Nummer 155 SS. Jahrgang SNrtttvoth, 29.Juml932 Preis 104 Hamburger Echo ^ombttmatitenaerlfolSsbtoft WMMMMW WUHWUIH 4IUVUUU ArVItVwWU 5£x a »Ä te ÄTK ÄftÄ™S»"«Ä MS'ötlT» Ä „ K x . er ÄdSwTS 17*«.’ «*. 1M> W 1» tiw ««« «u»d°nd.ung: «ntler-^iHKlnweft-aggte^ AZ Gegründet 1875 taten »Utaun tat» ta Ä o “ Hamburger Nachrichten fordern zum Staatsstreich auf! Papenkabmelt soll Weimarer Verfassung „außer Krafi" sehen, die Dersassungseide mißachten und eine MiMärdiktaLur einführen! Dinge ge- Machtpro Was tagt -io Retchsregierung dazu? Die Hamburger Nachrichten veröffentliche« in ihrer Abendausgabe vom Dienstag einen „Offene» Drief" der Hauptschriftleitung an bett Reichskanzler von Papen, der itt Verbindung mit dem Leitartikel desselben Blattes von Sonntag morgen bett Reichskanzler zur Errichtung einer Militärbiktatnr unb zur „Außerkraft - setzung" bet Weimarer Verfassung aufforbert unb also eine glatte AufforberungzumHochverrat barstellt. In der Nummer vom Sonntag, 26. Juni, erklärt der Hauptschriftleiter des Blattes, Herr vonNeuhaus, wenn die Dinge in der bisherigen Weise weitertrieben, würde ent - weder das Reich eines Tages wieder ein Staatenbund sein, was gleichbedeutend sei mit seinem Zerfall oder man werde sich rechtzeitig entschließen müssen, auch voreinerReichs- exekutive nicht zurückzuschrecken. Der Liberalis - mus habe den Staat so aufgelockert, daß nichts mehr vor - handen sei als eine anorganische Masse, die nurnoch mit der Waffe des Soldaten in Schach gehalten werden könne. And der Artikel schließt mit folgender Auf - forderung an die Reichsregierung: Wir komme» zu dem Schluß: Die Verfassung vou Wei- mar besteht fakttsch nicht mehr. Aus dieser Tatsache soll man die Folgerung ziehen und steauchformellanßerKraft setze» und nicht länger so tun „als ob". Wie solle« wir Außenpolitik tteiben, weun wir im Innern eine» völlig des- organisierte» Staat haben? Gerade mit Rücksicht ans unsere außeupolittsche Stellung sollte die Reichsregierung so schnell wie möglich an die Reorganisation «äse res gesainten StaatslebenS Herangehen. Dieser gebieterische» Forderung gegenüber müssen alle jnristischen Bedenke» schweige«; denn höher als alle Paragraphen und Eide eines Einzelmen - schen steht das Deutsche Reich. Diese Aufforderung zur „Außerkraftsetzung" der Weimarer Verfassung, zur Mißachtung der feier - lich geschworenen Verfassungseide sowohl des Reichspräsidenten wie der Mitglieder der Reichsrcgie- rung, diese Aufforderung zum Staatsstreich stellt eine ganz klare Aufforderung zum Hochverrat dar. Der § 85 des Strafgesetzbuches bestimmt: „Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag, oder öffentliche Aus - stellung von Schriften oder andern Darstellungen zur Aus- führung einer nach § 82 strafbaren Handlung auffordert, wird mit Zuchchaus bis zu 10 Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer bestraft" Zm § 82 wird bestimmt, daß als ein Anternehmen, durch das das Verbrechen des Hochverrats vollendet wird, jede Handlung anzusehen ist, durch die das Vorhaben un - mittelbar zur Ausführung gebracht werden solle. Was aber ein hochverräterisches Anternehmen i st, das wird im § 81 festgelegt, in dem es im Absatz 2 heißt: „Wer es unternimmt „die Verfassung des Deutsche« Reiches oder eine# Bundes- staates gewaltsam zu ändern, wird wegen Hochverrats mit lebenslänglichem Zuchthaus oder lebenslänglicher Festungs- haft bestraft". Die Aufforderung der Hamburger Nachrichten an die Reichsregierung, über alle juristischen Bedenken und Eibe hinweg, gestützt auf die Waffe des Soldaten, die Verfassung außer Kraft zu sehen, tst also eine glatte Aufforderung zur gewaltsamen Aenderung der Verfassung. Mit dieser Aufforderung haben es die Hamburger Nachrichten nicht bewenden lassen, sondern haben am Dienstagabend int Sinne der Ausführungen ihres Sonntags-Leitartikels den oben erwähnten „Offenen Brief" an den Reichskanzler von Papen gerichtet, m dem der Reichskanzler unter Hinweis auf die Besprechung der Länderminister in Berlin aufgefordert wird, vom verhandeln zum Handeln überzugehen, die vollziehende Gewalt den militärischen Stellen zu übertragen tmd die Minister der rebellierenden Länder zu verhaften! Die entscheidenden Stellen des Offenen Briefes lauten: Ganz außerordentlich bedenklich wird Sie Herr Reichs- kontier das Komplott stimmen, das anscheinend tn den st^en Tagen' in Berlin von dem geschäftsführenden preußischen Ministerpräsidenten angezettelt wüt. Wenn man die darüber erschienenen Meldungen in der Presse verfolat, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß da tn . trieben werden, die ein den gesetzlichen Tatbestand der Bor bereitung des Hochverrats sehr eng auslegender StaatsanwaÜ zum Anlaß nehmeni konnte vort Amtswegen eintuareifen. sollte dazu aber das Vorgehen der preußischen Regierung nicht ausreichen, dann steht zu hosten, da« Landtag von seinem Recht des Artikels v8 Absatz 1 der preußischen Verfassung Gebrauch macht und btt Minister unter Anklage stellt. . Für Sie, Herr Reichskanzler, und die von Ihnen geführte Reilbsreaieruna erhebt sich die Frage, wie lange Sie sich dies offenen Widerstand gegen Ihre Maßnahmen gefallen lassen wollen. Vergessen Sie mcht daß es sich bter um ein« Mawtvrobe handelt, aus der Sie unbedingt ai0 erster Sieger hervorgehen müssen. S»e werden also, wein dl, esSt>,negierun g ,n 3 l i ch gefährdet und Sie werden nicht mehr darum herum- kommen, dem Herrn Reichspräsidenten nahezulegen .^d^n von den Landerregie ru"«ss.ntliche wie von den Ko-nmuniste« gestörte offentl ch Ruht unb Orbnung wieder htrgtsttllt »iro. Dw Matt der ntutn RowtrmMntz Der Reichspräsident empfing am Dienstag den Reichs - minister des Innern zum Vortrag Über die schweben- bett politischen Frage». Rach der Besprechung unter - zeichnete der Reichspräsident die angekünbigte Ergänzungsverorb- nungqur Notverordnung vom 14. Juni, durch die Hitlers Privat - armee wieder offiziell gestattet wurde. Ueber den «Inhalt der neuen Not - verordnung „zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen", die heute im Reichsgesetzblatt veröffentlicht werden soll, werden folgende Ein - zelheiten bekannt: § 1 ermächtigt die Landesregierungen, politische Um- züge und Versammlungen unter freiem Himmel dann zu verbieten, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. Das gilt aber nur für besonders abgegrenzte Ortsteile unb in besonbere« Einzelfällen. Dadurch werden die weitergehende» Verbote allgemeiner Nat»r außer Äraft gesetzt. Dasselbe gilt für das Lniformwese«. Nur bei akuter Gefahr können die Länderpolizeibehörden llnfformverbote aussprechen. Die allgemeinen Uniform- verböte werden außer Kraft gesetzt. Der Reichs ¬ innenminister ist ermächtigt, etwa neu erlassene allgemeine Ver - bote aufzuheben. § 2 ermächtigt den Reichsinnenminister, für das ganze Reich und auch für einzelne Teile Versammlungs- und Aniformverbote auszusprechen sowie die erforderlichen Strafen zu verhängen. § 3 gestattet die polizeiliche Beschlagnahme und Einziehung von Plakaten, Flugschriften oder Flugblättern, in denen zu Gewalttätigkeiten aufgefordertwird. Die Verordnung, die der Reichsinnenminister außerdem zur Regelung des Demonstrationswesens erlassen hat, stützt sich auf § 4 Absatz 2 der Notverordnung vom 14. Juni, wodurch der Reichsinnenminister befugt worden war, eine Anmelde - pflicht für Demonstrationen anzuordnen. Diese Anmeldepflicht wird nun allgemein ausge- sprachen, und zwar für das ganze Reich. Alle öffentlichen politischen Versammlunge« sowie alle Versammlungen und Amzüge unter freiem Himmel müssen spätestens zwei Tage vorher angcmelbet werden. Solche Demonstrationen können im Einzelfalle verboten werden, wenn Gefahr im Verzüge. Statt eine# Verbots können solche Veranstaltungen auch mit ganz bestimmenden Auflagen bedacht werden. (Den Wortlaut der Notverordnung, der in der Mittagsstunde bekannt wird, siehe 3. Seite.) Die Autorität des Reiches darf nicht länger Spielball der Länder bleiben. Es scheint uns bereits für die Einsetzung ziviler Reichskommissare zu spät zu fein. D i e voll'- ziehende Gewalt in den Ländern muß den militärischen Stellen übertragen werden. Eine andere Frage, die ernstlich zu erwägen wäre, ist, ob die Herren Reichskommissare ihre zweifellos segensreiche Tätigkeit nicht Damit jeaiButi« sollen, put Herren Minist er per rebellierenden Länder zu verhaften. Es würde auf diese Weise am schnellsten die öffentliche Ruhe und Ord- - nung wieder bergestellt." Offener unb dreister ist wohl noch nie in einem brutschen Blatt zum Staatsstreich, also zum Hochverrat, aufgefordert worden. Wir wollen uns nicht weiter mit der Frage auf - halten, was wohl mit einem komunistischen Blatt geschehen würde, in dem derartige Aufforderungen enthalten sind. Ins - besondere der Oberreichsanwalt wird nicht umhin können, sich sofort mit den Hamburger Nachrichten zu be - fassen. Ueber diese Frage hinaus wichttger ist jedoch die Frage nach den Hintergründen dieses Offenen Briefes, der ja nur äußerlich an die Berliner Besprechung der Länder - minister anknüpft, dessen grundlegende Gedanken aber bereits in dem Sonntag-Leitartikel, bereits vor der Ber - liner Konferenz enthalten und deutlich formuliert waren. Die Grobschlächtigkeit, mit der in dem Offenen Brief die Wünsche der reaktionären Kreise vorgettagen werden, könnten manchen vielleicht zu der Annahme führen, als handele es sich hier lediglich um nicht ernst zu nehmendes Geschwafel eines sich aufplusternden Journalisten. Eine solche Annahme erscheint uns jedoch im Hinblick auf die Vorgänge der letzten Zeit absolut nicht angebracht. Die Hamburger Nachrichten hcck>en sich schon wiederholt über die Absichten und Pläne g e - wisserZirkelals außerordentlich gut informiert erwiesen, sie haben sich auch schon wiederholt zum Sprachrohr solcher Pläne gemacht. Die Vermutung liegt daher auch jetzt nahe, daß die Ausführungen der Hamburger Nachrichten nicht lediglich ein Produkt der Nachrichten- redaktion sind, sondern auf Intentionen be - stimmter Kreise zurückgehen, die sich absichtlich eines außer - halb Berlins erscheinenden Blattes bedienen, um ihre Pläne in die Oeffentlichkeit zu lancieren. Die Tatsache, daß die Hamburger Nachrichten diese Auf - forderung zum Staatsstreich veröffentlichen konnten, ohne daß die R e i ch s r e g i e r u n g, die in den letzten Tagen mit Auflagenachrichten an die Presse und mit der An - kündigung schärferer Maßnahmen gegen mißliebige Presse- äußerungen außerordentlich schnell bei der Land war, bisher irgend etwas hat verlauten lassen, zwingt uns des weiteren zu der ausdrücklichen Frage, was die Reichsregierung gegen die in den Hamburger N a ch r i ch ten erfolgte Vlufforberung zum Staatsstreich und gegen die Länderregierungen ausgesprochene un - verschämte Verdächtigung, sie störten in gleicher Weise wie die Komm uni st en die öffentliche Ruhe und Ordnung, zu tun gedenkt. Nachdem die Reichsregierung in der bekannten Auflagenach - richt an die Berliner BZ. zum Ausdruck gebracht hat, daß es besondere Pflicht der verantwortungsbewußten Presse sei, ihre Veröffentlichungen jeden sensationellen Charakters zu ent - kleiden, der unter Entstellung der Tatsachen zu einer Ver - schärfung der Gegensätze führen müsse, dürfen wir wohl erwarten, daß die Neichsregierung sofort die Initiative ergreift, um die Hamburger Nachrichten wegen ihrer Aufforderung zum Hochverrat so zur Rechenschaft zu ziehen, tote es die deutschen Strafgesetze vorschreiben. Im andern Falle würde die Reichsregierung einen Präzedenzfall schaffen, der außerordentlich gefährliche Folgen nach sich zu ziehen ge - eignet ist. Was die andere politische Seite anbelangt, so beschränken wir uns hier auf die ruhige, aber sehr nachdrückliche Fest - stellung, daß der Versuch eines Staatsstreiches in Deutsch - land Folgen haben müßte, über die sich die Hamburger Nach - richten und auch ihre skrupellosen Hintermänner anscheinend nicht genügend klar sind. Die Spekulation, die deutsche Ar - beiterbewegung mit der Waffe des Soldaten nieder - zuzwingen, dürste sich als eine gründliche Fehlspekula- tion erweisen. And wir sind überzeugt, daß diese Meinung auch von der Reichsregierung geteilt wird, hat doch Reichs - wehrminister Schleicher erst kürzlich ist einer Auseinander - setzung mit dem Vorwärts ausdrücklich betont, daß auch nach seiner Ueberzeugung die Macht der Bajonette allein nicht ausreicht, um als Grundlage einer Regierung zu dienen. Das sollten sich auch alle jene sehr nachdrücklichst ein - prägen, die mit Staatsstreichsgelüsten hausieren gehen! Sklallks enhe Saö Panama der Neaktion Mit dem Zuchthausurteil gegen die Brüder Sklarek ist ein Prozeß zu Ende gegangen, der von der Reaktion zu einer niederträchtigen und demagogischen Hetze gegen die Sozial - demokratie ausgeschlachtet werden sollte. Dieser traurige Versuch ist vorbeigelungen! Die Inttiganten und Ver - leumder selbst stehen aufs schwerste diskreditiert da. ES braucht nur darauf hingewiesen zu werden, daß es der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Wolf ge - wesen ist, der den Pokal, aus dem Max Skarek zu trinken pflegte, in geradezu gotteslästerlicher Weise gesegnet hat; man braucht ferner nur daran zu erinnern, daß es der deutschnationalc Landtagsabgeordnete K i m b e l war, der sich als einer der eifrigsten Propagandisten der Sklareks betätigte, und man muß vor allen Dingen immer wieder darauf Hinweisen, daß sich die Deutschnationale Volkspartei nicht geschämt hat, von den Sklareks Tausende von Mark für ihre schwarz-weiß-rote Parteikasse in Empfang zu nehmen, obwohl sie genau wissen mußte, daß das Geld nicht aus Aeberzeugungsgründen gegeben worden war, sondern als Schmiergeld unter die „Geschäftsspesen" kam. Als die ffandalöse Sache mit dem Silberpokal passierte, stand der Stern der jetzt zu vier Jahren Zuchthaus Ver - urteilten im höchsten Glanze der sogenannten „guten“ Gesell - schaft. Sonntags liefen die kostbaren Pferde der Sklareks auf den Rennbahnen; einmal gewannen sie sogar das Ham - burger Derby. Grafen und Barone gingen auf dem Land - besitz der „königlichen Kaufleute" ein und aus und genossen den von ihnen gestellten Champagner, nebst den dazugehörigen Weibern, aus vollen Zügen. Andern Tage« sammelte man sich wiederum in den Berliner Luxusstätten, oder die illustre Gesellschaft fand sich zum fröhlichen Horrido auf der Jagd zusammen. Was die Pferde an Siegesgeldern heimbrachten, verschenkten die Stallbesiher wiederum an ihre Freunde. Gern ließen sich die Sklareks beim Würfel- und Becherspiel große Summen von diesen notleidenden Herren abnehmen; sie nahmen, sie nahmen, und da das Geld schon im alten Rom nicht gestunken hat, so schadete es nicht, wenn auch die Geber: Sklarek hießen und Juden waren. Einmal mußte man sich aber erkenntlich zeigen, und so geschah es, daß die Freundesrunde beschloß, den hochherzigen Spendern einen silberne« Pokal z» verleihen, und darauf eingegraben waren die Namen der Getreuen. Vom kommunistischen Stadtrat Degener bis zum deutschnationalen Reichstagsabgeordneten Wolf; es hat kein Name gefehlt. Weil aber dieser Wolf zugleich evangelischer Pfarrer war, nahm man ihn beim Amt, unb er ließ sich nicht lumpen, dem Pokal den priesterlichen Segen zu geben! So weit, so gut! Wir kennen diese Bilder aus allen Zeiten und aus allen Ländern, und nicht zuletzt aus der kaiserlichen Periode der Hohenzollern. Es sei nur an die Skandalaffären unter Wilhelm IL erinnert, an die Brüder Tippelskirch und ihre Leereslieferungen an die Kolonialttuppen, an den Fall des Oberhof- mar s ch a l l l s der ehemaligen Kaiserin, Graf Mir - bach, der von Jud und Christ Gelder für protestantischen Kirchenbau sammelte, an die Börsengeschäfte des B^i r o n s L o l st e i n, an die Steueraffären Bismarcks, an den Ordensschacher und Ordensgeschäfte unter Wilhelm II. und andern deutschen Fürsten. Nur mit dem Anterschied: damals kamen die sozialdemokratischen Redak - teure ins Gefängnis, wenn sie es wagten, diese welt - bekannten Gaunereien anzutippen, während die Schuldigen frei, unbestraft und im Genuß ihrer errafften Gelder blieben. Im „System" der Nachkriegszeit ist bis heute kein Bruch» in Lausanne? MacSsnaLSs / HerrLois ParLei drii