S7. Jahrgang Munrnrer 67 SannLag, s. März 1931 Vaieillevile 45 4. gamiHenangcigcn 30 * etca«>un» etiwte 35 4. et«n«ng$|udK 25 *. ÄUin« Mngcigcn vis 9 Seiles Die Seile 30 4. 10 MS 15 Seilen Die Zeile 35 4. SeHanujeU« 330 * Ä»zeigen mflücn int voraus oDei lofon bczavii rociDen MugelflenamioOme FeblanDstratze II, Hochvari., öcrnfyrecbct: Bammel» Nummer VS Slevvan 1831. Rachiiui V SBievhan ASl (bfee lioe otwnOe) in den Filialen und in allen anerkannten Anzeigen-Annadmestellm. Platz- und Taienvorichiitten unvervinDIild. Preis IS >4 „BoO mtb Seife AamburgerEcho SrscheinNSgliL einmal, außer an rFeterkaaen S«Mg«ipe«>»,im vorau» — * » * A 4 Ji ®»J* 1 #“ 1 I>“ , I < »afteBen Ww ReichSmw», die iZgespattme No» «TÄiiRÄffl^areameiaw tt/tmlMMW Ukmaav^iIaI KffhlAor ■».iS ,„t 2o nm nurff/Ji iTfinflpr /jniyauiuTr Rachtms C 5 Biexban 2321 und : J 503. Verantw. Redakteur: 3- 9Uä>te», /WA/ WFF^wWwW PvWWW tUtoua. Buchtzandtung: Kailer-Wilhelm-Ltratze 14/16, Fernjpr. 05 Stevban 5339. Truckereikontor: Fehlandstr. 11,1. Feinwr.: Sammel-Nr.O» 417K Stephan >831. Nachttui os Stephan 3N32 und 3683. WCgTUitOtl 1019 Beffert sich Sie WirtsÄhaftstage? Sie Konjunktur Von Kurt Heinig Ab März werden die jahreszeirlichen Vor - gänge auf eine Erleichterung des Arbeitsmarktes hinwirken. (Institut für Konjunkturforschung am «.März 1931.) Wir haben uns daran gewöhnt, die Ergebnisie der Kon - junkturforschung, ihre Diagnosen und ihre Prognosen (Feststellungen und Voraussagen) ebenso selbstverständlich hin - zunehmen, wie die täglichen Ankündigungen über das Wetter. Mag im einzelnen mancherlei einzuwenden sein, im ganzen stimmt es -— das gilt sowohl für die Wettervoraussage wie fijr die Antersuchungen, die das Institut für Konjunkturforschung veranstaltet, deren Ergebnisse im jüngsten Vierteljahresbericht heute wieder vorliegen. 5 Zur Verringerung des Arbeitseinkommens wird mitgeteikt, daß es sich in den zurückliegenden Monaten er - neut stark vermindert hat. Der Rückschlag des Arbeits - einkommens hgt neuerdings einen Umfang angenommen, wie er in den letzten vierzig Jahren nicht mehr zu verzeichnen war! Vier Gründe sind die Arsachen: 1: Die starke.Zunahme der Arbeitslosigkeit; 2. die Verdienstminderung durch Kurzarbeit; 3. der Abbau der übertariflichen Be - zahlung; 4. die Senkung der Tariflöhne. Das Institut für Konjunkturforschung schätzt die materiellen Auswirckungen der eben aufgezählten vier Arsachen zur Ver - minderung des Arbeitseinkommens auf viele Milliarden Mark. Gegenüber dem Zahre 1929 ist im Jahre 1930 allein aus Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit ein Verlust an Einkommen zwischen 3,5 und 4 Milliarden Mark entstanden. Die Last der Arbeitslosigkeit ruht auch insofern auf der Kaufkraft der Arbeitnehmer, als sie eine Erhöhung Ler Deitragsleistungen zur Arbeitslosenversicherung von 3,5 auf 6,5 % tragen. Bei den Beamten und Angestellten hat sich seit Lem Lerbst 1930 das Einkommen durch die Reichshilfe vermindert. Zum Teil iß die Einkommensverminderung zwar nur eint 8»«komenensverlager«ng großen Stils; denn der Ge- famtaufwand für die Unterstützungen der Arbeitslosenversiche- rung, der Krisenfürsorge, und der Wohlfahrtspflege, der Er- werbslosen ist für 1930 mit annähernd. 2;5' Milliaryen Mark, wahrscheinlich mit sogar 3 Milliarden 1 Mark zu veranschlagen. Dieses Geld kam den Aermsten der Armen — den Arbeitslosen zugute, und durch sie wirkten jene Geldmengen als Sözial- Rückversicherung des Mittelstandes. Während das Antern e hm er einkom men nach dem Znstitut für Konjunkturforschung ebenso stark beeinflußt worden ist wie das Arbeitseinkommen, hat das Vermögen sein- kymmen das Jahr 1930 außerordentlich gut überstanden, wie die Einnahmen aus dem Steuerabzug vom Kapitalertrag zeigen. Diese lagen im vierten Vierteljahr 1930 noch um 13 % über dem Vorjahr. Sterin äußert sich einmal die durch die Krisis wohl gehemmte, keineswegs aber unterbrochene Ver - mögensbildung. Außerdem wird eine große Reihe von diesen Einkommen von der Konjunktur überhaupt nicht berührt, weil sie auf langfristigen Bindungen beruhen. Auch die Politik stabiler Dividenden trägt dazu bei, daß das Ver - mögenseinkommen sich nicht vermindert hat. Aeber die . Aussicht der Arbertsverhältniffe schreibt das „Snftituf", daß vom März, also von jetzt an, aus jahreszeitlichen Gründen mit einem Nachlassen der Arbeitslosigkeit zu rechnen ist, weil nun in den Außenberufen die Arbeiten wieder aufgenommen werden können. Dabei ist aber zu beachten, daß di« Belebung im B a u • gewerbe, das die wichtigste Stütze für die saisonmäßige Ent - lastung bildet, in diesem Zahr möglicherweise geringer sein wird als in früheren Zähren, weil die Menge der Bauten dieses Jahr sicherlich wesenüich geringer sein wird. Neben, der saisonmäßigen Entlastung des Arbeitsmarktes, die man als sicheren Faktor einstellen kann, bleibt die Frage, ob außerdem noch eine konjunkturelle Entlastung ein - tritt. Bei kritischer Beobachtung aller Tatsachen ist hier noch nicht ohne weiteres Optimismus am Platze. Auch dann, wenn eine erste Belebung der Produktion Eintritt, bedeutet das nicht sofort Einstellung von Arbeitskräften. Außer- dem muß von der zunehmenden Produktion erst die Kurz- arbeit aufgesaugt sein, ehe Arbeitseinstellungen erfolgen. 3m Übrigen ist auch darin dem Institut für Konjunktur- forschung zuzustimmen, daß die ersten Anzeichen einer . Kon- junkturbelebung sich überhaupt nicht in der Produktion bemerk - bar machen. Sie tritt vielmehr auf den Märkten zutage, auf denen die Spekulation sich am deutlichsten offenbart. Die Börse ist das empfindlichste Konjunkturbarometer. Daneben gilt das, für einige börsenmäßig organisierte Warenmärkte. Erst also, wenn sich auf dem. Aktienmarkt und auf den Rohstoff- Märkten gewiffe Belebungen zeigen, wäre dies als Auftakt der konjuntturellen Besserung zu betrachten, dem die Belebung der Produktion und weiterhin des Arbeitsmarktes erst in gewissem Abstand folgen würde. Zu beachten ist, daß tatsächlich an der Börse im vergangenen Monat Februar der Gesamtindex aller Aktien um rund 10 % gestiegen ist. Das also wäre ein erstes Konjunktursymptom; aber, von diesem Voranzeigen bis zu besseren wirtschaftlichen Verhältnissen ist ein weiter und harter Weg. Soweit Kon- junttur überhaupt im voraus abgeschätzt werden kann, scheint das Institut" recht zu haben, wenn es annimmt, daß unter günstigsten Amständen im Ser bst 1931 eine deutliche konjunk - turelle Verminderung der Arbeitslosigkeit erwartet werden darf. Das heißt mit andern Worten, daß wir vorläufig mit der saison- mäßigen Beeinflussung de« Arbeitsmarktes zu rechnen haben. Es besteht die Aussicht, daß im Serbst das saisonmäßig« Rach- lassen der Beschäftigung durch konjunturellen Bedarf Ler Ent - wicklung aufgefangen wird. Die Sorgen der breiten Massen des Volkes bleiben also zur Zeit noch groß genug. Sie verlangen von allen verant - wortlichen Stellen soziales Verständnis und bedeuten nach wie vor harte soziale Auseinandersetzungen. Das Wichtigste ist, daß die verrückte und reaktionäre Ide« der fe- genannten zweiten Lohnabbauwelle jetzt endgültig stirbt, sonst erstickt die Aussicht auf Aufwärtsentwicklung in weiterer Verminderung des ohnedies schon am Tiefpunkt stehenden Arbeitseinkommens. Sietiiictie Hitlers, StwvMkitsverbMll Mm SPD. Frankfurt a. M-, 7. März. Wieder ist eine Säule des Dritten Reiches geborsten. Der Nationalsozialist B r e i t h e ck e r, der im Ottober vorigen Jahres als Führer der nationalsozialistischen Störungskolonne während der Ausführung der Oper „Mahagonny" in Frankfurt a. M. verhaftet worden ist, wurde vom Schöffengericht Frankfurt a. M. wegen Diebstahls und Einbrüche zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht bescheinigte dem nationalsozialistischen Kämpfer für deutsche Kultur das geistige Niveau eines elfjährigen Kindes und bezeichnete den vielfach vorbe - straften Mann als Gewohnheitsverbrech et. » Monate Möngats für Gauleiter ! : Arges MMettSvergchens ‘ , Vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte hatte sich.der 58jährige .' Oberschullehrer E m i l Solz wegen 'Sittlichkeitsvergehens zu verantworten. Ihm wurde in sechs Fällen Erregung öffentlichen Aergernisses zur Last gelegt. Der Angeklagte, der verheiratet und Väter zweier Kinder "ist,'war bei der letzten Reichstagswahl als Kandidat der National- fozialistischen Partei aufgestellt worden und wurde auch gewähtt, legte aber, nachdem seine Affäre zur Veröffentlichung gekommen war, das Reichstagsmandat nieder. Im Jahr vor der Wahl war er poliüsch intensiv tätig und hat auf zweihundert öffentlichen Versa mm lungen der NSDAP, ge- sprochen. Außerdem war er Gauleiter seiner Partei. In der Verhandlung bestritt er die ihm zur Last gelegten Straftaten und behauptete, daß er ein Opfer politischer Intrigen sei. Der Staatsanwalt gelangte zu der lieber- zeugung, daß der Angeklagte überführt sei, und beantragte eine Geldstrafe von 500 JL (!!) Das Gericht ging jedoch weit über diesen Antrag hinaus und verurteilte Solz wegen Erregung öffentlichen Aergernisses zu sechs Monaten Ge - fängnis, vor allem mit Rücksicht darauf, daß Jugendliche durch das Treiben des Angeklagten belästigt worden sind. Doppelt Geld für Faulenzer Auf Veranlassung des preußischen Innenministers ist gegen den Nationalsozialisten, Reichstagsabgeordneten und Regie - rungsrat von dem Knesebeck das förmliche Disziplinar - verfahren mit dem Ziele der Entfernung aus dem Amt eingelei - tet worden. Von dem Knesebeck wurde bereits lange vor den Reichstagswahlen von dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten wegen seiner öffentkichen Betätigung für die Rationalsoziali- stische Partei seines Amtes enthoben. Die Wahl in den Reichs- tag unterbrach das Disziplinarverfahren, nachdem jedoch der Reichstag am 9. Februar zur Weiterverfolgung der Angelegen- heit seine Zustimmung gegeben hatte, wird der nationalsozrali- stische Regierungsrat, der an sich schon seit Monaten keinen Dienst mehr tut, hoffentlich bald endgültig aus dem Amt ver - abschiedet. Er hat bisher für nichts und wieder nichts auch die Reichstagsdiäten bezogen, obwohl er den Reichstag nun schon feit Wochen schwänzt. , Etlbiwerlorgll Die früher stark hervorgetrttenen Agitatoren der Landvolk- betoegung Bruno von Salomon und.Guid0 Weschk«, beide aus dem Bombenlegerprozeß bekannt, dürfen feit einiger Zeit in Versammlungen der Landvolkbewegung nicht mehr auf - treten. Warum sind die einst in Landvolkkreisen so verherrlichten Männer.und Führer plötzlich verfemt?-'-' < ’ ' 1 ■ Zn eingeweihten Kreisen der Bauernschaft. Schkeswig-Söl- steins erzählt Man sich; dqß die beiden Serren verschiedentlich die bei Landvolkversammlungen einkassierten Gelder für /sich ver- braucht haben. ,Sie sollen auch von sich aus Sammlungen bei der mit der Ländvolkbewegung sympathisierenden Bevölkerung vor - genommen und die einkassierten Beträge in ihre Taschen gesteckt haben. eOßlftWI SPD. Bad Reichen hall, 7. März. Sier endete eine nationalsozialistische Versammlung mit einer regelrechten Saal - schlacht. Von 30 Personen, die verhaftet wurden, mußten 13 ins Krankenhaus eingeliefert werden. Redner der Versammlung war der Naziabgeordnete Wagner, der dieser Tage im Bayrischen Landtag einen Journalisten mit Ohrfeigen tratoerte. Unter anderm war die Versammlung von vielen Sozialdemokraten und andern linksgerichteten Leuten besucht. Nach dem maUos Hetze- rischen Referat des Naziabgeordneten fielen die uniformierten Sakenkreuzler, die während der Versammlung aus Salzburg und andern österreichischen Orten Zuzug erhalten hatten, übet die politisch Andersgesinnten her. Es entstand eine wüste Saal- schlacht, bei der die ganze Einrichtung kurz und klein geschlagen wurde. MncniWniler ma»cn MiMoniagd SPD. Graz, 7. März. Das Schöffengericht Graz »er- urteilte am Sonnabend einen Seimwehrmann, der im Juli vorigen Jahres mit mehreren Komplicen auf fügend licheArb eiter geschossen hatte, zuvierMonatenGefängnis. Ein anderer Seimwehrmann erhielt eine Woche Gefängnis. FanusgefW desFaWsmus Gewaltsam hat der Faschismus die Staatsmacht an sich ge - rissen. Aber bis es soweit war, haben Mussolini und sein« Seifer eine täuschende Maske vorgebunden. S i t l e r s Schwur aus die Legalität ist eine kümmerliche Nachäffung der Täuschungs - künste Mussolinis: Sitlers großes Vorbild hat, als er bereit# seine Fasci formierte, zum Kampf gegen jede Art von Diktatur sich verpflichtet, Leib und Leben setzte er zum Pfand« für Treue zu den Rechten und Errungenschaften der Arbeiter - klasse; er gelobte, wenn auf die schlimmsten Gegner des Faschis - mus ein Ausnahmegesetz fiele, „würden wir uns dagegen auf- lehnen, denn wir sind für alle Freiheiten, gegen jeg- k i ch e T y r a n nei.. “ , „Freiheit für alle, der allgemeine Wille und nicht'der Wille einer Gruppe ober eines Ein - zelne n soll entscheiden." Einen artigen Katalog politischer und sozialer Versprechungen ergibt eine Zusammenstellung der Aussprüche dessen, der als Duce das Gegenteil getan hat. Wer sich darüber genauer unterrichten will, der lese Angelica Balabanoffs Buch über den italienischen Faschismus." Er findet dort ausführlich auch die Urteile von V a 10 is, die am 22. Februar durch Buckand im Samburger Echo angezogen wurden. Die alten Römer verehrten Gott Janus al# Bringer allen Kultur; zwei Gesichter waren ihm eigen: segensreich das eine, erschreckend das andere, daS der Gott bei Kriegsausbruch zeigte. Da wurden seine Tempel geschlossen! Mussolini hat einst das Kntturantlitz gezeigt; seine Tenfelsftatze kam zum Vorschein, als der König sich ihm unterwarf und Mussolini die Macht über - antwortet«. Die Janus-Tempel sind geschlossen, aber der faschistische Apparat läßt öffentlich dem Duce Teufelsmessen zele - brieren. In all und jedem leistete der Faschismus das Gegenteil seiner Verheißung. Aus dem Werk von Nennt, das 930 im Samburger Echo abgedruckt wurde, kennen die Leser die Scheuß - lichkeitsorgien des Faschismus, den Gang des Verderbens, das er über die Arbeiterklasse Italiens brachte. Balabanoff packt die Aufgabe »ielfeitiger, sie tonfronbiert Verheißung und Leistung. So stellt ber Faschismus sich bar als eine widerliche Komposition von Gleißnerei, Gewaltsamkeit und Unfähigkeit zu schöpferischer Tat; er hat die Silfsquellen des Landes ruiniert, materiell die Volksmassen herabgebrückt unb ber sozialen Sittlichkeit eiternde Wunden zugefügt. Als Schwächling, dem der Mut zum Geständ - nis des Verrats an seiner Vergangenheit fehlt, stellt Balabanoff Mussolini hin, und dem Faschismus weist sie Grundsatz- und Planlosigkeit nach; ein schamlofes Abenteurertum des Diktators komm« überall zum Vorfchein. So geringschätzig braucht man nicht z« urteilen; mindesten«'soll man daran erinnern, daß der Streit, mn „Grundsätze?. bei den Sozialisten auf Mussolini als Einladung zur Tat wirkte. Der aktive Pökitiker muß hün einmal Situationen zu meistern wissen. Was du. vom Augenblicke ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeit zurück. Bestimmt dann nicht, wenn man sich sogar den Rückblick auf eigene Fehler verdeckt. Die -italienischen Sozialisten aller Richtungen haben 1930 sich geeint, den Richtungsstreit stellen sie jetzt zurück. Balabanoff aber übersieht jetzt noch, daß der Streif Mussolini die Treppe zur Macht gebaut hat. Sie prangert nur an, daß Furcht und Saß (der herrfchenden Klaffen) dem Faschis- mus die Macht überlieferten. Das ist wahr, aber eine solche Lag« zu verhüten, war eben die politische Aufgabe. Man stelle sich vor, daß in Deutschland die Sozialdemokratie nach dem 14. Sep - tember im Richtungsstreit sich zerfleischt, hätte. Auch sie hätte damit Sifler eine Stufe zur Macht gebaut Ist doch deutlich erkennbar, daß ohne die Selbstzerfleischung des Proletariats der Nationalsozialismus nie zu der drohenden Gefahr geworden wäre, 3m Anhang ihres Werkes bringt Balabanoff wichtige Dokumente: Zusammenstellung von Zerstörungstaten des Faschis - mus, das Programm der Fasci, das geradezu die demokratisch« Republik fordert; dann die berüchtigte Carta del Lavor», die unter ber Maske der Sicherung von Arbeiterrechten die wirk - lichen Rechte stiehlt und statt Brot Schaumgerichte reicht; endlich der Vertrag zwischen dem Seiligen Stuhl und ., • ««pelko »olobaneff: Wesen und «erdegana n«z «laII enlschen Naschirmus. Hcß L Co.-Bcrlas, Klen-Leipzlsi *C« gär neu Mnzutreiende Bc,«ekler werden Die bereits erschienenen Royttel vieles Romans auf Wunsch 1 0 6 e n l 0 8 nachgelielert. Copyright 1930 b» .Der Büchcrttcis G m 6. ©.*. Berlin SW 6L Sv tämpjt SHatie! Das Leben der Marie Szameitat Von Josef Maria Frank [42] Verantworrungsbewußtsein und Pflicht beherrschen Marie. Manchmal spielt sie, um sich zu festigen und zu rechtfertigen, mit Bildern. So: Was sie aufgebaut hat, das ist der Kufen, den die Speicher umstehen, aus denen sie nehmen und den Kindern und sich geben kann, damit sie leben und satt und stark werden. Sie selbst ist das Schiff, das hinausfährt und einholt und in die Speicher trägt. Sie darf nicht sinken! Wer sollte dann die Speicher füllen? Was sollte dann aus den Kindern werden?! Marie fährt hinaus,'tagtäglich und mit Vollkraft, sammelt, holt ein und trägt in die Speicher. Aber es wird immer weniger dort. Immer schwerer wird es für Marie, das Geld zum Leben zusammenzuschuften. Sie hat das Zeitungsaustragen wieder übernommen, sie hat ge - bettelt, bis man ihr endlich 150 Zeitungen überlassen hat. Das sind fünf Mark in der Woche mehr als früher. Fünf ganze, kostbare, unschätzbare fünf Mark. Fritz kümmert sich nicht um die zu Lause. Er kommt nur, um. das Esten himmterzufchlingen und dann wieder zu gehen. Die meisten Nächte bleibt er fort. Kommt er jedoch, dann ist er bettunken, so maßlofes Gröhlen und ekelhaftes Tyrannisieren, daß die Kinder vor chm^ fliehen und sich in die Ecken ducken. Er ist arbeitslos, bleibt es. Er geht stempeln. Das Geld versäuft er und verbringt er mit Straßenweibern. Er ist so fcharnlos geworden, es Marie ins Gesicht hinein zu brüllen und dazu zu lachen. Einmal spät nachts, als er — schwankend kreiselnde Steh- aufpuppe und durcheinandergeratcne Schreimaschine — be - trunken ankommt, wächst in Marie der scharf Überlegte Plan, ihn mit einem Beil niederzuschlagen und zu töten. Dann erst, als sie in die Küche gegangen ist und dort das Beil vom Boden aufgenommen hat, wird sie kraftlos. Das Beil wird zentnerschwer und fällt zu Boden. Marie kann es nicht tun. Nicht aus der Lleberzeugung heraus, daß es Sünde ist, einen Menschen zu töten. Etwas anderes, etwas Rätselhaftes, Anbestimmbares, Anbegreifbares hindert. Marie weiß, daß dies jetzt im Augenblick Ansinn ist, aber sie entschuldigt und rechtfertigt sich damit, daß sie ihn um der Kinder willen nicht töten könne. Die verloren fein müßten, wenn sie — wie sie bestimmt glaubt — dann auf dem Schafott enden würde. Aber jetzt kann Marie verstehen, daß ein Mensch den andern töten kann und doch nicht schuldig ist. Jetzt ist ihr manches klar, das sie bisher nur kopfschüttelnd gelesen hat. Marie verdammt nicht mehr. Marie verdammt nur mehr den, der tötet ohne totzuschlagen. Auch der Gedanke verführt, sich und die Kinder zu töten. Eines Abends, als sie in der Zeitung lieft, daß eine Mutter mit ihren Kindern ins Wasser gegangen ist, um wenigstens so die Kinder vor der vollkommenen Verelendimg zu retten, wird der Gedanke verlockend. Sterben, ja — das wäre Rettung, wäre Erlösung, Be - freiung und Ruhe für sie alle. Marie grübelt und sinniert. Ihr Gehirn macht schon bedenkliche Sprünge. Sie scheint sich zu entschließen, schickt die Kinder schlafen, steht am Gasherd, reißt den Gasfchlauch vom Kocher und will ihn schon zur Schlafzimmertür hinüberleiten — da wird sie wieder kraftlos, gibt es auf und schraubt den Schlauch wieder an den Kocher. Marie ist sich nicht klar über sich selbst, wird sich nicht klar. Sie weiß nicht, warum sie es nicht tun kann. Liebt sie so stark das Leben? Das Leben, an das sie geglaubt hat. An das sie vielleicht immer noch glaubt? Die Kinder? Die Kinder können damit nichts zu tun haben! Was aber dann? Marie tappt im Dunkeln. Sie ist doch nicht feige? Sie scheint also doch noch an das Lebe« zu glauben. And es doch noch schaffen zu wollen! Sie fchustet weiter. Beißt die Zähne zusammen und schuftet weiter! Fährt aus frühmorgens, holt ein und rafft zusammen und ttägt abends in die Speicher. Aber was nützt das! Es ist alles nur für den Tag. And morgen? Der „Notgroschen" ist verzehrt. Es ist keine eiserne Munition mehr da. Marie muß jeden Tag für jeden Tag die Munition erschuften. Fritz ist seit einigen Tagen nicht mehr nach Laufe ge - kommen. Das erregt nicht mehr sonderlich z aber Marie muß irgendwie Klarheit haben, was nun ist. So geht sie wieder auf die Suche nach ihm. Sie durch - wandert die Kneipen, in denen et früher immer zu finden war. Endlich erfährt sie etwas. Zn. einem zwischen Kaschemme und Tagasyl schwanken - den Lokal, von Gelegenheitsgesindel und Leinen Verbrechern bevorzugtem Aufenthaltsraum, der sich lächerlich protzend „Eaft" nennt. Lier weiß einer Bescheid, kräuselt wichtigtuend die Lippen und pendett mit aufgedunsenem Schädel: „Verschütt!" Ein anderer, der eben seine Stiesel an den Füßen für ein Glas Dier, einen Schnaps und eine Wurstschrippe verramscht hat, wird ausführlicher, indes er die Stiefel auf schnürt und auszieht. „Den Ham de Bullen jeschnappt. Soll mit der Polnischen wat jedreht Ham. Soll Schmiere gestanden Ham. Wenn die andern nicht dicht halten, hat er drei Jahre." Ein Orchestrion hämmert brüchig, asthmatisch. Ein schwerer FleischLotz haut mit seinen Tatzen den Takt auf die Schultern einer fetten Dirne, die jäh aufwiehert und ihren Schluck Bier auf den Boden sprudelt. Burschen mit Schiebermützen und scharfen Augen lassen eine Flasche rund - um gehen und gröhlen zum Orchesttion: „. . . trink, trink, Brüderlein, trink . . , Sorgen zu Laus . . ." Verkniffener Kopf beugt sich zu Marie, fchmalzweiche Stimme jidelt füß- lich: „Alte Kleider zu verkaufen? Nemme auch sonst, wennse was haben. Vielleicht e Silber oder e treife Sore, hen?" Marie muß sich setzen. Sie fühlt plötzlich bleierne Schwäche Ohnmacht künd«» Ar-snd jemand bringt ihr ein Aus dem Inhalt Politik unballgemeiner Teil: Bessert sich bie Wirtschaftslage? Liebliche Sitlerei. Janusgesicht bes Faschismus. Im Sturmschritt vorwärts. Anheil in aller Wett. Tages bericht! Verkehrsrückgang: Ausweis der Lochbah». Gaskrieg mit Schleswig-Solstein. Neues Kreiskrankenhaus Pinneberg. Feuilleton: Der alte Leuchtturmwärter, von Iakobs. Gewerkschaftliche Amschau. Eltern ha uSunbSchule: Zugenbnot unb Schulnot. Frauenecke: Die Frau von 1848, von Marie Gleit. Schachere. Glas Selter. Sie trinkt. Langsam, bedächtig, in «einen Schlückchen. Langsam wird der Kopf Lar. Marie steht wieder. Schwan« noch etwas, aber ringt das tapfer nieder. Sie stellt das Glas auf den Tisch, wischt sich mit dem Land - rücken über die Stirn. Bedankt sich. And geht. Jetzt weiß sie Bescheid. Also das! Marie ist ruhig ge - worden. Sie hätt sich aufrecht und überlegt kühl und angesttengt. Vielleicht ist das gut so, ist gut für sic und die Kinder. Jetzt wird sie Ruhe vor ihm haben! Sic ertappt sich plötzlich bei einem Gedanken, der sie erschreckt, vor dem sie sich schämt. Sie geht zum Polizeirevier, wo man sie kennt. Man telephoniert hinüber zum Polizeipräsidium. Ja, es stimmt! Man sagt drüben Bescheid und schickt Marie hinüber zu dem Kriminalbeamten, der den Fall be - arbeitet Der, orientiert über Marie, scheint Mitleid mit ihr zu haben. Ist wohlwollend und schiebt ihr sogar — Marie muß dankbar lächeln — seine Tasse Kaffee zu. (Fortsetzung folgt)