k / summet 31& Sölittrooct); 18. November 1931 37. Jahrgang Neue SlototrorOmmgctt Gegen Devisenhinlerziehung — Schuldenwohltat für Ostlandwirte Brandig ist der Geruch des Orients Well, die Abgründe, die Geschichte und Kultur gruben, vom Norden trennen. * Ä'er gelbe Lehmweg vor der Tür windet sich vom Bahnhof und Fluß bis zum weitläufigen Marktplatz. Gemächliche Och>.'- karren mit Maitzfuhren knarren vorbei an uns und an dem lächerlichen Durcheinander von Käufern und Lütten, daS sich StaVt nennt. Wie aus einem Daukastensortiment scheint alles regellos über das t^lände ausgeschüttet zu sein. Dazwischer stakte ein spaßiger Geist rmd> unerfindlichem Dlanc lange, nackt, ^elegrapbenpfäble, die windschief, scheinbar zwecklos und ver - drossen anfragen Kurz vorm Marktplatz hat ein Getrcide- bändler seinen Maisvorrat auf der Erde zum Trocknen aus- gebreitet. Die Ochsengespanne biegen sorgsam aus vor dem goldgelben Felde, das Lunde und Kinder interessiert anschauen. Und docb ist die weltabgewandte Nube diese« Stadtantlitzes trügerisch. Stehen da nicht an den Ecken, vor dem Friseurladen und unter den kümmerlichen Ulmen des Lotels erregt disku - tierende Gruppen? Bauern in ihrem selbstgesponnenen Zeug, die Lose unten mit Wappen umwickelt, schnabelig» Opanlen, an den Füßen? Dazwischen städtisch gekleidete Männer? Sind die Gesten der Lände nickt lebhaft, nicht heftig, die Mienen nicht wach und erregt? Es ist das ewig gleiche Thema, von dem der in die Ver - gangenheit zurückträumende russische ^Oberst nichts weiß, das aber unsere Nachtgenosien auck im Schlafe nicht verließ: Di« Not der Bauern I Wohl stehen im Bahnsckuppen fabrikneue Dreschmaschinen und Motoregqen aus Deutschland und Ungarn, aber wer gibt Saataetreide, wer gibt den eisernen Pflug für das barte Erdreich? Die Bauern wie sie dort stehen, mit ihren sproßen, ^erarbeiteten Länden, keuchten auch in diesem Frühjahr hinter dem erbärmlichen Lolzpsluge, der ärgerlich über jedes Lindernis springt ttnb nicht in den Boden eindringt, die un - verbrauchten Erdschichten auch nur anzuritzen. Zn die halblauten Gespräche mit den Abgeordneten, die von Sofia herübergekommen sind, lärmt jetzt der rhythmische Schritt marschierender Soldaten. Die Sonne blinkt in den großen ovalen Kokarden, auf den blanken Ecklösiern der Ge - wehre und auf dem sckwarzen kack der hohen Stiefel des be - gleitenden Leutnants. Argwöhnisch mustern Leutnant und Ven- Löhne und Sozialversicherungsbeiträge, zur Sicherung der notwendigen Bedürfnisie des Betriebsinhabers zu verwenden, darüber hinaus verfügbare Mittel zur Bezahlung der laufenden Zinsverpflichtungen. Die Verordnung bat also den Sinn, die Landwirte vor Gläubigern zu sichern. Wer aber leiht ihnen dann Geld oder borgt Waren? Minister Schlange sagt zur Begründung der Verord - nung: Mein Ziel ist die Schaffung eines wirtschaftlich gekräf - tigten, nationolpolitisch gefestigten und bevölkerungspoltisch ausgeglichenen deutschen Ostens.' Es sei zunächst ein scharfer Eingriff in das Wirtschaftsleben erforderlich, um das Anglück des Ostens zum Stillstand zu bringen. Das nächste Jahr dürfe uns keine Ernährungskatastrophe bringen. Eine großzügige innere Kolonisation sei der Schlußstein jeder wahren deutschen Ostpolitik. genommen werden, wenn er nicht nachweist, daß er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zur Verhütung der strafbaren Landlungen angewendet hat. Alle Devisenverstöße können im S ch n e l l v er - sah r e n abgeurteilt werden. Für den Grenzverkehr treten ein paar Erleichterungen In Kraft. Siife für MtWtele Mank wirst Unter der Bezeichnung der Erntesicherung hat der Ostkommisiar Schlange-Lchüningen eine Verordnung »orgelegt, die der Reichspräsident aks Notverordnung ver - künden ließ. Danack kann im Osthilfegebiet ein zahlungs - unfähiger Landwirt bis zum Jahresschluß beim Landrat ein Eicherungsverfahren beantragen Ueber die Eröffnung des Ver - fahrens entscheidet der Ostkommisiar, für Betriebe bis 41) 000 JI Einheitswert der Landrat. Die Sicherungsstelle be - stens einen Treuhänder, der den Betrieb beaufsichtigt. Ist das Eicherungsverfahren eröffnet, so sind Z w a n g s v o l l - streefungen gegen den Vetriebsinhaber wegen Geldforde- rungen sowie für Lerausgabe von Zubehör usw. der dem Be- triebe dienenden Grundstücke unzulässig. Vernachlässigt der Betriebsinhaber die Pflichten eines ordentlichen Landwirts, so kann ihm ein Verwalter aufgenötigt werden. Die Betriebseinnahmen sind zunächst zur Bezahlung der 100090 Mark Sicherheit für MatzkNtilenboskn Berti«, 17. November. Generaldirektor Katzenelle«, böge« vom Schultheiß-Konzern ist gegen 100 000 -sl Sicherheitsleistung aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die Kaution soll angeblick von seiner Frau, der bekannten Schauspielerin Tilla Durieux, aufgebracht worden fein. Das Privatvermögen KatzenellenbogenS selbst befindet sich in Verwaltung einer Treuhandgesellschaft. Sev'srnttsassung Weil die durch Ausfuhr deutscher Waren erlangten Devisen nicht ausreichend der Reichsbank angeboten werden, hat deren Golddeckung sich vermindert. Nunmehr wird verordnet, daß künftig alle Waren, die aus dem deutschen Wirtschafts, gebiet ausgeführt werden, durch Aebergabe einer ExportvalutaerNärung nach vorgeschriebenem Muster der Reichsbank anzu- melden sind. Außerdem haben die Exporteure dreimal monat - lich der örtlich zuständigen Reichsbankanstalt mitzuteilen, an welche Devisenbank sie die eingegangenen Export- valuten abgeliefert haben ober von welcher Reichsbank- anstatt ihnen die Devisen freigegeben wurden. Zuwiderhand - lungen gegen diese Vorschriften werden mit schweren Strafen be - droht. Ferner werden die Importfirmen angewiesen, daß sie einen Teil der Kostensumme für eingeführte Waren nicht bar zahlen, sondern dafür die Kredithilfe in Anspruch nehme« sollen, zu der die ausländischen Gläubiger sich in den Stillhalte - abkommen ausdrücklich verpflichtet haben. Weiter werben die Strafvorschriften der Devisenver - ordnung ergänzt. Bisher konnte ein Firmeninhaber sich hinter Angestellte verstecken, nunmehr aber kann er in Strafe bis zu 300 000 Aus dem Inhalt Politik und allgemeiner Teil: Neue Notverordnungen. Unser täglich Brot. . , . Wehrt bem Bürgerkrieg — Sozialdemokrat»« bei Brüning. Buße auf Befehl. Ausfuhrüberschuß — und die Devisen? Länberminister gegen Terror. Naziterror im Städtchen Eutin. Sklareksilber auf bem Gerichtstisch. Tagesbericht: Das fehlte noch: Giftgas im Lause. Strafrecht der Seeleute. Reichsbahnbeamte gegen Reaktion. Nazizeug« mit b«m R«volv«r. Kunst und Wissenschaft. Feuilleton: Braune: Brandig ist der Geruch de« Orients. Samburger Mädel blinder Passagier. Au« aller Welt. Gewerkschaftliche Umschau. Soirsporlel in Riten Die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei hat für die näch st eWochefünf Fraktionssitzungenangesetzt, die von Montag bis Freitag täglich nachmittags abgehalten wer - den sollen. Vermutlich braucht man viel Zeit, um sich gegenseitig zu trösten über den — Erfolg Dingeldeys in Lessen. im Lalse. Neue Sammlung unter Wrangels Kommando. Rock einmal flackerte dieses Ledensflämmchen auf, und bei den Ge - schichten von den Kämpfen um Südrußlnad gewinnt diese rissige Stimme wieder an Kraft. Die gichtige Land bat befehlerische heften. Dock bann ermatten Ton unb Bewegung vollends. Die Stimme erzählt nur noch brockenweise, verstummt schließlich ganz. Ein Leben, von der Brandung der Geschichte an den Strand geworfen. Ein Leben, das Gleichnis, das Symbol wurde für seine Klasse. Aber es ist schon zu morsch und zu barock, um noch als Baustein für die neue russische Welt brauchbar zu sein. barm im Vorbeimarsch bie gestikulierenden Gruppen. Stumpf sind die braunen Gesichter der Rekruten. Durch alle Amherstehenden fährt diese Begegnung wie ein Schock. Denn die Erinnerung an die blutigen Bauernlämpfe von 1921 ist noch wach. Auch damals stand Soldat gegen Bauer. Auch damals waren es die gleichen Nöte, die dem Staate gegen die Revoltierenden, dem Bürger gegen den Bauer die Waffe in die Land zwangen. Die gemächliche Ruhe dieser Landstädte ist trügerisch. Der russische Oberst stolziert auch hier über einen unruhigen, vulka - nischen Boden, dem er doch gerade zu entfliehen glaubte. Ank bie sichere Orbnung, die bei laute Pfiff des fahrplanmäßic cinlaufenben Zuges verkündet, ist schnell umgeworfen. Brandig ist der Geruch des Orients ... In die nackten Fenster fällt der erste bleiche Schein der Dämmerung. Die dunklen Schatten auf den Bänken regen sich unb gähnen laut den jungen Morgen an. Steifbeinig klettert der Oberst vom Tisck herunter. Er ist wieder ganz Kavalier, draußen an der Pumpe, wo zwei verschlafene Frauen mit ter- fträbntem Laar ihren Waschlappen anfeuchten, slebcrlegcn und besehlsbaberisch streift sein Blick über bie Bauern hinweg, die zur Tür hinausbräiigen. Sie lassen ihm seinen geborstenen Stolz; sie wissen, daß es das einzig« ist, was «r noch besitzt. Nachher werden fit ihn doch an ihren Frühstückstisch laben . - • Gelb liegt brausten bie Straße in der Sonne. Der Früh- wind wirbelt den feinen Mehlstaub hoch, der bas wahr« Kenn - zeichen bes Orients bleibt. Die Nase erschntippert seinen brandig scharfen Geruch. Darin mischen sich die Ausdunstungen der Tiere und Menschen mit bem fengigen Dunste verbrannten Strohs unb Lehms. Das gehört so sicher zum Orient wie das Virginia-Aroma zum Londoner Nebel, der Dunst von Asphalt unb Denzin zu Berlin unb der Geruch von Teer, Tang unb Oel zum Lamburger Lasen. Wenn man jenen Meblstaub wieder zwischen den Zähnen spürt unb bei langen Fahrten über Lanb aus ben Augen wischen muß, wo er sich brennenb unb beizend einniftet, dann erst ist man wieder wahrhaft in dieser SPD. Berlin, 17. November. Die Führer der sozialdemokratischen Reichstagsftaktion, die Abgeordnete» Wels, Dr. B r e i t s ch e i d, Dr. H i 1 s e r d i n g und Dr. Herz, hatten am Dienstag eine Besprechung mit bem Reichskanzler Dr. Brüning wegen der Mordhetze, die in ständig wachsendem Amfang von Nationalsozialisten betrieben wird. An der Besprechung nahm auch der Reichswehrminister Groener ttnb bet preußische Innenminister Severing teil. Von sozialdemokratischer Seite wurde an Hand umfangreichen Materials der Nachweis geführt, daß von führenden National - sozialisten nicht nur zu Gewalttätigkeiten aufgereizt wird, sondern daß von der privaten Armee des Herrn Hitler, ben SA -Forma - tionen, auch in zahlreichen Fällen solche Gewalttätigkeiten orga - nisiert begangen toerben. Ans diese Weise werde der Bürgerkrieg heraufbeschworen, da sich die übrigen Volksschichten eine solche Bedrohung von Leben, Gesundheit and Freiheit der politischen Betätigang nicht gefallen lassen können. Aufgabe der Staatsgewalt sei es in erster Linie, durch ihr stärkstes aktives Hervortreten im Kamps gegen Mord, Hetze und Terror sichtbar zu zeigen, daß dieser Kultur- schande eine Grenze gezogen werden könne. Geschehe das nicht, so könne man nicht erwarten, daß die Massen des Volkes, die zur Republik stehen, Vertraneu zur Staatsgewalt haben, und matt müsse begreifen, dah sie sich zur Selbsthilfe etttschließen. Es werde ferner eine große Beunruhignng geschaffen, die bie Ab - sicht, die Regierung zu stützen, immer mehr erschüttern müsse. Sowohl der R e i ch s k a n z l e r als auch der Reichswehr - minister verurteilen bie politischen Ausschreitungen und ver - sprachen, alle zu ihrer Bekämpfung möglichen und aossichtsreicheu Schritt« zu unternehmen. Das von den sozialdemokratischen Ab - geordnete» vorgebrachte Material über Terror der Nazis soll dem Reichsinnenministerinm schriftlich unterbreitet und ans das sorg - fältigste geprüft werden. SrulM ernlttrträgt 1931 Die Srntemcnge betrug an Winterroggen 6 592 000 Tonnen, Spelz 133 000 Tonnen, Sommerroggen 88 000 Tonnen, Winter- gerste 507 000 Tonnen, Winterweizen 3 669 000 Tonnen, Sommer - gerste 2 511 000 Tonnen, Sommerweizen 564 000 Tonnen, Hafer 6 205 000 Tonnen. Im Vergleich zu den Ergebnissen der vorjährigen Getreide - ernte (1930) sind die diesjährigen Erträge an Roggen um 1 Million Tonnen = 13 % geringer. Bei allen übrigen ©etreibearten übertrifft die diesjährige Ernt« die vor - jährigen Ergebnisse, und zwar bei Weizen einschließlich Spelz um 440 000 Tonnen — 11,2 %, an Sommergerste um 127 000 Tonnen — 5,3 %, an Wintergerste um 31 000 Tonnen = 6,6 % unb an Laser um 550 000 Tonnen — 9,7 %. Unser ttigttG Brot Ptüns für StoloubiUiguno / Umstellung der KlemdLckereten Verbilligungen, die man durch Aufhebung des Nachtbackverbotes erreicht, werden also durch die Preistreibereien an de« Produktenbörsen illusorisch gemacht. Die Bäckergesellen müßten, wenn dieses Treiben anhält, auf das Nachtbackverbot verzichten, während der Konsument davon nichts hat. Wir fühlen uns verpflichtet, dar- auf hinzuweisen, daß jede Maßnahme zur Browerbilligung umsonst ist, wenn sie nicht durch eine Zollherabsetzung und durch eine stärkere Einfuhr bzw. den Einkauf von Getreide auS dem Auslande begleitet ist. Weiter erwägt die Reichsregierung die Herabsetzung des Futtergerstenzoll«. Auch soll der P r e i s für Mais, wofür ein Monopol besteht, verbilligt werden. Man will dadurch den Viehzüchtern entgegen- kommen unb außerdem die knappen Roggenbestände für bie in - folge bet üebcrtcuerung der Futtermittel die Gefahr besteht, hoi jie in t» gzoßv Menas« dtt Viehiurterung Luaesührt wer- den, mehr zur Brotversorgung für bie Bevölkerung heranzrehen. D i e sozialdemokratische Fraktion de« Reichs - tages hat vor einigen Tagen entsprechende An - regungen an die Regierung gegeben. Die Futtermittel Hatto die Regierung verteuert, bem Körner bauenden Großgrundbesitz des Ostens zuliebe. Aber sie er - würgt damit bie Viehzüchter und Mästet. Die Klein- unb Mittelbauern sink» nicht an teurem Getreide interessiert; für sie ist viel wichtiger billiges Futter für ihr Vieh. Es wirb höchste Zeit, ben Klein- und Mittelbauern entgegenzukommen. Wehr! Mm MeMnMn Sürgtrtrltg ! ©o$ialdemo$raten bei Brüning un» (Sroenet? H. Br. Lom in Bulgarien. Das einzige Lotei in Lom war besetzt; beim heute abend war bet Donaubampfer anqekommen. Wit legten unsere Mantel auf bie breiten, zusammengerückten Tische ber blau- getünditen Gaststube unb wärmten uns Rücken an Rücken. Währenb wir unsern Schafkäse unb das harte Brot kauten, machten wir uns miteinander bekannt in bem kuriosen Balkan- französisch, bas zwischen Budapest unb Saloniki mit einem stark zum Jiddischen tendierenden Deitsch um die Rolle des au«- Sleicbenben Esperanto rivalisiert. Et war einer jener alten zaristischen Offiziere, die man auf dem ganzen Balkan trifft. Verarmt, aber je mehr ihnen ber Lunger bittere Linien in bas einst fröhlich« unb vielleicht gedankenlos« Gesicht grub, um so mehr kehren sie mit einer sanften Koketterie bte auch im Zivilleben geltenden militärischen Tugenden heraus. Sie sind in all ihrer erbärmlichen Abgerissen - heit charmante Kavaliere, zelebrieren inmitten bäuerlicher Form - losigkeit einen barock gespreizten Adel der Manieren. Wte ge - tupfte Pfauen stolzieren sie Über den Lühnerhof des Balkans. In dieser Nackt erzählte mir ber Oberst Alexej Gregore- witsch Sostsckuk, währenb unsere Zigaretten in bte Dunkelheit glühten, mit leiser Stimme bie seltsamen Abenteuer seines Lebens. Die blaugetündue Gaststube, die erfüllt war von ben tiefen Atemzügen bulgarischer Bauern, bie mit auf gerissenen Munbein auf ben Waubbänken schliefen, bie Laminfellmütze ins Gefickt geschoben, weitete sich zu den lichterstradlenden Sälen von Zarskoje Selo, unb die glanzvollen Gesellschaften ber Roma- Noss« glitten gespenstisch vorüber, beschworen von ber leisen, gebrochenen Stimme neben mir. Bis sich bie einsamen Schnee selber der Ostfront vor ben Glanz schoben, ber Geruch von Blut unb Rauch bie Szenerie erfüllte. Dann aber hob sich ber Vor - hang über den bramatifchen britten Akt bieses Lebens: Wilde Tage in Petersburg; marschierende Arbeitermassen über ben Ncwski-Prospett — rote Fahnen. Abenteuerliche Flucht, ver- üeckt in den Leubergen eiliger Panjewagen — ben Herzschlag Der SPD. hat von weittragenben Plänen erfahren, bie die Reichsregierung durch Notverordnung verwirklichen will. Sie schließen ein die Aufhebung des Nachtbackverbots für große Brotfabriken. Man will die Brotversorgung vereinfachen unb verbilligen, unb zwar so, baß die Brotfabriken, die ja das Brot billiger Her - stellen als die Bäcker (unb, wenn sie in unausgesetztem Betrieb weitere Verbilligung erzielen können), sich auf das Backen be - schränken, während die Bäcker, bei denen der Brotvertrieb billiger als bei den Brotfabriken ist, nur den Vertrieb übernehmen. Die Folge konnte sein, daß sich die Bäcker in Genossenschaften zusammenschließcn, die das von ihnen zu ver- kaufende Brot in Brotfabriken herste'len lassen, während sick die Bäcker selbst auf die Produktion von Klein- und Weiß- gebäck beschränken. In Dänemark ist das zum Bei'piel üblich. Es sollen weiter Sicherungen geschaffen werben, daß bie Aufhebung des Nachtbackverbotes die nur für Brotfabriken gelten soll, Nicht oazu benutzt wiro, um das Aeberjchlchten- Unwesen ber Vorkriegszeit bei den kleinen Bäckereien wieder einreißen zu lassen. Man wirb die Notverordnung abwarfen müssen, um ben • Wert biefer Sicherungen zu beurteilen. Die Regierung führt für bie Aufhebung bes Nachtbackverbotes an, daß es zu einer Brotverbilligung beitrage. Zn diesem Zusammenhang muß man aber auf die Zustände auf ben Betreibe Märkten aufmerksam machen. Am Montag war zum Beispiel auf dem Berliner ©etreibemarst prompter Roggen so gut wie gar nicht angeboten. Mit bem Roggenangebot sähe es überhaupt schlimm aus, wenn nicht die Regierung öfter mit russischem Roggen entspränge. Am Montag habe» sich die Roggenpreise und auch bie Noggenmehlpreise stark erhöht. So geht das fast Tag für Tag. Englisches ..AiMiimvng' WTB. £ o o b o «, 17. November. Das LnterhmrS «ahm die Entschließung ber Regierung, die st» auf das Antidumpmg-Gesetz bezieht, mit 396 : 51 Stimmen an. (Am Sonnabend Hal das Hamburger Echo den Sackverhalt berichtet.) Buße mif Befehl! Don Walter Ludwig Tut Buße! Auf staatliche Anordnung. Die Preußen haben e< zu einer andern Zeit notwendiger als die Württem - berger, die Bedürfnisse der Sachsen auf diesem Gebiete fallen in einen andern Teil des Kalenders als die der Badenser. So viel Länder, so viel Bußtage. Ein gar merkwüriger kirch - licher Partikularismus. Wohl in keiner andern Richtung kommt das heutige Staatskirchentum besser zum Ausdruck als in dem im Kommandoton befohlenen Bußtag. Millionen von Menschen, mit verschiedenen Gemüts - bedürfnissen, mit all ihrem differenzierten Seelenleben, mit all ihren ach so unterschiedlichen Röten — glaubt Ihr wirk - lich, sie zur Buße an einem bestimmten Kalendertag auf rufen zu können?! Glaubt Ihr, daß die menschliche Seele auf - gewühlt wird, wenn an einem bestimmten Wochentag ein - mal nicht offiziell gelacht und getanzt werden darf? Unsere großen Feste, sie sind etwas Gewordenes; sie waren große Feiertage, noch ehe an ein Christentum zu denken war. Auch die Bußtage finden ihre geschichtsmaterialistische Erklärung und bestanden schon vor dem Christentum. Bereits vor Jahrtausenden war der Lang des Menschen vorhanden, nach Stunden und Tagen gewaltiger Aufrütte - lung wieder zur Beschaulichkeit, zur Besinnung zu kommen. Rach jeder großen Katasttophe folgte die lleberlegung, nach großen Notzeiten der Ruf zur Besserung, nach großen Aus - schweifungen — im alten Rom nicht selten — war das Be - dürfnis zum Fasten vorhanden. Auch hier paßte sich dann später das offizielle Christentum sehr gut an und organisierte auch diese Art von Gemütsbedürfnissen. Der Bußtag wurde angeordnet. Aber noch einmal mußte die materialistische Geschichts - auffassung bestätigt werden, als da« Bauerntum gegen einen Feiertag rebellierte, der in der Zeit ihrer größten Feldarbeit lag. Man verlegte den Bußtag in den November, in die Zeit nach der Ernte, und bewies damit wieder einmal recht ttefflich, daß auch kirchlich-religiöse Dinge von ökonomischen Zweckmäßigkeiten nicht ganz unabhängig sind. Verurteilen wir den Befehl zur Buße, so achten wir doch da« Motiv, das ursprünglich die Menschen zu solchen Stunden und Tagen tritch. Katastrophen sind heute im Zeitalter der Technik nicht geringer; Notzeiten tn kapitalisti- . scher Gesellschaft nur größer geworden; heute schreit fast die gesamte Menschheit nach Erlösung, nach Befteiung aus irdischer Knechtschaft. Das Dtesseits ist zur Lölle geworden. Tut man da noch Buße aus Angst vor einer Löllenpein eine« vom Christentum aufgezeigten Jenseits? Zur Beschaulichkeit, zur Besinnlichkeit kam man einstens, wenn auf kurze Zeiten Gesellschaft und menschliches Zusam- mensein in Anordnung gerieten. And weil immer sehr rasch solche Bedrückungen von den Menschen wichen, genügte diese „Buße", ja, sie mußte sogar ihre Anerkennung finden. Leute bedrückt gesellschaftliche Not den Menschen. Klassen - gegensätze sind unüberbrückbar geworden, viele Millionen Menschen sind in ihrem ureigensten Trieb, zu arbeiten, unter - bunden. Die heutige Gesellschaft bestraft den Menschen mit dem Verbot zu arbeiten. Der Lunger ist zur großen Volks - krankheit geworden. Verwirrter denn je sind heute die Mei - nungen über die Bekämpfung solch gesellschaftlicher Schädi - gungen. Da kann es weder die scheinbare Ruhe der Beschaulick- keit, noch eine kurze Flucht in die Besinnlichkeit geben. Er - kenntnis heißt heute die Forderung an den arbeitenden Menschen. Kein Zurückweichen zur Buße in stille Winkel, keine ideologischen Nebelschwaden vor das Gehirn, sondern ein klares Bewußtwerden der gesellschaftlichen Zusammen- hänge, Erkenntnis der Klassenlage des Proletariats und ein scharfer Verstand zur Bestimmung des Weges aus all dem Elend bet Gegenwart sind heute notwendig. So stellen wir der christlich-kirchlichen Buße die marxistische Erkenntnis, der passiven Loffnung den aktiven Willen zum Kampf gegenüber. Wer an dem arbeitsfreien Zwangsfeier - tag sich ein wenig tiefer mit den Fragen des Sozialismus befaßt, bat für das Erdendafein der Menschen mehr getan al« die zur kirchlichen Buße befohlenen Gläubigen. 's/ Preis 10 4 Hamburger Echo 1 nanswoni '^onnrur'""^ 1 W E. B- S-AJr ß 33*a. »insoflcn müllen tm Dorr usod. fol txtöu:: lun: mf W BWlonOfiraS« ii. Lochrancrik, gcmlurccDcr: xnick und VeNag. «un L So.. »ckU nwira e 11. U HkNUvt. . Lammel- «ammel-Rummet MIT01, UlaCDtnif 3514 61 (Me n ui^ obm*e> r&nbct 1 875 601 8» taten und in allen anet tonnten Än,cian> nuinadmetteuen. Buchüllndmng. 5taiicr»2i'Uhtinb