schneller Entschluß. Sie öffnet die Kommode, sucht Schreib - papier und Tinte und Feder heraus und setzt sich an den Kisch. Sie schreibt drei Briefe. Einen an die Mutter, einen an die alte Gutsherrin und einen an die Dame in Königs - berg. In allen Briefen aber schreibt Marie, daß sie und ihr Kind nun „die Ehre" wiedergewonnen haben und daß sie schon in vier Wochen Fritz Baltrusch, den Kellner, den Vater ihres unehelichen Kindes, heirate. Allen dank sie nochmals für alles Gute, das man ihr „in der Zeit des schweren Leides" erwiesen habe. Dem Brief an die Dame in Königs - berg fügt sie noch die Bitte hinzu, daß man chr nun, wo sie den Vater des Kindes ja heirate, ihr Kind wiedergeben möge. „Dieses arme Kind, für das ich soviel erlitten habe und nach dem ich mich immer" — so schreibt wörtlich Marie, die diese seltsame Ausdrucksweise wohl nur aus irgendeinem Buch behallen hat — „mit allen Fasern meines so schwer ge - prüften, aber jetzt glücklichen und wohl für alle Zeit erlösten Lerzens gesehnt habe." Diese Briefe bringt Marie noch hinunter zum Nachtbrief - kasten. Sie rechnet sich aus, während sie wieder die Treppen hinauf steigt, daß man schon morgen ihre Briefe lesen wird. And daß sie dann wieder rein und geachtet vor allen Menschen dasteht. In der Kammer angelangt, zieht sie sich eiligst aus und legt sich nieder, zufrieden mit dem Tage und müde von ihm. Ihr Blick streift über die Wand, wo ein dunkles Rechteck auf der Tapete den Blick gerufen hat. Marie lächelt. Da hat der Wandspruch gehangen, den sie zerbrochen und zertreten hat. Marie braucht ihn nicht mehr. Sie sagt sich laut und hell: „Ich habe es geschmiedet!" III. Berlin! Das ist die Stadt der Städte! Das ist so gut oder schlecht als Paris oder London, Moskau oder Chikago. Sie alle sind wie diese Stadt, in der Marie eine in der Million von Müttern ist. Ein winziges Nichts in der erdrückenden Masse, eine be - langlose Zahl in der gewichtigen Million. Nur ein unschein - barer Einer, doch — von Anwichtigem abgesehen — den andern gleich, wie die eine Million hier irgendeine andere irgendwo anders fein könnte. Berlin oder Paris, Paris oder London, London oder New Rork — was spielt das für eine Rolle! Die Gesichter dieser Städte, deren Leiber riesenhaft sind, mögen verschieden sein, auch die Leiber mögen andere Kleider tragen. Ihre Körper sind gleich, ihre Lerzen schlagen gleich und ihre Seelen Hetzen durch gleiche Labyrinthe gleichen Löhen oder gleichen Tiefen entgegen. Eine Mammutstadt ist wie die andere. Name ist ja sinnlos. Lauptsache ist der Mensch, der überall gleich ist und gleiche Lust ersehnt und gleiches Leid erfährt. Der Mensch, der nirgendwo deutlicher ist und sichtbarer, geöffneter und verschlossener, beengter und befreiter als in den ruhmreichen und gefallsüchtigen Mettopolen, die furcht - bar sind und herrlich in einem. Sie sind Gesäße, allem ge - öffnet und allumfassend, die gigantischen Tanks, in die alle Lerrlichkeit der Welt zusammenfließt und sich mit allem An - rat dieser Erde mischt. Sie sind der Bauch der Erde und ihr Schlagwort heißt Rekord. Lier ist der große Versammlungs - raum für alle Sehnsüchte und allen Laß, für alle Menschlichkeit und alle Brutalität, für alle Vernunft und allen Irrsinn, für alle Verwirklichung und Enttäuschung, für alles Gute und , alles Böse. Lier ist das große Auktionslokal, wo Menschen, Schicksale, Ideen, Weltanschauungen, Sünden, Evangelien und Lerzen verauktioniert werden, freiwillig oder zwangs - versteigert werden. Lier schlägt das Lerz der Welt und hier ruft das Gewissen der Erde. Lier ist die Wüste, in der ge - predigt wird, und die Kirche, in der man gläubig verzückt ist. Die Mammutstädte sind Nation für sich, die Nation des ewigen Menschen, sein gelobtes Land und sein' irdisches Jammertal. Jede Mammutstadt. Auch Berlin. Lier schuftet eine Million Lände an Maschinen und Aus dem Inhalt Politik unb allgemeiner Teil: Severing gegen ben Stahlhelm-Klamauk unb die Nazi- Phrasen. Spanische Regierung macht Versprechungen. Von Deerberg zu Moritz. Reichsrat für Wahlreform. Wirths seltsame Filmpolitik. Reichsregierung gegen Reichsbahn. Tagesbericht: Lümmeleien vom Speersort. Toni Senber vor 3000 Lamburger Frauen. Sozialdemokratie erobert ben Arbeitsplatz. Kunst unb Wissenschaft: Leopolb Sachse über bie Aussichten der Oper. Feuilleton: Walbemar Bonsels. Ein fünfzigjähriger Vollenbeter. Aus aller Welt. Gewerkschaftliche Umschau: Die 91bftimmung von Duisburg. Arbeitersportrundschau. Rädern, an Werkbänken und am laufenden Band der Mono - tonie; hier schuftet eine Million Gehirne in Schreibstuben und Läden, in Aemtern und Studierzimmern; hier schuftet eine Million Frauen in Kaufhäusern und Küchen, in Büros und Wohnungen; hier träumt eine Million Kinder, hier ein - mal groß und glücklich zu werden. Die Luft ist dünn und verbraucht, kein Raum ist und keine Freiheit; der Lärm zer- räbert die Gehirne; der tägliche Ringkampf, oben zu bleiben, zerdrückt die Lerzen. Ist er vollendet, dann ist man müde. Sekundenschläge erfüllen Minuten. Jede zehnte wird hier ein neuer Mensch geboren und tritt an die Stelle dessen, der eben hier starb, auf einem schmutzigen Inlett, auf btüten- weißem Leinen, im Kreise der ehrlich oder geschäftstüchtig Trauernden, oder in der Gosse, wie ein verlorener, räudiger Lund, (Erfüllung oder Enttäuschung. Die Minuten werden zu Stunden, * (Fortsetzung folgt.)